Mit diesem Thema versucht sich die Zeitschrift Der Wachtturm vom 1. Januar 2005, Seite 23ff. zu befassen. In diesem Artikel möchte die neueste Ausgabe Teenagern Hilfestellung bei der Wahl ihrer Freunde geben.

Der Schwerpunkt wird dabei suggestiv auf das Anderssein von Zeugen-Teenies gegenüber ihren weltlichen Altersgenossen gelegt. Damit reduziert sich die Suche nach gleichaltrigen Freunden allein auf den Kreis der Zeugen Jehovas, wie dies der Artikel sehr subtil formuliert.

Das eben gesagte ist nicht neu und mittlerweile so banal, dass ich es eigentlich nicht mehr erwähnen möchte. Mir geht es bei der Bewertung dieses Themas aber darum, immer wieder aufzuzeigen welcher rethorisch/sprachlicher Mittel Jehovas Zeugen sich bedienen, um, wie hier im konkreten Fall, „weltliche“ Teenager pauschal als schlechten Umgang zu bezeichnen.

Auf Seite 24 werden die Eltern Brian und Mary als vorbildlich herausgehoben, weil sie nicht so liberal waren wie die „weltlichen“ Eltern von Susan. Der Absatz lässt nicht auf den ersten Blick erkennen, ob Susan eine Zeugin ist oder nicht. Dem Kontext kann man jedoch entnehmen, dass Susan keine „Glaubensschwester“ ist:

In unserer Versammlung gab es kaum ältere Jugendliche, mit denen unsere Tochter Jane etwas unternehmen konnte. Eine Freundin hatte sie aber doch“.

Warum waren Susans Eltern liberaler? Der Artikel gibt die Position von Janes Eltern wie folgt wieder:

Susan durfte länger wegbleiben als Jane, kürzere Röcke tragen und Musik hören oder Filme sehen, die wir nicht in Ordnung fanden“.

Der oder die Schreiber dieses Artikels vermeiden es jedoch, diese normativen (wertende) Urteile dieser Eltern zu konkretisieren. Dass Susan länger wegbleiben durfte, kann man weder negativ noch positiv bewerten. Was bedeutet konkret „länger wegbleiben als...“? Dass ein Rock kürzer ist als ein anderes, sagt nichts über seine tatsächliche Länge aus. Welches Genre von Filmen (ein bis zwei Beispiele wären angebracht) durfte Susan sich ansehen, die Janes Eltern nicht ok fanden?

Welche Maßstäbe hier angelegt werden bleibt somit unklar und der Interpretation des Lesers überlassen. Janes Eltern weiter:

Erst als Susan in Schwierigkeiten steckte, merkte Jane, dass unsere konsequente Haltung ein Schutz für sie gewesen war. Wir hatten unsere eigene Vorstellungen, was für unsere Tochter das Richtige war,...“

Abschließend zu obiger Erfahrung kommentiert der Artikel:

Wie Jane haben viele junge Leute gemerkt, dass es gut ist, sich bei der Wahl der Freunde von Eltern etwas sagen zu lassen.“

Susan war „weltlich“ ihre Eltern „liberaler“ und Susan geriet in Schwierigkeiten.

Solche Attribute mit ihren Folgen werden in der Wachtturm Literatur grundsätzlich nur mit „weltlichen“ Personen in Verbindung gebracht oder mit Zeugen Jehovas, die sich weltliche Kontakte suchen. Dies ist eine sehr einseitige Darstellung der Wirklichkeit.

Mit solchen subtilen Mitteln sollen Zeugen-Teenies nur auf Altersgenossen innerhalb des Zeugen-Milieus fixiert werden.

Auf eine ähnliche Konstellation stößt der Leser auf Seite 27. Ein Zeuge Jehovas berichtet davon, dass ihm als Jugendlicher manche Dinge nicht erlaubt waren, die die Eltern seinen „weltlichen“ Freunden gestattet hatten:

Matthew, ein junger Christ, der heute in einem Zweigbüro der Zeugen Jehovas mitarbeitet, erzählte: ‚Als Jugendlicher fand ich die Regeln, die meine Eltern aufstellten, unfair. Ich dachte: Wenn die Eltern meiner Freunde etwas bestimmtes erlauben, warum können es meine Eltern nicht auch erlauben? Am meisten hat es mich geärgert, wenn ich manchmal zur Strafe nicht mit den anderen Kanu fahren durfte – ausgerechnet das, was mir so viel Spaß machte. Jetzt im Nachhinein ist mir klar, dass die Erziehungsmaßnahmen meiner Eltern wirkungsvoll und notwendig waren. Ich bin froh, dass sie mich zur richtigen Zeit in die richtige Bahn gelenkt haben.’“

Auch hier wieder die Polarisierung: Die liberalere „weltliche“ Seite im Kontrast zu den strengeren Eltern bei den Zeugen Jehovas. Kinder von Zeugen Jehovas genießen selbstverständlich die bessere Erziehung, wenn man den Wachtturm beim Wort nimmt. Und da Zeugen Jehovas bekanntlich nichts anbrennen lassen, appellieren sie an die „göttliche Weisheit“ der Jugendlichen bei der Wahl ihrer Freunde:

Die göttliche Weisheit bewirkt, dass Jugendliche sich Freunde suchen, die sie positiv beeinflussen.“ (S. 24)

Das Ohr, das auf die Zurechtweisung des Lebens hört, verweilt direkt inmitten weiser Menschen“ (S. 24)