Betrachtungen zu "Der Wachtturm" vom 1. Juni 2008
Endlich wieder einmal ein Wachtturm, der sich mit der Sintflut beschäftigt. Ich habe diesen meiner Frau entwendet um ihn etwas genauer zu analysieren. Sind jetzt vielleicht einmal wirkliche handfeste wissenschaftliche Argumente für eine globale Flut angeführt? Ich bin schon sehr gespannt.

Der erste Artikel lautet sehr vielversprechend: „Noah und die Sintflut - Märchen oder doch Wahrheit?“

Wie schade! In diesem Artikel ist kein einziges wissenschaftliches Argument zu finden. Trotzdem interessant finde ich Absatz 3:

Der Bericht in 1. Mose nennt genau das Jahr, Monat und Tag, wann die Sintflut losbrach, wann und wo die Arche aufsetzte und wann der Erdboden abgetrocknet war. Einzelheiten über die Arche selbst - über den Bauplan, die Maße und Baumaterial - sind ebenfalls sehr konkret. Im Gegensatz dazu werden in Sagen meist nur sehr vage Andeutungen gemacht.

Der Wachtturm, 1. Juni 2008, S. 3

Der Leser weiß zwar jetzt, dass es sich um ein genauere Sage als andere Sagen handelt, ob es aber Märchen oder Wahrheit ist, bleibt auch bis zum Schluss des Artikels weiterhin offen. Ausserdem wird für den, der zwischen den Zeilen lesen kann, indirekt zugegeben, dass sich die verschiedenen Flutlegenden doch nicht so decken, wie uns in früheren Zeitschriften immer weisgemacht werden wollte.

Die nächsten 4 Seiten, d.h. den gesamten Artikel „Was Gott an Noah gefiel - Ist das heute wichtig?“ kann man als einer, der nach Beweisen für die Wissenschaftlichkeit der Sintflut sucht, gleich überblättern, nicht einmal ansatzweise ein Argument zu finden.

Da lässt die Überschrift des nächsten Artikels „War die Sintflut wirklich ein weltweites Ereignis?“ für den aufrichtigen Forscher schon mehr Hoffnung aufkeimen.

Erstes (Pseudo)argument:

Mancher fragt sich vielleicht, ob der Bericht, dass die ganze Erde überflutet war, eine Legende oder zumindest eine Übertreibung ist. Keineswegs! Eigentlich steht die Erde ja immer noch weitestgehend unter Wasser. Die Meere bedecken immerhin 71 Prozent der Erdoberfläche. Demnach sind die Wasser der Flut noch vorhanden. Sollten die Gletscher und die polaren Eiskappen völlig abschmelzen, würde der Meeresspiegel massiv ansteigen, sodass Städte wie New York und Tokio unter Wasser stünden.

Der Wachtturm 1. Juni 2008, S. 8

Da dieses Argument nicht wissenschaftlich ist, ist hier meine Kritik auch nicht wissenschaftlich, sondern theologisch geführt:

Liebes Schreibkomittee, habt ihr nicht den Schöpfungsbericht gelesen?

Die Erde nun erwies sich als formlos und öde, und Finsternis war auf der Oberfläche der Wassertiefe; und Gottes wirksame Kraft bewegte sich hin und her über der Oberfläche der Wasser. (Genesis 1:2)

Und Gott sprach weiter: „Die Wasser unter den Himmeln sollen sich an einen Ort sammeln, und das trockene Land erscheine.“ Und so wurde es. Und Gott begann das trockene Land Erde zu nennen, die Sammlung der Wasser aber nannte er Meere... (Genesis 1:9,10)

Demnach sind heute die Wasser der Schöpfung noch vorhanden, und zwar unabhängig, ob es eine Flut gegeben hat oder nicht!

Der nächste Absatz klingt vielversprechend, beginnt er doch mit „Geologen...“

Geologen, die die Landschaft im Nordwesten der Vereinigten Staaten studiert haben, gehen davon aus, dass sich dort bis zu 100 katastrophale Überschwemmungen ereignet haben. In einem Fall soll eine 600 Meter hohe Wasserwand mit einer Geschwindigkeit von über 100 Stundenkilometern über das Gebiet hereingebrochen sein - eine Wassermenge von 2000 Kubikkilometern mit einem Gewicht von über 2 Billionen Tonnen. Da ähnliche Befunde auch anderswo vorliegen, halten manche Wissenschaftler eine weltweite Flut für durchaus möglich.

Der Wachtturm 1. Juni 2008, S. 8

Achso, es hat alleine an diesem Punkt der Erde 100 Sintfluten gegeben. Sind Sintfluten etwas normales und häufigeres? In einem Fall gab es eine 600 Meter hohe Wasserwand. Wie hoch war die Wasserwand im zweithöchsten Fall? Vielleicht nur 599 Meter? Aufgrund der unseriöserweise unterschlagenen Quellenangabe kann ich das leider nicht prüfen. Wer sind die Wissenschaftler, die eine weltweite Flut für möglich halten? Doch nicht etwa dieselben welche "die Landschaft im Nordwesten der Vereinigten Staaten" studiert haben? Der Absatz sagt dies nicht explizit, möchte aber offensichtlich beim Leser diesen Eindruck erwecken!

Der Rest des Artikels stützt sich wieder nur auf die Bibel. Zur Verteidigung der Bibel muss ich sagen, dass sie nicht den Anspruch erhebt in jedem Falle wörtlich auslegbar zu sein, das ist aber eine völlig andere Diskussion. Die Sintflut macht vielleicht im biblischen Gesamtkonzept Sinn, aber so tun, als ob man sich auf die Wissenschaft stützen könne und dann doch wieder „nur“ auf die Bibel verweisen, ist nicht ehrlich:

Für Menschen, die die Bibel als das Wort Gottes akzeptieren, liegt eine solche Flut nicht nur im Bereich des Möglichen, sondern ist eine Tatsache.

Der Wachtturm 1. Juni 2008, S. 8

Man kann zwar mit der Sintflutsage theologische Diskussionen führen, aber wie der Wachtturm (ungewollt, aber doch) klar aufzeigt, gibt es keine wissenschaftlichen Beweise dass diese Sintlut wirklich ein weltweites Ereignis war, geschweige denn gewesen sein könnte.