In den Vereinigten Staaten sorgt eine von der WTG herausgegebene Broschüre für erhebliche Unruhe unter den Zeugen Jehovas.

Versucht die Wachtturm-Gesellschaft doch hier, an das ganz große Geld ihrer Mitglieder zu kommen. Dabei bietet sie den Anhängern verschiedenste Modelle an, wie eine Spende sich auch zum Vorteil eines Gebers auswirken kann - vor allen Dingen durch Steuerersparnisse. In Deutsch gibt es diese Broschüre nicht; sie müßte auch völlig neu geschrieben werden, da das amerikanische und das deutsche Steuerrecht in einigen Dingen grundverschieden sind. Wir haben uns dennoch an den Versuch gewagt, dem interessierten Leser die Broschüre in einer Übersetzung zugänglich zu machen. Ein Dokument, das eigentlich jedem kritikfähigen Zeugen Jehovas klar machen sollte, daß "die Gesellschaft" weit mehr verfolgt als religiöse Ziele.

Den weiteren Ausführungen in der Broschüre wird als Motto ein Bibelzitat vorangestellt: "Ehre Jehova mit deinen wertvollen Dingen" (Sprüche 3:9). Wer mit "Jehova" gemeint ist, wird bald klar, hatte doch schon Rutherford in der Zeitschrift Consolation (dem Erwachet!-Vorgänger) vom 4. September 1940, Seite 25 [Trost, Ausgabe nicht in Deutsch] geschrieben:

Die Theokratie ist die verheißene Verwaltung der irdischen Angelegenheiten durch Jehova Gott. [...] Diese Theokratie ist nun auf der Erde in Kraft. Die Theokratie wird gegenwärtig durch die Watchtower Bible and Tract Society ausgeübt, deren Präsident und Leiter Richter Rutherford ist. [engl.: The Theocracy is at present administered by the Watchtower Bible and Tract Society of which Judge Rutherford is the president and general manager.]

Und diese "Theokratie" ist es denn auch, die Gottes Namen mißbraucht, um nun die wohlhabenderen Brüder und Schwestern um größere Beträge anzugehen. "Planned Giving to Benefit Kingdom Service Worldwide" heißt die Broschüre, etwa zu übersetzen mit "Im voraus geplante Gaben zum Nutzen des weltweiten Königreichswerkes."

SchaubildIm voraus geplant - und entsprechend sehen denn auch die Abbildungen aus, mit denen geworben wird: Nachdenkliche Menschen, die etwas wohl abwägen, z.B. die Schenkung eines größeren Betrages oder die Übertragung einer Versicherung, entweder durch Rückkauf und Spenden des Betrages oder Einsetzen der WTG (Wachtturm-Gesellschaft) als Begünstigte, oder die Übertragung eines Grundstücks. Gleich die ersten drei Punkte im Inhaltsverzeichnis handeln davon. Und es soll geklotzt werden, denn es werden Rechenbeispiele mit fiktiven Personen vorgestellt, in denen von US-$ 10.000,-- und aufwärts ausgegangen wird.

Nun mag es Zauderer geben, die vielleicht nicht gleich auf solch ein Angebot eingehen wollen. Aber auch für sie hält die WTG Angebote bereit: "Conditional Donations", Spenden, die zurückgezahlt werden können, wenn der Stifter in Not gerät oder das Vermögen anderweitig gebraucht wird. Und es besteht die Möglichkeit, die WTG im Falle des Ablebens als Erbin einzusetzen. Beispielsweise durch Übertragen des Vermögens an eine Stiftung, die aus dem Stiftungsvermögen einen festen Betrag pro Jahr als Einkommen an den Stifter zahlt, bis das Vermögen beim Todedes Stifters an die WTG fällt (siehe Abbildung). Eigentlich ist nichts ausgelassen; alle Möglichkeiten werden, wie gesagt, anhand von fiktiven Fallbeispielen durchgerechnet und zum besseren Verständnis an Grafiken klargemacht.

Schon im Wachtturm vom 15. März 1985, Seite 30 ("Sie haben sich 'willig dargeboten'") finden wir einen Kasten mit ähnlichen Vorschlägen, der im folgenden zitiert werden soll:

Wie einige einen Beitrag zum Königreichswerk leisten

Schenkungen: Einige Personen senden ihre Gaben und Spenden direkt an das Zweigbüro in dem Land, in dem sie wohnen. Mit solchen Gaben sollte immer ein kurzer Brief gesandt werden, in dem erklärt wird, daß das Geld eine freiwillige Spende ist.

Schenkungen mit einer besonderen Auflage: Hierbei stellen Personen ihr Geld unter dem Vorbehalt zur Verfügung, daß ihnen ein Teil oder alles zurückgegeben wird, falls sie es zu ihren Lebzeiten benötigen sollten. Einige übertragen so der Gesellschaft Grundeigentum oder übereignen ihr Wertpapiere, um Kosten und die mit der Anerkennung der Gültigkeit von Testamenten verbundene Unsicherheit zu vermeiden. Andere machen solche Schenkungen, behalten sich aber gewisse Rechte darauf auf Lebenszeit vor.

Versicherungen: Manche haben die Wachtturm-Gesellschaft als den Begünstigten ihrer Lebensversicherung eingesetzt.

Testamente: Andere setzen die Gesellschaft in ihrem Testament als Erben ein, wobei sie dies von ihrem Notar oder Vermächtnisnehmer beurkunden lassen.

Nun mag jemand fragen, was an alledem denn so verwerflich sein soll. Schließlich lesen wir auch in der Bibel von großzügigen Spenden zum Bau des Tempels unter Salomo oder vorher zur Errichtung der Stiftshütte sowie von Besitzübertragungen unter den Urchristen (Apostelgeschichte 5:1). Doch es bestehen zwei entscheidende Unterschiede:

  1. Wenn die Urchristen ihren Besitz zusammentrugen und alles gemeinsam hatten (Apostelgeschichte 2:45), geht es um die Unterstützung der bedürftigen Mitgeschwister, nicht um die finanzielle Ausstattung einer zentralen Leitungskörperschaft (die es unter den ersten Christen nicht gab). Und im alttestamentlichen Israel gaben die Menschen für nationale Projekte, zum Teil aufgrund einer vorherigen Aufforderung durch Gott. Und alle diese Menschen spendeten vorbehaltlos, ohne Vorteile für sich daraus zu ziehen.
  2. Es ist nirgends davon die Rede, daß die Gebefreudigkeit beispielsweise die Urchristen von der Steuerpflicht gegenüber dem Imperium Romanum befreit oder diese Pflicht auch nur gemindert hätte. Genau darum geht es aber bei den Spendenmodellen der WTG: Wie in der Abbildung werden für alle möglichen Fälle die Vor- und die Nachteile durchgerechnet. Und unter den Vorteilen werden die Verringerung der Einkommensteuer und anderer Steuern wie die auf Kapital oder Kapitalerträge genannt.

Ist es nicht aber das Recht eines jeden Menschen, Steuern zu sparen, wenn dies auf legale Weise geschieht? Im Prinzip ja. Doch hier geschieht mehr. Steuerersparnisse sind immer Subventionen eines vom Staat erwünschten Verhaltens. Wer zum Beispiel in den Wohnungsbau oder Schiffsbau investiert, wird von Staat mit Steuerersparnis belohnt, weil die Förderung solcher Projekte staatlicherseits erwünscht ist. Indem die "Investition" in die WTG dem Spender Steuern erspart, subventioniert der Steuerzahler, also alle Bürger, indirekt die WTG. Auch Gegner der WTG subventionieren hier mit. Das sollte eigentlich unter der Würde einer Gesellschaft sein, die christlich zu sein beansprucht: Sich indirekt von ihren Feinden subventionieren zu lassen und, noch bedeutsamer, sich mit bloßen Subventions- und Abschreibungsmodellen zu vergleichen. Dann kann es geschehen, daß Gott mit ihnen genau das tut: sie abschreiben!