Das Vermögen von mindestens zwei Kunden soll ein Freiburger Steuerberater in den Sand gesetzt haben. Deren 700.000 Mark vermittelte er an die Liechtensteiner Kosto Finanz AG, deren Bücher er zeitweise führte.
Dass die Anleger so viel Vertrauen zu dem Steuerberater hatten, lag auch an der gemeinsamen Mitgliedschaft bei den Zeugen Jehovas. Als die Firma pleite ging, war das Geld weg. Die Geschädigten zogen vor Gericht - ohne Erfolg. Der noch tätige Steuerberater hat den Offenbarungseid geleistet.
"Innerhalb von sechs Jahren wird eine Verdopplung der eingesetzten Summe eintreten", schrieb die Kosto Finanz AG im Jahr 1984 an den Anleger, nachdem dessen halbe Million Mark auf dem Konto bei der Postbank Karlsruhe eingegangen war. Beim gleichen Institut hat auch der 73-jährige Steuerberater sein Konto - "zufälligerweise", wie er heute sagt. 200.000 Mark hat ein weiterer Mandant überwiesen, für dessen Unternehmen in einer Umlandgemeinde der Steuerberater mit der Buchhaltung betraut war.
Wo das Geld geblieben ist, kann der 73-Jährige nicht sagen. Schuld sei der Broker der Kosto Finanz AG. Der Steuerberater sieht sich gar selbst als Opfer, weil er eine Viertelmillion Mark in Liechtenstein verloren habe. Die beiden Glaubensbrüder glauben hingegen, dass der Verlust auf sein Konto geht. Denn warum, so fragen sie, ist er nicht rechtlich gegen die Kosto Finanz AG vorgegangen? Einem der Geschädigten bestätigte das Oberlandesgericht Karlsruhe, dass allein über die Kontakte des Steuerberaters Geld an die Kosto geflossen sei. Im Oktober 1994 bekam der Kläger Recht vor dem Bundesgerichtshof. Der Steuerberater wurde verurteilt, die 200.000 Mark zuzüglich Zinsen zurück zu bezahlen - ein Titel ohne großen Wert. Denn die Zwangsvollstreckung endete mit einem Offenbarungseid im Januar 1995. Kurios: Die Frau des Steuerberaters kaufte im September des gleichen Jahres eine Wohnung in Kirchzarten für 440.000 Mark (der BZ liegt die notarielle Urkunde vor). Und: Nach Angaben der Geschädigten und anderer Zeugen Jehovas soll die Gattin weitere Immobilien im In- und Ausland besitzen. Das bestreitet der 73-Jährige nicht, jedoch seien sie alle "hoch belastet".
Den Verdacht falscher Vermögensangaben konnte der Generalstaatsanwalt in Karlsruhe "nach den Ermittlungen nicht mit der nötigen Sicherheit erhärten" heißt es in der Begründung zur Einstellung des Verfahrens, das der geschädigte Unternehmer aus dem Umland im Jahr 1998 angestrengt hatte. Der Versuch des anderen Geschädigten, den Steuerberater wegen Betrugs zur Rechenschaft zu ziehen, scheiterte. Das Freiburger Landgericht urteilte am 11. Dezember 1991, es sei zu keinem verbindlichen Beratungsvertrag zwischen den Parteien gekommen, insofern scheide eine Haftung aus. Das Gericht führte weiter aus, dass der Verlust der halben Million Mark "teilweise auf unberechtigte Entnahmen des Brokers und eines Verwaltungsrats der Kosto zurück zu führen sind."
Doch es gibt noch weitere Vorwürfe: "Der Mann ist ein ganz raffinierter Gauner", sagt ein Selbständiger aus dem Raum Emmendingen - auch er ein Zeuge Jehovas. Von ihm habe der Steuerberater ein um 10.000 Mark zu hohes Beraterhonorar verlangt. Und in einem anderen Fall, der zurzeit vor dem Landgericht verhandelt wird, sollen Akten aus dem Nachlass eines Freiburger Immobilienbesitzers - auch er ein Zeuge Jehovas - verschwunden sein. Nachlassverwalter war eben jener Steuerberater.
Ob noch mehr Kunden des Steuerberaters Geld verloren haben, ist unklar: Unter den Zeugen Jehovas gilt das Gebot, sich nicht vor weltlichen Gerichten zu streiten. Einer der Erben hat den Broker der Kosto ausfindig gemacht, der sich nach der Pleite in die Dominikanische Republik abgesetzt hatte, und mit dem Vorwurf konfrontiert, er allein habe das Geld verspekuliert. Dessen Antwortbrief klingt wenig vornehm: "Einem solch schlimmen Verleumder hätte ich mit geeigneten Mitteln das Maul gestopft."
Bei den Zeugen Jehovas in der Versammlung Wiehre hat vor einem Jahr ein dreiköpfiges Komitee den Fall untersucht: "Die Ergebnisse haben nicht zum Ausschluss des Beschuldigten geführt", erklärt Werner Burger, der die Gemeinde leitet. Im Übrigen mische man sich grundsätzlich nicht in die privaten Belange der Glaubensbrüder ein: "Er hat allerdings bei uns keinerlei Funktion." Die Geschädigten haben sogar die Wachturmgesellschaft mit Sitz in Selters im Taunus zweimal aufgefordert, gegen den Steuerberater und die Ältesten der Versammlung Wiehre vorzugehen - ohne Resonanz. "Der Brief ist wohl liegen geblieben", sagte ein Sprecher gegenüber der BZ.
Auch die Steuerberaterkammer Südbaden hat sich mit dem Fall befasst, aber bisher nichts gegen ihr Mitglied unternommen: "Wenn wir erst nach Ablauf der berufsrechtlichen Fristen über solche Vorgänge informiert werden, können wir da auch nichts tun", erklärt Geschäftsführer Carl-Maria Best. Man habe seinerzeit mit der Staatsanwaltschaft, der Oberfinanzdirektion und der Kripo Gespräche geführt, ohne zu dem Ergebnis zu kommen, dass der 73-Jährige aus der Kammer ausgeschlossen werden müsste: "Für uns ist der Fall aber noch nicht erledigt, wir recherchieren weiter."
Diese Ergebnisse will nun jener Unternehmer, der den Titel auf Rückzahlung seiner verlorenen 200.000 Mark abwarten, bevor er erneut strafrechtlich gegen den Steuerberater vorgehen will. Dieser hatte seinem ehemaligen Mandanten übrigens vor einigen Monaten einen Besuch abgestattet und eine größere Summe angeboten, wenn er auf den Titel verzichten würde. Der Geschädigte lehnte ab. Das Geld, beteuerte der Steuerberater gegenüber der BZ, hätte ihm "ein Freund" gegeben.
Quelle: Badische Zeitung, 27.2.2002, Autor: Lars Bargmann