"Ich kam mit einer schlechten Note aus der Schule. Meine Eltern fragten mich, wie die Arbeit gelaufen sei und ich sagte ihnen die Wahrheit. Danach bekam ich Hausarrest und Fernsehverbot für einen Tag. Ich fühlte mich fürchterlich." Tim, 14 Jahre

"Am Samstag hatte ich mich mit meinem weltlichen Freund getroffen. Wir waren lange spazieren und hatten eine Menge Spaß. Als ich abends nach Hause kam, stellte mich meine Mutter zur Rede. Ich sagte ihr, was ich für ihn empfinde und dass ich mir vorstellen kann, ihn eines Tages zu heiraten. Meine Mutter ging darauf zu den Ältesten die mich vor ein Rechtskomitee brachten und dann öffentlich zurechtwiesen. Hätte ich ihr bloß nicht die Wahrheit gesagt!" Simone, 17 Jahre

Viele junge Menschen finden sich heutzutage in ähnlichen Situationen wieder wie die beiden am Anfang erwähnten Beispiele. Manche reden sich ein schlechtes Gewissen ein, weil sie hin und wieder doch lügen, um unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen. Sie glauben es sei nicht in Ordnung, Personen, denen man nahe steht, die Unwahrheit zu sagen. Ist das aber wirklich so? Wir können aus der Bibel einige nützliche Lehren kennen lernen, die uns helfen, das Lügen im richtigen Licht zu sehen.

Was sagt die Bibel über das Lügen?

Lügen wird in der Bibel sehr positiv dargestellt. Woher wissen wir das? Jesus als unser großes Vorbild hat uns in diesem Bereich ein sehr gutes Beispiel hinterlassen. Als er von den Pharisäern gefragt wurde, ob er nach Jerusalem gehen würde, verneinte er dies, ging später aber doch dahin. Auch sein guter Freund und Verwandter Johannes der Täufer log (Johannes 1:21, Mathäus 11:14). Jemand mag einwenden, dass die Pharisäer Jesu Gegner waren. Interessanterweise waren aber sowohl Jesus, Johannes der Täufer als auch die Pharisäer Juden, das heißt wahre Anbeter Gottes. Für Jesus war es also eindeutig richtig, seine Glaubensbrüder anzulügen.

Dies bekräftige er selber in Johannes 16:12: "Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen." Er sprach jedoch an keiner Stelle davon, wann das der Fall sein würde.

Manche führen Bibeltexte an, die belegen sollen, dass Lügen schlecht sei. Unter anderem verweisen sie auf Ananias und Saphira, die wegen ihrer Lüge starben. Wenn wir den Bericht jedoch aufmerksam durchlesen, fällt uns auf, dass der Apostel Petrus davon sprach, dass sie "dem heiligen Geist gegenüber ein falsches Spiel" getrieben haben, was zu ihrem Tod führte (Apostelgeschichte 5:1-6). Der Bibelbericht erwähnt an keiner Stelle, dass die beiden verurteilt wurden, weil sie ihre Glaubensbrüder angelogen hatten.

Auch indirekte Lügen, also Lügen, die entstehen, weil wir jemanden zu einer falschen Schlussfolgerung bringen ohne selbst die Unwahrheit zu behaupten, sind nützlich und tragen zu guten zwischenmenschlichen Beziehungen bei. Erinnern wir uns an David. Nach seiner Sünde mit Bathseba wurde sie schwanger. Um diesen Umstand zu vertuschen, lud er ihren Mann Uria zu sich an den Königshof ein und machte ihn betrunken in der Hoffnung, dass dieser nach Hause geht und sich zu seiner Frau legt (2.Samuel 11:2-13). Leider reagierte Uria weder weise noch demütig sondern beharrte stolz darauf, nicht nach Hause zu gehen und mit seiner Frau zu schlafen. Da er nicht auf die gut gemeinte Vertuschung Davids reagierte, musste er für sein halsstarriges Verhalten mit dem Leben bezahlen (2.Samuel 11:14-25). Auch hätte viel Leid vermieden werden können, wenn Uria die falsche Schlussfolgerung, zu der David ihn drängen wollte, einfach akzeptiert hätte.

Lügen unter Gottes wahren Dienern heute

Der treue und verständige Sklave bemüht sich demütig, aus diesen guten und kostbaren biblischen Beispielen Lehren zu ziehen. Wenn du zum Beispiel in älteren Publikationen der Gesellschaft blätterst, wirst du bestimmt feststellen, dass viele Lehren nicht mehr vertreten werden und teilweise sogar vollkommen gegensätzlich zu dem sind, was wir heute lehren, obwohl sie damals "unerschütterliche Wahrheiten" und "Versprechen von Jehova selbst" waren.

Wie geht der Sklave vor, um uns vor solchen irritierenden und leicht misszuverstehenden Tatsachen zu schützen? Auf liebevolle Weise verharmlost er Behauptungen, die er vor Jahren aufgestellt hat. So entsteht der Eindruck, dass es sich damals nur um Wahrscheinlichkeiten und Empfehlungen gehandelt hat, nicht um absolut bindende Glaubenssätze. Außerdem wird gesagt, dass "einige Einzelne" zu der damaligen Zeit verschiedene Sachen falsch verstanden oder zuviel in die Literatur hineininterpretiert hätten.

Diese gut formulierten Behauptungen helfen uns, die Verantwortung für "hinausgezögerte Erwartungen" und geplatzte Hoffungen an der falschen Stelle zu suchen (Sprüche 13:12).

Auch wird in letzter Zeit bei "hellerem Licht" auf biblische Begründungen zu den entsprechenden Lehren verzichtet (Sprüche 4:18). Mit Formulierungen wie "sicherlich", "voller Vertrauen", "in fester Gewissheit" wird Wissen vorgetäuscht, wo nur Mutmaßungen vorliegen. So kann sich die Gesellschaft besser auf ihre Autorität berufen und muss sich nicht mit Bibelstellen beschäftigen, die das Gegenteil von dem sagen, was sie vertritt.

Es ist für unser gemeinsames christliches Zusammenleben förderlich, wenn wir die Wahrheit verschweigen und sie uns verschwiegen wird! Wir können uns sorgenfrei auf das verlassen, was wir hören, weil es unseren Erwartungen entspricht. So entsprechen wir auch voll und ganz dem biblischen Vorbild der Schafe (Johannes 10:4).

Aber ein Wort zur Vorsicht! Pass auf, wie du lügst. Allzu einfach gestrickte Lügen können schnell enttarnt werden. Sei kreativ und benutze verschiedene Ausflüchte für unterschiedliche Situationen. Wenn du einen guten theokratischen Grund (Predigtdienst, Besuch bei älteren Brüdern und Schwestern) hast, um etwas wie Rauchen oder Treffen mit Personen vom anderen Geschlecht zu verheimlichen, dann achte darauf, dass deine Freunde diesen bestätigen. So wirst du dein Unterscheidungsvermögen schulen und wesentlich mehr Erfolg haben, als wenn du nur plump das Gegenteil von dem erzählst, was du getan hast.

Falsche Freunde die dich verlocken wollen

Sei auch vorsichtig, wenn jemand dich dazu bringen will, immer nur die Wahrheit zu sagen. So ein Mensch ist bestimmt nicht dein Freund. Er will dich aushorchen um dich anschließend wegen deiner Fehler zurechtzuweisen, dir Vorrechte wegzunehmen oder dafür zu sorgen, dass Du bei Deinen Glaubensbrüdern in schlechtem Ruf stehst. Manche sind sogar so ehrlich gewesen, dass sie als Konsequenz aus der Versammlung ausgeschlossen wurden. Was für ein trauriges Ende, nur weil man zu ehrlich war! Ist es da nicht besser zu lügen, um Jehova weiter freudig dienen zu können?

Lügen mit anderen zusammen

Das Lügen mit anderen zusammen kann dich ebenfalls erbauen und zu deinem geistigen Fortschritt beitragen. Simone hat sich diesen biblischen Rat zu Herzen genommen. "Seitdem ich wegen des Lügens keine Gewissensbisse habe, geht es mir viel besser. Ich wollte schon immer unbedingt Pionierin werden, konnte es aber nicht wegen meiner Zurechtweisung. Eines Tages war ich mit unserem Vorsitzführenden Aufseher im Dienst. Da ich bereit war seine Geliebte zu werden, gab er mir den Tipp den Kreisaufseher anzulügen, die anderen Ältesten hätten mich belästigt und mich dann zurechtgewiesen, weil ich auf ihre Angebote nicht eingegangen sei. Zusammen erzählten wir dem Kreisaufseher die Geschichte und er glaubte uns. Meine Zurechtweisung wurde aufgehoben und die beiden anderen Ältesten verloren ihre Vorrechte, während ich jetzt als Pionierschwester dienen darf", erzählt sie freudestrahlend.

Denk auch an Tim. Wie sieht er Lügen heute? "Seitdem ich aus der Literatur gelernt habe, dass es harmlos ist die Wahrheit zu verschweigen, geht es mir viel besser", erzählt er. "Ich hatte meinen ersten Vollrausch, als wir letztes Wochenende mit ein paar Freunden aus der Versammlung in dem Gartenhäuschen meiner Großeltern Wetttrinken gemacht haben. Als ich am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen nach Hause gefahren bin, habe ich meinen Eltern erzählt, das sei, weil wir den ganzen Abend in den Einsichtenbüchern studiert haben. Sie waren furchtbar stolz auf mich, weil ich mich soviel mit geistigen Dingen beschäftige!"

Auch du kannst solche schönen Erfahrungen machen, wenn du bereit bist zu Lügen. Deshalb arbeite an deiner Persönlichkeit, damit dir das Lügen leichter fällt. Du wirst sehen, wieviel mehr Freude du an theokratischen Aktivitäten hast, wenn du dich konsequent um ein verlogenes Auftreten bemühst.