Bitte um (Er-)Klärung von für mich nicht nachvollziehbaren Sachverhalten

Liebe Brüder und Schwestern des Zweigbüros Selters/Taunus,

Ich möchte mich in dem aufrichtigen Bemühen um Klärung einiger für mich persönlich uneinsichtiger Glaubenslehren und Verfahrensweisen unserer Gesellschaft an Euch wenden.

Ich bitte Euch herzlich, mir auf Grund dieses Schreibens weder Blasphemie noch Häresie, geschweige denn "Abtrünnigkeit" im Sinne der im "Unterredungs-Buch" verwendeten Definition vorzuwerfen, sondern sachlich und präzise auf die von mir tangierten Sachverhalte einzugehen und mir eine biblische Begründung für unsere Ansichten zu bieten.

Zunächst einmal möchte ich mir die Frage erlauben, mit welcher Legitimität wir behaupten können, die "Neue Welt Übersetzung der heiligen Schrift" (im ff. NWÜ) sei eine der "genauesten Übersetzungen" und überdies seien alle von uns vertretenen biblischen Verständnisse an Hand jeder anderen Bibelübersetzung nach zu weisen.

Ich möchte betonen, dass mir nicht im Geringsten daran gelegen ist die Intention der von den Übersetzern gewählten Übersetzungsmöglichkeiten anzuzweifeln, sondern dass ich lediglich bemerken möchte, das die NWÜ objektiv betrachtet natürlich aus einer grundlegenden Überzeugung heraus übersetzt wurde, und sich diese auch im verwendeten Wortlaut wiederspiegelt.

Im Detail betrachtet, wurde die NWÜ von einigen "biblischen Grundwahrheiten" ausgehend übersetzt. Dazu zähle ich den Monotheismus und die christlich festgelegte Grundlage der Versammlungshierarchien

Nehmen wir als Beispiel die "christlich griechischen Schriften

Das NWÜ-Übersetzungskomittee verwendet den Gottesnamen 237mal im sogenannten "Neuen Testament" (im ff. NT), obgleich dieser in keiner der heute erhaltenen Urschriften vorkommt. Im Anhang wird viel auf verwirrende Abkürzungen von gefundenen, diese Einfügung stützenden Funden diverser Fragmente von Schriftrollen und dergleichen verwiesen, dessen Quintessenz sich aber ganz einfach wie folgt zusammenfassen lässt: Da der Gottesname als für wichtig erachtet wird, sich eine Einfügung aus Gründen der Unterscheidbarkeit zwischen Gott und Jesus anbietet und sich im Übrigen griechische Abschriften der Thora finden ließen in denen der Gottesname durch ein allgemeines "Theos" oder "Kyrios" ersetzt wird (Gott und Herr), ist dem nichts entgegen zu setzen. Dies ist aber eine zweifelhafte und fragwürdige Methode der Dialektik, weil durch die Behauptung, diese Substitution würde keine Sinnänderung des Inhaltes der vorliegenden Urtexte hervorrufen (was im Übrigen nicht einmal ausnahmslos stimmt, s. ff.) impliziert wird, die ÜBERSETZUNG sei nach wie vor korrekt, obwohl man bei einer Einfügung nicht als von einer „Übersetzung“ sprechen kann.

In der NWÜ wird der Name "Jehova" als Gottesname verwendet, der lt. unserer Definition (s. „Einsichten“ - und „Aid“ -Bücher unter dem betr. Stichwort) der gebräuchlichsten und anerkanntesten Form der Aussprache des Gottesnamens entspricht. Zunächst gilt es einmal zu untersuchen, woher die Form "Jehova" stammt. Im Urtext des AT (Altes Testament), wo die älteste Entsprechung des göttlichen Namens zu finden ist, steht an dessen Stelle das "Tetragrammaton", eine Anordnung der hebräischen Buchstaben "JHWH". Man verwendete diese, weil man im Hebräischen oder Aramäischen zum Schreiben keine Vokale (a, e, i, o ,u) verwandt. Der Gottesname, und das ist teilweise im Anhang der "NWÜ mit Studienverweisen" auch so vermerkt, leitet sich von einem hebräischen Verb ("háwah") ab. Man sprach ihn in aller Wahrscheinlichkeit nach "Jahwe" aus (wie das von den Juden noch heute praktiziert wird). Wie er nun TATSÄCHLICH ausgesprochen wurde ist auch weit weniger interessant als die Tatsache, das er ganz gewiss nicht „Jehova“ oder ähnlich ausgesprochen wurde, da „Jehova“ eine Kunstform aus "Adonaj" und "Jahwe" ist, die im 13.Jh. n.Chr. in Bibelübersetzungen eingefügt wurde, um daran zu erinnern, das im Urtext "Jahwe" stand, man aber aus Respekt und Furcht davor, das 3. Gebot zu übertreten, auf die Aussprache verzichten sollte und statt dessen "Adonaj" oder eben „HERR“ zu lesen hätte. Fakt ist also, das man "Jehova" in der Tat "Adonaj" (=oder Herr) aussprach, es war eine Gedankenbrücke, man fügte die Vokale aus "Adonaj" in das Tetragrammaton ein, zu einem "Jahowah" aus dem nach einer Lautverschiebung "Jehowah" oder eben unser Jehova wurde. Diesen Aufschluss, den ich einem weltlichen Werk entnommen habe, sehe ich in meiner Luther-Bibel bestätigt, in der zu meiner völligen Überraschung in einer Fußnote bemerkt wird (bzgl. der dort gemachten Übersetzung von JHWH zu „HERR“): Der hebräische Gottesname lautet Jahwe, wurde durch ein Missverständnis des Mittelalters zu „Jehowa“...(Abriss der Problematik folgt zwar nur knapp formuliert, ist aber wenigstens vorhanden), in meiner NWÜ jedoch nicht. Das bedeutet eigentlich, zu behaupten, Gottes Eigenname wäre „Jehova“ sei genauso lächerlich, als würde man darauf bestehen er laute „Elohim“ oder „Adonaj“ oder „Herr“.

Ihr stimmt mir sicher darin zu, das es äußerst bestürzend ist, wenn ich einer „ungenauen“ und „anachronistischen“ Bibelübersetzung wie der knapp ein halbes Jahrhundert alten Luther-Bibel Informationen entnehmen kann, die in der „genauesten“ und „in verständlichem Deutsch“ geschriebenen NWÜ nicht enthalten sind. Welches ist denn unser Maß für Genauigkeit, mit dem wir messen? Sieben wir tatsächlich unwillkommene „Kleinigkeiten“ aus unserer Belehrung aus?

Ich spreche hier die etymologische (sprachgeschichtliche) Entwicklung nicht an, um mich als Sprachkenner oder Fundamentalist zu profilieren, sondern weil ich es merkwürdig finde, das dem Übersetzungskomitee, das zur Unverfälschtheit der zu erstellenden NWÜ angehalten sein musste, die "dichterische Freiheit" zuerkannt wurde, den Gottesnamen in das NT einzufügen. Es ist nämlich nicht möglich, eine konsequente Übertragung von sowohl "theos" als auch "kyrios" zu "Jehova" durch zu führen, ohne über Zusammenhänge zu straucheln, wo diese Termini auch auf Jesus angewandt werden. Dadurch bleibt die Notwendigkeit nicht aus, gelegentlich "kyrios" oder "theos" einfach mit Herr oder Gott zu übersetzen, um den monotheistischen Grundtenor der Bibel zu wahren, bzw. unsere Art der Auslegung (deren Stützung durch die oft und viel zitierten Bibelkommentatoren ich gar nicht anzuzweifeln gedenke) nicht zu verwischen oder gar ad absurdum zu führen. Dies wiederum heißt jedoch, dass das Übersetzungskomitee (natürlich unter Gebet und unter Bewahrung besten Gewissens) abwägen musste, an welchen Stellen eine Einfügung des göttlichen Namens gerechtfertigt sei, was aber leider dazu führt, das man nicht umhin kommt zu bemerken, dass es wesentlich konsequenter gewesen wäre bei einer wörtlichen Übersetzung zu bleiben anstatt sich bei jeder der 237 Stellen (ausgenommen der Passagen, die Zitate aus dem AT darstellen) in die Exegese zu begeben, ganz besonders auf Grund der Tatsache, dass im Vorwort und im Anhang explizit darauf hingewiesen wird, dieses vermieden haben zu wollen!!!! Da also ganz eindeutig in die Übersetzung einfloss, das in der Absicht den Monotheismus zu erhalten übersetzt werden müsse, kann man als vernünftig denkender Mensch die Beweisführung unsererseits, die sich ja größtenteils auf die NWÜ als Beleg stützt nicht als gültig anerkennen sondern muss einen offenkundigen Zirkelschluss bemerken.

(Denn wie kann ich einer Bibelübersetzung Glaubensinhalte entnehmen zu versuchen, die in dem Interesse angefertigt worden ist, diese bereits vorher definierten Inhalte zu stützen? Woher stammen diese Glaubensinhalte denn ursprünglich, bevor sie durch die verwendete Wortwahl in der NWÜ verankert worden waren?)

Ferner finden sich in der NWÜ Wortschöpfungen, die allein der Wachtturm-Gesellschaft (im ff. WTG) entstammen, zum Beispiel „Dienstamtgehilfe“, „Versammlung“, die korrekt mit „Diakone“ und „Gemeinden“ / “Kirchen“ wiedergegeben werden müssten. Meiner Ansicht nach wird damit in der Bibel nachträglich etwas verankert, was man als unsere „Spezialbezeichnung“ benennen könnte; es ist nämlich in der Tat nicht so, das diese Termini in der Bibel vorkommen, sondern sie kamen bei den „Ernsten Bibelforschern“ vor um administrativ bevollmächtigte Gemeindemitglieder mit einer unverwechselbaren Bezeichnung zu versehen / Zusammenkunftshäuser (Kirchen) begrifflich „von der Welt“ abzuheben und wurden in dem Sinne, wie sie gemeint waren in die NWÜ implementiert.

Wie Ihr mir nun sicher erwidern könnt, sind die von mir erwähnten Punkte, die jemanden bei einer nur oberflächlichen Betrachtung der dargelegten Sachverhalte evtl. „zum Straucheln“ bringen könnten, ganz genau geprüft und in ihrer Richtigkeit bestätigt worden, bevor sie ihren Weg in die NWÜ fanden. Schließlich haben ja Brüder Jahrzehnte ihres Lebens damit verbracht, die NWÜ anzufertigen. Schade finde ich allerdings, dass die Brüder von ihrer tiefen Demut geleitet darauf verzichtet haben, ihre Namen sowie evtl. ihren akademischen Grad im Vorwort zu erwähnen. Selbstverständlich würde ich niemals anzweifeln, dass es äußerst befähigte, kompetente Mitbrüder waren; würden wir jedoch ihre Namen kennen, könnten wir im Predigtdienst viel leichter solche oberflächlichen Einwände abschwächen. Es ist schließlich wesentlich befriedigender als Übersetzer einen „Prof. Dr. Wie–auch-immer“ angeben zu können, als ein anonymes „NWÜ-Übersetzungskomitee“.Im übrigen mag es Euch interessieren, dass ich die "Glaubensansichten, die nur von Zeugen Jehovas anerkannt werden" (die ich ja bei meiner Taufe durch Beantwortung der Tauffragen anerkannte), und die man mit jeder Bibelübersetzung einwandfrei nachweisen könne an Hand einer Luther-Bibel von 1957 mehr als gründlich prüfte, und leider nicht zu allen der von uns bei vielen Gelegenheiten als unwiderlegbar dargestellten "Grundwahrheiten" definitive Belege fand.(= was ganz sicher daran liegt, dass sie zwar nicht unbedingt zu wider- legen sind, aber auch in keiner Weise logisch zu be- legen sind! Ein geschicktes Wortspiel!) Dazu zähle ich den von uns praktizierten Gebrauch des "Gottesnamens", der sich im Übrigen und zu meiner völligen Schockierung als philologische Fehlleistung herausstellte, die Buchstäblichkeit der Zahl der 144.000 Geistgesalbten, die Notwendigkeit des Todes Jesu Christi in der Form zu gedenken wie es unter uns üblich ist, den Legitimationsanspruch biblische Prophetie auf Glieder der leitenden Körperschaft in der Neuzeit zu beziehen sowie die Unvereinbarkeit der Tatsache, das wir unterscheiden zwischen einer Inspiration und "göttlicher Leitung", obwohl es sich bei beiden Termini um äquivokative Bezeichnungen handelt, und schlussendlich die gesamte "1914-Problematik", die ja in der Vergangenheit des Öfteren Anpassungen an unser Glaubensgebäude, bzw. Umstrukturierung desselben unterworfen war, welche durch "das Licht der Wahrheit, das allmählich heller wird" herbeigeführt wurde.

Ich möchte mich hiermit NICHT von Jehovas Organisation distanzieren, sondern ich verstehe mich selbst als jemanden, der nun der "festen Speise" bedarf und sich mit der in den vorliegenden Veröffentlichungen dargebotenen "Milch" nicht länger zufrieden geben kann. Deswegen möchte ich Euch explizit auf meine empirischen Untersuchungen hinweisen und die Problematiken, die sich aus den zu Tage geförderten Ergebnissen für mich bzgl. meines Glaubens ergeben haben, und bitte Euch mir eine biblisch fundierte Antwort zukommen zu lassen, meinetwegen auch nur in Form der Bekanntgabe von Quellen, nach deren Lektüre ich wieder klarer sehen werde.

Die Tatsachen in Bezug auf den Gottesnamen und dessen korrekte Aussprache "Jahwe" habe ich nun hinlänglich dargelegt, und ich bin davon überzeugt, das Ihr davon längst Kenntnis hattet. Warum wurde dieser Irrtum bis heute nie aufgeklärt, oder die daraus notwendigen Konsequenzen gezogen, uns in "Jahwes Zeugen" oder "Verkündiger Jahwes" umzubenennen? Gerade wir beharren doch beinahe stoisch darauf uns von jeglichen "von der Welt" praktizierten theologischen Irrtümern frei gemacht zu haben (zum Beispiel Dreieinigkeit, Kreuzigung usw.), während wir gleichzeitig akzeptieren, dass wir andere Ungenauigkeiten ohne weiteres kompromittierend in Kauf nehmen (obwohl es sich um etwas so Bedeutendes wie den von uns bei jeder passenden Gelegenheit benutzten Eigennamen Gottes handelt), ja sogar in Unkenntnis darüber sind (denn welcher Verkündiger wüsste schon zu erklären woher "Jehova" kommt, obwohl er doch darauf beharrt, es sei der Gottesname?)???

Nun werdet Ihr mir sicher entgegnen, das dies „nebensächliche Spitzfindigkeiten“ seien, die keine Auswirkung auf das gesamte Glaubensgebäude haben und seinen Inhalt in keiner Weise berühren, und das solche Spitzfindigkeiten nur dazu dienen häretische Absichten zu legitimieren und „Jünger hinter sich her zu ziehen“, d.h. Ihr müsstet mir eigentlich „Abtrünnigkeit“ gemäß der von uns gebrauchten Definition unterstellen. Diese Ansicht steht Euch natürlich zu, doch ich gebe zu bedenken, dass wir in Bezug auf andere „Spitzfindigkeiten“ doch ebenfalls unglaublich genau sind und uns mit unserem fundamentalistischen Glaubensgebäude brüsten. Ob z.B. Jesus am Kreuz oder am Pfahl starb, hat (ebenfalls) absolut keine Auswirkung auf den Wert und die Bedeutung seines Loskaufopfers, sowie den göttlichen Vorsatz in seiner Gesamtheit. Das Vorhandensein eines zusätzlichen Querbalkens am römischen Vollstreckungsinstrument hat nicht das Geringste mit der göttlichen Vorkehrung zu tun und DOCH räumen wir diesen Irrtum aus dem Weg, obwohl (auch wenn das in unseren Zeitschriften nie erwähnt wird) eine Kreuzigung tatsächlich in Rom üblich war und es eigentlich für das Verständnis des göttlichen Vorsatzes völlig unerheblich ist zu wissen, wie genau Jesus hingerichtet wurde. (Es gibt da z.B. das berühmte „Nagelproblem“ (das mit Sicherheit leider nur die allerwenigsten Verkündiger auch nur in seinen Grundzügen kennen dürften oder gar deuten / widerlegen können), welches sich in seinen Hauptaussagen damit befasst, dass der „ungläubige Thomas“ verlangte, die „Male“ in den Händen Jesu zu ertasten, welche die Nägel hinterlassen haben müssten, was den Schluss nahe legt (mit Verweis auf den verwendeten Plural), das die Vollstreckung des Urteils an ihm irgendwie die Notwendigkeit mit sich brachte, dass mehrere Nägel durch seine Handflächen getrieben wurden (wahrscheinlich 2 oder „ein Paar Nägel“), wie dies bei der Verwendung eines „Kreuzes“ im herkömmlichen Sinne der Fall gewesen wäre, bei der Verwendung eines „Marterpfahls“ jedoch nicht). Da wir aber dennoch der Ansicht sind, das Jesus an einem Marterpfahl und nicht an einem Kreuz starb, muss ich davon ausgehen, das sich die dafür verantwortlichen Brüder lange und ausgiebig damit beschäftigt haben, solche „unwichtigen Spitzfindigkeiten“ zu entkräften und korrekt zu widerlegen; selbst in Anbetracht der völligen Belanglosigkeit der zu untersuchenden Angelegenheit im Hinblick auf das Gesamtbild des christlichen Glaubens, anstatt leichtfertig Häresie zu unterstellen.

Müssten wir nicht bei der Untersuchung aller „solcher unbedeutenden Spitzfindigkeiten“ ganz genau sein, gerade wenn so etwas gewichtiges und souveränes wie der Gottesnamen, den wir als Verkündiger tragen, tangiert und vielleicht sogar in seiner Heiligkeit an sich blasphemisch deformiert wird?

Als nächstes möchte ich die Buchstäblichkeit der Zahl der 144.000 Geistgesalbten hinterfragen. Diese Zahl bezieht sich auf 12*12.000, nämlich 12.000 aus jedem der Stämme Judas. Da aber de facto die Gesalbten nicht aus den buchstäblichen 12 Stämmen Judas berufen wurden, sondern in der Mehrzahl fleischliche Nichtjuden sind, ist das Produkt der symbolischen Rechnung von symbolischen „12.000“ aus „12“ symbolischen Stämmen Judas wohl kaum buchstäblich, sondern ebenfalls eindeutig symbolisch zu verstehen. Klarer wird dieser Zusammenhang, wenn man ihn auf ein anderes Bild oder Gleichnis projiziert, zum Beispiel das Bild vom Sämann, der Samen auf verschiedene Bodenarten sät. Niemand käme auf die Idee, den Symbolcharakter des Samens zu unterstützen während er jedoch polemisch zu verteidigen versucht, die Vögel seien buchstäbliche Vögel; das Gleichnis würde sinnfremd und absurd, das Bild lächerlich und exegetisch zugleich.

Die Form des von uns praktizierten Gedächtnismahls ist ein weiterer Punkt, der mich stutzig macht. Ich kritisiere weder, dass gesalbte Christen von den Symbolen nehmen sollten wenn sie sich als solche verstehen, noch den Gedanken eine Art Gedenkansprache für Jesus zu halten an sich, mir erschließt sich aber nicht die Notwendigkeit für uns als "andere Schafe" eine solche Gedenkfeier unter feierlichem Umherreichen der Symbole zu gleichsam einer Art >Kulthandlung zu erheben. Vielmehr scheint klar zu sein, das Jesu Gebot "Tut dies immer wieder zur Erinnerung an mich" eine Aufforderung war, die er an seine GESALBTEN (12) Nachfolger richtete, mit denen er den neuen Bund für ein Königreich schloss. Somit ist es für uns nicht notwendig, dieses Ritual des "für das Brot und den Wein Betens und hinter her durch die Reihen der anderen Schafe Hindurchreichens" durchzuführen, im Gegenteil, es lenkt von der eigentlichen Bedeutung der Symbole und den eigentlichen Bundespartnern ab, wenn wir uns anmaßen an etwas teilzuhaben, was uns weder zusteht noch wirklich berührt. Daher scheue ich mich nicht, diesen Brauch als >eindeutig unbiblisch zu klassifizieren, da Jesus selbst diesen Brauch gänzlich anders einführte; mir ist auch ferner nicht bekannt, das Jesus einige andere Gläubige, die nicht die himmlische Berufung hatten, mit sich zu den Aposteln ins Obergemach führte, um sie an der Gedenkfeier teilhaben zu lassen oder sie an die Notwendigkeit einer Wiederholung dieser Feier zu erinnern. Wahrscheinlich vermied er dies, damit sich daraus kein rituelles Brauchtum entwickeln sollte, wie es in der katholischen Kirche praktiziert wird ... und mit gewissen Abstrichen leider mittlerweile auch bei uns. Somit könnte man zu dem Schluss kommen, das die Art und Weise wie wir das Gedächtnismahl zu einer feierlichen Handlung erheben obwohl wir gar nicht Teilhaber an diesem Bund sind, der Absicht Jesu offenkundig zuwider steht (wie gut, dass wir nicht zu diesem Schluss kommen ... warum aber eigentlich nicht?).

Über den Mangel an Demut, den man zum Ausdruck bringen mag, wenn man der Verlockung verfallen sein sollte, biblische Prophezeiungen in ihrer Grundstruktur neuzeitlichen Ereignissen anzupassen um sich damit als Rädchen in Gottes großem vollkommenen Vorsatz zu manifestieren, möchte ich mich nicht näher auslassen, da es sich dabei um meine private, persönliche Meinung handelt, die überdies nichts mit biblisch nachweisbaren Fakten, sondern nur mit antithetischer Spekulation meinerseits und von persönlichen (und damit evtl. inkorrekten) Ansichten getrübter Exegese zu tun hat.

Was mich jedoch ferner aufrichtig interessiert, ist die von uns vorgenommene Unterscheidung zwischen der „Leitung Gottes“ (beispielsweise bei der Erstellung des Wachtturms bzgl. seiner inhaltlichen Struktur) und der „Inspiration von Gott“ (beispielsweise bei der Niederschrift der Bibel), sowie deren biblische Grundlagen. Wenn ich das richtig verstehe, gelten die Aussagen der Bibel als von Gott inspiriert und damit absolut, d.h. unabänderlich und unantastbar, während die Aussagen die Gott durch seinen irdischen Mitteilungskanal, dem „treuen und verständigen Sklaven“ seinem Volk zu kommen lässt, nur als augenblicklichen Stand der Wahrheit akzeptiert werden müssen, der sich bei „heller werden des Lichtes“ in nicht vorhersehbarer Weise ändern kann und dies in der Vergangenheit auch des Öfteren tat. Worauf möchte ich hinaus? Meiner Meinung nach, und im Übrigen auch nach Aussage von Ältesten meiner „Ortsversammlung“, müsse man da eine klare Unterscheidung treffen. Als ich darum bat, man möge mir die Unterscheidung, die es zu treffen gelte verdeutlichend darbieten, tat man das bereitwillig, wobei die Antwort sinngemäß so aussah:

1.)

Die Bibel ist als „Heilige Schrift“ unmittelbar von Gott inspiriert worden und daher in ihren Kernaussagen als „Gottes Wort“ zu verstehen. Der Gedanke der Inspiration, beinhaltet also den Gedanken an Unfehlbarkeit und definitiver göttlicher Abstammung. Ist das aber eine korrekte Definition? (Sicher stimmt Ihr mit mir darin überein, das Gott bei der Niederschrift der heiligen Bücher der Bibel nicht „federführend“ im herkömmlichen Sinne wirkte, sondern den Schreibern eine gewisse Freiheit bei der Wortwahl, dem Satzbau usw. ließ. Meslier (ein bekannter Bibelkommentator) war:

(...) überzeugt davon, das Bücher die einander widersprechen nicht vom heiligen Geiste inspiriert sein können. Aber es entspricht nicht dem Glauben, das der heilige Geist jede Silbe inspiriert hat; er hat nicht jedem Kopisten die Hand geführt, er hat sekundäre Ursachen wirken lassen.

Am Beispiel der Evangelien, deren Inspiration wir alle anerkennen, lässt sich leicht zeigen, was gemeint ist. Wir sind im allgemeinen der Auffassung, das sich die Evangelienberichte gegenseitig ergänzen, was zum Beispiel vom unterschiedlichen Standpunkt der Schreiber sowie deren sozialem Status herrührt (Arzt, Steuereinnehmer usw.) Dadurch kann es zu augenscheinlichen Widersprüchen kommen, die in ihrer Gesamtheit jedoch aufzulösen sind, wenn man ALLE Evangelien ergänzend und zusammenhängend liest. Da wir die Bibel in ihrer Gesamtheit als EIN Buch, mit EINEM fortlaufenden Thema verstehen, und nicht kategorisch das AT vom NT bzgl. seiner Gültigkeit, Glaubwürdigkeit o.ä. trennen, müssen wir jeden zitierten Text in seinem Gesamtkontext und im Zusammenhang mit allen diesem widersprechenden Texten lesen, unter der Prämisse, sie alle seien WAHR und zum Verständnis des untersuchten Themas müssten alle in diesem Zusammenhang zu lesenden Texte „unter einen Hut“ gebracht werden. Folglich ist es sehr schwierig und äußerst zeitaufwendig zu entscheiden, welche Textpassagen allegorisch und welche wortwörtlich zu verstehen sein müssen und es ist zweifellos so, das man sich in dem Augenblick, in dem man eine solche Unterscheidung trifft ganz eindeutig in die Exegese begibt (völlig gleichgültig ob diese der Richtigkeit entspricht oder nicht), und das somit bereits zu Beginn eines jeden Übersetzungsversuches! Ist es daher nicht vernünftig einzuräumen, dass DAS, was uns heute als „Bibel“ zur Verfügung steht mit Sicherheit nicht als „inspiriert“ im streng genommenen Sinne verstanden werden kann und darf? Ist es nicht eher ein von menschlicher Spekulation getrübter, endlos fortgeführter Übersetzungs- und Interpretationsversuch einer vormals inspirierten Schrift? Wie kleinlich kann man denn angesichts dieser Umstände heute überhaupt noch „grammatikalische Ungereimtheiten“ und dergleichen zu deuten versuchen, die bei jeder Abschrift und Übersetzung einem unaufhaltsamen Verfall durch winzige Ungenauigkeiten unterworfen waren oder dadurch vielleicht sogar erst entstanden sind? Und wie viel Vorsicht müsste man walten lassen, wenn man diese „grammatikalischen Ungereimtheiten“ dazu benutzt, Lehren zu stützen, die sich grundlegend von den Lehren aller anderen christlichen Glaubensgemeinschaften unterscheiden? (s. Lukas 23 : 43, da geht es um ein „Komma“!!!) Oder wollt Ihr andeuten, nicht nur die ursprünglichen Schreiber seien inspiriert worden, sondern auch alle Abschreiber bzw. Übersetzer (inkl. dem NWÜ- Komitee)?

2.)

Die „geistige Speise“ aber, die der „treue und verständige Sklave“ „zur rechten Zeit austeile“, sei lediglich ein Mittel zum Zweck eine genaue Erkenntnis der inspirierten Schriften herbeizuführen, eine Hilfe zum besseren Verständnis der Bibel. Die Brüder der „leitenden Körperschaft“ würden gebetsvoll forschend „neugewonnene Erkenntnisse“ in Form von Druckschriften veröffentlichen, die den gegenwärtigen Stand der biblischen Erkenntnis darstellen (und allein so sei der Gedanke, bzw. die Formulierung der „göttlichen Leitung“ zu verstehen) Daher käme es auch, das sich z.B. der Zweck des Wachtturms im November 1995 änderte als das 1914-Problem modifiziert wurde, und deswegen sei es in der Vergangenheit gelegentlich auch schon einmal zu Irrtümern gekommen, „die Jehova aber mit der Zeit als solche kenntlich machte und durch seinen Sklaven richtig stellen ließ“ (...) „und auch in Zukunft so verfahren wird um Missverständnisse auszuräumen.“ Das aber würde bedeuten, das der treue Sklave gelegentlich doch ein kleines bisschen inspiriert wird, nämlich um die Irrtümer die sein unvollkommener Verstand hervorbrachte im Sinne des göttlichen Vorsatzes richtig zu stellen. Ist es aber vernünftig anzunehmen, das Gott seine Zeit nicht anders verbringen zu weiß, als gleich einem stolzen Vater, der seinem Kind eine Aufgabe gestellt hat, wohlwollend zuzusehen wie es sich „tollpatschig“ und vergleichsweise „ungeschickt“ bemüht diese ihm gestellte Aufgabe zu lösen um ihm bei gröberen Fehlern dann und wann gutmütig helfend unter die Arme zu greifen? Also scheint mir das, was der Sklave an „geistiger Speise“ produziert entweder ausschließlich menschliche, unvollkommene Überlegung, oder ganz von Gott gegeben zu sein, eine Art „Misch-Masch“ aus beiden Möglichkeiten halte ich jedoch für unwahrscheinlich und beinahe dogmatisch sowie das von uns bei anderen Glaubensgemeinschaften oft kritisierte, inkonsequente „Hinken auf zwei Meinungen“

Nun möchte ich nicht länger verschweigen, was mich beschäftigt

Zum besseren Verständnis möchte ich ein Bild oder Gleichnis gebrauchen, wie wir es auch im Predigtdienst tun, um Dinge leichter begreiflich zu gestalten:

Angenommen, mein Chef muss plötzlich die Firma verlassen und betraut mich damit, seinen Betrieb während seiner Abwesenheit zu leiten, indem ich den Beschäftigten den Lohn zukommen lasse der ihnen zusteht und die zu verrichtende Arbeit koordiniere. Natürlich orientiere ich mich am Verhaltens- und Denkmuster meines Chefs damit ich den Betrieb in seinem Sinne führen kann. So komme ich nicht umhin, gelegentlich schriftliche Ermahnungen zu erlassen um meine Mitarbeiter zu größerem Eifer, produktiverer Tätigkeit und Identifikation mit den firmeneigenen Idealen zu ermuntern. Ich werde auch auf Probleme im Betriebsklima eingehen usw. Der Unterschied aber ist, in welchem Glauben ich die Mitarbeiter ihre Arbeit verrichten lasse. Natürlich weiß ich, dass es sich negativ auswirken wird, wenn bekannt wird das ICH den Betrieb leite. Obwohl ich mich nicht eines Vergehens schuldig machen mag und TATSÄCHLICH den Betrieb genau so führen mag wie mein Chef es selbst tun würde, in völliger Übereinstimmung mit seinem Vorsatz und seinen Zielen; könnte ich es für das Beste halten, meine schriftlichen Ermunterungen so zu verfassen, als stammten sie unmittelbar von unserem Betriebsleiter selber. Ich muss so etwas nicht explizit behaupten, nein, ich mache mir einfach zur Gewohnheit solche Eindrücke bei allen Mitarbeitern zu implizieren Das ist ungleich geschickter, da meine Kompetenz den Betrieb zu leiten nun gar nicht mehr Diskussionsgrundlage ist, sondern ich mich viel mehr auf eine Autorität zu berufen vermag, deren Kompetenz im allgemeinen nicht angezweifelt wird. Fraglich ist allerdings, was geschieht, wenn meine „unterschwelligen Manipulationsversuche“ eines Tages ans Licht kommen und ich mich vor den sich nun getäuscht fühlenden Mitarbeitern verantworten muss. Nachdem bekannt geworden ist, das ich (wobei Intentionen und Legitimität meiner Handlung nicht Thema des Ärgers sind) falsche Eindrücke betreffend der Herkunft meiner erteilten Ratschläge vorsätzlich impliziert habe (was ich leugnen werde), und ich ihnen auch nicht vorgebeugt oder die Unklarheiten ein für alle Mal beseitigt habe (was ich nur schwerlich leugnen kann), verlassen viele Mitarbeiter frustriert den Betrieb. Sie sind nach wie vor von den Zielen des Betriebes motiviert und überzeugt, aber sie kritisieren die Führungsmethoden und fühlen sich betrogen. Die Frage ist aber, wie mein Chef am Tage seiner Wiederkunft reagieren wird, wenn er hört, wie ich seine Firma geführt habe, und das er, vielleicht auf Grund meiner unvollkommenen Überlegungen, die ich in seinem Namen aussprach und ausführte, einige seiner wertvollsten Mitarbeiter verloren hat. Ob er sich wohl mit dem Argument, solche Mitarbeiter hätten auf eine Richtigstellung warten können, die irgendwann sowieso erfolgt wäre, anstatt übereilt die Firma zu verlassen, zufrieden geben würde, oder MICH und MEIN HANDELN für das Ausscheiden seiner eifrigsten Angestellten verantwortlich machen würde?

Diese Frage müsst auch Ihr Euch stellen, nämlich ob „ der Herr euch bei seiner Ankunft so tuend (wie aufgetragen) findet“ und Ihr Euch wirklich als der treue und verständige Sklave erwiesen habt. Wie Ihr seht, greife ich nicht die Motivation an, sondern die Methodik.

Zum Schluss möchte ich gerne noch 2 Punkte ansprechen, die für ich persönlich von größter Wichtigkeit sind:

Wir geben unsere Publikationen ja kostenfrei an Interessierte weiter und erhalten sie auch kostenfrei in unseren Ortsversammlungen. Ich gehe davon aus, das auch die Versammlung an sich die Druckschriften und Medien der Unterweisung kostenfrei erhält, d.h. dass der Literaturbestellung keine Rechnung beiliegt und die Brüder nicht verpflichtet sind, einen entsprechenden Gegenwert an die WTG zu überweisen. Somit sind alle Geldmittel, die von den Verkündigern über die Versammlungen an die WTG weitergeleitet werden als freiwillige Spenden zur Förderung des weltweiten Predigtwerkes zu verstehen. Wir werden darauf hingewiesen, dass wir, sollten uns Wohnungsinhaber einmal fragen wie so etwas denn möglich sein könne (die kostenlose Abgabe von Medien, die ja offensichtlich Herstellungskosten verursachen müssen), erwidern sollen: „Das Predigtwerk wird ausschließlich von freiwilligen Spenden unterstützt. Wenn sie gerne etwas geben möchten, so werde ich es weiterleiten (bedeutet: ...wenn nicht, bekommen sie es so.)“ Ich habe mir nun einmal die Mühe gemacht nachzuvollziehen, wie so etwas tatsächlich möglich sein kann, ohne unhaltbare Verluste mit sich zu bringen. Dabei gehe ich natürlich davon aus, das die Aussage bzgl. der freiwilligen Spenden der Wahrheit entspricht. Ich bin daher zu folgenden Überlegungen gekommen (und ich bitte Euch herzlich, mich zu korrigieren, sollte ich mich irgendwo irren):

Als die Gesellschaft früher noch die Druckschriften verkaufte (wobei der Preis sowie erzielte Gewinne unerheblich sind), war sie strenggenommen vor dem Gesetz ein Unternehmen, sagen wir eine Art „Bibelverlag“. Selbst wenn sie „nicht das Ziel hat, Gewinne zu erwirtschaften“, so muss sie doch der Obrigkeit gegenüber Rechenschaft ablegen, d.h. es müssen Bilanzen erstellt werden aus denen sich eine Steuerpflicht ableitet (Umsatz-, Mehrwertsteuer etc.) Da in Selters alleine Millionen von Druckschriften angefertigt werden, würde auch dieser Steuersatz in die Millionen gehen, genauso wie bei jedem anderen Zweigbüro. Da die Brüder jedoch diese Geldmittel wesentlich effektiver einsetzen könnten um das Predigtwerk voran zu treiben, anstatt sie dem Fiskus zu zahlen, hätten sich im Steuerwesen bewanderte Brüder überlegen können, wie man diese unwillkommene Minderung der zur Verfügung stehenden Geldmittel umgehen könnte. Nach deutschem Recht, sind „Spendeneinnahmen“ steuerfrei. Würde nun also beschlossen, dass wir die Druckschriften sozusagen „umsonst“ zur Verfügung stellen, den Brüdern aber gemäss ihrem biblisch geschulten Gewissen nahe legen, einen entsprechenden Betrag an die WTG zu „spenden“, wären alle Einnahmen aus dem Literaturvertrieb absolut steuerfrei, da sie ja nicht ursächlich aus diesem entstehen. Da wir weiter davon ausgehen, dass unsere Mitbrüder in der großen Mehrheit ehrlich sind und gerne bereit wären, diesen Umweg bei der Bezahlung der Literatur zu gehen, solange es „Gottes Vorsatz“ dienlich wäre, könnten wir ganz flink errechnen, das uns aus der Differenz zwischen den Druckschriften, die so evtl. doch nicht bezahlt werden würden und der andernfalls drohenden Steuerlast ein ganz erhebliches Plus entstehen würde. Außerdem würden wir unsere Verluste außerordentlich einschränken, da alle Schriften vorab bezahlt würden; den Verlust durch Schriften, für die der Wohnungsinhaber nichts zu geben bereit ist, würden ausschließlich die Verkündiger selbst, nicht jedoch die WTG zu tragen haben. Wäre das nicht geschickt?

Natürlich liegt mir nichts ferner, als behaupten zu wollen, die WTG habe in erster Linie solche finanziellen Überlegungen angestellt und ihre Umsetzung mit Hilfe der Gutgläubigkeit der vielen Brüder tarnen wollen, indem man ihnen lediglich als Grund der Aktion den Text: “Kostenfrei habt ihr empfangen, kostenfrei gebt“ nennt. Es sieht nur sehr ungünstig aus, das sich aus unserer „Bibeltreue“ solche Nebenwirkungen ergeben, die uns eindeutig zum Vorteil gereichen! Stimmt es eigentlich, dass in einigen anderen Ländern (mit anderen steuerlichen Gesetzen) die Literatur nach wie vor zum Selbstkostenpreis abgegeben wird? Und nur nebenbei, das die WTG ganz eindeutig Gewinne erwirtschaften muss, um die Übersetzung neuer Bücher usw. fortführen zu können, hat gar nichts damit zu tun, dass es nicht ihr Ziel ist, Gewinne zu erwirtschaften! Und nur nebenbei, dass das „Predigtwerk ausschließlich durch freiwillige Spenden unterstützt wird“, hat nichts damit zu tun, das es ganz eindeutig nicht nur durch freiwillige Spenden finanziert wird. Warum veröffentlicht die WTG eigentlich in ihren Jahrbüchern nicht auch einmal eine komplette Jahresbilanz, damit man dem Umstand, dass sich einige Brüder ungebührliche Sorgen darüber machen, was mit den Geldmitteln geschieht, vorbeugt?

Und es gibt da noch einen Punkt, der mich sehr interessiert:

Wir streben ja danach, eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ zu werden, woraus uns „Vorteile“ erwachsen „um unsere Interessen besser durchsetzen zu können“. Ich war sehr neugierig herauszufinden, welche „Vorteile“ das wohl sein könnten, da wir ja mit Sicherheit keine „Kirchensteuer“ oder ähnliches erheben werden, sollte unserem Antrag stattgegeben werden. Deshalb hat mich die organisatorische Struktur unserer Religionsgemeinschaft interessiert, die ich einmal erforschte. (Ich bitte euch wieder, mir im Falle eines Irrtums freundlich zu helfen, diesen zu erkennen) Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas ist eine Gemeinschaft, die zur Zeit nach dem „Vereinsrecht“ aufgebaut ist. Das bedeutet, das die einzelnen Versammlungen „kleine Vereine“ sind, die von Gemeinde zu Gemeinde eröffnet oder auch abgelehnt werden können. Jeder Verein hat seine Vereinsmitglieder (meistens einige Älteste), die dem Gesetz genüge tun müssen, indem sie einen Vorstand wählen, Vereinssitzungen abhalten usw. Daraus folgt, dass die in Deutschland registrierten „Zeugen Jehovas“ in ihrer Gesamtheit lediglich der Summe aller Mitglieder der einzelnen Vereine entsprechen, anders ausgedrückt gibt es z.Zt. „offiziell“ pro Versammlung nur ca. 8–10 „richtige“ Zeugen Jehovas. Wenn daher eine Erhebung über unsere Größe gemacht werden sollte, so werden nur ca. 10 % der getauften Brüder erfasst werden können, da nur diese „Mitglieder“ der jeweiligen Ortsvereine sind. Wenn wir daher eine Anerkennung als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ erlangen sollten, wird es unumgänglich sein, dass alle getauften Verkündiger sich offiziell als Zeugen Jehovas bekennen, damit die Gesamtheit aller getauften Brüder gesetzlich anerkannt werden kann. Aber bitte, was sind wir, als normale Verkündiger dann eigentlich im Moment? Wie kann man eigentlich einen „Ausschluss“ jemandes vornehmen, der nirgendwo Mitglied geworden ist? (Ist ein Ausschluss nur eine symbolische Handlung, aber keine Kündigung der Mitgliedschaft in einem Verein, respektive unserer Religionsgemeinschaft?) Was geschieht, wenn jemand „ordentliches Mitglied des Vereins“ ist, aber ausgeschlossen werden muss? Bleibt er dann Vereinsmitglied (=also Zeuge Jehovas), obwohl er ausgeschlossen ist bis er selbst einen Rücktritt aus dem Vorstand verkündet, oder kann das von Außen erwirkt werden? Sind wir eigentlich im Moment vor dem Gesetz gar keine Zeugen Jehovas, sondern nur „unverbindlich“ sich angeschlossen habende Sympathisanten des Vereins? Wie viele Zeugen Jehovas gemäss meiner Definition gibt es denn in Deutschland wirklich? Und wie ist es, sollte jemand nicht bereit sein, seinen „neuerlichen“ Beitritt schriftlich zu bestätigen, weil er seine Taufe als Akt des Eintritts in diese Religionsgemeinschaft versteht? Wird dieser dann ausgeschlossen? Was genau erwartet uns eigentlich bei der Bekanntgabe, dass wir eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ geworden sind? Wäre ein guter Aufschluss sowie eine Aufklärung des „gemeinen Verkündigers“ nicht schon seit langem notwendig um das unnötige Ausscheiden der sich betrogen fühlenden endlich versiegen zu lassen?

Bei diesen Gedanken möchte ich es für dieses Mal bewenden lassen, da eine ausführliche Betrachtung meiner Studien noch viel, viel mehr Platz und von Eurer kostbaren Zeit verschlingen würde. Ich denke, das genügt, um einen Abriss der Problematik zu liefern, in der ich mich im Moment sehe.

Auf eine schriftliche Antwort zu diesen Dingen freue ich mich schon sehr und ich danke Euch im Voraus für Eure Bemühungen meinen Glauben wieder aufzubauen.

Mit freundlichen Grüßen brüderlicher Verbundenheit,

Euer Bruder Wilfried Seng

März 2001

Dieses Schreiben wurde von der Wachtturm-Gesellschaft bis heute noch nicht beantwortet!