Liebe Brüder,

Ich schreibe, um weiterhin darum zu bitten, etwas im Interesse der Herde zu unternehmen.

Als geistige Hirten habt Ihr Brüder jahrelang damit verbracht, die Herde in einer Weise zu führen, die Jesu Gutheißung hat. Wie Ihr Euch erinnern mögt, stammen gerade die folgenden Worte von Petrus: „Daher gebe ich den älteren Männern unter euch diese Ermahnung, denn auch ich bin ein älterer Mann wie sie und ein Zeuge der Leiden des Christus, ja ein Teilhaber an der Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll: Hütet die Herde Gottes, [die] in eurer Obhut [ist], nicht aus Zwang, sondern freiwillig; auch nicht aus Liebe zu unehrlichem Gewinn, sondern voll Eifer; auch nicht als solche, die über die herrschen, die Gottes Erbe sind, sondern indem ihr Vorbilder für die Herde werdet. Und wenn der Oberhirte offenbar gemacht worden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen.“ (1. Petrus 5:1-4) Diese Schriftstelle hilft die Bedeutung dessen zu erklären, was es bedeutet, die Eurer Fürsorge anvertrauten Schafe zu hüten. Wenn schon für die Schafe gesorgt werden soll, wie viel mehr dann für die kleinen Lämmer, die es als Kinder in der Versammlung gibt.

Als ich vor etwa einem Jahr meinen ersten Brief an Euch schrieb, da war ich sehr über ein Problem entrüstet, das sich mir in der Versammlung darstellte. Als Hirte in der Ortsversammlung empfand ich, dass meine Hände gebunden waren, um zu verhindern, dass Kinder sexuell belästigt wurden. Wie konnte ich ein guter „Hirte“ sein und ein kleines Lamm, das sich in Gefahr befand, nicht schützen? Man hat mich angewiesen, „es Jehova zu überlassen“, aber würde Jehova auch nur einen Tag warten, wenn er wüsste, dass einem Kind Schaden zugefügt wird? Ich glaube nicht, und ich wollte auch nicht warten. Wie es in der Apostelgeschichte heißt: „Gebt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher euch der heilige Geist zu Aufsehern ernannt hat, um die Versammlung Gottes zu hüten, die er mit dem Blut seines eigenen [Sohnes] erkauft hat.“ (Apostelgeschichte 20:28) Würde ich in meinem Dienst als Ältester „Acht geben“, wenn ich die Bedürfnisse eines Kindes, das in Gefahr ist, ignorierte?

Ich sehe wohl, dass ich damals eine deutliche Sprache gebraucht habe, aber ich habe versucht, Euch zu sehen zu zwingen, eine welch schreckliche Gefahr das für die Versammlung ist. Ich dachte, Ihr müsstet aufwachen, um die deutliche und gegenwärtige Bedrohung für die Versammlung zu sehen. Ein weiterer Grund, warum ich so starke Worte gebraucht habe, ist, dass zahlreiche Menschen an mich herangetreten sind und mich darauf aufmerksam gemacht haben, dass sie als Kinder sexuell belästigt wurden, aber die Sache meistens nicht angezeigt wurde, während sie gezwungen waren, als schweigende Lämmer zu leben. Um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, habe ich nach Besprechungen mit Fachleuten auf dem Gebiet drei Vorschläge gemacht, wie sich Kinder vor Pädophilen in der Versammlung schützen lassen:

  1. Wenn ein Kind sexuell belästigt wurde, zuerst die Polizei rufen.
  2. Kein Bruder, keine Schwester, die Kinder sexuell belästigt, sollte in der Versammlung irgendwelche Vorrechte genießen.

Mit diesen Empfehlungen war beabsichtigt, die Herde zu schützen. Jeder Punkt bot besondere Sicherungen zur Wahrung der hohen moralischen Maßstäbe der Organisation.

Der erste Vorschlag: „Wenn ein Kind sexuell belästigt wurde, zuerst die Polizei rufen”, verhilft nicht nur dem Kind zu einer angemessenen Untersuchung des Geschehen und, wenn nötig, auch zu richtiger Hilfe, sondern er macht einem Kinderschänder auch deutlich, wenn er ein Zeugenkind berühre, könne er sich nicht hinter der Ältestenschaft verstecken, statt dessen bekomme er es mit den „obrigkeitlichen Gewalten“ zu tun. (Röm. 13:1) Dies würde auch zeigen, dass sich Jehovas Zeugen von vielen großen Religionen darin unterscheiden, dass sie keinerlei Toleranz zeigen, wenn es um sexuelle Belästigung von Kindern geht.

Der zweite Vorschlag: „Kein Bruder, keine Schwester, die Kinder sexuell belästigt, sollte in der Versammlung irgendwelche Vorrechte genießen“, wäre nicht nur ein Abschreckungsmittel für jeden, der ein Kind belästigt, er würde der Versammlung auch deutlich machen, dass gewisse Personen beobachtet werden müssen; dass man ihnen keine Kinder anvertrauen kann. So würde die Herde in besserem Maße geschützt.

Der dritte Vorschlag: „Kein Bruder, keine Schwester, die Kinder sexuell belästigt, sollte am Predigtdienst von Haus zu Haus teilnehmen dürfen“, würde der Öffentlichkeit zu erkennen geben, dass Jehovas Zeugen keine Kinderschänder zu einer ahnungslosen Öffentlichkeit schicken, was ihr im Gegenzug das Vertrauen gibt, dass die Zeugen, die sie an der Tür besuchen, ungefährliche Leute sind. Dies allein schon schützt das Bild der Zeugen Jehovas in der Öffentlichkeit.

Meine Frage lautet: Warum habt Ihr nichts unternommen? Mit welcher Begründung habt Ihr die Schreie um Hilfe ignoriert, die auf der Website von Silentlamb dokumentiert sind? Wie viele Kinder sind im vergangenen Jahr sexuell belästigt worden, weil meine Vorschläge keine Wirkung zeigten?

Im Wachtturm vom 1. Januar 1997 wurde der Eindruck vermittelt, einer dieser Vorschläge habe Wirkung gezeigt. In dem Artikel „Verabscheuen wir das Böse“ wurde darauf hingewiesen, dass Kinderschänder keine Vorrechte in der Versammlung haben könnten. Doch im „Brief an alle Ältesten“ vom 14. März 1997 wird einfach gesagt, Personen die früher, vor ihrer Taufe, Kinder sexuell belästigt hätten, sollten “nicht befragt werden”, was Pädophilen Tür und Tor öffnet, weiterhin in ernannten Stellungen zu dienen. Der „Brief an alle Ältesten“ vom 1.Juni 2001 in Großbritannien ging noch weiter, indem es dort hieß, wenn nach seiner letzten Tat „eine lange Zeit“ vergangen sei, könne ein Mann, der ein Kind sexuell belästigt habe, als er schon getauft war, wieder als Ältester in Frage kommen oder weiterhin als solcher dienen. Was habt Ihr Euch dabei gedacht? Glaubt Ihr wirklich, Ihr könntet der Herde etwas erzählen und die Ältesten nach geheimen Anweisungen durch „Briefe an die Ältesten“ handeln lassen, wobei die Wahrheit nicht herauskommt? Brüder, das muss aufhören. Hier geht es nicht um den einen oder anderen, sondern um den Schutz der Kinder, um die Sicherheit in der Versammlung, darum, Jehovas Namen keine Schande zu machen. In Psalm 74:18 heißt es: „Gedenke dessen: Der Feind selbst hat geschmäht, o Jehova, und ein unverständiges Volk hat deinen Namen respektlos behandelt.“ Wenn dieses Problem ignoriert wird, dann könnte das Jehovas Namen und seinem Volk weiter Schande bereiten, und die leitende Körperschaft wie „unverständiges Volk“ aussehen lassen.

Brüder, ich bitte Euch dringend, sofort etwas zu unternehmen. Die Brüder und Schwestern werden eine Entscheidung achten und wertschätzen, die die Interessen der Herde wahrt. Jesus sagte: „Ich bin der vortreffliche Hirte; der vortreffliche Hirte gibt seine Seele zugunsten der Schafe hin. Der Lohnarbeiter, der kein Hirte ist und dem die Schafe nicht zu eigen sind, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht — und der Wolf reißt sie weg und zerstreut sie —, weil er ein Lohnarbeiter ist und sich nicht um die Schafe kümmert.“ (Johannes 10:10-15) Ich flehe Euch an, nicht wie der Lohnarbeiter zu handeln und die Herde und die Lämmer der Gefahr ausgesetzt zu lassen. Ahmt Jesus nach, der bereit war, noch mehr als seine Pflicht zu tun, selbst sein Leben für die Sicherheit der Herde zu geben. Aus welchen Gründen Ihr auch immer nichts unternehmt, jetzt ist die Zeit zum Handeln da, sich dafür zu entschuldigen, es nicht schon früher getan zu haben, die. Die Schaden erlitten haben, wissen zu lassen, dass sie geliebt werden und künftig besser geschützt werden. Die Brüder und Schwestern werden Euch um so mehr achten, wenn Ihr Euch als demütige Hirten erweist, die im Interesse der „kleinen Schafe“ Jehovas handeln. (Johannes 21:15-17)

Bitte hört zu, unternehmt etwas, steht für das Rechte ein, verleiht den schweigenden Lämmern eine Stimme und schützt bitte die Herde.

Hochachtungsvoll

William H. Bowen