Betreff: Rücktritt

Liebe Brüder,

dieser Brief betrifft meinen Wunsch, nicht mehr als Ältester in der Versammlung Manchester, Tennessee, zu dienen. In dem Wissen, was ich für das Kinderschänderproblem in unserer Organisation und andere Angelegenheiten hier in der Versammlung Manchester tue, empfinde ich es als schwierig, noch weiter als Ältester zu dienen. Wie wir als Älteste mit Beschuldigungen wegen sexueller Belästigung in unserer Organisation umgehen, hat mich zweifellos schon seit geraumer Zeit beunruhigt.

Es hat mich gefreut, dem Brief von J.R. Brown vom 7. Februar 2002 an Dateline NBC zu entnehmen, dass unsere Organisation Ansichten und Meinungen von Einzelpersonen im Rahmen der Versammlung hören will. Daher nehme ich mir die Zeit, darum zu bitten, dass Ihr einige von meinen Meinungsverschiedenheiten gemäß biblischen Grundsätzen löst.

Seit ich wegen meiner Frau Barbara in unmittelbare Berührung mit dem Thema Kindesmissbrauch kam, habe ich von Hunderten von Missbrauchsfällen gehört, die von den Ältesten falsch gehandhabt wurden. Ohne Zweifel sind viele Älteste unfähig, mit Missbrauchsanschuldigungen richtig umzugehen, doch andere folgten mündlichen und schriftlichen Anweisungen aus der Zentrale, die unermessliches Leid und lebenslanges Unglück bei den Opfern und ihren Familien verursachten. Fast jeden Tag in den vergangenen Jahren habe ich Berichte gelesen, die mir meine Frau geschickt hat – darin werden die unannehmbaren Begegnungen mit Ältesten und mit der Gesellschaft beschrieben, die sie praktisch bestraft und die Kinderschänder geschützt hat. Ich weiß, dass die Zeugen Jehovas als Gesamtheit, wie auch die Menschen außerhalb unserer Organisation, Kinderschänder mehr hassen als Mörder, aber ob sie das wirklich tun oder nicht, zeigt sich an ihren Empfindungen und Taten.

Da Kinderschändung eine Tat im Geheimen ist, und da wir, die Ältesten und die Gesellschaft, dies noch dadurch verschlimmern, dass wir solche Taten in unserer Gruppe geheim halten, machen sich die Zeugen Illusionen, unsere Organisation habe kein Problem mit sexueller Belästigung. Natürlich weiß jeder Älteste, ob es in seiner Versammlung mutmaßliche oder geständige Missbrauchstäter gibt, aber Älteste wissen nicht, ob es Missbrauchstäter in anderen Versammlungen gibt. Weil die Ältesten nicht in der Lage sind, wegen der Heimlichtuerei das Ausmaß dieser Situation abzuschätzen, denken die meisten folglich, es gäbe kein Problem. Weil nun die Medien über viele beklagenswerte Fälle von Missbrauch berichten, sind viele Älteste sehr verstört. Ohne Frage seid Ihr das auch, da bin ich mir sicher.

Hier ein Beispiel, warum das Geheimhalten von sexueller Belästigung vor der Versammlung nicht funktioniert: Ich kenne selbst eine Frau, die geschieden ist, und als ihre kleine Tochter sexuell belästigt wurde, ging sie direkt zu den Ältesten. Sie haben den Beschuldigten nicht bei der Polizei angezeigt, obwohl Tennessee von Geistlichen fordert, Kindesmissbrauch anzuzeigen. Es brauchte erst eine Schwester, die Jahre später von der Vergewaltigung hörte – sie ging zur Polizei. Das Ergebnis: Der Kinderschänder wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Soweit ich weiß, war dieser Mann schon vorher einmal beschuldigt worden, drei Mädchen in einem anderen Bundesstaat belästigt zu haben, und als er nach Tennessee umzog, wurden die Ältesten von seiner Vergangenheit unterrichtet, und doch warnten sie auf Anweisung der Gesellschaft hin niemanden in der Versammlung. Ehe er verhaftet wurde, belästigte er noch zwei Mädchen in Tennessee. Wer hatte also recht? Die Schwester, die ihn anzeigte, oder die Ältesten, die das Geheimnis wahrten? In unserer Versammlung hat ein Ältester den anderen Ältesten erzählt, wenn jemand sein Kind belästigte, würde er erst die Polizei und dann die Ältesten benachrichtigen. Ist Euch bewusst, wie viele Älteste so empfinden? Ich weiß selbst, dass viele Älteste meinen, sie könnten in solchen Fällen wirklich nicht weiterhelfen. Und doch gebt Ihr die Anweisung, eine Beschuldigung wegen sexuellen Missbrauchs in der Versammlung müsse zuerst den Ältesten gemeldet werden.

In Erwachet! vom 8. Oktober 1993 heißt es, Kinderschänder wollten von ihren Opfern etwas anders – „SCHWEIGEN“. Haben wir nicht zusammen mit dem Kinderschänder Anteil an der Schuld, wenn wir Opfer nicht ermutigen, zu den Behörden zu gehen, wo sie Hilfe erhalten? Wäre dies nicht wirklich christlich? Haben wir nicht zusammen mit dem Kinderschänder Anteil an der Schuld, der das Opfer mit Drohungen zum Schweigen bringt, wenn wir Mitglieder in der Versammlung mit Drohungen zum Schweigen bringen, wenn sie andere warnen? In dem Brief vom 24. Mai 2002 an alle Versammlungen in den Vereinigten Staaten habt Ihr gesagt: „Selbst nur ein missbrauchtes Kind ist eines zu viel.“ Im selben Brief heißt es: „Wenigstens seit 1981 wurden in unseren Zeitschriften ... Artikel im Hinblick auf eine Aufklärung des Volkes Jehovas ... über die Notwendigkeit veröffentlicht, Kinder vor Kindesmissbrauch zu schützen.“ Wie könnt Ihr Jehovas Volk aufklären, wenn Ihr solche Geheimnisse wahrt? Um in der Lage zu sein, ihre Kinder zu schützen, haben Jehovas Zeugen im Sinne einer Aufklärung das Recht zu erfahren, ob es in der Versammlung Personen gibt, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt sind.

Übrigens scheint mir, wenn besorgte Personen nicht wegen der Probleme mit Kindesmissbrauch in unserer Organisation an die Medien gegangen wären, dass wäre dieses Thema nicht bei der Ältestenschule im vergangenen Jahr angesprochen worden. Es war offensichtlich, dass in der Erklärung „Kindesmissbrauch ist ein Verbrechen“ eine Einstellungsänderung zum Ausdruck kam. Jetzt behandeln Älteste sexuelle Belästigung nicht mehr als Sünde wie Ehebruch oder Hurerei, sondern als etwas weitaus Ernsteres, als Verbrechen. Das war eine willkommene Änderung.

Neulich erzählte mir eine Frau, die einmal eine Zeugin war, nachdem sie in unserer örtlichen Zeitung einen Artikel über die Zeugen Jehovas und die Anschuldigungen wegen Kindesmissbrauchs gelesen hatte, sie sei vor vielen Jahren von jemandem sexuell belästigt worden, der in die Versammlung Manchester ging. Ich kenne ihre Familie mehr als 25 Jahre lang und erinnere mich an sie als junges Mädchen. Der Mann, den sie beschuldigte, war seit über 30 Jahren ein guter Freund von mir. Wenn ich nun mit einem weiteren Ältesten zu meinem Freund gehe und ihn damit konfrontiere und er die Beschuldigung abstreitet, befinde ich mich in einem Dilemma, weil ich will, dass er nicht schuldig ist. Wie kann ich Gerechtigkeit üben, wenn ich parteilich bin? Natürlich könnte ich mich dieser Situation entziehen, aber warum sollten wir auch nur in eine solche Lage versetzt werden und unsere Brüder in solchen Angelegenheiten, wo es zur Lösung der Weisheit eines Salomo bedarf, richten? Gemäß Erwachet! vom 8. Oktober 1993 ist es unwahrscheinlich, dass ein Kind, das jemanden der sexuellen Belästigung beschuldigt, lügt. Ich glaube jedoch, es ist besser, sich im Interesse des Kindes, als sich im Interesse der Angeklagten zu irren. Aber die Frage entsteht, warum wir als Älteste dieses Verbrechen des Kindesmissbrauchsüberhaupt untersuchen. Können wir als Älteste wirklich jemanden, der beschuldigt wird, als Missbrauchstäter identifizieren?

Natürlich muss etwas geschehen, wenn Beschuldigungen erhoben werden, aber nicht bewiesen werden können. Die meisten Zeugen jedoch möchten Situationen wie diese der Hand Jehovas überlassen. Für mich ist das ein Abwälzen der Verantwortung. Unsere Organisation hat Richtlinien, um Streitigkeiten beizulegen und die Wahrheit aufzudecken, aber in einem Fall wie oben, wo der Beschuldigte die Anklage bestreitet, ist die Untersuchung zu Ende, bis jemand anderer vortritt und dieselbe Person anklagt (etwas, das selten passiert). Wenn man den Ältesten gesagt hat, sexuelle Belästigung sei ein Verbrechen, warum können unsere Brüder dann nicht mit der Anklage zuerst zu den Behörden gehen und erst dann die Ältesten informieren? Wir erwarten, dass unsere Brüder zuerst zu den Behörden gehen, wenn es sich um Mord handelt. Überdies ist es undenkbar, dass Älteste eine Mordanklage untersuchen, um Schuld oder Unschuld festzustellen. Warum sollten wir dann eine Missbrauchsanklage untersuchen, um Schuld oder Unschuld festzustellen? Das ist einfach nicht unser Fachgebiet. Wir sind Diener Gottes, keine Polizisten. Die Behörden und ihre Experten für Kindesmissbrauch machen manchmal Fehler, aber diese Fehler sind nichts gegen den Fehler, einfach nur den Angeklagten zu fragen: „Hast du es getan?“, und es dann bei der Antwort „Nein“ bewenden zu lassen. Wenn es keinen weiteren Tatzeugen gibt, werden alle Anschuldigungen fallen gelassen, die Akten geschlossen und wird das Opfer gewarnt, darüber zu reden oder sonst etwas zu tun.

Das führt mich zu dem Punkt, dass Opfer einen weiteren Zeugen für den Missbrauch beibringen müssen. In dieser Vorschrift stecken innere Widersprüche. In der Vergangenheit wurde in der Wachtturm-Literatur erklärt, für jede Tat müsse es zwei Zeugen geben, ehe rechtliche Schritte unternommen werden könnten. Jetzt gibt es etwas Neues: „Wenn jedoch zwei Personen Zeugen getrennter Vorfälle derselben Art von Vergehen sind, dann kann ihre Aussage als hinreichend angesehen werden, um etwas zu unternehmen.“ Was gilt nun? Und was soll unternommen werden? Rechtliche Schritte, die zu einem Gemeinschaftsentzug führen können? Oder eine Untersuchung, die zur Feststellung der Schuld und dann zu einer Anzeige wegen der Anschuldigung bei den Behörden führt? Wenn unsere Lehren bedeuten, dass wir das obige Kriterium erfüllen müssen, ehe wir bei den Behörden Anzeige erstatten, wie viele Älteste meinen, dann sage ich: „NEIN!“ Wir sollten uns nicht auf die Zwei-Zeugen-Vorschrift berufen, wenn es darum geht, ob Älteste eine Anschuldigungen den Behörden melden. Tatsächlich glaube ich, und ich will das wiederholen, dass die Ältesten keine Anklage wegen Kindesmissbrauchs untersuchen sollten, bevor die Behörden zu Rate gezogen werden.

Der Herde sagt man, die Ältesten seien liebevoll, freundlich und empfindsam. Doch immer wieder habe ich von äußerst ignorantem oder noch schlimmerem Verhalten auf Seiten der Ältesten gehört, wenn sie mit Fällen von sexuellem Missbrauch zu tun hatten. So hat beispielsweise ein Mädchen in unserem Kreis ihren Großvater beschuldigt, er habe sie sexuell belästigt. Ihre Mutter ging zur Polizei, und der Mann (ein Bruder) gab seine Schuld zu. Man sagte mir, der Fall sei zur Zufriedenheit aller Beteiligten behandelt worden, außer dass der vorsitzführende Aufseher, als sich die Mutter an ihn wandte, sagte: „Wenn es ein Trost für dich ist, deine Tochter hat die Tat genossen!“ Die Mutter verließ die Organisation, weil sie nicht mit der Vorstellung umgehen konnte, dass dieser Mann ihr geistiger Hirte war.

Mir kommt ein weiterer Fall in den Sinn: Eine Schwester berichtete, sie sei im Alter von acht Jahren sexuell belästigt worden. Der Mann gestand, aber dann fragte einer der Ältesten sie: „Was für eine Kleidung hast du getragen?“ Man hat sie angewiesen, ihren Frieden mit dem Täter zu machen, und ihrer Familie riet man, ihn zum Essen einzuladen. Es ist offensichtlich, dass eine Frage und ein Rat wie hier beweisen, dass Älteste nicht befähigt sind und nicht eingeschaltet werden sollten. Wenn ich Hunderte solcher Fälle kenne, müsst Ihr von Tausenden wissen.

Kinder und Frauen sind sehr verletzlich in dieser von Männern dominierten Welt, und das stimmt auch in unserer Organisation. Ich habe oftmals Jakobus 1:27 zitiert und habe es ebenso oft von der Bühne her zitiert gehört. Natürlich kennt ihr diese Schriftstelle gut, wo Jakobus sagte: „Die Form der Anbetung, die vom Standpunkt unseres Gottes und Vaters aus rein und unbefleckt ist, ist diese: nach Waisen und Witwen in ihrer Drangsal zu sehen und sich selbst von der Welt ohne Flecken zu bewahren.“ Gewöhnlich haben wir den Schluss dieser Bibelstelle betont und selten die Situation analysiert, in der sich Waisen und Witwen befanden, wenn der Ehemann und Vater starb. Vor allem waren sie ohne Beschützer, was sie äußerst verletzlich machte. Obwohl sich die Situation heute etwas geändert hat, gibt es immer noch viele Gebiete, auf denen Waisen und Witwen Hilfe benötigen, und Älteste sollten sich ihrer Bedürfnisse in besonderem Maße annehmen. Besonders ist das so bei Menschen, die sexuell missbraucht wurden. Wer sind ihre Beschützer, wenn nicht die, die man mit geistigen Vätern vergleichen kann – die Ältesten. Gott stellt diese Personen unter unsere und auch Eure Fürsorge. Was immer es erfordert, wir sollten die Extrameile gehen, um missbrauchten Menschen zu helfen. Es scheint jedoch, dass unsere Organisation eher ein Kind opfert und die Person behält, die abstreitet, das Kind missbraucht zu haben.

In Eurem Brief an alle Ältestenschaften vom 15. Februar 2002 gebt Ihr die Anweisung an uns: „Legt niemandem nahe, er solle die Sache nicht bei der Polizei oder bei anderen Behörden anzeigen.“ Warum sollten Älteste in die Lage versetzt werden, jemandem nahe zu legen oder auch nicht, eine Beschuldigung anzuzeigen? Dem Opfer oder den Sorgeberechtigten und dem Rest der Zeugen Jehovas sollte von den Ältesten gesagt werden, dass sie immer die Polizei rufen sollten, wenn ein Verbrechen begangen wurde, und zwar ohne Wenn und Aber.

In demselben Brief vom 15. Februar 2002 sagt ihr auch: „Wenn ihr gefragt werdet, stellt klar, dass es die persönliche Entscheidung eines jeden ist, ob er die Sache anzeigen soll ...“ Das ist eine unrichtige und in 17 Bundesstaaten ungesetzliche Information. In diesen 17 Staaten ist jeder verpflichtet, selbst nur einen Verdacht auf Kindesmissbrauch anzuzeigen. In Tennessee ist das seit 1972 Gesetz. In Kentucky lautet das Gesetz ebenso. Und warum sollte jemand in der Rechtsabteilung Bill Bowen, einem Einwohner von Kentucky, wie in Dateline zu sehen, sagen, er solle einen Fall von sexueller Belästigung nicht anzeigen? Was tut die Rechtsabteilung der Wachtturm-Gesellschaft, dass sie uns Falschinformationen wie die obenstehende gibt?

Im Wachtturm vom 1. Januar 1997 findet sich eine Erklärung zu Verfahrensvorschriften, dass jemand, der als Missbrauchstäter bekannt ist, keine Machtstellung in der Versammlung innehaben kann. Diese Vorschrift ist sicher willkommen und zeigt Eure Sorge um den Schutz der Herde. Doch das Wort „bekannt“ scheint ein verwirrendes Problem zu sein. Wem ist derjenige „bekannt“? Den Ältesten – liegt die Feststellung von Schuld oder Unschuld in ihren Händen? Was ist, wenn das Opfer den Ältesten nicht beweisen kann, dass es sexuell belästigt wurde, weil es nicht in der Lage ist, einen zweiten Zeugen für die Tat vorzuweisen. Bedeutet das, dass der Beschuldigte dann in seiner Stellung bleibt? Ich glaube, dass er das bleibt, weil er in diesem Fall bei den Ältesten als unschuldig „bekannt“, von ihnen als unschuldig angesehen wird. (Er ist dann nicht als Kinderschänder „bekannt“.) Ältesten sollte nie die Macht gegeben werden, zu entscheiden, wer ein „bekannter“ Kinderschänder ist oder nicht, weil sie nicht darin geschult und nicht dazu befähigt sind. Diese Vorschrift setzt Kinder in der Versammlung einer Gefahr aus und sollte neu abgewogen werden.

In Eurer Erklärung im Brief vom 24. Mai 2002 an alle Versammlungen sagt Ihr: „Wir weisen die Ältesten seit langem an, Beschuldigungen wegen Kindesmissbrauchs den Behörden zu melden, wo das Gesetz das fordert ...“Was Gott angeht: Wenn dies ein Verbrechen ist, dann ist es überall ein Verbrechen. Wenn es in einem Bundesstaat Unrecht ist, warum nicht in anderen? Und wenn es ein Unrecht ist, sollten wir das Richtige tun, ob die Gesetze eines Landes etwas fordern oder nicht. Sollen wir nicht moralisch besser sein als die Welt? Machen wir aus Gewissensgründen nicht einen oder zwei Extraschritte? Etwas anderes aus der obigen Erklärung. Ihr sagt: „Wir weisen die Ältesten seit langem an, Beschuldigungen wegen Kindesmissbrauchs den Behörden zu melden ...“ Wo steht als Vorschrift geschrieben, dass Älteste angewiesen werden, Kindesmissbrauch den Behörden zu melden? Eure oben angeführte Erklärung ist eine Halbwahrheit und führt den Leser in die Irre. Was nicht deutlich wird: Die Ältesten haben schriftliche Anweisungen, die Rechtsabteilung anzurufen, wo man ihnen sagt, wenn ihr Bundesstaat von einem Geistlichen verlangt, eine Beschuldigung zu melden, dann sollten sie das tun. Das ist etwas ganz anderes als: „Wir weisen die Ältesten seit langem an, Beschuldigungen wegen Kindesmissbrauchs den Behörden zu melden ...“

Ein weiterer Punkt, den ich mit Euch besprechen möchte, ist der kürzlich erfolgte Gemeinschaftsentzug meiner Frau Barbara. Die für den Ausschluss benutzte Bibelstelle steht in 1. Korinther 5:1-12. In dem Brief von L. Seely, dem vorsitzführenden Aufseher der Versammlung Manchester, hieß es, Barbara sei ausgeschlossen worden, weil sie Spaltungen verursacht habe, nicht weil sie irgendeine der von Paulus in 1. Korinther 5:1-12 beschriebenen bösen Taten begangen habe, d.h. grobe Boshaftigkeit, sexuelle Unmoral usw. Es war J.R. Brown, der Sprecher der Gesellschaft, der meine Frau beschuldigte, nicht näher bezeichnete „geistige Vergehen“ oder „Sünden“ begangen zu haben, wegen derer sie vor ein Rechtskomitee zitiert wurde. Das hat ganz sicher den Ruf meiner Frau vor der ganzen Welt befleckt, da zu der Zeit und auch zu keinem anderen Zeitpunkt ein Beweis dafür geboten wurde.

Es war die Wachtturm-Gesellschaft, die Barbara zwang, wegen der Verhandlung vor dem Rechtskomitee, das die Ortsversammlung auf Befehl der Wachtturm-Rechtsabteilung einberief, an die Medien zu gehen. Es ist offensichtlich, dass sie Spaltungen unter der Herde verursachte, als sie sich wegen des Themas sexueller Missbrauch an die Medien wandte. Warum hat J.R. Brown das nicht einfach gesagt, anstatt sie wegen „Sünden“ anzuklagen und ihren Ruf zu beschmutzen? Das war so, weil die Weltzentrale wusste, dass es überhaupt keinen Beweis dafür gab, dass sie Spaltungen verursachte, indem sie ihre Ansichten über Kindesmissbrauch bekannt machte, ehe sie sich an die Medien wandte.

Wenn Barbara ausgeschlossen wurde, weil sie Spaltungen verursachte, hätte auch der Apostel Paulus aus demselben Grund ausgeschlossen werden müssen, weil er sensationelle sexuelle Unmoral in der Korinther Versammlung bekannt machte. Er hat nicht nur mit der Korinther Versammlung besprochen, wie er darüber dachte, dass die Versammlung einen Fall von Hurerei in ihrer Mitte vertuschte, er hat seine Anschuldigungen auch aufgezeichnet, so dass sie von Millionen von Menschen in den vergangenen 2.000 Jahren in der Bibel gelesen werden konnten. War es in Ordnung, dass Paulus an die Öffentlichkeit ging und ein skandalöses Verhalten aufdeckte, das in der Versammlung gutgeheißen wurde, meine Frau aber bestraft wird, wenn sie damit an die Öffentlichkeit geht, dass die Organisation unmoralische Personen durch eine schlimme Politik gutheißt und schützt? Und weiter: Indem 1. Korinther 5 als Grund für ihren Gemeinschaftsentzug angewandt wurde, hat man ihr Verhalten mit den bösen und unmoralischen Taten, die dort genannt werden, gleichgesetzt. Ich halte das für unchristlich. Ich glaube auch, dass der Gemeinschaftsentzug meiner Frau eine Verletzung des Gebotes des Apostel Paulus darstellt, dass jeder von uns daran arbeiten sollte, die Versammlung rein zu halten, egal um welchen Preis. Und dann ist ihr Gemeinschaftsentzug, weil sie Spaltungen verursacht haben soll, indem sie öffentlich über Unreinheit in unserer Organisation die Stimme erhob, eine Verletzung der Freiheit der Rede, die Christus uns brachte.

Insofern ich mich nicht von Euren Richtlinien zu Kindesmissbrauch leiten lassen kann, ist es schwer für mich, noch weiter Ältester zu bleiben. Ich erwarte keine Antwort auf diesen Brief. Wenn es irgendwelche Änderungen in Eurer Politik gibt, dann bin ich sicher, dass sie in unseren Publikationen erscheinen werden.

Danke, dass Ihr diesen Brief betrachtet habt. Ich hoffe nicht weniger, als dass im Sinne der Opfer und derer, die die Stimme erheben, christlich gehandelt wird.

Hochachtungsvoll

A. J. Anderson

Kopie: Versammlung der Zeugen Jehovas in Manchester, Tennessee