In diesem Artikel untersuchen wir die folgenden Prozesse:
- Wie Leute ermutigt werden, mit Jehovas Zeugen zu studieren
- Wie Leute ermutigt werden, beizutreten, sich taufen zu lassen und teilzunehmen
- Wie Leute davon abgehalten werden, Jehovas Zeugen zu verlassen
Ich werde nicht viel über die Gültigkeit der Doktrin der Wachtturm-Gesellschaft sagen. Das wurde schon detailliert an anderer Stelle gemacht.
ZIELGRUPPE: Dieser Artikel wurde für Leute geschrieben, die von Jehovas Zeugen angesprochen wurden und wissen möchten, was sie erwartet. Er könnte auch Leute interessieren, die bereits Zeugen Jehovas sind und sich fragen, warum sie beigetreten sind.
DANKSAGUNG: Ich möchte den folgenden Personen für ihre Hilfe danken: Marie Black, K.C.C., Ella Chapman, Regina Kolesa, Jeffery M. Schwelm.
Erst an der Tür, dann in die Wohnung
Es ist ein ruhiger Samstag nachmittag. Sie sitzen in ihrem Lieblingssessel, lesen die Zeitung. Die Türklingel läutet. Sie gehen an die Tür und dort stehen zwei strahlend lächelnde Personen. Beide sind gut angezogen, und jeder trägt einen Aktenkoffer. Für einen Moment denken Sie, sie wollen Ihnen eine Lebensversicherung verkaufen, aber dafür sind sie zu gut gelaunt.
Sie vermuten schon, daß es sich um Zeugen Jehovas handeln muss, und tatsächlich fangen sie auch an, über eine wundervolle Hoffnung für die Zukunft zu reden. Sie sagen nicht wirklich, daß sie Zeugen sind, aber als einer von ihnen eine Bibel zückt, können Sie einige Ausgaben des Wachtturm in seinem Aktenkoffer sehen.
Sie fragen Sie nach Ihrer Meinung über Geschehnisse auf der Welt, und was Sie denken, was passieren wird, wenn die Dinge noch schlimmer werden. Sie antworten, daß es eine Menge Probleme auf der Welt gibt, und daß Sie sich schon manchmal fragen, wo das alles hinführt. Sie laden die beiden in Ihr Haus ein, um zu reden.
Normalerweise lassen Sie keine Fremden ins Haus, aber diese beiden wirken harmlos. Sie haben bereits von der legendären Ehrlichkeit der Zeugen Jehovas gehört. Sie entscheiden, sich nicht um Ihren Besitz oder Ihr Geld zu sorgen.
Es gibt etwas anderes, worüber Sie sich sorgen sollten.
Der einzige Weg ins "Gelobte Land"
Die Zeugen Jehovas sind ausgebildet, Leute zum Reden über den "Zustand der Welt" zu bringen, und sie führen die Diskussion auf eine Art, dass ihre Religion als einzige Hoffnung erscheint. Wenn Sie nicht auf den Indoktrinationsprozess vorbereitet sind, könnten Sie vielleicht dem Versprechen glauben, daß nur Jehovas Zeugen Ihr Leben mit einer Bedeutung füllen können und Sie vor den Problemen und Sorgen des Lebens schützen können. Als Erstes nähren sie Ihre Angst. Wir alle haben Angst vor dem Unbekannten. Was wird morgen passieren? Werde ich gefeuert? Was ist, wenn ein Atomkrieg ausbricht? Was, wenn ich krank werde? Solche "Was wäre wenn"-Fragen sind die Funken, die die Zeugen Jehovas zu einem Brand anfachen werden.
Die Zeugen an Ihrer Tür haben ein Ziel im Kopf: Sie zu ihrer Religion zu bekehren. Wenn Sie geradeheraus fragen, ob das ihr Ziel ist, werden sie das üblicherweise verneinen. Sie werden sagen, daß sie da sind, um "den Zustand der Welt", oder "die Bibel" oder "eine Hoffnung für die Zukunft" zu diskutieren. Dieses Ausweichen ist verständlich; würden sie den Leuten offen ins Gesicht sagen, sie bekehren zu wollen, würde niemand mehr zuhören!
Um Ihre Angst zu nähren, können Zeugen Jehovas unzählige Statistiken aufsagen, um zu 'beweisen', daß die Welt in einem grässlichen Zustand ist. Manche ihrer Aussagen sind wahr, andere sind schon überholt, und manche sind falsch.
Jeder kann versehentlich falsche Daten liefern. Die Zeugen, aber, liefern selektive Informationen, die dazu gedacht sind, ein trauriges Bild zu malen. Natürlich sind viele Dinge falsch in unserer Welt, aber es gibt auch viele gute Dinge. Die meisten Leute, die diesen Artikel lesen, leben gesünder - und länger - als die reichsten Könige des Altertums.
Zusammen mit ihrem trostlosen Bild der Zukunft präsentieren die Zeugen ein Bild von einer herrlichen Zukunft, in der Sie für immer im Paradies leben. Das ist sehr reizvoll, und es ist schwierig, nicht davon versucht zu werden. Wir alle sehen uns nach dem "Garten Eden", und viele Leute fahren regelmäßig in exotische Lände wie Hawaii oder Tahiti, um ein wenig von dem guten Leben zu erfahren.
Im Nachteil
Wie können Sie die beiden rauswerfen, nachdem sie Ihnen so eine herrliche Zukunft anbieten? Warum sollten Sie böse werden? Wäre das nicht unhöflich? Die Zeugen machen die besten Fortschritte bei Leuten, die höflich sind. Ihr ganzes Predigtamt würde fehlschlagen, wenn die Leute weniger höflich zu nicht eingeladenen Leuten wären, die an ihre Tür klopfen.
Ich möchte damit nicht andeuten, daß Sie fies zu Leuten sein sollen, die Sie unaufgefordert besuchen. Dennoch, wenn sie vorhaben, mit den Zeugen zu diskutieren, sollten sie bedenken, daß diese wohl ausgebildet sind. Sie haben wöchentliche Treffen (z.B. die Theokratische Predigtdienstschule), die ihnen dabei helfen, ihren Glauben überzeugend zu vermitteln. Der Durchschnittsbürger ist für solche Diskussionen nicht so gut qualifiziert.
Auch wenn Sie gebildet und wortgewandt sind, sind Sie in religiösen Dingen wahrscheinlich nicht so gut bewandert. Die Zeugen Jehovas "leben, essen und atmen" ihre Religion und können die meisten Leute in einer Debatte an die Wand reden. Sie kennen ihre Lehren sehr genau, weil sie sie unaufhörlich studieren. Ihnen wurden Antworten auf beinahe jeden Einwand beigebracht, was einem das Credo eines Verkäufers ins Gedächtnis ruft: "Wenn Sie auf jeden Einwand eine Antwort haben, dann verkaufen Sie auch!"
Wenn Sie auf jede Frage eine Antwort haben, heißt das nicht, dass Sie richtig liegen (oder dass das Produkt, das Sie verkaufen, besser ist als der Rest). Es heißt, dass Sie besser im Debattieren sind als Ihr Gegenüber. Zum Handwerk eines Bauernfängers gehört es, Leute davon zu überzeugen, dass das scheinbar Unmögliche tatsächlich möglich ist. (Ich möchte hier übrigens nicht die Zeugen Jehovas mit Kriminellen gleichsetzen, aber das Prinzip "Stichhaltigkeit ist nicht Wahrheitsgehalt" demonstieren. Was zu gut scheint, um wahr zu sein, ist im Allgemeinen nicht wahr).
Trotz all ihrer Fähigkeiten sind Zeugen Jehovas nicht unbesiegbare Debattierer. Es ist möglich, Löcher in ihre Rhetorik zu pieksen - insbesondere, wenn Sie mit ihrer Lehre vertraut sind, oder gute Kenntnisse der Bibel, Wissenschaft oder Geschichte haben. In solchen Fällen werden die Zeugen fast unmerklich dem Thema ausweichen (Diese Debattiertechnik, und andere, sind in einem anderen Artikel beschrieben).
Die Zeugen an Ihrer Tür verkaufen Ihnen kein Quacksalberprodukt. Die meisten von ihnen sind wirklich glücklich, Zeugen Jehovas zu sein, und sind nicht beunruhigt aufgrund der Geschichte ihrer Religion. Genausowenig stört es sie, dass ihre Religion mit der Wissenschaft in Konflikt steht, oder dass sie viele Vorhersagen gemacht hat, die nicht wahr geworden sind.
Wie in den meisten Religionen, beziehen die Zeugen Jehovas große Unterstützung vom nicht fassbaren Geist ihrer Gruppe, weniger von einzelnen Lehrpunkten. Sie umgeben sich regelmäßig mit netten Leuten, die ihre Ideale und Werte teilen.
Mehr noch, alle Zeugen schauen demselben Ziel entgegen: Eine Welt, in der Schmerz und Leid ausgelöscht wurden. Wer kann von einem Traum von ewiger Freude nicht bewegt sein?
Sie haben vielleicht Zweifel, dass die Zeugen die "wahre Religion" haben (was auch immer das bedeutet), aber Sie sollten nicht ihre Aufrichtigkeit in Frage stellen. Gleichzeitig sollten Sie auch nicht Aufrichtigkeit mit Wahrheit verwechseln. Es gibt zahllose Religionen, die genauso stark daran glauben, die Wahrheit zu kennen.
Wenn Sie einen Zeugen Jehovas an der Tür fragen, ob Sie selbst auch ein Zeuge Jehovas werden müssen, um am Tag des "jüngsten Gerichts" (die Zeugen nennen das "Harmagedon") "gerettet" zu werden, wird er in den meisten Fällen nur eine vage Antwort geben. Zeugen Jehovas lernen, dass es schlecht ist, zu sagen, dass nur sie gerettet werden, also sagen sie lieber so etwas wie: "Nur Gott kann das Herz beurteilen".
Manche Zeugen Jehovas glauben tatsächlich an eine nicht-exklusive Rettung, da sie nie explizit anders belehrt werden. In der Praxis wiederum werden sie belehrt, dass ihre Religion die wahre Religion ist, und dass Gott Irrlehren verachtet - die Implikation ist offensichtlich genug.
Es klingt so vernünftig
Obwohl die Zeugen Jehovas sagen, dass Gott möglicherweise auch Nicht-Zeugen zulassen wird, suggeriert ihre Einstellung, das Gott sie allein rettet. Das wird im Allgemeinen nicht sofort deutlich.
Ganz allgemein betrachtet werden Ihnen die Zeugen Jehovas an der Tür erzählen, was Sie hören wollen. Sie wollen vermeiden (um ihre Terminologie zu benutzen), Sie vor den Kopf zu stoßen. So gut ihre Intentionen auch zu sein scheinen, kann das doch zu Fehldarstellungen führen.
Zeugen Jehovas sind vorsichtig, wenn sie nach kontroversen Aspekten ihrer Religion gefragt werden, wie z.B. Bluttransfusionen, Gemeinschaftsentzug oder falsche Vorhersagen. Die meisten Fragen dieser Art werden mit einen Winken und einem Lachen abgetan: "Oh nein, das haben Sie falsch verstanden, es ist gar nicht so".
Das kann auch passieren, selbst wenn Sie es genau richtig verstanden haben. Die Zeugen achten so sehr darauf, andere Leute nicht vor den Kopf zu stoßen, dass sie ihren Glauben schönfärben (selbst in der Anwesenheit anderer Zeugen).
Sie könnten so ein Ausweichen als "Lügen" oder "falsche Vorgaben" bezeichnen. Für einen Zeugen jedoch sind Sie einfach noch nicht bereit für die ganze Wahrheit. Sie geben Ihnen erst die einfache Version, um Sie aus den "Klauen Satans" zu "befreien".
Gehen wir damit nicht zu hart mit diesem Verhalten ins Gericht? Wer von uns hat sowas nicht schonmal gemacht, die Wahrheit etwas zu beugen, damit unsere Botschaft gefälliger wird?
Mehr Leid und Sorgen
Während sie darüber sprechen, wie schlimm die Welt ist, könnten die Zeugen Sie auch fragen, ob Sie eigene Probleme haben. Wenn Sie eins haben, haben die Zeugen die Lösung. Ein Verwandter ist unlängst gestorben? Sie werden ihn nach der Wiederauferstehung wiedersehen. Sie wurden geschieden? Sie können Trost finden und in den Genuss einer Gemeinschaft guter Menschen [natürlich den Zeugen Jehovas] kommen.
Selbst gute Dinge können als Basis für Angst benutzt werden. Sie wurden mit einem Baby gesegnet? Sind Sie nicht besorgt, dass Ihr Kind in dieser Welt aufwächst?
Übrigens formulieren die Zeugen ihre Einladung nicht so direkt, wie: "Sie sollten Zeuge Jehovas werden." Die Einladung wird impliziert (statt ausgesprochen), indem ihr Weg als ideale Lösung für jedes tatsächliche, eingebildete oder übertriebene Problem angeboten wird.
Um die Notwendigkeit einer "Lösung" zu erzeugen, sind die Zeugen Experten darin, Leute depressiv zu machen. Sie beklagen den angenommenen Zuwachs an Bösem und das generelle Auseinanderfallen von Allem. Sie betonen auch die Fehler der "Regierungen der Welt" (obwohl sie meistens keine bestimmten Regierungen kritisieren, sie sind theoretisch nicht-politisch).
Egal, wie optimistisch Sie sind, die Zeugen werden versuchen, Sie dazu zu bringen, zuzustimmen, dass die Dinge schlimmer sind als je zuvor. Sie können enthusiastisch über wundersame Fortschritte in Wissenschaft, Medizin, oder über Toleranz und Menschenrechte sprechen, aber die Zeugen werden Ihnen jedes Mal ein Gegenbeispiel von wild wucherndem Horror geben. An diesem Punkt der Präsentation wollen sie nicht, dass Sie glücklich sind.
Ein anderes häufiges Ziel sind andere Religionen und deren Klerus. Manche Zeugen können stundenlang über Skandale mit Männern der Kirche reden. Sie können z.B. eine Geschichte nehmen, bei der ein Priester ein Kind missbraucht hat, und das als Beweis heranziehen, wie schlecht die ganze Religion sein muss. Solche Generalisierung ist natürlich nur ein billiger Debattiertrick, aber viele Leute durchschauen das nicht sofort.
Die Zeugen wollen, dass Sie erkennen, dass alle anderen Religionen korrupt sind, und zitieren verschiedene Bibelverse, um zu zeigen, dass sie - und nur sie - Gottes Erwartungen entsprechen.
Auch hier sollten Sie vorsichtig sein, diese Aussagen nicht für bare Münze zu nehmen. Zeugen Jehovas weisen z.B. gern darauf hin, dass sie nicht in den Krieg ziehen, und manche von ihnen sagen (und glauben), dass es keine anderen Religionen mit diesem Vorgehen gibt (Neben den Zeugen Jehovas sind auch die Quäker sehr bekannt für ihre Kriegsdienstverweigerung).
Das mittelfristige Ziel
Die Zeugen erwarten nicht wirklich, dass sie aufgrund eines einzigen Besuchs "das Licht sehen". Wenn Sie Interesse an ihrer Botschaft zeigen, werden sie sich mit Ihnen zu einem weiteren Besuch verabreden.
Wenn Sie weiterhin Interesse zeigen, werden sie eine formellere Verabredung vorschlagen, weil durch einen solch festen, verbindlichen Termin Ihre Fragen noch besser beantwortet werden können - der Beginn eines wöchentlichen kostenlosen Bibelstudiums.
Weil die Zeugen Jehovas sehr angenehme Zeitgenossen zu sein scheinen, könnten Sie geneigt sein, diesen Besuchen zuzustimmen. Es ist nett, etwas Gesellschaft zu haben, und fast jeder ist daran interessiert, mehr über die Bibel zu erfahren.
Das "Bibelstudium" ist in Wahrheit ein Buchstudium. Ihnen wird ein Einstiegstext vorgestellt. Es wird auch immer eine Bibel auf dem Tisch liegen während des Buchstudiums, aber die meiste Zeit wird mit dem Studienbuch gearbeitet werden. Die Zeugen werden erklären, dass die Bibel letztlich umfangreich und kompliziert ist, so dass man auf diesem organisierteren Weg besser lernen kann, was die Bibel wirklich sagt.
Checkliste
Hier sind ein paar der Dinge, auf die Sie achten sollten, wenn Zeugen Jehovas zu Ihnen nach Hause kommen ...
- Verstärkung natürlicher Ängste
- Ausweichen über den tatsächlichen Zweck des Besuchs (Diskussion statt Bekehrung)
- Selektive, nicht gestützte Aussagen über den Zustand der Welt
- Eine verlockende Aussicht auf das Paradies
- Vorteil aus Höflichkeit und relativer Ungeübtheit ziehen
- Die Fähigkeit, Einsprüche abzulenken oder zu umgehen
- Echter Glauben an das, was die Zeugen predigen
- Implikation, dass ihr Weg der einzige Weg ist
- Falschinterpretation oder Beschönigung von kritischen Lehren
- Schlechte Erfahrungen als Gründe aufzeigen, ihnen beizutreten
- Gute Erfahrungen in Gründe zu wandeln, ihnen beizutreten
- Pessimismus über die Zukunft der Menschheit (außer, Gott interveniert)
- Kritik an Regierung und Klerus
- Verabreden zu Rückbesuchen und (schließlich) einem Bibelstudium
Der Novize
Wenn Sie einmal zugestimmt haben, am freien Bibelstudium teilzunehmen, werden Sie in einen Prozess involviert, der darauf ausgelegt ist, Sie zu ermutigen, die Zeugentreffen zu besuchen und irgendwann mal getauft zu werden. Dieses langfristige Ziel bleibt aber unerwähnt. Die Betonung liegt darauf, zu lernen, was "die Bibel sagt".
Wenn Sie Ihre Lehrerin fragen (wir nehmen hier einfach mal an, dass Ihr Studienpartner weiblich ist), wird sie tatsächlich sowas sagen wie "Ich bin nur hier, um Ihnen zu helfen, die Bibel zu verstehen". Wenn Sie fragen: "Versuchen Sie, mich dazu zu bringen, ihrer Religion beizutreten", wird sie vermutlich nur eine diplomatische Antwort geben wie "Das ist ihre Entscheidung, nicht meine".
Interessanterweise ist das Bibelstudium der einzige Ort, an dem eine Frau formal über die Lehren der Zeugen Jehovas unterrichten darf. Die Religionsgemeinschaft erlaubt nicht, dass Frauen vom Podium im Königreichssaal [Gemeindezentrum der Zeugen Jehovas] sprechen, allerdings dürfen Frauen kleine Stücke aufführen, um irgendwelche Punkte der Lehren zu verdeutlichen.
Die Studienpartnerin wird Sie normalerweise auffordern, das Material im Studienbuch im Vorfeld zu lesen. In diesem Fall werden Sie gebeten, die Antworten auf die abgepackten Fragen, die am Fuß jeder Seite stehen, zu unterstreichen. Sie wird erklären, dass das zur schnellen Referenz während des Bibelstudiums dient, oder falls ein Familienmitglied wissen möchte, was Sie denn so gelernt haben. Dieses "Vor-Lesen" und Unterstreichen ist eine effektive Studiermethode, aber es ist auch eine subtile und mächtige Indoktrinationsmethode. Das wird später nochmal eingehender beleuchtet, im Abschnitt "Wiederholung und Verstärkung".
Die Neue-Welt-Übersetzung
Wenn Sie es nicht ausdrücklich anders wünschen, wird Ihre Studienpartnerin die Neue-Welt-Übersetzung der Bibel verwenden, die offizielle Version der Bibel, die die Zeugen verwenden. Es ist eine recht akkurate Übersetzung der Bibel (insofern ich qualifiziert bin, das zu beurteilen), aber einige Verse, die den Lehren der Zeugen Jehovas zu widersprechen scheinen, wurden mit den Lehren im Hinterkopf übersetzt. Wenn es zwei mögliche Übersetzungen gibt, wird die Neue-Welt-Übersetzung immer diejenige wählen, die näher an der Zeugendoktrin ist, auch wenn die Begründung dahinter eher schwach ist.
Ihre Studienpartnerin könnte erklären, daß sie die Neue-Welt-Übersetzung lieber mag, da sie in einfachem Deutsch geschrieben ist. Das ist eine faire Aussage, die NWÜ ist recht lesbar. Wenn Sie allerdings die NWÜ als einzige Referenz verwenden, werden Sie niemals herausfinden, ob eine alternative Übersetzung nicht mit dem übereinstimmt, was die Zeugen lehren.
Um ein Beispiel aufzuzeigen, vergleichen Sie die Wortwahl von Johannes 1:1 in der NWÜ mit der Wortwahl in fast jeder anderen Bibel. Die Zeugen glauben nicht an die Dreifaltigkeit - sie glauben nicht, dass Gott "drei in einem" ist. Ihre Bibel wurde mit diesem Gedanken im Hinterkopf hergestellt. Es gibt Argumente für und gegen die Übersetzung von Johannes 1:1 in der NWÜ, aber nur wenige Übersetzer würden der Wahl der Zeugen zustimmen.
Die Zeugen glauben, daß sie die einzig "wahre" Religion haben, und Ihre Studienpartnerin wird mehrere Punkte aufbringen, um zu demonstrieren, dass nur die Zeugen Gottes Führung haben.
Zum Beispiel werden die Zeugen versuchen, zu beweisen, dass sie die einzigen sind, die wortwörtlich "in Gottes Namen" predigen. Sie sagen, keine andere Religion verwendet Gottes Namen so häufig oder mit soviel Hingabe. Das klingt wie ein überzeugendes Argument, aber man muss bedenken, was Gott davon halten würde, wenn sein Name falsch ausgesprochen wird (Siehe Anhang I Gottes Name).
Die "Benutzung von Gottes Namen" ist sehr wichtig für die Zeugen Jehovas, und Ihre Studienpartnerin wird das zu einem Hauptinhalt machen. Je weiter Ihr Studium fortschreitet, desto häufiger werden Sie herausfinden, dass Ihre Studienpartnerin die Wahrheit ihrer Religion durch den Fokus auf Angelegenheiten, die den meisten als unwichtig erscheinen, "beweist".
Zum Beispiel sind die Zeugen sehr daran interessiert, zu beweisen, dass Jesus Christus an einem hölzernen Pfahl, nicht an einem Kreuz, hingerichtet wurde. Das ist "wichtig", sagen sie. Sie werden Ihnen auch beibringen, dass es eine Beleidigung Gottes ist, Weihnachten oder Geburtstage zu feiern (siehe Anhang II, Festivitäten oder Feiertage).
Der Eindruck, den diese "Information" hinterlässt, kann sehr tiefgreifend sein. Wenn Sie mit der Studienleiterin einig sind, dass diese Angelegenheiten von großer Bedeutung sind, werden Sie unausweichlich feststellen, dass sich nur die Zeugen Jehovas um solche Dinge sorgen.
Mit solchen Mitteln überzeugen Sie die Zeugen Jehovas, dass sie die einzige Religion sind, die tut, was Gott will.
Ausgewählte Verse
Fast jedes Buch, das über die Bibel geschrieben wurde, unterstützt seine Annahmen mit einer Liste von Bibelversen, die der Leser nachschlagen soll. Eine Alternative dazu ist nur schwer vorstellbar, aber es bedeutet auch, daß der Vers aus dem Zusammenhang gerissen wurde, so dass die Beziehung zu den umgebenden Versen verlorengeht.
Die Bücher der Religionsgemeinschaft bilden da keine Ausnahme. In vielen Fällen ist der Vers klar genug: "Du sollst nicht töten" kann schwer missverstanden werden, und die Leute wissen auch, dass er aus den Zehn Geboten stammt. In anderen Fällen allerdings kann der zugehörige Text die Bedeutung des Verses dramatisch verändern.
Zum Beispiel haben die Zeugen Jehovas eine Lehre bezüglich der Parabel des "treuen und Verständigen Sklaven". Durch die Auswahl einiger Verse können sie ihre eigenwillige Interpretation (, die besagt, dass Jesus auf die Existenz besonderer weiser Männer, insbesondere der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, hinwies) stützen. Wenn man allerdings die Parabel (die bei genauerem Hinsehen eigentlich 2 Parabeln enthält) genau liest, wird man Details feststellen, die nicht in die Zeugenlehre passen (um das selbst zu sehen, lesen Sie bitte Matthäus 24:45 bis Matthäus 25:30).
Indem man Verse hier und dort nimmt, kann man die Bibel alles sagen lassen. Die Zeugen werfen anderen Religionen vor, genau dies zu tun, und die anderen Religionen zeigen mit dem Finger zurück auf die Zeugen.
Das Studienbuch, das Sie im Bibelstudium verwenden, zitiert manchmal den Vers, den es gerade behandelt. Das macht es unmöglich, die zusammengehörenden Schriften zu sehen. Aber dies ist wiederum ein Problem, das alle Abhandlungen über die Bibel betrifft - nicht nur die Bücher der Zeugen Jehovas - , aber es führt zu der Frage, ob etwas, das "Bibelstudium" genannt wird, nicht tatsächlich die Bibel als primäre Quelle benutzen sollte.
Wenn Sie Ihre Studienpartnerin fragen, warum sie ein Buch benutzt und nicht die Bibel selbst, wird sie vermutlich das Argument wiederholen, dass es schneller und einfacher ist, ein Studienbuch zu benutzen. Die Bibel kommt also nicht dazu, für sich selbst zu sprechen. Sie steht und fällt nicht mit ihrem eigenen Wert. Sie wird eher dazu benutzt werden, die Annahmen aus dem Buch zu "beweisen".
Natürlich könnte man die heikle Frage stellen, ob die Bibel ein perfektes Buch ist, das die entgültige Antwort auf alle Dinge besitzt. Die Zeugen glauben, dass die Bibel wörtlich zu lesen ist, außer wenn sie explizit sagt, dass sie bildlich spricht oder wenn sie denken, dass sie sich symbolisch ausdrückt, was recht oft der Fall ist.
Wenn Sie diesen Glauben nicht teilen, ist es unwahrscheinlich, daß die Zeugen Ihnen ein Bibelstudium anbieten. Ihr unangezweifelter (und nicht verhandelbarer) Glaube ist es, dass die Bibel keine Fehler, Legenden, mündliche Tradition oder rein menschliche Meinungen enthält.
Die Literatur
Die Studienbücher und -magazine der Religionsgemeinschaft sind mächtige Indoktrinationswerkzeuge. Sie konzentrieren den Geist auf die Lehren der Leitenden Körperschaft (den Männern, die die Lehren für die Zeugen Jehovas weltweit festlegen). Sie werden nicht ermutigt, Schlüsse aufgrund der Bibel allein zu ziehen.
Auch wenn diese Bücher und Traktate (unter Zeugen Jehovas als "die Literatur" bekannt) oft auf die Bibel verweisen, wird ein typischer Zeuge Hunderte von Worten aus der "Literatur" für jedes Wort aus der Bibel lesen. Auch wenn sie mit der Bibel sehr vertraut werden, werden sie noch vertrauter mit den Interpretationen der Leitenden Körperschaft.
Das ist den meisten Zeugen kaum bewusst, denn die Literatur kann dasselbe Thema mehrfach behandeln, mit unterschiedlichen Worten. Die Kommentare der Bibel sind "in Stein gemeißelt". Wenn die Zeugen also über eine bestimmte Sache nachdenken, erinnern sie sich an ein paar wichtige Bibelverse und rufen unterbewusst unzählige Interpretation der Leitenden Körperschaft ab.
Wiederholung und Verstärkung
Wiederholung ist eine kraftvolle Methode, um die Interpretationen der Leitenden Körperschaft zu verankern. Nur Wenige bemerken, dass dieselben Fragen und Konzepte immer und immer wieder wiederholt werden. Diese konstante Betonung verschiedener Ideen dient als eine Art "Zeugen-Katechismus". Betrachten wir mal, wie das während des Bibelstudiums funktioniert.
Ein oder zwei Tage vor dem Bibelstudium wird jeder Artikel oder jedes Kapitel, das durchgenommen wird, von dem Schüler gelesen. Am Fuß jeder Seite stehen Fragen, die mit den Absätzen im Text korrespondieren. Der Schüler unterstreicht die Antworten. Fast jede Frage hat eine passende Antwort in einem Satz. Diese Antwort zu finden bedeutet, den Absatz ein zweites Mal zu lesen. Den Satz zu unterstreichen bedeutet, ihn zum dritten Mal zu lesen.
Während des Studiums wird die Studienpartnerin den Absatz laut vorlesen (oder Sie darum bitten, das zu tun). Das ist dann das vierte Mal, dass Sie die unterstrichenen Sätze hören. Sie wird Sie dann nach der Antwort fragen, die Sie dann aus dem Buch vorlesen.
Also haben Sie jede Antwort fünfmal gelesen, bevor Sie fertig sind.
Wenn Sie ein durchschnittlicher Leser sind, haben Sie den Satz beim zweiten oder dritten Mal im Kopf. Ihre Aufmerksamkeit wandert ein wenig beim vierten oder fünften Mal. Und hier liegt die Gefahr: Sie achten nicht mehr aufmerksam auf das, was gesagt wird.
Das ist einfaches Auswendiglernen, was Sie auch benutzen, um sich das kleine 1x1 zu merken. Durch das ständige Wiederholen derselben Antworten platzieren Sie diese tief in Ihrem Gedächtnis. Die Antwort wird Ihnen tatsächlich langweilig und sie wünschen sich, weiterzumachen. Als Ergebnis stellen Sie die Antwort nicht in Frage.
Die meisten Ex-Zeugen nennen "Langeweile" als eins der schlimmsten Merkmale dieser Religion. Die ständige Wiederholung ist uninspirierend und hört niemals auf. Ein Thema, das letzten Monat behandelt wurde, kann nächsten Monat in leicht abweichender Wortwahl wieder auftauchen, und wieder einmal wiederholen Sie dieselben abgepackten Antworten (mit leicht abgewandelter Wortwahl).
Der Effekt ist fast hypnotisch. Wenn Sie in einem tranceähnlichen Zustand sind (hervorgerufen durch Langeweile oder Wiederholung), geht ihr Hirn in "Automatikmodus", und Reaktionen sind eher instinktiv als kritisch.
Als Beispiel, wenn Sie mit dem Auto einen langen, abwechslungslosen Highway entlangfahren, wird Ihr Hirn abschweifen. Irgendwann erreichen Sie ihr Ziel, aber Sie können sich nicht mehr daran erinnern, wie Sie hierher kamen. Man könnte sagen, Sie hatten keine Entscheidungen auf dem Weg zu treffen. Sie waren, wie man sagt, "eine Million Meilen weit weg" - der Körper im Auto, aber nicht der Geist.
Tatsächlich ist die Wachtturm-Literatur recht gut geschrieben, wenn man ihren Zweck bedenkt, eine große Bandbreite von Leuten mit unterschiedlichen Bildungshintergrund zu informieren. Sie benutzt eine einfache Sprache - Sie werden selten ein Wörterbuch brauchen. Aber selbst dieser Mangel an Herausforderung kann einen einschlafen lassen. Für viele Leute entfernt die schiere Einfachheit der Wortwahl die Spannung und Herausforderung beim Lesen.
Jehovas Zeugen wurde vorgeworfen, Jagd auf ungebildete, unwissende Leute zu machen. Es ist wahrscheinlich akkurater (und weniger zynisch) zu sagen, dass ihre Literatur leicht von jedem verstanden werden kann.
Das ist eine bewundernswerte Leistung; bloß: sobald Sie das Grundmaterial hinter sich haben, gibt es nichts Tieferes mehr für Sie zu lernen. Das richtige Nachdenken passiert im Wachtturm-Hauptquartier, und dem einfachen Mitglied wird davon abgeraten, alternative Interpretationen zu untersuchen. Tatsächlich kann das sogar zum Ausschluss aus der Versammlung (Exkommunizierung) führen - das wird noch detailliert im Abschnitt "Wohin sollen wir gehen?" beschrieben.
Gefragt und Beantwortet
Man könnte die Wachtturmliteratur auf viele Arten analysieren, um zu zeigen, wie sie einen dazu bringt, das Geschriebene ohne Widerworte zu akzeptieren, aber das ist außerhalb des Rahmens für diesen Artikel. Ich werde mich darauf beschränken, noch eine weitere Technik zu beschrieben.
Wachtturmliteratur hat eine eigenartige Neigung, eine Frage zu stellen und diese dann unmittelbar darauf zu beantworten. Sie tut das unaufhörlich, und diese Frage/Antwort-Kombination gibt Ihnen keine Zeit, über die Antwort, die gegeben wurde, nachzudenken, denn wenn Sie die Antwort gelesen haben, sind sie schon beim nächsten Satz.
Hier ist ein Beispiel, zufällig ausgewählt, indem einfach eine Ausgabe des Wachtturms vom September 1996 aufgeschlagen wurde. Auf Seite 14 wird gesagt:
"Was ist der Sinn dieses Bundes? Um eine Nation von Königen und Priestern hervorzubringen, die die gesamte Menschheit segnen. (Exodus 19:6, 1.Petrus 2:9, Offenbarung 5:10) Das Mosaische Gesetz konnte diese Nation im vollen Sinn niemals hervorbringen ..."
Ignorieren Sie bitte den Text für einen Moment und achten Sie darauf, wie die Frage gestellt, dann beantwortet wird, gefolgt von einer Reihe von Bibelversen, die man nachschlagen soll. Wenn Sie entscheiden, diese Verse nachzulesen, suchen Sie nach Beweisen, dass die gerade gemachte Aussage korrekt ist. Vermutlich machen Sie aber das, was die meisten Leute tun: Sie überfliegen die Verse und denken: "Die werden schon stimmen, ansonsten hätten die Verfasser sie nicht aufgeführt", und gehen zum nächsten Satz.
In keinem Fall halten Sie an und sagen "Moment, war diese Behauptung korrekt?". Das trifft besonders zu, wenn Sie im Bibelstudium oder in der Versammlung auf so eine Aussage treffen, denn niemand wird darauf warten, bis Sie das Für und Wider abgewogen haben.
Natürlich verwenden alle Bibelkommentare solche Behauptungen und stützen diese danach. Aber warum verwendet die Wachtturmliteratur diesen besonderen Frage/Antwort-Stil so häufig?
Eine Möglichkeit ist, dass die Leitende Körperschaft die Frage/Antwort-Techniken (z.B. "unterstreichen" und "sofort beantworten") kühl überlegt erfunden hat, um Leute zu hypnotisieren und ihnen ihren Willen aufzuzwingen. Ich glaube aber nicht, dass die Leitende Körperschaft so zynisch ist.
Ein glaubwürdigerer Grund ist, dass diese Frage/Antwort-Technik ein Element der Zeugenkultur widerspiegelt. Die Zeugen Jehovas sind davon überzeugt, dass es für jede Frage eine "wahre" Antwort gibt. Wenn die Leitende Körperschaft (durch die Literatur sprechend) eine Frage stellt, wird auch erwartet, dass sie eine Antwort darauf gibt. Zeugen Jehovas mögen keine "Grauzonen". Einer der größten Vorteile des Zeugenlebens ist, dass sie Antworten auf alles haben.
Viele der Antworten mögen falsch sein, aber es sind Antworten. In einem Leben voller Zweifel und Unsicherheit bekommt ein Zeuge enormen Seelenfrieden, indem er einfach glaubt, es gäbe Leute, die "wüssten". Sie müssen gelegentlich ihrer Natur widersprechend leben, oder einen nagenden Zweifel ignorieren, aber die Belohnung ist ein Gefühl der Sicherheit.
Mit anderen Worten: Die Leitende Körperschaft gibt den Zeugen Jehovas exakt das, was sie haben möchten.
Das alte Leben hinter sich lassen
Nach ein paar Monaten Bibelstudium wird Ihre Studienpartnerin beginnen, sanften Druck auf Sie auszuüben, zu einem "größeren Maß an Beteiligung fortzuschreiten".
Sie könnten eingeladen werden, sie bei ihrem Tür-zu-Tür-Predigtdienst zu begleiten, als Beobachter. "Es ist nicht so schwer, wie Sie denken", könnte Sie sagen (und tatsächlich ist es viel weniger stressig als die meisten glauben). Nichtsdestotrotz sind Ihre ersten Tür-zu-Tür-Eskapaden eine Art Initiationsritus. Auch wenn Sie eher im Hintergrund bleiben und nicht viel sagen, sind Sie auf der Straße unterwegs mit den Zeugen Jehovas. Ihre reine Anwesenheit ist eine Aussage an die Welt, und an sich selbst.
Dazu kommt, wenn Sie unangenehme Leute an der Tür treffen, werden Sie unausweichlich ein Band des geteilten Leids (oder "Verfolgung", um den Zeugenausdruck zu benutzen) formen. Das ist der Anfang der "Wir und Die"-Mentalität, die sorgfältig von den Zeugen kultiviert wird.
Es kann sein, dass Sie sich noch nicht bereit fühlen, "von Tür zu Tür" zu predigen. Es gibt aber auch noch andere Wege, mit denen Ihre Studienpartnerin ihre Einstellung beeinflussen kann, und Sie näher an die Zeugen Jehovas bringen kann.
Wenn es die richtige Zeit im Jahr ist, wird sie Sie fast sicher zum "Gedächtnismahl" (beschrieben in Anhang II) einladen. Das ist ein harmloses, eher trockenes Ritual, das einmal im Jahr im Königreichssaal der Zeugen Jehovas stattfindet. Ihre Studienpartnerin wird diese Einladung in der Hoffnung aussprechen, dass Sie vom christlichen Geist der Leute im Königreichssaal inspiriert werden (Siehe Anhang III - Der christliche Geist).
Ein Blick hinter die Maske
Sobald Ihre Studienpartnerin das Gefühl hat, Sie wären dafür bereit, wird sie Ihnen langsam die Restriktionen vorstellen, die den Zeugen Jehovas auferlegt sind. Sie wird dieses Thema aber behutsam angehen. Sie könnte erklären, dass "das die Grundsätze sind, denen ein wahrer Christ folgt, um ein reines Gewissen zu bewahren". (Siehe Anhang IV - Zeugensprache).
Sie werden zum Beispiel davor "gewarnt, Material zu lesen, dass nicht von der Wachtturm-Gesellschaft hergestellt wurde. "Diese Leute haben nicht Jehovas Führung", wird Ihnen gesagt. An diesem Punkt im Indoktrinationsprozess werden Sie sich diese Ratschläge möglicherweise zu Herzen nehmen. Ihre Studienpartnerin könnte Ihnen auch helfen, Bücher auszusortieren, die "ungesund" sind (ein Codewort für "nicht vom 'treuen und verständigen Sklaven'") statt "erbauend".
Sie bekommen weiterhin Ratschläge darüber, welche Fernsehprogramme "angemessen" sind (ein anderes Codewort, bedeutet "Für die Religionsgemeinschaft akzeptabel"). Sie bekommen vielleicht auch Ratschläge bezüglich Ihrer Kleidung, was dazu führen kann, dass Ihre Garderobe eine scharfe Wendung in Richtung des Konservativen macht. Sie möchten ja schließlich "kein schlechtes Zeugnis abgeben" durch Ihre Kleidung, oder?
Diese anscheinend gutgemeinten Häppchen von Ratschlägen sind die ersten Schritte auf dem Weg, Ihnen die Kontrolle über Ihr Leben zu entziehen. Sie scheinen dabei nicht viel aufzugeben, aber es ist die Einführung in einen neuen Verhaltensmodus, in dem die Religionsgemeinschaft ihre Meinung zu den kleinsten Details Ihres Lebens abgibt: Was Sie lesen, was Sie tragen, was Sie sehen, was Sie essen, wem Sie zuhören, wie Sie Ihr Sexualleben gestalten, sogar, wie Sie denken sollten.
Eine Veränderung der Perspektive
Ihre Freunde und Familie werden sicherlich die Veränderungen in Ihrem Lebensstil und Verhalten bemerken. Sie könnten für die positiven Veränderungen Beifall spenden (inklusive Ihrer glücklicheren Lebenseinstellung, wenn Sie glauben, Sie haben schließlich die wahre Religion entdeckt), aber das ist nicht garantiert. Im Allgemeinen mögen Menschen derartige Veränderungen bei sich oder ihren Lieben nicht besonders. So könnten selbst positive Veränderungen auf Kritik stoßen (ganz zu schweigen von Einschränkungen Ihrer Freiheit und Selbstbestimmung).
Ihre Studienpartnerin wird Sie warnen, dass dieser Widerstand direkt von Satan kommt, der nicht möchte, dass Sie "die Wahrheit" erfahren. Diese "Erkenntnis" wird Ihnen ein gewisses Gefühl des Stolzes geben, da Sie plötzlich in die ultimative Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse verwickelt sind. Sie könnten auch davon beeindruckt sein, dass Ihre Studienpartnerin augenscheinlich das Wissen und die Fähigkeit hat, Satans Tricks zu durchschauen.
Auf einer anderen Ebene wiederum geht etwas Unheimliches vor. Sie werden gelehrt, Ihre Freunde und Familie als ein Mittel zu sehen, durch das Satan "sie kriegen" kann. Wenn Ihre liebsten Freunde Ihnen raten, lieber zweimal drüber nachzudenken, bevor Sie sich den Zeugen anschließen, könnten Sie ihre Motive in Frage stellen: Sind sie wirklich nur um mein Wohlergehen besorgt oder ist das nur einer von Satans Tricks?
Sobald Sie angefangen haben, so zu denken, beginnt die Welt, sich in zwei Teile zu teilen: die Guten (z.B. die Zeugen) und die Bösen (z.B. Nicht-Zeugen). Diese Veränderung in Ihrer Einstellung ist zunächst kaum bemerkbar, aber gerade das macht sie so gefährlich.
Leider ist das genau das, was die Zeugen wollen. Sie müssen einen Keil zwischen Ihr "altes" Ich und Ihr "neues" Ich treiben. Sobald Sie in dieses trügerische Bild des Universums vertieft sind, werden Sie überall versteckte Motive erkennen. Satan wartet hinter der nächsten Hecke! Er lauert einfach überall!
Vielleicht können Sie sich das heute noch nur schwer vorstellen, dass Sie sich jemals so verändern. Sobald die Zeugen Sie dazu gebracht haben, die guten Intentionen Ihrer Freunde und Familie in Frage zu stellen, werden Sie innerlich Stück für leerer. Die einzigen, die diese Leere füllen können, sind die Zeugen Jehovas mit ihrer Ideologie.
Wenn Sie beim Heimbibelstudium "Fortschritte machen", wie die Zeugen Jehovas den oben beschriebenen Veränderungsprozess nennen, und regelmäßig die Versammlungen im Königreichssaal besuchen, sind ihre neuen Freunde darüber natürlich sehr glücklich. Dann überschütten sie Sie mit überschwänglicher Aufmerksamkeit, es ist dann fast wie in den Flitterwochen!
Das kann eine sehr bewegende Erfahrung sein. Wenn Sie vorher in einer anderen Kirche oder Organisation waren, haben Sie sich vielleicht eher im Hintergrund aufgehalten - waren nur eins von vielen Mitgliedern. Jetzt, aber, umgeben Sie hilfreiche, lächelnde Personen. Sie stehen im Mittelpunkt!
Sie sind aber auch gewaltig im Nachteil. Dieser anfängliche Überschwang an Zuneigung mag aufrichtig und von Herzen kommen, aber er kann auch verwirrend und irreführend sein.
Die Beachtung, die Ihnen zuteil wird, wenn Sie das erste Mal im Königreichssaal sind, kann Sie glauben machen, dass Sie endlich! - den Ort gefunden haben, an dem es wirklich "wahre Liebe für jeden" gibt. Allerdings kann man diesen unerwarteten Gefühlsausbruch allzu leicht für bare Münze nehmen. In Wirklichkeit freuen sich die Zeugen Jehovas hauptsächlich über den Neubekehrten, den es zu "retten" gilt. Dazu werden sie versuchen, sie Sie dazu bringen, von nun an regelmäßig in den Königreichssaal zu kommen.
Die Zeugen werden sich freundlich mit Ihnen unterhalten, Gemeinsamkeiten suchen, lächeln, Komplimente machen, aufmerksam zuhören, mehr lächeln, und praktisch alles sagen, um Sie bei guter Laune zu halten. Das ist als "gutes Zeugnis ablegen" bekannt. Sie möchten Sie mit ihrer schieren Herzlichkeit beeindrucken, so dass Sie davon überzeugt sind, ein "Haus Gottes" betreten zu haben.
So ziemlich jede Religion macht dasselbe.
In diesen Flitterwochen werden Ihnen die Ältesten der Versammlung auf die Schulter klopfen (wortwörtlich oder im übertragenen Sinne) für ihre "ausgezeichneten Fortschritte". Sie werden vielleicht zum Abendessen eingeladen. Oder jemand hat noch einen Anzug im Schrank, aus dem er längst herausgewachsen ist, aber der Ihnen perfekt passt.
Wer wäre von all dem nicht überwältigt?
Doch leider "enden irgendwann auch die schönsten Flitterwochen". Wie in allen Beziehungen können Sie nicht erwarten, dass die erste Leidenschaft unvermindert anhält.
In Anti-Sekten-Literatur wird dieser Überschwang an Zuneigung als "Love-Bombing" bezeichnet. Ich denke nicht, dass es fair ist, diesen Begriff hier zu verwenden, weil ich die Zeugen Jehovas nicht als Sekte bezeichne (Siehe Anhang V - Sekten). Wie auch immer Sie diesen Sturm an Selbstvertrauen erzeugender Zustimmung auch nennen, er bricht durch Ihre Verteidigung. Sie wollen, dass dieses Gefühl ewig anhält, und Sie werden sich in einer Situation finden, alles zu opfern, um es zu behalten. Wenn das kein "Vorgeschmack aufs Paradies" ist, was dann?
"Erbauung" und "Ermunterung"
Im Zeugenjargon heißt "erbauen" soviel wie "jemanden freudig stimmen", "Ermunterung" heißt "jemanden zu ermahnen, als Christ zu wachsen".
Ehemalige Zeugen Jehovas haben einen etwas verbitterten Blick auf diese Definitionen. Ich habe gehört, wie Ex-Zeugen "erbauen" als ermüdendes Einreden auf jemand definierten, der "im Glauben schwach geworden ist". Auf ähnliche Weise wurde "Ermunterung" umdefiniert als "jemanden dazu zu bringen, härter für die Religionsgemeinschaft zu arbeiten".
Eine Frage der Perspektive? Vielleicht.
Wenn Sie damit anfangen, die Versammlungen im Königreichssaal zu besuchen, dann werden Sie eine Menge "erbauender Ermunterungen" erhalten. Es ist nur natürlich, daß die Zeugen Ihnen die guten Seiten ihrer Religion zeigen wollen, und währenddessen die weniger attraktiven Seiten herunterspielen (wie Einschränkungen und Beurteilungen persönlicher Entscheidungen oder Verhaltensweisen)
Zuerst werden die Zeugen quasi allem zustimmen (wenn auch nur vorbehaltlich), was Sie zu sagen haben. "Ja, ich kann mir vorstellen, wie Sie das sehen." Diese scheinbare Toleranz für neue Ideen wird leider nicht lang vorhalten; es ist nur ein weiteres Beispiel vorgetäuschter Vernünftigkeit, die schon vorher beschrieben wurde (siehe "Es klingt so vernünftig"). Wie Sie später noch herausfinden werden, duldet die Leitende Körperschaft keine Kritik von den "billigen Plätzen" [dort, wo das Fußvolk sitzt], und erst recht nicht von flüchtigen Besuchern.
Auf alles eine Antwort
An diesem Punkt bei Ihrem Besuch im Königreichssaal könnten die Zeugen anfangen, Ihnen ausgetüftelte Fragen über die Bibel zu stellen. Wenn Sie kein Theologiestudent sind, werden Sie nicht in der Lage sein, diese Fragen zu beantworten, aber die Zeugen sind es. Was auch immer man über die biblischen Interpretationen der Zeugen Jehovas sagen kann, ihr Bibelwissen steht außer Frage.
Durch die Demonstration ihrer Fähigkeiten beim Bibel-Zerlegen erzeugen die Zeugen Jehovas den Eindruck, auf jede Frage, die Sie jemals stellen könnten, eine Antwort zu haben. Das ist ein kritischer Aspekt des Teufelskreises ihrer Indoktrination, und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Zeugen Jehovas nicht bemerken, dass sie selbst darin gefangen sind.
Dieser Teufelskreis wird auf Seite 120 des Buchs "Die Trompete der Prophezeiung" durch die Religionsgemeinschaft selbst beschrieben:
Aus soziologischer Sicht kann man bei Jehovas Zeugen feststellen, dass ihr Glaube ein für sie kohärentes inneres Muster aufweist, das ihnen durchaus tiefe Befriedigung bereiten kann. Selbst wenn ihnen einige Aspekte ihres Weltbildes nicht immer schlüssig erscheinen, so vertrauen sie darauf, dass jemand anderer - in diesem Fall die Religionsgemeinschaft - ihnen dabei hilft, diese scheinbaren Ungereimtheiten zu klären. Auf diese Weise gelingt es ihnen, ihr Problem "auszulagern", da sie selbst von der Last der eigenen Deutung befreit sind. (Der Redaktion lag die deutsche Fassung des genannten Buches nicht vor, daher hier eine freie, sinngebende Übersetzung des englischen Textes durch die Redaktion)
Das macht Sinn: Jedem Zeugen, der als Erwachsener beigetreten ist, wurde der Eindruck vermittelt, dass es auf alle seine Fragen die jeweils passenden Antworten gibt. Wenn er die Antwort auf eine Frage nicht findet, hat er lediglich noch nicht an der richtigen Stelle gesucht. Letztlich aber gibt es immer eine allgemeingültige Antwort, die in "Die Trompete der Prophezeiung" erwähnt wird (selbe Seite):
Eine implizite Voraussetzung in diesem Argument ist im Allgemeinen, dass, wenn es im Glaubensgebäude tatsächliche, unauflösliche Ungereimtheiten gäbe, hätte dieser Glaube nicht so große Verbreitung gefunden. (Siehe das obige Zitat, Red.)
An dieser Stelle verlässt die Indoktrination den Pfad aus verkündeter Wahrheit und deren Nachweis und betritt das Reich des Glaubens. Die Antworten, die Sie suchen, sind theoretisch vorhanden, aber Sie waren noch nicht in der Lage, sie zu finden. Schwierige Fragen werden als "fruchtlose Spekulation" verworfen. Wenn ein Lehrpunkt Ihnen wirklich Schwierigkeiten macht, erhalten Sie von Ihrer Studienpartnerin im Allgemeinen den Rat, auf "Jehova zu warten" - ein Codewort, dass entweder
- Sie hat sich selbst gefragt, aber nie eine Antwort bekommen, oder ...
- Die Wachtturmgesellschaft hat einfach bisher noch keine Antwort gegeben.
bedeutet.
Mit dieser fast unmerklichen Änderung im Schwerpunkt wurde Ihre Loyalität von der Bibel zur Wachtturmgesellschaft transferiert. Das wird das neue Thema für Ihre Konvertierung: Die Wachtturmgesellschaft ist die Quelle aller Antworten, und selbst wenn die Antworten manchmal inkonsistent sind oder schlicht falsch, werden sie doch "zur rechten Zeit" korrigiert werden (siehe "Lehre vom Neuen Licht").
Propheten
Während Sie dem Ziel, ein vollwertiges Mitglied der Zeugen Jehovas zu werden, näherkommen, werden Sie sich immer weniger auf die Bibel stützen und stattdessen auf die Aussagen, die von der Leitenden Körperschaft der Wachtturm-Gesellschaft gemacht werden. Die Aura der Unfehlbarkeit, die die Bibel umgibt, beginnt etwas von ihrem Schein auf das Dutzend Männer in Brooklyn abzustrahlen, die entscheiden, was die Zeugen als "die Wahrheit" betrachten.
Diese Männer behaupten natürlich nicht explizit, unfehlbar zu sein. Ihre Geschichte macht diese Behauptung unmöglich. Stattdessen dämpfen sie ihren Anspruch auf Autorität, indem sie behaupten, Gottes geistig geführte Vertreter auf Erden zu sein.
Je länger Sie ein Zeuge sind, desto mehr werden Sie diese Leute als Propheten sehen (auch wenn sie vermeiden, den Namen "Prophet" zu benutzen). Sie werden dazu neigen, deren Fehler als "menschliche Unvollkommenheit" abzutun, ihnen aber trotzdem volle Autorität über Ihr Leben zugestehen. Das ist ein allmählicher Prozess, der durch die Interaktion mit anderen Zeugen stattfindet. Wie zuvor erwähnt (siehe Auf alles eine Antwort), verlangen Zeugen nach Sicherheit, und werden sich an die Illusion klammern, daß sie diese gefunden haben, auch wenn die heutige Version der "Wahrheit" ein wenig anders ist als die von gestern.
Teilnahme
Als regelmäßiger Besucher im Königreichssaal werden Sie sanft "ermuntert" werden, an den Aktivitäten der Zeugen Jehovas teilzunehmen, wie bspw. den Tür-zu-Tür-Dienst. Wenn Sie mitmachen, wird Ihr Pfad sehr sanft sein, und Sie werden als jemand akzeptiert, der "Fortschritte macht". Wenn Sie sich jedoch zurückhalten, wird unter dem Samt allmählich ein kleiner Stachel spürbar. "Wissen Sie nicht, dass wir in den 'letzten Tagen' leben? Wissen Sie nicht, dass Jesus prophezeit hat, dass wir es tun?" wird es dann immer öfter heißen.
Mit mehr Widerstand kommt mehr Druck. Wenn Sie vor Gott zur Rechenschaft gezogen werden, möchten Sie dann als fehlerhaft befunden werden?
Ihre zarten Visionen vom Paradies können anfangen, ein wenig zu verblassen, wenn Sie erkennen, dass es eine Frage der Leistungserbringung ist. Ihnen wurde nicht einfach so "vergeben" und sie sind nicht automatisch "wiedergeboren" nach dem Motto: Einmal errettet, für immer errettet" (wie viele christliche Religionen glauben), sondern Sie haben jeden Tag für Ihre Errettung zu arbeiten. Sie werden niemals wissen, ob Sie "errettet" werden, bis Jehova es Ihnen sagt.
Sie sind jetzt in einer misslicheren Lage als zuvor. Sie haben nunmehr zu tun, was Ihnen die Wachtturm-Gesellschaft sagt, oder Sie werden vernichtet werden.
Manche Leute steigen hier aus dem Indoktrinationsprozess aus, aber es bleibt ihnen ein nagendes Gefühl, dass sie Gott den Rücken gekehrt haben. Sie werden vielleicht der Führung der Wachtturm-Gesellschaft folgen. Schließlich (mögen Sie denken) haben die Sie jemals belogen?
Taufe
Wenn Sie so weit sind, wird Ihre Studienpartnerin den "nächsten logischen Schritt" erwähnen, nämlich dass es Zeit für Sie ist, getauft zu werden. Das wird Ihre Chancen erhöhen, vor der Vernichtung bewahrt zu werden.
Die Taufe ist eine Zeremonie, in der Sie ins Wasser eintauchen, und auch mehrere Schwüre abgeben, einschließlich dem, die Führung der Wachtturm-Gesellschaft zu akzeptieren. Diese Taufen werden oft in großen Gruppen durchgeführt. Das erfreut die Zeugen, indem es demonstriert, wie ihre Religion wächst. Als Nebeneffekt (sollten Sie irgendwelche letzten Zweifel gehabt haben) ist es sehr schwierig, in letzter Minute seine Meinung zu ändern, wenn man von Hunderten oder Tausenden von Zeugen umringt ist.
Sobald Sie getauft sind, sind Sie ein Zeuge Jehovas, und es wird von Ihnen erwartet, alle Regeln zu befolgen und an den zahlreichen Treffen teilzunehmen. Gleichzeitig wird das "Liebesfest", mit dem sie einst willkommen geheißen wurden, wesentlich verstummen. Tatsächlich wird von Ihnen erwartet, denselben Enthusiasmus für Neulinge zu zeigen, den Sie einst so ergreifend fanden. Wenn Sie sich ein wenig scheinheilig dabei vorkommen, können Sie immer Ihre schlechten Gefühle auf Satan schieben.
Checkliste
Hier ist eine Zusammenfassung dessen, was passiert, wenn Jehovas Zeugen Sie auf Ihre Taufe vorbereiten:
- Vermeidung von Gesprächen über den "Beitritt" zur Religion
- Vorlesen und Unterstreichen des Studientextes
- Benutzung der Neue-Welt-Übersetzung als Bibel
- Mehr Zeit mit dem Studienbuch verbringen als mit der Bibel
- Keine Empfehlung, den Kontext der zitierten Bibelstellen zu untersuchen
- Aufblähung obskurer Angelegenheiten zu großer Wichtigkeit
- Bestehen auf der Fehlerfreiheit der Bibel
- Antwort geben unmittelbar nach der Frage
- Debatten vermeiden oder endlos verschieben
- Keine Grauzonen; Dinge sind so oder so (Schwarz-weiß-Denken)
- Den Köder von "sicheren" Antworten aushängen
- Ermunterung, an Aktivitäten der Zeugen teilzunehmen
- Allmähliche Vorstellung der Einschränkungen und Verbote, denen Zeugen unterworfen sind
- Verstärkung des Eindrucks, dass sie alle Antworten haben
- Allmähliche Übertragung der Loyalität auf die Wachtturm-Gesellschaft
- Taufe
- Tür-zu-Tür-Dienst, und regelmäßiger Versammlungsbesuch
Zu wem sollen wir gehen?
Wachtturm-Indoktrination hört niemals auf. Es gibt mehrere wöchentliche Treffen zu besuchen, Zeitschriften und Bücher zu "studieren", und von Ihnen wird auch ein Minimum von 10 Stunden Tür-zu-Tür-Predigtdienst pro Monat erwartet.
Während Sie sich von Ihren "weltlichen Kontakten" entfernen (z.B. Ihren alten Freunden und Ihrer Familie) und sich immer mehr den Zeugen Jehovas anschließen, werden Sie bemerken, dass Sie mehr und mehr deren Weltbild ausgesetzt sind. Weil wir gesellige Tiere sind, ist es unvermeidlich, dass unsere eigenen Ansichten sich langsam denen der Gruppe annähern.
All das lässt Ihnen nur wenig Zeit, kritisch darüber zu denken, was Ihnen gelehrt wird - vorausgesetzt, Sie würden überhaupt kritisch denken wollen.
Verstehen Sie, Sie haben jetzt neue Freunde, haben sogar Ihr Leben verändert. Sie wissen, wohin Sie gehen können, wenn Sie Leute treffen wollen, und zudem teilen diese Leute mit Ihnen eine "wundervolle Hoffnung für die Zukunft". Da werden sie nicht so einfach darüber nachdenken, ob ein paar Dinge in Ihrer neuen Religion vielleicht nicht ganz in Ordnung sind.
Wenn Sie doch darüber sinnieren, ob es eine andere Religion gibt, die ebenso gut ist, wie Ihre derzeitige, oder (Oh Gott!) sogar besser, wird man Sie fragen: "Wer hat Ihnen all die Dinge beigebracht, die Sie jetzt wissen?". Ehemalige Zeugen Jehovas kennen dieses "Zu wem sollen wir gehen?"-Argument sehr gut, es stützt sich auf das Johannesevangelium, Kapitel 6, die Verse 60-69.
In diesem Teil der Schrift fragt Jesus seine Apostel, ob sie ihn verlassen würden, weil seine Predigten teilweise widersprüchlich und unverständlich wurden. Simon Petrus antwortete ihm: "Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist."
Die Grenzen verwischen
Neubekehrte Zeugen Jehovas landen früher oder später bei dieser Art der Argumentation in bezug auf die Lehren der Religionsgemeinschaft. Mit den "Worten des ewigen Lebens", die sie "geglaubt haben" bringen sie eventuelle Zweifel an den Lehren der Glaubensgemeinschaft meist erfolgreich zum Verstummen. Hinzu kommt, dass sie "wissen", dass die Leitende Körperschaft durch "Gottes Geist" geleitet ist.
Dieser Glaube wird so stark, dass Zeugen Jehovas oft nicht mehr zwischen der Wachtturm-Gesellschaft und Gott unterscheiden können. In ihrer Weltsicht ist ihre Religion eine "Theokratie" (Gottesherrschaft), und die Wachtturm-Gesellschaft deren irdischer Repräsentant. So, wie ein Botschafter verbindlich für seine Regierung spricht, so spricht die Wachtturm-Gesellschaft für ihre.
Es ist schwer, jemandem oder etwas seine Ehrerbietung zu erweisen (in Tat und Haltung), den oder das man nicht sehen kann. Die Wachtturm-Gesellschaft ist eine tatsächlich existierende, weltweite Bürokratie mit einer sichtbaren Struktur und einem bekannten geographischen Zentrum (Brooklyn, New York). Das Brooklyn-Hauptquartier ist eine Art "Mekka" für die Zeugen. Ich will diese Analogie nicht zu weit treiben, aber ich glaube, dass ein Besuch im Hauptquartier für die Zeugen Jehovas einer Pilgerreise nach Mekka für Muslime gleichkommt. Manche Zeugen Jehovas planen ihre Urlaube um einen Besuch im "Bethel" (ein Ausdruck, der für die Filialen der WT-Gesellschaft im Allgemeinen, und Brooklyn im Besonderen verwendet wird) herum.
Manche haben das damit verglichen, "sich vor Menschen zu verbeugen". Es scheint zur menschlichen Natur zu gehören, das Unbeschreibliche vergegenständlichen zu wollen. Bezeichnenderweise wird die Wachtturm-Gesellschaft oft "Gottes sichtbare Organisation" genannt. Betrachten Sie einmal dieses Zitat aus dem Wachtturm vom 15. Januar 1983, Seite 22 [engl. Ausgabe, Red.]:
"Wie manifestiert sich unabhängiges Denken? Ein häufiger Weg ist es, den Rat, der von Gottes sichtbarer Organisation gegeben wird, in Frage zu stellen"
In nur zwei Sätzen beschreibt der Artikel, was die Zeugen Jehovas als Gefahr für "aufrichtige" Christen ansehen. Unabhängiges Denken könnte jemanden dazu bringen, die Autorität der Wachtturm-Gesellschaft in Frage zu stellen.
Auf lange Sicht bedeutet das: Widerstand gegen die WT-Gesellschaft wird als Widerstand gegen Gott betrachtet. Mit solch einer hochtrabenden Mission glaubt die Wachtturm-Gesellschaft, sie wäre ermächtigt, vollständige Kontrolle über die Köpfe und Herzen ihrer Gefolgsleute auszuüben.
Wenn die Grenze überschritten wird
Dieser indirekte Weg eines Zeugen Jehovas zu seinem Gott, nämlich über die Leitende Körperschaft, stört die meisten Zeugen Jehovas nicht im Mindesten Sie haben die WT-Gesellschaft als "Mitteilungs-Kanal Gottes" akzeptiert, genauso wie Katholiken den Papst als ihren "Kanal" zu Gott betrachten. Die Zeugen Jehovas überlassen tiefgehende, theologische Erörterungen und spitzfindige bibelexegetische Betrachtuungen sehr gern denen, die mehr davon verstehen als sie.
Trotzdem lehnen sich manche Zeugen irgendwann gegen diese Zustände auf. Die Wachtturm-Gesellschaft weiß jedoch wirksam zu verhindern, dass sich diese Art des Denkens zu einem Trend entwickelt. Das Ältestenhandbuch ("Gebt acht auf Euch selbst und auf die ganze Herde", Seite 104) sagt dazu:
Abfall oder Abtrünnigkeit schließt Handlungen ein, die gegen die wahre Anbetung Jehovas oder gegen die Ordnung gerichtet sind, die Jehova seinem Volk gegeben hat (Jer. 17:13; 23:15; 28:15, 16; 2. Thes. 2:9, 10).Personen, die vorsätzlich Lehren verbreiten (hartnäckig daran festhalten und darüber reden), welche im Widerspruch zu der biblischen Wahrheit stehen, die Jehovas Zeugen lehren, sind Abtrünnige.
Ihnen ist sicher aufgefallen, wie subtil die Religionsgemeinschaft formuliert: "biblische Wahrheit", "die Jehovas Zeugen lehren". Damit suggeriert die Religionsgemeinschaft, dass allein ihre Interpretation der Heiligen Schrift die richtige ist.
Wenn ein Zeuge Jehovas zu unabhängigem Denken neigt, soll ihm "geholfen" werden:
Personen, die aufrichtige Zweifel haben, sollten Hilfe erhalten und barmherzig behandelt werden (Jud. 22, 23; w82 1.12. S.20, 21; w80 1.11. S.21, 22).
Das ist ein vernünftiger Ansatz, um jemanden sanft davon abzubrignen, sich seine eigene Meinung über biblische Angelegenheiten zu bilden. Wenn das nicht funktioniert, steht den Ältesten eine Reihe von Möglichkeiten offen, wie z.B. Rechtskomitees, öffentlicher Tadel, die Person "bezeichnen", sich einseitig von jemandem trennen (z.B. erklären, dass derjenige die Zeugen Jehovas verlassen hat), oder "Gemeinschaftsentzug" (Exkommunikation).
"Gemeinschaftsenzug" - im Grund genommen bedeutet das, die Person aus der weltweiten Gemeinschaft der Zeugen Jehovas zu werfen - ist der vernichtendste persönliche Schlag der oben genannten Methoden. Trotzdem dienen alle diese Techniken als Exempel für diejenigen, die selbst Zweifel haben. Sie lernen schnell, still zu halten. Sie wünschen nicht, zur "Welt da draußen" zurückzukehren, die sie jetzt als einen bösen Ort ohne Liebe wahrnehmen.
Diese Taktiken erzwingen Konsens. Ein Grund dafür, dass Zeugen Jehovas glauben, sie hätten Gottes Segen, ist, dass sich alle über dieselben Dinge einig zu sein scheinen. Ist ja auch kaum verwunderlich, da diejenigen, die Einspruch erheben, weggestoßen werden.
Selbst die Angst vor einem Gemeinschaftsentzug verblasst im Vergleich zu der Aussicht, in "Harmagedon" vernichtet zu werden, und seines ewigen Lebens auf der paradiesischen Erde beraubt zu werden.
Die höchste Mauer
Es gibt noch eine letzte, tiefere Motivation, eine Zeuge Jehovas zu bleiben. Wenn Sie erstmal die Wachtturm-Gesellschaft als Gottes "Mitteilungskanal" akzeptiert haben, ist das Verlassen der Glaubensgemeinschaft gleichbedeutend mit der Ablehnung Gottes selbst.
Diese Angst ist so tief verwurzelt in unserer Psyche, dass es unmöglich ist, sie in Worten auszudrücken. Wenn Sie die Zeugen Jehovas verlassen, sind Sie allein, im wahrsten Sinne des Wortes. Noch schlimmer wird es, wenn (und das ist oft der Fall) Sie Familienmitglieder bei den Zeugen haben, die den Kontakt mit Ihnen komplett abbrechen, um sich nicht mit der Seuche anzustecken, die Sie augenscheinlich befallen hat. Sie können Ihnen sogar vorwerfen, unter "dämonischem" Einfluss zu stehen.
Checkliste
Hier sind einige der Mittel, mit denen Sie genötigt werden, ein Zeuge Jehovas zu bleiben ...
- Häufige Treffen und Bibelstunden lassen wenig Zeit für irgendwas anderes
- Sie gewinnen neue Freunde
- Sie übernehmen nach und nach Gedankenmuster Ihrer neuen Freunde
- Sie sind stolz auf Ihre neue Religion
- Sie beginnen, die Welt in "wir und die" einzuteilen
- Sie können nicht über Alternativen zu den Zeugen nachdenken
- Sie werden aktiv davon abgehalten, solche Alternativen zu suchen
- Sie werden davon überzeugt, dass die Wachtturm-Gesellschaft Gottes "Mitteilungskanal" ist
- Sie fangen damit an, den Regeln der Gemeinschaft genau zu folgen
- Sie fangen an, sich Sorgen über von der Gemeinschaft verhängte Strafen zu machen
- Sie sehen die einheitliche Meinung (ein Nebeneffekt der Disziplin)
- Sie sind besorgt, von Freunden und (Zeugen-)Familie gemieden zu werden
- Sie sind besorgt, von Gott abgeschnitten oder vernichtet zu werden
- Sie wünschen sich wirklich, was die Zeugen versprechen
Fazit
Zeugen Jehovas bieten dem Neuling ein erlesenes soziales Umfeld, ein Gefühl der Sicherheit und Hoffnung auf bessere Zeiten. Die meisten Menschen sprechen auf solche Dinge an. Es braucht großen Mut, das alles wieder aufzugeben und es ist außerordentlich schwer, sich dieser Herausforderung allein zu stellen. Wenn Sie sich entschieden haben, die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas wieder zu verlassen, sollten Sie sich als erstes darum bemühen, soviel Unterstützung wie möglich zu erhalten, sei es ideelle Unterstützung durch Bücher, Artikel, Webseiten - oder wirkliche Unterstützung durch Menschen. Während Sie sich von Ihrem "neuen" Leben zu ihrem noch neueren Leben bewegen, werden Sie entdecken, dass die Welt nicht so fürchterlich ist, wie die Zeugen Jehovas es Ihnen beigebracht haben. Liebe findet überall, in vielen Formen.
Seien Sie aber vorsichtig! Verlassen Sie nicht die Zeugen Jehovas, nur um anschließend gleich der nächsten kontrollierenden Gruppe (religiös oder nicht) in die Arme zu laufen. Lassen Sie sich Zeit und denken Sie immer an das Sprichwort: "Tout ce qui brille n'est pas d'or" oder: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Denken Sie für sich, und hören Sie nicht auf, Fragen zu stellen.
Die Herausforderung des Wandels
Nachdem das alles gesagt ist, muss ich anerkennen, dass die Zeugen ihre Werkzeuge gut geschliffen haben. Dieser Artikel ist ein Versuch, zu zeigen, wie Leute nach und nach in die Doktrin der Zeugen hineingezogen werden können. Sind sie aber erst einmal Teil des Systems, stellen sie möglicherweise fest, dass es sich dabei um ein regelrechtes Gefängnis handelt, dem nur schwer zu entkommen ist.
Obwohl es nicht einfach ist, aus der "Gedankenfalle" zu entkommen, kann es gelingen, wenn die Person im tiefsten Herzen ehrlich und bereit ist, der Wahrheit zu folgen, egal wohin sie führt. Das bedeutet häufig, zwischen dem zu wählen, was wahr oder lediglich bequem ist.
Eine ernste Angelegenheit
Leider ist der "gerade" Weg nicht immer auch der beste.
Manche Menschen verlassen die Zeugen Jehovas aus den besten Beweggründen und finden doch kein Licht am Ende des Tunnels, keinerlei Trost. Ihr Denken (oder ihr "Glauben") wurde so grundlegend verändert, dass sie für immer aus dem "Gelobten Land" verbannt wurden - jeglichem "gelobten Land". Das ist dann ein bitterer Pyrrhussieg: Die Wahrheit würde gewinnen, aber das Leben würde verlieren.
Wenn es um persönliches Wohlergehen geht, wären solche Leute möglicherweise besser daran, wenn sie Zeugen Jehovas blieben.
Ich hoffe, es ist klar geworden, was auf dem Spiel steht, wenn jemand versucht, die Indoktrination durch die Glaubensgemeinschaft rückgängig zu machen. Je länger eine Person bei den Zeugen Jehovas ist (und soziale Kontakte knüpft, vielleicht eine Familie gründet), desto schwerwiegender wird dieses Dilemma.
Von der Befreiung überrascht
Aus meiner Erfahrung als (selbsternannter) Ausstiegsberater weiß ich, dass die meisten Aussteiger nicht sofort verstehen, wie sie letztlich entkommen können. Sie stehen "außerhalb der Mauern des Wachtturms" und denken immer noch so, als wären sie innerhalb. Durch dauernde Wiederholung hat sich die Indoktrination der Glaubensgemeinschaft tief ins Unterbewusstsein eingegraben. Daher muss der "Fluchtplan" auch auf unterbewusstem Niveau erstellt werden, weil das Bewusstsein immer noch in die Zeugendoktrin verstrickt ist und die verschiedenen psychologischen Barrieren, die errichtet wurden, noch sehr stark sind.
Erschwerend kommt hinzu, dass Zeugen Jehovas schrittweise lernen, ihre unbewussten Wünsche zu ignorieren, sie sogar als "böse Ideen, die von Satan eingepflanzt wurden", zu betrachten. Diese Selbstzensur haben Heather und Gary Botting mit erschreckender Deutlichkeit in ihrem Buch "The Orwellian Word of Jehovah's Witnesses" beschrieben.
Anhänge
Anhang I - Gottes Name
Einerseits hat die Neue-Welt-Übersetzung der Bibel den meisten anderen Übersetzungen etwas voraus, andererseits wird diese Stärke aber einer ihrer größten Nachteile. Dabei geht es um die Verwendung des Namens "Jehova".
Die meisten Bibel-Übersetzungen ersetzen Gottes Namen durch "Herr" (normalerweise in Großbuchstaben, als "HERR"). Diese Tradition stammt von der jüdischen Regel, Gottes Namen nicht auszusprechen (aus den Zehn Geboten, von denen eins lautet: "Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen").
"Lieber auf Nummer Sicher gehen", scheint daher die Haltung der meisten Übersetzer zu sein. Die Vermeidung des Göttlichen Namens ist so tief verwurzelt, dass man keinen Originaltext finden kann, in dem der Name vollständig ausgeschrieben ist. Deshalb ist die korrekte Aussprache des Gottesnamens unbekannt.
Die hebräische Schrift kennt keine Vokale, also wird Gottes Name als YHWH wiedergegeben. Schließlich hat die masoretische Übersetzung der Bibel spezielle Vokale eingefügt. Beim Namen Gottes, YHWH, verwendeten die Übersetzer die Vokale aus "Adonai" ("Herr") als Erinnerung, "Herr" zu sagen statt des Göttlichen Namens. So wurde aus YHWH YaHoWaH.
Manche Gelehrten argumentieren, daß der Name Yahweh ausgesprochen werden sollte. Dieser Streitpunkt kann wohl niemals endgültig geklärt werden.
Anhang II - Festivitäten oder Feiertage
Zeugen Jehovas haben keine "Feiertage", zumindest nicht in dem Sinn, in dem die meisten Leute das Wort verstehen. Feiertage selbst nur mit wenig Verbindung zu heidnischen Feiertagen werden als "verdorben" angesehen, selbst wenn diese "verdorbenen" Teile entfernt wurden.
Zum Beispiel würde kein Zeuge jemals einen Weihnachtsbaum aufstellen, weil solche Tannenbäume einst von den Druiden verwendet wurden. Die Zeugen können ihn nicht als "einfachen Baum" ansehen. Weihnachten ist außerdem mit dem ausschweifenden römischen Fest der Saturnalien verbunden. Die Argumentation der Zeugen Jehovas geht dann so: (Nach dem "großen Abfall" hat die Christenheit anstelle der römischen Saturnalien Weihnachten als das Fest der Geburt Christi eingeführt [Text in () Klammern: Red.]), damit sie etwas zu feiern hätten. Jehovas Zeugen glauben nicht, daß Jesus am 25. Dezember geboren wurde, und die meisten Bibelforscher stimmen ihnen in diesem Punkt zu.
Geburtstage werden verurteilt, weil sie nie in einem positiven Licht in der Bibel erwähnt werden. Johannes der Täufer wurde an einem Geburtstag ermordert - siehe Matthäus 14:6-11. Die Zeugen behaupten ebenfalls, dass Geburtstage eine Person verherrlichen, wo doch alle Verherrlichungen allein Gott zusteht.
Ostern wird nicht gefeiert, weil es nicht in der Bibel erwähnt wird. Trotzdem feiern die Zeugen in dieser Zeit das Abendmahl, das ein wenig an die katholische Kommunion erinnert. Das Ritual ist auch als "Gedächtnismahl" bekannt, weil es auf einer Forderung Jesu beruht, vom Wein und vom Brot als Erinnerung an ihn zu nehmen.
Die einzige Feierlichkeit, die Zeugen Jehovas in Ehren halten, ist der Hochzeitstag. Auch wenn die Regel, "Menschen nicht zu verherrlichen", das auf Geburtstage angewendet wird, auch auf Hochzeitstage zutreffen würde, wenden sie die Zeugen Jehovas dort nicht an.
Sie argumentieren gern, jeder Tag sei ein Grund zum Anbeten und Glücklichsein (, so dass es dafür nicht besonderer Tage bedarf [Text in () Klammern: Red.). Das ist ja auch nicht ganz verkehrt.
Anhang III - Der christliche Geist
Zeugen Jehovas haben eine eher eingeschränkte Sicht darauf, was in anderen Kirchen passiert, weil ihnen davon "abgeraten" (eigentlich verboten) wird, andere Stätten der Anbetung zu besuchen.
Viele Zeugen - und ich war einer davon - haben den Eindruck, der Königreichssaal sei ein Platz, an dem Gottes Liebe und Herrlichkeit förmlich mit Händen zu greifen sei, während in anderen Kirchen die Dämonen hausten.
Manche Kirchen sind in der Tat recht trostlose Orte. Andere Kirchen wiederum sprudeln über vor Enthusiasmus und guten Gefühlen. Dieses positive Gefühl richtet sich nicht nur an Neue, sondern an alle. Die Leute dort schäumen geradezu über vor Glück.
Die meisten Menschen bemerken die Sauberkeit und das gute Benehmen der Kinder, wenn sie das erste Mal einen Königreichssaal betreten. Möglicherweise könnte man aber auch noch andere Eindrücke bekommen, aber "Neulinge" werden schnell bemerkt und mit Aufmerksamkeit "überschüttet", bevor sie die Chance haben, genauer hinzuschauen.
Ein etwas reservierterer Beobachter könnte bemerken, dass die Zeugen eine Art von "fatalistischer Freude" zeigen. Sie sind glücklich, Zeugen Jehovas zu sein, aber es ist immer eine Art von Kummer, der sie umgibt, möglicherweise aufgrund ihrer Lehren über die Erlösung. Diese bedrückte Grundstimmung ist normalerweise gut verborgen hinter Lächeln und Jovialität, aber sie wird besonders augenscheinlich, wenn sie ihre Lieder singen.
Ich habe versucht, in diesem Artikel meine persönliche Meinung zurückzuhalten, aber hier erlaube ich mir die persönliche Feststellung, dass in den Königreichssälen eine Sache fehlt, und das ist pure, ungetrübte Freude. Auch wenn Zeugen Jehovas angenehme Menschen sind, so leidet ihre persönliche ausstrahlung unter ihrem Glauben, dass Milliarden von Menschen bald dahingemetzelt werden, an Gottes großem Gerichtstag ("Harmagedon").
Auch wenn die meisten Zeugen anscheinend diesen Tag herbeisehnen, ist schwer nachvollziehbar, wie sie fröhlich sein können, wenn so ein Desaster in ihren Hinterköpfen schlummert. Wenn Sie einen Königreichssaal besuchen, achten Sie auf ihren Gesang. Dann hören Sie Sängern in anderen Kirchen zu. Hören Sie den Unterschied?
Die Sprache der Zeugen Jehovas enthält blumige Ausdrücke, "Code"-Wörter, idiomatische Phrasen und ein paar Neologismen. Es wäre unmöglich, sich als Zeuge zu tarnen, ohne ihren Jargon zu lernen - Ihre Tarnung würde auffliegen, sobald Sie den Mund öffnen.
Das an sich ist nicht besonders bemerkenswert. Sprachforscher nennen diese Art einer gemeinsamen Sprache "Sprachgemeinschaft". Sie umfasst eine Gruppe von Personen, die sich auf ähnliche Weise ausdrücken. Diese "Sprachgemeinschaft" muss nicht notwendigerweise am selben Ort leben.
Die Stabilität der Sprachgemeinschaft der Zeugen Jehovas wird durch die Literatur der Wachtturm-Gesellschaft garantiert. Manche Redewendungen "kommen in Mode", während andere in die Mülltonne wandern. Während der 60er Jahre z.B. hätten Jehovas Zeugen ihre Gruppe niemals als "Religion" bezeichnet, stattdessen haben sie den Ausdruck "Nation" bevorzugt. Die Bezeichnung "Kirche" wurde auch als unangemessen betrachtet. Einige Jahrzehnte später waren diese Ausdrücke nicht mehr "anrüchig".
Nur jemand, der sich aktiv mit Zeugen Jehovas auseinandersetzt, kann auf dem neuesten Stand mit den letzten Trends der Zeugensprache bleiben. Durch regelmäßiges Lesen ihrer Literatur und Besuch der Versammlung kann man lernen, welche Ausdrücke "in" und welche "out" sind.
Vieles könnte über die Zeugensprache geschrieben werden. Leider würde die tiefere Analyse der Zeugensprache den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Zeugensprache und andere Formen des sprachlichen Ausdrucks sind keine schändlichen Pläne zur Kontrolle von Menschen. Es sind natürliche Entwicklungen, die in Gruppen oder Gesellschaften passieren, die sich von den anderen abgegrenzt haben.
HINWEIS: Einige Worte, die unten verwendet werden, wie "Sekte" oder "Gehirnwäsche", wurden von verschiedenen Gruppen übernommen, und geben deren jeweilige Meinungen und Verständnis der Begriffe wieder. Daher hängt es von der jeweiligen Person ab, mit der Sie gerade sprechen, wie sie diese Begriffe für sich deutet. Ich selbst habe meine eigene Definition für mich festgelegt, aber ich erkenne an, dass meine Definition nicht mit Ihrer übereinstimmen muss. Das ist ein semantisches Problem, das das Verständnis unseres Themas nicht beeinträchtigen muss.
Obwohl Jehovas Zeugen viele der Merkmale einer Sekte erfüllen, finde ich, dass dieser Ausdruck zu harsch ist, um diese Religionsgemeinschaft zu beschreiben. Ich bevorzuge die Bezeichnung "streng kontrollierte Gruppe" (SKG), da das Hauptproblem mit den Zeugen (wie ich es sehe) folgendes ist:
Mündliche und schriftliche Erlasse (Ansprachen auf Kongressen oder Botschaften in ihren Schriften [Einfügung in () Klammern: Red.]) ihrer Führer (der Leitenden Körperschaft) führen schnell dazu, jede Facette des Lebens und Denkens der Anhänger zu dominieren.
Meiner Meinung nach verdienen Jehovas Zeugen die Bezeichnung "Sekte" nicht, weil:
- sie ihre Anhänger keiner Gehirnwäsche unterziehen
- sie niemanden körperlich in ihrer Gruppe festhalten
- sie niemanden körperlich bedrohen
- sie niemanden durch Entzug physischer Bedürfnisse [Deprivation] schwächen
Die Techniken, die sie anwenden, sind nicht so plump wie oben beschrieben. Dafür haben sie aber den perfekten Ersatz gefunden: Persönlichkeitsveränderung.
Werfen wir nun einen Blick auf einen Vorwurf, der ihnen auch gemacht wird: "Gehirnwäsche" ...
"Gehirnwäsche" (entsprechend einer Definition) bedeutet die erzwungene Änderung von jemandes Persönlichkeit durch Mangel [Deprivation], Einschränkung der Beweglichkeit, und körperliche Drohungen. Die Theorie besagt, dass Menschen, die in einen untermenschlichen (oder "zurückgebliebenen" oder "infantilen") Zustand gehalten werden, mit neuen Gedanken "gefüllt" werden können, die sich dann festsetzen. Egal, ob diese Methode so funktioniert oder nicht, das ist mit Sicherheit nicht das, was mit Erwachsenen passiert, die sich Jehovas Zeugen anschließen.
Die Zeugen Jehovas verwenden eine mildere Form der Persönlichkeitsveränderung, in denen die "körperlichen" Aspekte durch psychologische Manipulationen ersetzt wurden. Ich nenne dies "Indoktrination". Manche werden meinen, das Wort ist nicht stark genug, aber wenigstens wissen Sie jetzt, was ich mit diesem Ausdruck meine.
Anstelle von körperlichen Zwängen benutzt die Religionsgemeinschaft soziologische und ideologische Zwänge. Anstelle von körperlichen Drohungen verwendet sie albtraumhafte Geschichten von kommender Vernichtung.
Auch wenn diese Techniken geschmacklos auf Sie wirken, gibt es doch einen großen Unterschied zwischen Gehirnwäsche und Indoktrination: Jemand, der indoktriniert wurde, hat eine viel größere Chance, zu entkommen.
Dies ist die Übersetzung eines Artikels in englischer Sprache aus: http://rwssel.pblogs.gr/2010/06/651131.html