Die Geschichte und die Entwicklung der Lehre

Der früheste gedruckte Bezug auf die Lehre von der theokratischen Kriegsstrategie in offiziellen Wachtturm-Veröffentlichungen datiert aus einem Buch von 1936, Riches (Rutherford, 1936):

Eine Lüge ist jemandes falsche Aussage gegenüber einem anderen, der berechtigt ist, die Wahrheit zu hören und zu kennen, eine Falschaussage, die dazu neigt, dem anderen Schaden zuzufügen. Eine Falschaussage, um jemanden zu täuschen und ihm Schaden zuzufügen, ist eine vorsätzliche und böswillige Lüge. (Rutherford, 1936, Seite 177)

Raines kommt zu dem Schluss, das obige Zitat deute an, dass einige nicht „berechtigt“ sind...

… die Wahrheit zu kennen, und wenn jemand eine Falschaussage mache, ohne die Absicht zu haben, ihm zu „schaden“, dann sei das keine Lüge, sondern was Goodrich als „Rahab-Technik“ bezeichne. Warum hat Rutherford sonst nicht nur gesagt, eine Lüge sei eine wissentliche Falschaussage? Goodrich sah es so, und so hat die Gesellschaft seither Lügen gegenüber „theokratischer Kriegsstrategie“ definiert (Raines, 1996, Seite 20).

Ein frühes Beispiel für den Gebrauch theokratischer Kriegsführung eines Zeugen gegenüber einem anderen, das sich Anfang der 1940er Jahre ereignete, betraf Roy Goodrich, einen früheren Wissenschaftslehrer und langjährigem Versammlungsaufseher. Goodrich schickte an einen M. A. Howlett in der Wachtturm-Weltzentrale einen Brief, in dem er sich besorgt darüber äußerte, dass die Wachtturm-Gesellschaft die E.R.A.-Maschine benutze, um Krankheiten zu behandeln. E.R.A. ist eine „oszilloklastische Maschine“, von Dr. Abrams erfunden, einem berüchtigten Quacksalber, der Historikern, die sich mit der Wissenschaft der Quacksalberei befassen, gut bekannt ist (Warner, 1941). Goodrich war besorgt, weil er schloss, die E.R.A.-Technik habe mit Dämonismus zu tun. Aus diesem Grund schrieb er Howlett, um festzustellen, ob die Gerüchte, die er über die E.R.A.-Maschine gehört hatte, dass sie immer noch im Bethel (der Wachtturm-Zentrale) benutzt werde, zutreffend seien.

Howlett antwortete Goodrich wie folgt: „Du bist offensichtlich über meine Verbindung zu E.R.A. falsch informiert. Ich weiß nichts davon und habe sie nie benutzt. So eine Maschine gibt es nicht im Bethel” (Goodrich, 1944). Goodrich wusste, dass Howletts Behauptung falsch war, weil er Wissen aus erster Hand besaß, dass ein gewisser Chester Nicholson mit der E.R.A.-Maschine von Howlett „behandelt“ worden war. Goodrich wusste auch, dass die E.R.A. seit 1922 von einem „Dr.“ Work im Bethel benutzt wurde. Da Howlett überdies vor 1922 begonnen hatte, im Bethel zu arbeiten, wusste Goodrich, dass Howletts Behauptung, nicht einmal etwas „von der ERA gehört“ zu haben, absurd war, weil Howlett Arzt im Bethel war. Folglich „glaubte Goodrich daher, dass Howlett ihn anlog“ (Raines, 1996, Seite 20).

In Beantwortung des Briefes von Howlett schrieb Goodrich einen ausführlichen Brief an das Wachtturm-Direktorium und an den Wachtturm-Präsidenten Nathan Knorr. Goodrich, der damals als Zeuge in gutem Ruf stand, schrieb besonders darüber, was er für eine Falschanwendung der theokratischen Kriegsstrategie durch Howlett hielt (in den 1940er Jahren wurde sie Rahab-Technik genannt, nach Rahab, die log, um die Spione zu schützen). Raines merkt an, diese Technik beinhalte, jemand „mit falschen Informationen irrezuführen“, eine Erwiderung, die „die meisten Menschen als Lügen“ bezeichnen würden (Raines, 1996, Seite 20). Goodrich war verblüfft, weil, wie er gegenüber Howlett erklärte, der einzige Sinn, den die Worte [Howletts] vermittelten, den grundlegenden Tatsachen widerspräche, die ich kannte. Ich muss jedoch glauben, dass du hehre Beweggründe hast, wenn du so schreibst – den Wunsch, Jehovas Namen zu ehren. Du hast dich an Rahabs Gutheißung und die Aussagen oben auf Seite 177 in RICHES erinnert und ohne Zweifel offenkundig eine klare und logische Rechtfertigung im Sinn [zu lügen]. (Goodrich, 1944, p. 1)

Was Goodrich am Herzen lag, war, dass die Lehre das Lügen nur denen gegenüber rechtfertige, die nicht berechtigt seien, die Wahrheit zu kennen, und Goodrich glaubte, als Zeuge Jehovas und langjähriger vorsitzführender Aufseher habe er das Recht, die Wahrheit in dieser Angelegenheit zu kennen. Raines merkt an, dass die Lehre von der theokratischen Kriegsführung ...

… bedeutet, dass einige nicht „berechtigt“ sind die Wahrheit zu kennen, und wenn jemand eine Falschaussage mache, ohne die Absicht zu haben, ihm zu „schaden“, dann sei das keine Lüge, sondern ... „Rahab-Technik“. Warum hat Rutherford sonst nicht nur gesagt, eine Lüge sei eine wissentliche Falschaussage? Goodrich sah es so, und so hat die Gesellschaft seither Lügen gegenüber „theokratischer Kriegsstrategie“ definiert. (Raines, 1996, Seite 20)

Goodrich erwiderte nachsichtig und kam zu dem Schluss, dass Howlett

tatsächlich die Rahab-Technik beabsichtigte … In aller Freundlichkeit also, Bruder Howlett, ist die unausweichliche Logik deines Briefes an mich, dass es sich um eine der beiden Möglichkeiten handeln muss: (1) Eine möglicherweise böswillige Lüge, oder (2) das Eingeständnis vor dem Herrn, dass du Dämonismus ausgeübt hast, und dich „herausredest“. (Goodrich, 1943, Seite 1)

Goodrichs Bemühung, die Wachtturm-Gesellschaft auf seine Sorge aufmerksam zu machen, führte schließlich zu seinem Ausschluss (erzwungener Rauswurf von der Wachtturm-Gesellschaft, der ihm den Kontakt mit fast allen Mitgliedern in gutem Ruf unmöglich machte). Interessanterweise kam der Watchtower zu demselben Schluss über E.R.A., für den Goodrich ausgeschlossen worden war (Raines, 1996, Seite 20). Einige Einzelheiten dieser heute berüchtigten Wachtturm-Lehre wurden in einer Untersuchung von Frakes berichtet:

In seinem Sonntagmorgenvortrag „Vorsichtig wie Schlangen unter Wölfen“ … legte Franz bestimmte Passagen im Alten Testament so aus, als bewiesen sie, dass Jehova das Anlügen der eigenen Feinde gutheiße, wenn es um die Bewahrung seiner selbst gehe; dass also solch ein Lügen so lange nicht verurteilt wird, wie es sich gegen Außenstehende richtet. Daraufhin dankte ihm der Vorsitzende als Vertreter der Wachtturm-Gesellschaft für das „neue Licht“, das er gebracht hatte. (1955, Seite 819)

Mit Sherrills Worten bedeutete diese neue Lehre, dass „Lügen zur theokratischen Kriegsstrategie gehört. Ein Zeuge Jehovas kann jemanden belügen, wenn dieser nicht berechtigt ist, die Wahrheit zu kennen“ (1995, p. 56). Die Wachtturm-Lehre, dass man „nur denen die Wahrheit sagen sollte, die ein Recht haben, sie zu kennen“, bedeutet, dass Wachtturm-„Gegner“ (diesen Begriff benutzt die Wachtturm-Gesellschaft für sachkundige Kritiker; siehe Reed, 1997, Seite 101) und Kritiker kein Recht haben, die Wahrheit zu kennen.

Als Soldat Christi [befindet sich ein Zeuge] ... im theokratischen Krieg und muss vermehrte Vorsicht üben, wenn er mit Gottes Feinden zu tun hat. Daher zeigt die Bibel, dass es für den Zweck, die Interessen Gottes zu schützen, angebracht ist, die Wahrheit vor den Feinden Gottes zu verbergen ... Dies fällt unter den Begriff „Kriegsstrategie“ ... und ist in Übereinstimmung mit Jesu Rat, dass man unter Wölfen „vorsichtig wie Schlangen“ sein sollte. Sollten die Umstände von einem Christen fordern, in den Zeugenstand zu treten und zu schwören, die Wahrheit zu sagen, dann ... wird ein reifer Christ das Wohl seiner Brüder über sein eigenes stellen und sich an Jesu Worte erinnern: „Niemand hat größere Liebe als die, dass einer [seine Seele] zugunsten seiner Freunde hingebe.“ – Matt. 10:16; Joh. 15:13. (Watchtower, 1. Juni 1960, Seite 352; siehe auch 1. Februar 1956, Seite 78)
Alle Kritiker und Gegner der Wachtturm-Gesellschaft werden als „Wölfe“ betrachtet, die der Wachtturm-Gesellschaft, deren Anhänger „Schafe“ genannt werden, den Krieg erklärt haben. Überdies ist es „angemessen, dass die harmlosen ‚Schafe’ im Interesse des Werkes Gottes gegenüber den Wölfen zur theokratischen Kriegsstrategie greifen“ (Watchtower, 1. Februar 1956, Seite 86).

Der Fall Elsa Abt (siehe Watchtower, 1. Mai 1957, Seite 285) ist ein gutes Beispiel, wie die Wachtturm-Gesellschaft mehr als das Verbergen der Wahrheit lehrt, nämlich offenes Lügen. Als sie, so der Bericht im Watchtower, von der Polizei nach dem Verbleib eines Vervielfältigungsapparates und der “Identität dessen, der die Führung im Predigtwerk im Untergrund ausübe”, gefragt wurde, antwortete sie entgegen der Wahrheit und „gab vor, nichts zu wissen“. Ihr offenes Lügen hier wird als gutes Beispiel dargestellt, dem die Zeugen nacheifern sollten. In einem ganzen, “Gerechtfertigtes Lügen” überschriebenen Kapitel kommt Thomas zu dem Schluss, das es den Zeugen

… von der Gesellschaft gestattet ist ... im Interesse ihrer Religion zu lügen. Die Zeugen Jehovas nennen das natürlich nicht Lügen ... [die Wachtturm-Führung hat] hat eine neue Bezeichnung für diese Art von Täuschung erfunden, sie sagen dazu „theokratische Kriegsstrategie“ üben (Thomas, 1972, Seite 95).

Dann zitiert Thomas den Watchtower (1. Mai 1951), der, so behauptet er, „deutlich zeige, dass Zeugen Jehovas in der Tat lügen, wann immer es zu ihren Absichten passt.“ Dieser Artikel spricht über eine Zeugin, die, während sie bekehrend von Haus zu Haus ging, auf einen Wachtturm-Gegner traf:

… Sie wusste sofort, was zu erwarten war, und zog sich im nächsten Gang die rote Bluse aus und eine grüne an. Gesagt, getan, als sie auf der Straße erschien, fragte sie ein kommunistischer Funktionär, ob sie eine Frau mit einer roten Bluse gesehen habe. Nein, erwiderte sie, und ging weiter. Hat sie gelogen? Nein. Sie war keine Lügnerin. Sie hat vielmehr zur theokratischen Kriegsstrategie gegriffen und um des Dienstes willen die Wahrheit durch ihr Handeln und Sagen verborgen. (Seite 285)

Thomas kommt zu dem Schluss, in diesem Fall habe die Zeugin „gelogen, um ihre eigene Haut zu retten“, und

der dreiste Versuch der Wachtturm-Gesellschaft, diesen Vorfall als Entschuldigung zu benutzen, dass nun alle Zeugen Jehovas im Interesse ihrer Religion täuschen und lügen dürfen [sollte verurteilt werden]. Anstatt dass es der Wachtturm-Gesellschaft um ihresgleichen, die log, weil sie selbst die Zeugin Jehovas in der roten Bluse war, leid tut, gratuliert sie ihr auch noch für weises Handeln! (1972, Seite 95).

Als Erklärung, wer ein angemessenes Ziel für die theokratische Kriegsführung ist, sagt der Watchtower (15. April 1957 Seite 256) ausdrücklich, dies sei jeder Feind der „Organisation Gottes“ (gemeint ist die Wachtturm-Gesellschaft) und alle, die „hassen, was sie lehrt“ und „und andere davon abhalten wollen, etwas (über den Wachtturm) zu erfahren“ … man muss die ‚Wölfe’ davon abhalten, Bemühungen zu behindern, schafähnlichen Menschen, die nach Erkenntnis der Wahrheit und Gerechtigkeit hungern, zu Hilfe zu kommen. Wenn sie auf ‚Wölfe’ treffen, werden Christen die [Kriegs]strategie benutzen und weise wie Schlangen und doch unschuldig wie Tauben sein.“ Mit anderen Worten, es ist gerechtfertigt, wenn ein Zeuge gegen jeden zur theokratischen Kriegsstrategie greift, der dem Wachtturm-Werk ins Gehege gerät, darunter auch Wachtturm-Kritiker, die selbst Zeugen sind, wie das obige Beispiel Goodrichs zeigt.

Dass die Wachtturm-Gesellschaft offen lehrt, dass Lügen als Täuschung angemessen ist, um ihre Interessen zu verteidigen, zeigt der folgende Wortwechsel zwischen Wachtturm-Anwältin Carolyn Wah und Duane Magnani, der im Fall Marcus Reyes vereidigt war (Fall 6939-C. Abilene, TX. Im Bezirksgericht von Taylor County, TX, 326. Gerichtshof):

Magnani: … [Die Zeugen lehren, dass sie sich] in einem theokratischen Krieg befinden und vermehrte Vorsicht walten lassen müssen, wenn sie mit Gottes Feinden zu tun haben. So zeigt die Schrift, dass es für den Zweck, die Interessen Gottes zu schützen, angemessen ist, die Wahrheit vor Gottes Feinden zu verbergen.
Wah: Danke. Wäre diese Vorstellung anders als bei einem Soldaten, der eine Regierung unterstützt und von der gegnerischen Armee gefangen genommen wurde?
Magnani: Ja.
Wah: Wie das?
Magnani: Nun, in dieser Situation, wenn wir darüber reden, die Wahrheit zu verbergen ... im Sinne eines theokratischen oder geistigen Krieges glauben die Zeugen Jehovas, dass alle Nichtzeugen zum Lager Satans gehören und alle Zeugen Jehovas zu Gottes Lager …
Wah: Sie sagen also, in einem Krieg, zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg, hätte ein von amerikanischen Soldaten gefangener deutscher Soldat kein Problem, den anderen anzulügen?
Magnani: Das hängt von den Umständen ab. Der Hauptbeweggrund im Leben der Zeugen Jehovas ist der, darzustellen, was immer die Wachtturm-Organisation wünscht, dass sie es darstellen. Hat die Organisation etwas gesagt, über das ein Gegner, d.h. ein Nichtzeuge, sprechen möchte, dann ist es nach unserer Erfahrung und den uns vorliegenden Dokumenten die Pflicht des Zeugen Jehovas, im Prinzip zu vertuschen, zu lügen [oder] die Tatsachen zu verdrehen ... damit die Gesellschaft ein gutes Bild abgibt ... (R.T. Seite 47).

Nach einer Untersuchung der Wachtturm-Vorschriften und -praktiken kam der Rechtsanwalt Thad Nugent zu dem Schluss, die Wachtturm-Gesellschaft empfehle

die Abgabe einer Zeugenaussage unter Eid, von der bekannt ist, dass sie unwahr ist ... Nach den gesetzlichen Definitionen ist das Meineid, [und] … es ist sehr deutlich, dass [die Wachtturm-Gesellschaft] die „Zeugen Jehovas, die sich in Sorgerechtsfälle verwickelt finden, anweist, wie sie es vermeiden, sich in eine Situation hineinzumanövrieren, [in der] ... sie sagen müssen, was sie im Hinblick auf ihre Kinder wirklich praktizieren, wie ihre Kinder leben, welche Einschränkungen diesen Kindern für ihre psychologische, seelische und soziale Entwicklung auferlegt werden, [und diese Schlussfolgerung ist] wirklich eindeutig!“ (Witness, Inc., 1994, mitgeschnittenes Interview mit T. Nugent).

In einem Fall, der offensichtlich nicht atypisch ist, informierte der Wachtturm-Anwalt angeblich eine Zeugin, die versuchte, das Sorgerecht zu erhalten, das Gericht „könnte wegen ihrer Religion gegenüber den Zeugen Jehovas voreingenommen sein. Daher kann jedes Beispiel für eine Misshandlung, an die Sie sich erinnern können, für Ihren Fall hilfreich sein.“ Nachdem die Zeugin erklärte, sie könne sich an keine erinnern, gab ihr der Wachtturm-Anwalt angeblich mit folgenden Worten Nachhilfeunterricht, das Gericht irrezuführen: „Wenn Sie nicht [an ein Beispiel für eine Misshandlung denken können], dann wird es für Sie schwerer, den Fall zu gewinnen. Denken Sie fest nach, und ich bin sicher, Sie können auf einen Vorfall kommen, wo Sie sich zumindest vor Ihrem Mann fürchteten.“ Der Anwalt ermunterte angeblich zum Lügen, indem er der Zeugin erklärte, dass der Ausgang des Verfahrens für ihre Kinder das ewige Leben bedeute, und betonte, wenn das Sorgerecht ihrem Mann, einem Gegner, übertragen werde, hieße das, dass sie in Harmagedon vernichtet würden. Er argumentierte wie folgt:

Möchten Sie, dass Ihre Kinder in Harmagedon einen entsetzlichen Tod erleiden? Möchten Sie nicht mit ihnen zusammen in der neuen Welt sein? Ihr Leben liegt in Ihren Händen, und sie müssen tun, was Sie können, um sicherzustellen, dass Sie das Sorgerecht erhalten. Wenn ein verwirrter Mann mit Schaum vor dem Mund an Ihre Tür käme und nach Ihrer Mutter fragte, würden Sie ihm offen erzählen, dass Ihr Mutter oben, die Treppe hinauf, ist, und Ihm erlauben, dass er mit Gewalt eintritt und nach oben geht und ihr Schaden zufügt? Nein, natürlich nicht; Sie würden alles mögliche sagen, um ihn irrezuführen. Schließlich hat er kein Recht, die Wahrheit zu erfahren. Ebenso hat in dieser Situation das Gericht nicht das Recht, die Wahrheit zu kennen. (Aus der Abschrift eines Gesprächsmitschnittes mit einer ehemaligen Zeugin Jehovas, die Quelle ist aufgrund der Vertraulichkeit gegenüber der Klientin nicht näher bezeichnet. Der Autor war bei diesem Fall Berater.)

In einem anderen Fall, in dem der Autor Berater war, behauptete die Zeugin, ihr Mann „sage nur mit dem Mund“, dass er ihr Schaden zufügen wolle; dennoch wurde er vor Gericht wegen körperlicher Misshandlung angeklagt, ganz im Gegensatz zu ihren früheren Behauptungen. Durch die Benutzung solcher Taktiken mögen Wachtturm-Anwälte ihre Klienten überreden, vor Gericht die theokratische Kriegsstrategie zu benutzen. Die Wachtturm-Gesellschaft greift auch nicht selten zu skrupellosen Angriffen ad hominem, sie legt völlig falsche Bewiese gegen Leute vor, die bei dieser Art von Fällen aussagen.

Ein früheres Beispiel für den Gebrauch der theokratischen Kriegsstrategie durch die Wachtturm-Gesellschaft wurde von einem Wachtturm-Vertreter in Schweden, einem Johan Henrick Eneroth, geliefert, der erklärt, während des Zweiten Weltkrieges sei es „nötig geworden, theokratische Kiregsstrategie zu benutzen, um den gewünschten Kontakt mit besetzten Ländern aufrecht zu erhalten.“ Dann erklärte er, er habe die Regierung täuschen und seine Absicht falsch darstellen müssen, um ein Visum zu erhalten. Insbesondere behauptete Eneroth fälschlich, er sei „Großhändler von Eingeweiden“ (Watchtower, 1. Februar 1965, Seite 94). Dann benutzte er wiederum theokratische Kriegsstrategie, um Wachtturm-Literatur nach Norwegen zu schmuggeln, indem er Lebensmittelpakete schickte, besonders Eier, wobei „jedes einzelne Ei in mehrere Blätter [der Zeitschrift] Wachtturm gewickelt war.” Er fügt hinzu: „Als das schließlich von den Deutschen entdeckt wurde, fanden wir einen anderen Weg“ (Watchtower, 1. Februar 1965, Seite 94). Dieser andere Weg bestand aus dem Packen von Zeitschriften Der Wachtturm in Lebensmittel, die dann zum Militärflughafen Aalborg in Dänemark gebracht wurden, damit sie „mit Hitlers eigenen Flugzeugen nach Norwegen geflogen würden!“ (Watchtower, 1. Februar 1965, Seite 95). Dann berichtet der Autor von mehreren weiteren Methoden, die er benutzte, um verbotene Literatur in andere Länder zu schmuggeln.

Ein weiterer Fall aus den Niederlanden wurde von Robert A. Winkler berichtet. Als ihm ein Verhör angedroht wurde, „wusste er, dass das den Gebrauch der theokratischen Kriegsstrategie um des Königreichswerkes und meiner christlichen Brüder willen bedeutete“ (Watchtower, 15. März 1967, Seiten 188-189). Diese Aussage zeigt, wie eng die Lehre von der theokratischen Kriegsführung mit der Wachtturm-Theologie verbunden ist.

Die Wichtigkeit der theokratischen Kriegsführung wurde in einem weiteren Wachtturm-Artikel wiederholt (15. Mai 1988, Seite 20), wo erzählt wird, dass Winkler theokratische Kriegsstrategie benutzte, um seine Mitzeugen zu schützen, und dass Zeugen diese Technik gelegentlich benutzen müssen, um die Wachtturm-Organisation zu verteidigen. Der Ausdruck, theokratische Kriegsführung „um des Königreichswerkes und meiner christlichen Brüder willen“ meint hier das Zurückhalten der Wahrheit, um die Wachtturm-Organisation und ihre Aktivitäten zu schützen. Die Lehre deckt nicht nur das Lügen ab, sondern auch Täuschung. Der Watchtower drückte das so aus:

Um die unmittelbare Bedrohung abzuwenden, war Hesekia einverstanden, Sanherib Tribut zu zahlen, und er riss sogar die metallbelegten Türen und Türpfosten aus Jehovas Tempel, um den Tribut zahlen zu können (2. Kö. 18: 13-16). Ohne Zweifel war dies ein Teil der theokratischen Kriegsstrategie Hesekias, ein Zug, um Zeit zu gewinnen und ihn in eine bessere Lage zu versetzen, mit dem Feind zu kämpfen. Gleichermaßen gibt es heute Gelegenheiten, wo sich Jehovas Zeugen vorsichtig bewegen müssen, um ihr von Gott verliehenes Recht auf die wahre Anbetung zu bewahren (15. März 1968, Seite 170).

Der Artikel lehrt, dass die Zeugen das weltliche Gesetz verletzen können – entweder indem sie Schlupflöcher im Gesetz finden oder es umgehen. Die Wachtturm-Gesellschaft neigt dazu, dies in den Mittelpunkt zu rücken, anstatt innerhalb der Gesetze zu wirken, um zu ändern, was sie als unrechte Gesetze ansieht, wie es die meisten Kirchen tun.