Sind die Zeugen Jehovas frei in all ihren Entscheidungen. Macht die Wachtturm-Gesellschaft tatsächlich niemandem Vorschriften, wie er zu leben hat oder wie der Glaube zu praktizieren sei?

Glaubt man den Verlautbarungen der Rechtsberater der WT-Gesellschaft, so handeln alle Zeugen Jehovas freiwillig und ohne Einengungen seitens der Glaubensgemeinschaft. Also alles in Ordnung und die Anerkennung als KdöR völlig gerechtfertigt?

Durchforscht man die Veröffentlichungen der Wachtturm-Gesellschaft nach Lebensberichten und Erfahrungen, begegnet man sehr häufig den Aussagen: Wir haben unser Haus oder unser Geschäft oder Besitz verkauft, ein Studium abgebrochen, auf eine Karriere verzichtet, die Lebensversicherung oder die Altersversorgung vorzeitig gekündigt weil wir glaubten, in der kurzen Zeit bis Harmagedon ist nichts wichtiger als die gute Botschaft vom Königreich zu predigen.

Aber man sucht in der Wachtturm-Literatur vergeblich nach einer direkten Aufforderung Häuser und Besitz zu verkaufen oder die Lebensversicherung und Altersversorgung vorzeitig zu kündigen.

Was veranlasst Gläubige, solch extreme Entscheidungen zu treffen?

Es sind sublime Botschaften.

Der Duden umschreibt sublim: erhaben; fein; nur einem feineren Verständnis oder Empfinden zugängig.

Zeugen Jehovas sind mit ihrem "gut geschulten Gewissen" diesem feineren Verständnis oder Empfinden zugänglich.

Versuchen wir am Beispiel eines Artikels aus dem Wachtturm vom 15. Februar 2011 diese feinen, sublimen Botschaften zu analysieren. Der Artikel hat die Überschrift:

Gottes Anerkennung zu gewinnen bringt ewiges Leben ein

Welche Botschaft signalisiert dieser Titel?

Gewinnen ist sicher nicht im Sinne eines Lottogewinnes gemeint. Es soll wohl bedeuten, dass der Lohn ewiges Leben und Anerkennung auch einen Einsatz erfordert. Was unter dem Einsatz zu verstehen ist, kann dann an dem Beispiel abgeleitet werden, das zur Einleitung der Abhandlung gebraucht wird:

Die Frau und ihr Sohn hatten Hunger. Gottes Prophet aber auch. Sie suchte gerade ein wenig Feuerholz zum Kochen zusammen, da bat Elia sie um Wasser und Brot. Sie war zwar bereit, ihm etwas zu trinken zu geben, doch alles, was sie noch zu essen hatte, war "eine Handvoll Mehl in dem großen Krug und ein wenig Öl in dem kleinen Krug." Diese Witwe in Zarephath konnte es sich eigentlich nicht leisten, dem Propheten etwas abzugeben, und ließ ihn das auch wissen (1. Kö. 1Zg-12). 2 Doch Elia beharrte auf seiner Bitte: "Mache mir von dem, was da ist, zuerst einen kleinen runden Kuchen, und du sollst ihn zu mir herausbringen, und für dich und deinen Sohn kannst du danach etwas machen. Denn dies ist was Jehova, der Gott Israels, gesprochen hat: 'Der große Mehlkrug selbst wird nicht erschöpft, und der kleine Ölkrug er wird nicht leer werden'"(1. Kö.12:13,14)

Die Geschichte appelliert an das Gefühl. Eine arme Witwe und ihr Kind. Sie bereitet mit ihren letzten Vorräten eine Mahlzeit für den Propheten, - wir verstehen – der Einsatz ist: Alles was wir haben. Dass diese Schlussfolgerung kein Missverständnis ist wird mit den folgenden Ausführungen deutlich:

Bei der Entscheidung, vor der die Witwe stand, ging es um viel mehr als nur um die Frage: Was mache ich mit meinem letzten Bissen Brot? Sie musste sich überlegen ob sie darauf vertrauen wollte, dass Jehova sie und ihren Sohn retten würde, oder ob materielle Bedürfnisse ihr wichtiger waren als die Anerkennung und Freundschaft Gottes.

Eine unzweideutige Erklärung dafür, wie das Beispiel der Witwe anzuwenden ist.

Jeder von uns heute steht vor einer ähnlichen Frage. Was liegt uns mehr am Herzen: dass sich Jehova über uns freuen kann oder dass wir materiell abgesichert sind? Wir haben allen Grund, unserem Gott zu vertrauen und ihm zu dienen. Was können wir denn dafür tun, sein Wohlgefallen zu finden?

Ohne Umschweife wird diese Begebenheit in unsere Zeit übertragen. Ohne Abstriche soll sich jeder eine ähnliche Frage stellen. Der Wunsch und die vernünftige Absicht, für eine materielle Absicherung zu sorgen, freut Jehova offenbar nicht. Die sublime Botschaft ist: Du hast doch kein Vertrauen zu Gott, wenn Du selbst für Deine materiellen Bedürfnisse im Alter vorsorgst.

Würdig, angebetet zu werden

Jehova erwartet zu Recht dass Menschen ihm so dienen, wie er es sich wünscht.“ […]

In diesem Satz wird zwar nicht bewiesen, dass Jehova nur eine Anbetung von armen Menschen oder Witwen wünscht. Es wird auch so nicht offen gesagt. Auch hat es wohl wenig mit dem Predigen der Guten Botschaft zu tun, dass eine Frau in Zarephat für einen hungrigen Gast eine Mahlzeit kochte. Aber die sublime Botschaft könnte lauten: Wenn ich mich beruflich engagiere statt als Pionier zu arbeiten oder vermehrten Dienst zu tun, dann tue ich etwas, was Jehova nicht wünscht.

Der Mensch ist von Gott mit einem freien Willen ausgestattet worden, mit der Fähigkeit, zu denken und zu entscheiden' […]

Vordergründig eine klare Feststellung. Sublim jedoch auch ein erhobener Zeigefinger. ‚Wenn Du Dich falsch entscheidest, bist Du selber schuld. Was in Verbindung mit der Rückblende bis zu Adam und Eva auch nicht mehr zu bezweifeln ist.

So ähnlich brachte Adam mit seiner Sünde alle seine Nachfolger um die Aussicht, ewig in Glück und Vollkommenheit zu leben. Wegen seiner Selbstsucht leidet die Menschheit seitdem unter der Unvollkommenheit wie unter einem grausamen Sklavenhalter. Niemandem ist es erspart geblieben, krank zu werden, Kummer und Leid zu erleben und schließlich zu sterben. Warum sollte uns Gottes Liebe motivieren, ihm zu dienen? Jehova hat uns aus dieser Sklaverei samt ihren schrecklichen Begleitumständen freigekauft, indem er für das entsprechende Lösegeld gesorgt hat“ (Lies Römer 5:21) […]

In der Frage ist eine Doublebind Botschaft, die verwirrt. Wozu kann Liebe motivieren? Sie ist eine Emotion und kann erwidert werden. Also ich kann Gott auch lieben, wenn ich seine Liebe verspüre. Aber motiviert Liebe dazu bestimmte Anforderungen zu erfüllen? Entweder ich handle aus Liebe oder weil ich etwas schuldig bin oder weil es von mir verlangt wird. Aber wenn es erwartet wird, dann bin ich nicht mehr frei in meiner Entscheidung. Wer hat mich von der Sünde erlöst? Jehova oder Christus? Was bedeutet das entsprechende Lösegeld? Kann man die Schuld der Sünde bemessen und bewerten? Der angeführte Bibeltext löst dann eine endgültige Verwirrung aus: "…so auch die unverdiente Güte als König regiere durch Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unseren Herren" Es ist eine unverdiente Güte die durch Christus zum ewigen Leben führt.

Jehova wird nicht aufhören, jedem von uns auf ganz persönliche Weise zu zeigen, dass er ,,denen, die ihn ernstlich suchen, ein Belohner wird" (Heb 11:6),,Dein Volk wird sich willig darbieten" Um Gottes Anerkennung zu erhalten, müssen wir unsere Willensfreiheit richtig gebrauchen. Er zwingt nämlich niemand dazu ihm zu dienen.

Nachdem in Sachen Willensfreiheit bereits auf Adam und Eva verwiesen wurde, wird man sich hüten etwas anderes als das Empfohlene zu wählen. Wieder wird nachfolgend das Gefühl angesprochen.

Zur Zeit Jesaias fragte Jehova: „Wen soll ich senden, und wer wird für uns gehen?" Jehova respektierte das Recht des Propheten, selbst zu entscheiden, und erwies ihm dadurch Achtung. Kannst du dir vorstellen wie gut sich Jesaja gefühlt haben muss, als er antwortete: „Hier bin ich! Sende mich"? (Jes 6:8)

Die sublime Botschaft lautet: Es fühlt sich gut an, wenn Du wie Jesaja antwortest.

Es steht Menschen frei, ob sie Gott dienen möchten oder nicht Jehova wünscht sich, dass wir uns gern dafür entscheiden. (Lies Josua 24:15) Wer ihm lustlos gezwungenermaßen dient, macht ihm damit keine Freude, genauso wenig wie jemand, der es nur deshalb tut, um bei anderen Menschen gut dazustehen.

Auch mit dieser Aussage ist eine Doublebind Botschaft – gegensätzliche Aussagen - verbunden. Steht es dem Menschen nun frei oder wünscht Jehovas etwas Bestimmtes? In dem angegebenen Bibeltext sagt Josua zu dem Volk der Israeliten, es stünde ihnen frei zu wählen. Er und sein Haus haben sich für Jehova entschieden. Hier wird die Wahlfreiheit nicht durch eine bestimmte Erwartung eingeschränkt. Aber die sublime Botschaft in dem Wachtturm-Artikel lautet: Wenn Du Jehova so anbeten möchtest wie ER es will dann mach es genauso wie Jesaja oder Josua.

Eine Behauptung, die so nicht bewiesen wurde. Ein in sich völlig widersprüchlicher Satz. Kann man mit der Anerkennung Jehovas rechnen wenn man etwas Bestimmtes tut oder wird sie uns geschenkt? Der Bibelverweis bezieht sich jedenfalls auf die Vorschriften des Gesetzesbundes mit dem Volk der Hebräer. Sie hatten konkrete Vorgaben über die Abgabepflicht des Zehnten und der Erstgeburt. Wie soll man das auf das Gebot des Christus übertragen, der den Gesetzesbund mit an den Stamm genommen hat und das neue Gebot der Liebe gegeben hat? Wie viele Vorschriften und Forderungen hat er denn seinen Jüngern hinterlassen? Wäre es nicht weit hilfreicher Schrifttexte zu verwenden, die seine Lehren wiedergeben?

Das Leben vieler Menschen heute dreht sich ganz um finanzielle Sicherheit und Freizeit. Für uns aber, die wir Jehova lieben, kommt der heilige Dienst für ihn vor allem anderen. Welche Prioritäten wir in unserem Leben setzen, zeigt sich daran, wie eifrig wir die gute Botschaft predigen. wir vertrauen voll und ganz darauf, dass Jehova für unsere täglichen Bedürfnisse sorgen kann (Mat. 6:33,34)

Hier kommen wir also zu des Pudels Kern. Alles was in unserem Leben zählen sollte, ist, für die Verbreitung der Botschaft zu sorgen, die in den Wachtturm-Schriften enthalten ist. Mat.6:33, 34 in dieser Verbindung angeführt erweckt den Anschein, als hätte Jesus selbst dazu den Auftrag gegeben. Doch der Kontext zeigt, dass er in Wirklichkeit nur tröstende Worte gesprochen hat. Er wollte, dass sich die Menschen nicht übermäßig um die alltäglichen Dinge des Lebens Sorgen machen sollten. Er wollte ihnen das Vertrauen in Gott vermitteln, der für alles sorgen kann, da er weiß was ein Mensch braucht. Verknüpft man diese Gedanken mit Matth. 25:31-40 dann versteht man, dass Jesus solche Menschen zu seiner Rechten einsammelt, die den Nächsten mit guten Taten lieben, indem sie Hungrige speisten, Durstigen zu trinken gaben, Fremde gastfreundlich aufnahmen, Nackte bekleideten und Kranke besuchten. Es ist dort nichts von Predigen geschrieben. Aber diese Taten der Nächstenliebe sind nicht an eine Konfession gebunden. Auch von einer solchen Voraussetzung wird bei dieser Beurteilung von Gut und Böse nicht gesprochen.

Opfer, die Jehova gefallen

[…] Große Freude hat Jehova auch an Opfern, die sich aus unserer Fähigkeit, zu sprechen, ergeben. Von jeher haben Menschen, die Jehova liebten, in der Öffentlichkeit und zu Hause gut von ihm geredet (lies Psalm 34:7-3.) Man braucht nur Psalm 148 bis 150 zu lesen und darauf zu achten, wie oft wir darin aufgefordert werden, Jehova zu preisen - hat er das doch wirklich mehr als verdient! (Ps. 33:1) Jesus Christus, unser Vorbild, hat ja auch betont, wie wichtig es ist, Gott dadurch zu preisen, dass wir die gute Botschaft verkündigen (Luk. 4:18,43, 44).

Die sublime Botschaft lautet hier offenbar, der Haus-zu-Haus-Dienst ist ein Opfer für Jehova und je freudiger er getan wird, desto mehr freut sich auch Jehova. Wieder ist man aber verwirrt über die „Beweise“ aus der Bibel, die sich nicht wirklich auf die eigene Situation übertragen lassen. Die Psalmen beschreiben, dass man stets und überall Gott preisen kann. Jeder, der für sich persönlich eine Beziehung zu Gott hat wird das ganz automatisch tun, indem er sich über die Schöpfung freut, betet oder in privaten Gesprächen darüber spricht. Der Psalmen-Schreiber schrieb für die Hebräer. Sie waren in einem besonderen Bundesverhältnis mit Jehova und ganz sicher keine Prediger der „guten Botschaft vom Königreich“. Das wird allerdings von Jesus Christus gesagt. Lukas Kapitel 4 berichtet von ihm, dass er gekommen war um den Gefangenen Freilassung zu predigen und den Armen eine gute Botschaft zu bringen (siehe die tröstenden Worte aus Matth.6 bereits beispielhaft erwähnt). Auch in den Versen 43 und 44 spricht er von sich selbst: Er muss noch anderen Städten die gute Botschaft predigen. In diesen Versen sind noch nicht einmal seine Jünger mit einbezogen.

An unserem Einsatz im Predigtwerk zeigt sich, wie sehr wir Jehova lieben und wie viel uns daran liegt, dass er sich über uns freut. […] Gehörst auch du zu denen, die Gott solche annehmbaren Opfer darbringen? falls noch nicht, dann lass dich bitte anspornen, die nötigen Voraussetzungen zu erfüllen, damit du Jehova öffentlich preisen kannst Treibt dich dein Glaube dazu an, mit dem Predigen der guten Botschaft zu beginnen, wird dein Opfer Jehova "mehr gefallen als ein Stier" […] Die Freude, die du dann empfindest, wird mit nichts zu vergleichen sein. Jehova wird jeden Gerechten segnen.

Immer wieder wird dies wiederholt um es tief im Unterbewusstsein zu verankern. Der Einsatz im Predigtwerk ist ein Liebesbeweis. Man kann den Widerspruch nicht auflösen. Liebe als Emotion kann man nicht beweisen, nur fühlen. Niemand könnte vor Gericht "Liebe" als "Beweismittel" vorlegen um eine Schuld oder Unschuld zu beweisen. Gleichzeitig verwirrt die Darstellung, dass wir für die unverdiente Güte, die wir geschenkt bekommen, eine Gegengabe bringen müssen. Wir wären das unsererseits schuldig und zwar es "freiwillig" und "freudig" zu predigen. Eine wirklich unauflösbare, gegensätzliche Botschaft die deshalb einfach geglaubt wird, weil man keine andere Lösung dafür findet.

[…] Es war der Teufel, der Eva damals einredete, das wunderbare Leben, das Jehova ihr in Aussicht stellte, sei nichts wert, und sie könne gut auf seine Anerkennung verzichten. Auch heute bombardiert Satan die Menschen mit der Propaganda Gottes Willen zu tun sei der Mühe nicht wert. Doch Eva und ihr Mann mussten feststellen: Wer Gottes Wohlwollen verliert, verliert sein Leben. Mit derselben bitteren Wahrheit werden bald alle konfrontiert werden, die heute ihrem schlechten Beispiel folgen.

Sublim also die Drohung: Wenn Du Dich nicht auf das ewige Leben freust und den Lohn den Jehova den Predigern gibt (Nicht die Wachtturm-Gesellschaft wird die Versprechungen einlösen müssen), dann bist Du mit dem Teufel im Bunde.

Menschen, die seine Anerkennung haben, überlässt er nie sich selbst, das beweisen auch unzählige Erlebnisse von Zeugen Jehovas unserer Zeit (Ps.34:6,7, 17_79)."22 Sehr bald wird Gottes Gerichtstag „über alle die kommen, die auf der ganzen Erdoberfläche wohnen', (Luk. 21:34, 35). Niemand kann ihm entkommen. Kein Reichtum und kein Komfort wird dann auch nur annähernd so wertvoll sein wie die Einladung des von Gott eingesetzten Richters: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet worden seid, erbt das Königreich, das ... für euch bereitet ist“ (Mat. 25:34).

Wer so ausreichend in seinem Unterbewusstsein die Drohbotschaften gespeichert hat und nun auch noch den Hinweis bekommt, dass „sehr bald“ Gottes Gerichtstag kommt, wird sich vielleicht auch wieder veranlasst fühlen, Häuser zu verkaufen, eine Karriere zu beenden oder eine Lebensversicherung vorzeitig zu kündigen um das zu tun, was eine Leitende Körperschaft als Gottes Willen darstellt.

Wir kennen bestimmt das gute Gefühl, das sich einstellt, wenn man das Richtige tut.