Wie verhindert man, daß negative Nachrichten in die Medien gelangen? Die Wachtturm Gesellschaft jedenfalls ist der Meinung, man müsse nur über 100 Redaktionen in ganz Deutschland mit rechtlichen Schritten drohen, wenn sie dieses oder jenes behaupten. Ein Beispiel für eine "Religion", die behauptet, als einzige die Wahrheit zu sagen und sich gleichzeitig für plumpe Lügen nicht zu schade ist.

Wachtturm-Gesellschaft droht den Medien

Religionsgemeinschaft wehrt sich gegen Berichte und Briefe in der Presse

Das war ärgerlich für die Zeugen Jehovas. Zuerst wies das Berlinder Bundesverwaltungsgericht im Juni die Forderung der Religionsgemeinschaft zurück, als Körperschaft des Öffentlichen Rechts anerkannt zu werden., Und dann berichteten auch noch die Medien darüber. Weil einige Pressevertreter angeblich ungenau gearbeitet haben, schickten die Zeugen Jehovas nun einen Teil der Medienlandschaft Protest- und Informationsbriefe - egal ob der Adressat nun die vorgeblichen Fehler gemacht hat oder nicht.

"Anläßlich der jüngsten Berichterstattung über das Gerichtsverfahren der Zeugen Jehovas ... wurde unsererseits festgestellt, daß mehrfach unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt wurden", heißt es in einem auch an diese Zeitung adressierten Brief. Folgende Behauptungen seien "verschiedentlich" aufgestellt worden:

  • Die Zeugen Jehovas seien durch den Verkauf des Wachtturms bekannt geworden und die Finanzkraft der Religionsgemeinschaft beruhe auf dem Buchvertrieb.
  • Bei den Zeugen Jehovas herrsche Alkoholverbot
  • Den Zeugen Jehovas sei es untersagt, Zivildienst zu leisten.

Der Wachtturm werde nicht verkauft, sondern kostenfrei abgegeben, kontert nun die Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft und die übrigen in den Medien verbreiteten Behauptungen seien ebenfalls unwahr.

Weiter schreibt die Gesellschaft drohend: "Auch wenn es nicht unser Wunsch ist, gegenüber Pressemedien unsere Ansprüche rechtlich durchzusetzen, werden Sie Verständnis dafür haben, daß wir uns dazu gezwungen sehen". Das ist das gute Recht desjenigen, über den die Medien falsch berichten. Aber: Warum geht dieser Brief auch an diese Zeitung? Weder im Bericht noch im dazugehörigen Kommentar wurde eine dieser Behauptungen aufgestellt. Wachtturm-Gesellschaft-Sprecher Uwe Langhans räumt ein, daß das Schreiben an alle Redaktionen gegangen sei, die über das urteil berichtet haben, ob nun richtig oder falsch. Wohl über 100 Redaktionen hätten den Brief bekommen.

Er sagte auf Anfrage, daß die Deutsche Presse Agentur (dpa) die umstrittenen Behauptungen verbreitet habe und sie auf diesem Wege in viele Zeitungen gelangt sei. Doch in der Hamburger dpa-Zentrale ist davon nichts bekannt. Weder habe man in diesem Sinne berichtet, noch sei dort eine Gegendarstellung der Gesellschaft eingegangen.

Quelle: Neue Westfälische, 22.7.97

Kommentar:

Es ist nichts Neues, daß die WTG alles was nicht zu dem Bild paßt, das sie in der Öffentlichkeit gerne verbreitet, als "Lüge" bezeichnet. Nicht neu ist auch, daß sie Kritiker massiv von ihren Rechtsanwälten belästigen läßt. Bemerkenswert ist jedoch die Vorgehensweise.

Man veröffentlicht nicht etwa eine Gegendarstellung zu den angeblich falschen Behauptungen, wie das in diesem Land üblich ist. Nein, man versucht es mit Einschüchterung.

Interessant ist auch, daß man sich einige nebensächliche Punkte heraussucht, um auf "unwahre Tatsachenbehauptungen" hinzuweisen. Daß die Zeugen Jehovas keinen Zivildienst leisten dürfen, stimmt zwar objektiv nicht mehr. Aber dieses Verbot wurde erst vor einigen Monaten aufgehoben. Davor hat man jeden jungen Zeugen Jehovas rigoros ausgeschlossen, wenn er zwar den Wehrdienst, nicht aber den Zivildienst abgelehnt hat. Auch dass es bei ihnen ein Alkoholverbot gebe, ist objektiv nicht richtig. Es gibt bei den ZJ kein offizielles Alkoholverbot, eher schon ein Alkoholproblem, aber davon spricht man nur hinter vorgehaltener Hand.

Daß die Finanzkraft der WTG nicht auf dem Verkauf von Büchern und Zeitschriften beruhen soll, glauben allerdings nur die ganz Naiven. In den meisten Ländern - und vor allem jenen, die zu den ärmsten Ländern dieser Welt zählen - wird die Literatur unter dem Markenzeichen des Wachtturms weiterhin nach Preisliste verkauft. Zum Beispiel in Kenia, in Australien, in ganz Südamerika und in Rußland. Nur in den Ländern der westlichen Welt, wo die Finanzbehörden schon lange nicht mehr glauben, daß es sich bei der WTG um eine Religion handelt, hat man auf die kostenlose Abgabe umgestellt.

Daß die WTG einzig und allein ein Verlag ist, der Profit machen will, ist schon allein daran abzusehen, daß es mit der Veröffentlichung von zwei bis drei neuen, dicken Büchern schlagartig aus war, seitdem man dafür keinen festen Preis mehr verlangen konnte. Heute bejubeln die Zeugen auf ihren Kongressen nur noch die "Freigabe" von Traktaten und Broschüren, während die WTG daran geht, ihre Aktivitäten auf andere Geschäftsfelder auszuweiten.