Nach über dreimonatiger Ermittlung schlugen die Behörden am Morgen des 19. Januar 2000 zu. Mit 19 Staatsanwälten und mehr als 200 Polizisten durchsuchten sie in mehreren Bundesländern 75 Objekte, beschlagnahmten Akten und verhafteten zehn des Betrugs dringend Verdächtiger.

Der Schlag galt der WABAG, der Münchener Wirtschaftsanalyse und Beratung AG mit Sitz in Oberhaching und ihren zahlreichen Projektgesellschaften. Sie gehörte zu den „Marktführern von ökologisch etikettierten Kapitalanlagen“ für Investitionen in strukturschwachen Gebieten, und agierte nach eigenem Verständnis nach dem Motto: „Umweltschutz muss sich rechnen - dann finden sich auch Förderer“.

Die Münchner Staatsanwaltschaft unter der Leitung von Oberstaatsanwalt Manfred Wick schätzt den Verlust für private Anleger und öffentliche Subventionsgeber auf mindestens 200 Millionen Mark. „Kenner der Szene taxieren den Schaden gar auf 400 bis 600 Millionen Mark“, so FOCUS in einem ausführlichen Artikel in Ausgabe 4/2000. Insgesamt seien bis zu 40 000 Anleger betroffen und die öffentliche Hand allein habe rund 80 Millionen Mark in den Sand gesetzt, besagen die Recherchen des renommierten DFI gerlach-report.

Vorsicht vor den „Ökofonds-Bastlern“ (Direkter Anlegerschutz, 6.10.99) geboten insbesondere Branchendienste bereits seit vielen Jahren. So sprach BankWatch im März 1996 in Zusammenhang mit der Umweltbank von „der skandalumwitterten WABAG“. FINANZtest nahm sie in der Rubrik „Grauer Kapitalmarkt“ im Artikel „Öko-Sparplan des privaten Umwelt-Renditesparens überzeugt nicht – Grün und blau“, der unter dem Schlagwort „Dubiose Geldanlage“ geführt wird, in der Ausgabe 5/1996 unter die Lupe. RECHERCHE Börsenbrief vom 12.10.98 riet von den „WABAG lancierten Trentec II“-Anlagen ab. DFI gerlach-report warnte über Jahre regelmäßig und rief am 3.9.99 sogar die „höchste Alarmstufe für bis zu 600 Mio DM Öko-Anlagen“ aus. Und dies sind nur Beispiele.

Den Vorwurf der maßgeblichen Beteiligung an den Machenschaften der WABAG müssen sich insbesondere Erich Dallinger (50), Harald Staiger (58), Heinz Eggert (49) und Uwe B. (52) gefallen lassen. Sie hätten „den Geschädigten den geplanten Bau von umweltfreundlichen Recyclinganlagen und Kraftwerken vorgegaukelt“, so die Frankfurter Rundschau vom 21. Januar 2000. Die Beschuldigungen beinhalten auch fingierte Provisions- und Beraterverträge mit den Projektgesellschaften. „Der Verbleib der Millionen ist ungeklärt“, berichtet die Rundschau weiter. Der ehemalige langjährige Vorstand Michael Belz kam gegen Kaution wieder auf freien Fuß.

Auffällig ist, dass die WABAG-Führungsmannschaft hauptsächlich aus HLT-Mitgliedern besteht, gwi Informationsservice für Finanzdienstleistungen Pullach spricht sogar von einem „beweisbaren Bezug zur Mormonen-Kirche“. Tatsächlich handelt es sich um teils ehemalige Mitglieder von Bischof- und Pfahlpräsidentschaften sowie Hohem Rat, also ranghohe HLT-Funktionäre im süddeutschen Raum. Zur Schadensbegrenzung für die Gemeinschaft gab Gabriele Sirtl, die Pressesprecherin der Europa-Zentrale der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, nur zwei Tage nach den Verhaftungen, also am 21. Januar 2000, in Frankfurt eine Pressekonferenz.

„Ob Wabag-Gelder in die Mormonen-Kasse flossen, ist noch nicht geklärt“, schreibt die Süddeutsche Zeitung am 27. Januar 2000. Was hierbei nicht bedacht wurde ist der einfache Umstand, dass zumindest Tempelmormonen zehn Prozent ihres Einkommens an die Gemeinschaft zahlen. Die Frage dürfte also als geklärt angesehen werden. „Die Staatsanwaltschaft hält sich dazu bedeckt“, so die Süddeutsche weiter. Da die HLT-Organisation Rückforderungen jedoch mit dem lapidaren Hinweis auf die Freiwilligkeit der Spenden zurückweist, hätten weder Oberstaatsanwalt Wick noch ein Konkursverwalter Erfolgsaussichten mit einem derartigen Ansinnen.

„Die Mormonen-Kirche hat ihre interne Buchprüfung, die seit dem Wochenende läuft, noch immer nicht abgeschlossen“, heißt es weiter. Nun, was hat man denn erwartet? Dass die HLT plötzlich ihre Finanzen offenlegt, die sie selbst vor ihren Mitgliedern geheimhält? Oder dass die verschwundenen Millionen auf wundersame Weise wieder auftauchen? Welches Interesse könnte die Führung der HLT-Gemeinschaft daran wohl haben? Die interne Buchprüfung hingegen macht Sinn. Denn wer Anlagegelder veruntreut, der kann das auch mit Kirchengeldern, und das wissen auch die HLT-Finanzfunktionäre.

Frau Sirtl erklärte, „sehr viele Mitglieder der Kirche haben dort investiert, gerade weil sie wussten, dass das auch Kirchenmitglieder sind“. Das ist natürlich ein gültiger Punkt, der auch die Aufregung unter den Mitgliedern des Pfahles München erklärt. Dieser Punkt ist von besonderem Interesse, denn ganz gleich, ob vorrangig Mormonen geprellt wurden oder nicht, der bloße Umstand der offiziellen Erwähnung spricht bereits ganze Bände über die HLT-Mitglieder. Dies ist die einfache Tatsache, dass sie in diese Anlagen investierten, weil sie von anderen HLT angeboten wurden. Daraus spricht so viel Naivität, Vertrauen ohne den Willen zur Kontrolle oder Überprüfung. Das kann keine Überraschung für die HLT-Führung sein, denn genau das wird doch den Mitgliedern in Bezug auf die Gemeinschaft gepredigt: Information nur aus genehmigten Quellen beziehen und bitte niemals etwas hinterfragen. Deshalb sind HLT auch die geborenen Opfer von Wirtschaftskriminalität, besonders wenn sie von Mormonen betrieben wird.

„Seit über zehn Jahren wurde kein Kirchengebäude unserer Kirche in München gebaut oder gekauft.“ Es ist schon der Gipfel des Schwachsinns, den Journalisten hier einen Zusammenhang einreden zu wollen. Sirtl sagte dies „wohl um den Verdacht abzuwehren, Wabag-Gelder seien in die Kirchenkasse geflossen“, kommentierte die Süddeutsche diese Aussage dann auch.

Ergänzung vom 31. Januar 2000

In der Ausgabe 5/2000 berichtet FOCUS unter dem Titel „Mormonen in Misskredit“ über die Aussagen der Pressekonferenz: „Die Affäre um die Wirtschaftsanalyse und Beratung AG (Wabag) belastet die Mormonenkirche. Mehrere inzwischen inhaftierte Führungskräfte der Wabag gehören den Mormonen an - darunter der Aufsichtsratsvorsitzende Erich Dallinger und Vorstandschef Harald Staiger. Für die Sprecherin der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage existieren "keinerlei institutionelle Beziehungen mit dieser Firma". Sollten Wabag-Gelder als Spende eingegangen sein, werde man diese Finanzmittel an die Anleger der Wabag-Ökofonds zurückerstatten. Die Staatsanwaltschaft München beziffert den Schaden für die privaten Investoren auf mindestens 200 Millionen Mark.“ Und als Bildunterschrift: „Wabag-Zentrale: Einige inzwischen inhaftierte Führungskräfte gehören der Mormonenkirche an“.

Ergänzung vom 5. Februar 2000

Am 5. Februar veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung einen längeren Artikel über die Verflechtungen zwischen der mormonischen HLT-Gemeinschaft und der WABAG. Einige Auszüge daraus: „Noch immer sitzen acht führende Mitarbeiter der Oberhachinger Firma ’Wirtschaftsanalyse und Beratung AG‘ (Wabag) in Haft, zwei weitere kamen gegen Kaution vorläufig aus der Haft frei. 240 Millionen Mark sollen tausende von Anlegern bei der Wabag investiert haben, vom Geld fehlt noch immer jede Spur. Ein vager Verdacht über den Verbleib der Millionen belastete zwischenzeitlich das in München-Stadelheim einsitzende Wabag-Führungsduo: Beide hatten hohe Funktionen bei der Mormonen-Kirche inne ... Die Firma wurde von einigen Wabag-Leuten innerhalb des Kirchenraumes Süd gerne als beispielhaftes Erfolgsunternehmen bei den Mitgliedern angepriesen, weil es nach Kirchengrundsätzen geleitet werde ... Kritische Stimmen gab es in der streng hierachisch geführten Kirche nur unter der Hand ... Die Angebote der Wabag müssen dennoch so attraktiv gewesen sein, dass relativ viele Mormonen in dem Unternehmen arbeiteten ... Wenn die Spende einmal der Kirche abgegeben wurde, gibt es keine Möglichkeit, wieder an das Geld heranzukommen ... Natürlich wurden aus Glaubensgründen von den Managern sicher hohe Gehalts-Zehnten-Beträge an die Kirche gezahlt. Wenn man aber weiss, wie Dallinger und Staiger gelebt haben, kommen Zweifel an der Selbstbereicherungs-Theorie ... Ein Unternehmer profitiert von dem Vertrauens-Netz, denn er kann sich auf ein relativ unkritisches Verhalten von mormonischen Mitarbeitern verlassen. Dies resultiert aus verschiedenen Lehren der Kirche, die es etwa verbieten, nicht-kirchenkonforme Themen stärker als erlaubt zu hinterfragen, und die fordern, gehorsam zu sein und stärker nach dem Gefühl zu handeln als nach dem Verstand. Ebenfalls wird verlangt, inspirierten Führern und deren Weisungen zu folgen. Die Hauptverantwortlichen der WABAG waren solche berufenen Kirchen-Führer ... Die Wabag ist keine Sekten-Firma, sie hat rechtlich nichts mit den Mormonen zu tun. Jedoch kann man feststellen, dass die Struktur und der Führungsstil des Unternehmens dem Mormonismus nahe waren und dass dies das Umfeld begünstigen konnte.“

Ergänzung vom 2. März 2000

Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) berichtete im Beitrag „Geprellte Anleger – Betrug mit Ökolabel“ am 1. März 2000 über den Fall in der Sendung Kennzeichen D. Allerdings waren kaum neue Infomationen zu entnehmen. So erfuhr der Zuschauer, dass die acht festgenommenen Personen noch immer in Haft sitzen. Die mormonische Führungsspitze in München bleibt also dezimiert, es sei denn, die Positionen wurden bereits neu besetzt. Weiterhin wurde über die vom DFI gerlach-report bereits am 24. September 1999 dargelegte Verstrickung des Münchner Rechtsanwalts Max Josef Strauß, Sohn des ehemaligen CSU-Chefs Franz Josef Strauß, mit der WABAG berichtet. Sein Büro sei am 19. Januar ebenfalls durchsucht und er als Zeuge vernommen worden. Insider wissen zu berichten, dass Dallinger und Strauß beste Freunde seien. Die im DFI-Artikel beschriebene Anstellung seines Schwagers Michael Hohlmeier bei der WABAG fand hingegen keine Erwähnung. Ehefrau Monika ist bayerische Kultusministerin. Diese Namen dürften auch von der aktuellen Schreiber-Affäre her bekannt sein. Das ZDF berichtete weiter über das Selbstverständnis der WABAG. Die derzeitigen Vorgänge werden dort als „von außen kommende Betriebsstörung“ bezeichnet.

Ergänzung vom 15. April 2000

FOCUS berichtet in Ausgabe 16/2000 kurz: „In der Affäre um die Wirtschaftsanalyse und Beratung AG (Wabag) bleiben rund 200 Millionen Mark veruntreute Anlagegelder verschollen. Die in Oberhaching bei München beheimatete Muttergesellschaft sowie ostdeutsche Projektgesellschaften wie Trentec und Zenit stehen unter der Aufsicht vorläufiger Insolvenzverwalter. Im Januar waren Aufsichtsräte und Vorstände der Wabag-Gruppe verhaftet worden. Die Projekte sollten gewinnbringend Panzer und Biomüll recyceln. Sollte von Anfang an keine Gewinnerzielungsabsicht bei den Firmen vorgelegen haben, so ein Insolvenzverwalter, droht den Anlegern außerdem der Verlust von Steuervorteilen.“

Ergänzung vom 25. Mai 2000

Die SPIEGEL-Ausgabe 22/2000 berichtet wieder über eine Razzia und schreibt u.a.: „Wohnung und Kanzlei von Max Strauß sind erneut von Polizei und Staatsanwaltschaft durchsucht worden. Dem Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß wird Beihilfe zum Betrug vorgeworfen. München - Max Strauß soll von Geldmanipulationen der Firma Wabag Wirtschaftsanalyse und Beratung AG aus Oberhaching gewusst haben. Die Verantwortlichen dieses Unternehmens sollen Kapitalanleger und öffentliche Hand um rund 300 Millionen Mark geprellt haben. Diese sollen 1993 zunächst die Wabag und danach mehrere Projektaktiengesellschaften gegründet haben. Damit hätten sie den Geschädigten den geplanten Bau von umweltfreundlichen Recyclinganlagen und Kraftwerken - vor allem in strukturschwachen ostdeutschen Regionen - vorgegaukelt. So sei es ihnen gelungen, Zwischenscheine für den Bezug von Aktien zu verkaufen, Kapitalanleger als stille Teilhaber zu werben und öffentliche Fördergelder zu bekommen. Zeitgleich mit der Aktion bei Strauß waren am vergangenen Dienstag außerdem 16 Firmen und Wohnungen im Großraum München und in den neuen Bundesländern durchsucht worden. Dabei wurden vier Personen festgenommen. Bei den Aktionen waren sieben Staatsanwälte und 63 Polizeibeamte im Einsatz. Bereits im Januar dieses Jahres waren bei einer Razzia 75 Objekte in mehreren Bundesländern durchsucht und neun Beschuldigte aus dem Raum München verhaftet worden. Dabei sollen sich Verdachtsmomente gegen Strauß verdichtet haben.“

Ergänzung vom 28. Juli 2000

„Zwölf Jahre nach dem Tod des legendären Bonner Ministers, bayerischen Ministerpräsidenten und Chef der CSU, Franz Josef Strauß“ berichtet die Berliner Morgenpost am 28. Juli 2000 in einem gut recherchierten Artikel über „dessen Sohn Max“ und die „Ermittlungen durch die Justiz“. „Die Akte Strauß junior bei der Staatsanwaltschaft Augsburg füllt Bände ... Seit fünf Jahren ermitteln die Staatsanwälte in dem Beziehungsgeflecht des in Toronto lebenden Waffenhändlers Karlheinz Schreiber – der aus dem bayerischen Kaufering stammende Geschäftsmann ist seit Jahrzehnten ein Spezi der Strauß-Dynastie. Und neuerdings interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft München für Strauss junior: In einem 300 Millionen Mark schweren Betrugsverfahren um die Münchener Wabag AG muss sich der Jurist gegen den Vorwurf der Beihilfe wehren: Das Firmengeflecht, das Anlegern den Bau von umweltfreundlichen Recycling-Anlagen versprach, soll gutgläubige Öko-Investoren und öffentliche Kassen geprellt haben – Strauß verdiente gut mit: Als Rechtsberater tüftelte er komplizierte Verträge des Konsortiums aus. Im Mai gab es Razzien in seinen Büroräumen und daheim im Perlacher Forst ... Aber auch Schwester Monika wird mit manchem Familien-Deal in Verbindung gebracht. Zunehmend gereizt reagiert die Kultusministerin auf Landtagsanfragen nach ihren Verwicklungen in die ominösen Geschäfte des Bruders. So war ihr Ehemann, Michael Hohlmeier, zeitweilig leitender Manager der Wabag-Gruppe, die von Max Strauß juristisch beraten wurde und ihre Geldgeber um mutmaßlich 300 Millionen prellte. In dem Verfahren soll der Ministerin-Gatte allerdings nur als Zeuge aussagen.“

Am Montag hatte DER SPIEGEL in Ausgabe 30/2000 die Strauß-Affären in einem Artikel über die bayerischen Minister aufgegriffen und u.a. geschrieben: „Stoibers jüngste Ministerin, Monika Hohlmeier, 38, hätte Zehetmair wohl beerben können. Der Strauß-Tochter hatte der Ministerpräsident vor zwei Jahren die Schulen überlassen und ihr so zu einem eigenen Ministerium verholfen. Doch Hohlmeier läuft Gefahr, über die Affären ihres älteren Bruders Max Strauß zu stolpern. Gegen den Rechtsanwalt ermitteln die Staatsanwaltschaften Augsburg und München. Strauß, so der Verdacht der Augsburger, soll von dem Geschäftsmann Karlheinz Schreiber 5,2 Millionen Mark bekommen und nicht versteuert haben. Strauß bestreitet das. Die Fahnder in München verdächtigen ihn der Beihilfe zum Betrug. Als Rechtsberater der Investmentfirma Wabag soll Strauß von deren dubiosen Geschäften zumindest etwas gewusst haben. Die Wabag soll private Anleger und öffentliche Kassen um rund 300 Millionen Mark geprellt haben. Er habe damit nichts zu tun, sagt Strauß. Hohlmeier müsse sich öffentlich von ihrem Bruder distanzieren, sollte Anklage erhoben werden, sagt ein führender CSU-Mann.“

Ergänzung vom 13. November 2000

In seiner Ausgabe 46/2000 erwähnt DER SPIEGEL in einem Artikel über die Ermittlungen des Parteispenden-Untersuchungsausschusses der Bundesregierung rund um die Airbus-Provisions-Millionen, den Decknamen „Maxwell“ und die Verstrickungen von Max Joseph Strauß auch die WABAG-Affäre. „Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Betrug vor. Strauß war als Rechtsberater der Wirtschaftsanalyse und Beratung AG (Wabag) tätig, eines Rings mutmaßlicher Anlagebetrüger (SPIEGEL 22/2000). Strauß bestreitet sämtliche Vorwürfe.“

Ergänzung vom 21. April 2001

Anderthalb Jahre ermittelt die Staatsanwaltschaft im Fall Wabag nun schon. Einer dpa-Meldung folgend berichten am 21. April 2001 zahlreiche Tageszeitungen über die Erhebung einer Anklage gegen „vier Verantwortliche“ einer „Betrügerbande“. Einen informativen Artikel veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung, in dem es heißt: „In einem der größten Fälle von Anlagebetrügerei der vergangenen Jahre hat die Staatsanwaltschaft München I jetzt Anklage gegen vier Verantwortliche der Wirtschaftsanalyse und Beratungs AG (Wabag) erhoben. Der Firmenverbund mit Sitz in Oberhaching soll bundesweit Tausende von Kapitalanlegern und die öffentliche Hand um insgesamt rund 190 Millionen Mark betrogen haben. In die Affäre ist auch der Münchner Anwalt Max Strauß verwickelt, der zeitweise als Rechtsberater für die Firmengruppe tätig war ... Den Ermittlungen zufolge beabsichtigten die Verantwortlichen von Anfang an, mindestens ein Drittel der Gelder für private Zwecke abzuzweigen“, und zwar „um die Kosten ihres Lebensunterhaltes oder von Privatfirmen zu decken“, wie die Stuttgarter Zeitung zu berichten weiß. „Von 1995 bis 1999 sollen insgesamt 245 Millionen Mark eingesammelt worden sein, tatsächlich investiert wurden aber nur 55 Millionen Mark“, so die Süddeutsche weiter. „Um die Geldabflüsse innerhalb der Firmengruppe zu verschleiern, wurden zwischen den einzelnen Projektaktiengesellschaften Beratungs- und Betreuungsverträge abgeschlossen. Den entsprechenden Rechnungen sollen dann zumeist keinerlei Leistungen oder Leistungen in weit geringerem Umfang gegenüber gestanden haben ... Die gesammelten Anlagegelder – 72 Millionen Aktienkapital, 80 Millionen stille Beteiligungen, 21 Millionen Fördermittel und knapp 20 Millionen Kredite – sollen nahezu vollständig verloren sein. Damals waren Spekulationen laut geworden, wonach erhebliche Beträge in die Kassen der Glaubensgemeinschaft der Mormonen in den USA geflossen sein sollen. Der Leiter der Staatsanwaltschaft München I, Manfred Wick, bestätigte auf Anfrage, dass etliche Führungskräfte der Wabag den Mormonen angehörten. ’Wir haben aber keine Anhaltspunkte, dass Gelder in diese Richtung geflossen sind‘, so Wick. Die Staatsanwaltschaft führt derzeit Ermittlungen gegen ingesamt 29 Beschuldigte. Zu den vier Männern, gegen die jetzt Anklage wegen gewerbsmäßigen Betruges erhoben wurde, gehören das Vorstandsmitglied Harald S. und der Aufsichtsratsvorsitzende Erich D. Sie sitzen beide seit Januar 2000 in Untersuchungshaft. Als Beschuldigter (Beihilfe zum Betrug) gilt auch immer noch Max Strauß. Die Staatsanwaltschaft will in seinem Fall noch weitere sichergestellte Akten sichten. Eine Vernehmung steht auch noch aus. ’Keine Anhaltspunkte‘ für eine Verwicklung in die Affäre hat die Staatsanwaltschaft dagegen im Fall von Michael Hohlmeier, Ehemann der Kultusministerin Monika Hohlmeier. Er war zeitweise Aufsichtsratsmitglied bei Wabag, stieg aber offenbar rechtzeitig aus dem Firmenverbund wieder aus.“

Ergänzung vom 17. September 2001

In Hinblick auf den Beginn des Prozesses gegen Dallinger, Staiger, Belz und Fell am 20. September ist das Interesse der Medien wieder aufgeflammt. In der heutigen Süddeutschen Zeitung finden sich gleich zwei Artikel, die einen Überblick über den aktuellen Stand vermitteln.

Den Betrugsfall selbst fasst die Süddeutsche unter dem Titel „Millionenbetrug mit Öko-Projekten“ zusammen mit der Aussage „Staatsanwalt: Wabag lockte Anleger mit illusorischen Renditen, kassiert hat aber nur die Firmenspitze“ und schreibt: „Es ist das wohl größte und aufwändigste Wirtschafts- Strafverfahren in der Geschichte der Münchner Justiz. Am Donnerstag wird am Landgericht vier Angeklagten der Wabag-Gruppe der Prozess gemacht. Es geht um Betrug in dreistelliger Millionenhöhe mit rund 6000 Geschädigten. Es geht aber auch um eine Person, deren Name immer wieder in den Akten auftaucht: Max Strauß, den Rechtsberater der Wabag. Die Aktenmenge ist erdrückend: Rund 7000 Leitzordner mussten die Ermittler sichten. Ein derartiger Fall überschreite die „Grenzen der Belastbarkeit“, ließ die Staatsanwaltschaft München I verlauten. Die Geschichte der Wabag – mit vollem Namen „Wirtschaftsanalyse und Beratung Aktiengesellschaft“ – mit Sitz in Oberhaching ist der Anklage zufolge ein klassischer Betrugsfall von geradezu gigantischen Ausmaßen. Die im Dezember 1991 gegründete Wabag war ursprünglich mit der Beratung und Vermittlung von Kapitalanlagen, Unternehmensbeteiligungen und Aktien betraut. Tatsächlich soll sie aber von den Firmengründern Erich D., 51, und Harald St., 60, als reines Emissionshaus betrieben worden sein. Im Klartext: Die Wabag sollte Gelder für Projekte im Bereich Umweltschutz einsammeln, vorzugsweise Recycling-Werke in den neuen Bundesländern. Insgesamt zehn solcher Werke waren geplant gewesen: die Biokraftwerk Zittau AG, ein Bioheizkraftwerk für den Betrieb mit Pflanzenöl; die Trentec AG in München, eine Wertstoffrückgewinnungsanlage; die Sachsenholz AG, ein Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerk; die Kurs AG, eine Kunststoffrecycling-Anlage in Eberswalde (Brandenburg); die Zenit AG, eine Wertstoffrückgewinnungsanlage in Siebenlehn (Sachsen); die Kompakt AG in Malchin (Mecklenburg-Vorpommern), eine Anlage, die aus organischen Abfällen Düngemittel herstellt; die Biospan AG in Aicha vorm Wald (im Bayerischen Wald), wo aus Stroh feuerfeste Strohplatten hergestellt werden sollten; die Trentec II AG in Berlin zur Wertstoffrückgewinnung; die Bio-Ölpresswerke Zittau GmbH, ein Pflanzenölpresswerk; sowie die EHAG Elber-Elster Holzkraft AG, ein Gasturbinenkraftwerk mit Holzschnitzelbetrieb. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, dass die geplanten Anlagen allesamt mehr oder weniger Luftschlösser waren. Es sei nur darum gegangen, möglichst viel Kapital einzusammeln. Den Anlegern seien völlig illusorische Renditeversprechungen gemacht worden. Von 1995 bis 1999 sollen insgesamt 245 Millionen Mark eingesammelt worden sein, teils über stille Beteiligungen, teils aus dem Verkauf von Aktien, teils auch aus Fördermitteln. Investiert wurden dagegen nur rund 55 Millionen Mark – der Schaden beläuft sich also auf rund 190 Millionen Mark. Allein die Aktionäre sollen rund 146 Millionen Mark sprichwörtlich in den Sand gesetzt haben. Denn keine einzige Anlage warf laut Anklage jemals Gewinn ab, im Gegenteil: Alle Gesellschaften mussten 1999 wegen erheblicher Liquiditätsprobleme Insolvenz anmelden. Die Angeklagten sollen sich kräftig bedient haben, von mehreren Millionen Mark ist die Rede, die der Vorstandsvorsitzende Harald St. und der Aufsichtsratsvorsitzende Erich D. einstrichen. Die mitangeklagten Vorstände Michael B., 40, und Axel F., 53, sollen ebenfalls Millionen an Provisionen verdient haben. Bis auf den vielfach und einschlägig vorbestraften Axel F. (1986 wurde er wegen Betruges zu sechs Jahren Haft verurteilt) sollen alle Angeklagten der Glaubensgemeinschaft der Mormonen angehört haben. Nach den bisherigen Erkenntnissen investierten zahlreiche Mitglieder der 1830 in den USA gegründeten Gemeinschaft in die Wabag. Harald St. und Erich D. sollen auch neu gegründete Projektaktiengesellschaften bevorzugt mit Glaubensbrüdern besetzt haben. Erich D. und Harald St. sind angeklagt wegen Betruges in jeweils 4926 Fällen und Subventionsbetruges. Michael B. und Axel F. müssen sich wegen Betruges in jeweils 4522 Fällen verantworten. Die Verteidigung haben die Münchner Anwälte Eckhart Müller, Klaus Leipold, Stephan Tschaidse und Robert Jofer übernommen. Die 731 Seiten starke Anklage wird von den Staatsanwälten Norbert Riedmann und Clemens Turkowksi vertreten. Allein die Verlesung des reinen Anklagesatzes von 272 Seiten dürfte mindestens einen Tag in Anspruch nehmen.“

Über die Verbindungen, die jetzt nicht zur Anklage kommen, zitiert die Süddeutsche: „Max Strauß muss es gewusst haben“. Nach der Zusammenfassung „Rechtsberater steht im Verdacht der Beihilfe – Aktionärsschützer halten ihn für den konzeptionellen Kopf“ führt sie aus: „Was wusste Max Strauß, was hätte er wissen müssen? Auf diese Fragen konzentrieren sich die Ermittlungen gegen den Anwalt, der von 1995 an die Wabag-Gruppe in Rechtsfragen beriet. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen den Sohn des früheren Bayerischen Ministerpräsidenten wegen des Verdachts der Beihilfe zum Betrug. Für die Anlegerschutzgemeinschaft EFA mit Sitz in Grünwald, die einige der rund 6000 Geschädigten vertritt, ist diese Frage bereits beantwortet. EFA-Vorsitzender Martin Arendts geht davon aus, dass Strauß „gezielt“ auf Werbeveranstaltungen eingesetzt wurde, um das Vertrauen potenzieller Anleger zu gewinnen. Durch die Einbindung prominenter Personen wie Strauß sei es der WABAG gelungen, das „Renommee am Markt“ zu verbessern und „Seriosität vorzutäuschen“. Nach SZ- Informationen existiert ein Videoband von einer dieser Verkaufsveranstaltungen, auf denen Strauß eine kurze Rede hält. Arendts ist sich sicher, dass Strauß über die wirkliche Situation der Wabag Bescheid wusste. Davon überzeugt ist auch Heinz Gerlach, Herausgeber „Direkter Anlegerschutz“. Branchenkenner Gerlach war zeitweise auch Berater der Wabag. Mehrmals traf er dabei auf Max Strauß, den er für den „konzeptionellen Kopf“ der Wabag-Gruppe hält. Gerlach hatte seine Beratertätigkeit aufgekündigt, als sein Vorschlag einer Mittelverwendungskontrolle vom Vorstand nicht umgesetzt wurde. Von dieser Kündigung habe er auch Strauß informiert, der dennoch weitergemacht habe. Gerlachs Fazit: „Strauß muss es gewusst haben.“ Die Wabag selbst hatte stets betont, dass alle Verträge durch die Kanzlei Strauß geprüft worden seien. Offenbar ließ sich der Anwalt seine Tätigkeit auch gut bezahlen, Insider sprechen von „gut dotierten Verträgen“ mit sechsstelligen Summen. Dafür spricht auch eine Rechnung von Strauß an die Wabag über 360000 Mark, die von den Ermittlern sichergestellt wurde. Unklar ist, ob es sich hierbei um eine Pauschale für seine Rechtsberatung handelt oder – wie die Staatsanwaltschaft vermutet – um sein Honorar für seine Teilnahme an der Eröffungsveranstaltung für die Trentec I AG. Nach SZ- Informationen wurde die Rechnung jedenfalls nie bezahlt. Im Prozess gegen die Wabag wird Strauß möglicherweise als Zeuge geladen werden. Mit einer Aussage ist in diesem Fall jedoch nicht zu rechnen, da er sich wohl wegen der schwebenden Ermittlungen auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen dürfte.“

Ergänzung vom 20. September 2001

Zum heutigen Prozessauftakt gibt Die Welt allgemeine Informationen zu diesem Fall. So heißt es u.a.: „In ihren Werbebroschüren versprachen sie potenziellen Kunden "fabelhafte Renditen von bis zu 17 Prozent" durch Beteiligungen an "umweltfreundlichen Kraftwerken". Damit konnten sie rund 250 Millionen Mark einsammeln. Laut Staatsanwaltschaft hatten die Drahtzieher aber weder Geld, noch Grundstücke und erst recht keine Genehmigungen für die prospektierten Umweltfirmen. Statt dessen hatten sie das Unternehmen im Dezember 1991 allein zu dem Zweck gegründet, den Hauptteil der eingenommenen Gelder für ihren Lebensunterhalt bzw. für Privatfirmen zu nutzen. Wohlklingende Namen wie "Bio-Kraftwerk Zittau AG" oder "Kompact Bioorganische Energie Systeme AG" haben sich die Firmengründer Erich D. (51) und Harald St. (60) für ihre Luftschlösser einfallen lassen. Mit Versprechen völlig unrealistischer Renditen sollen aber nicht nur die Hauptangeklagten, sondern auch die mitangeklagten Vorstände Michael B. (40) und der mehrfach vorbestrafte Axel F. (53) Millionen verdient haben.“ Zwar schreibt Die Welt weiter: „731 Seiten lang ist die Anklageschrift gegen die Ex-Wabag-Manager derzeit, drei von ihnen sitzen bereits in Untersuchungshaft“, gemeint dürfte jedoch sein, daß sich Staiger, Dallinger und Fell seit über anderthalb Jahren in Untersuchungshaft befinden. Nicht unerwähnt bleiben „eine Reihe weiterer Beschuldigter, gegen die die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind“, darunter nicht nur die HLT-Mormonen, auch Max Strauß wird namentlich genannt.

Ergänzung vom 21. September 2001

Zum gestrigen Prozessbeginn berichtet die Süddeutsche Zeitung über die Verlesung der „auf 272 Seiten eingeschmolzenen Fassung der Anklage“ und schreibt dazu: „Das Original mit seinen 731 DIN-A4-Seiten zu verlesen, hätte den Rahmen der Hauptverhandlung auch nach Einschätzung der acht Verteidiger und der Wirtschaftsstrafkammer unter dem Vorsitz von Wolf-Stefan Wiegand gesprengt. Selbst die komprimierte Fassung wird die Vertreter der Anklage, Clemens Turkowski, und seinen Chef, Norbert Riedmann, auch den ganzen Freitag über beschäftigen.“ Weiter heißt es: „Die Ermittler Riedmann und Turkowski wollen den Nachweis führen, dass die Angeklagten zudem ganz bewusst ein Drittel des Kapitals zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts und zweckfremder Privatfirmen abgezweigt haben. Ob und wann mit ihrer Verurteilung zu rechnen ist, wagt derzeit niemand abzuschätzen. "Das Ende ist nicht absehbar", sagte Chef-Ermittler Manfred Wick. Der Terminplan reicht jedenfalls bis ins nächste Jahr. Außerdem dürfte sich erst Anfang Oktober abzeichnen, ob und wie sich die Angeklagten zu den Vorwürfen äußern. Bisher war nur einer von ihnen zu Angaben bereit. Mit Überraschungen darf gerechnet werden – schon deshalb, weil die Rolle des früheren Wabag-Rechtsberaters Max Strauß noch immer nicht geklärt ist. Dem Sohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten gilt ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Beihilfe zum Betrug. Er soll sich als Aushängeschild für die Wabag-Geschäfte hergegeben haben und muss mit einer Zeugenladung rechnen.“

Die Welt berichtet in einer Kurzmeldung, dass „der Vorstandsvorsitzende Harald Staiger und der Aufsichtsratschef Erich Dallinger ... nur rund 55 Mio. DM tatsächlich investiert“ haben. „Wo die restlichen rund 190 Mio. DM geblieben sind, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Geld für üppigen Lebenswandel und Nobelkarossen verbraucht wurde. Max Strauß, Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, hat die Projekte der Angeklagten seit 1995 rechtlich betreut. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zum Betrug. Zum derzeitigen Ermittlungsstand wollte sie jedoch keine Auskunft geben. Der Prozess wird voraussichtlich bis zum Januar 2002 dauern.“ In einem ausführlicheren Artikel berichtet Die Welt dann von der Ankündigung der Verteidigung, „dass sich die angeklagten Geschäftsleute Erich D. (52), Harald S. (60), Michael B. (40) und Axel F. (53) nicht zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft äußern werden. Damit steht dem Gericht eine umfangreiche Beweisaufnahme bevor. Bis zum 8. Januar kommenden Jahres sind bereits Verhandlungstermine angesetzt ... Die Staatsanwaltschaft weiß nach eigenen Angaben noch nicht, wo diese Summe geblieben ist. "Wir gehen davon aus, dass das Geld zum Beispiel für Nobelkarossen verwandt wurde", sagte Staatsanwalt Norbert Riedmann ... Das Geld soll von eigens gegründeten Projektaktiengesellschaften über Unternehmen, die personell und wirtschaftlich mit der Wabag verflochten waren, in die Kassen der vier Angeklagten geflossen sein.“ Dann wird es besonders interessant, denn die „Geschäftsleute besetzten dazu laut Anklage entscheidende Positionen ihrer Aktiengesellschaften mit Leuten, die wie sie selbst Mormonen sind.“ Absurd und hilflos wirkt das Ansinnen der Verteidigung, „die Vorwürfe der Anklage "in wesentlichen Punkten" ... widerlegen“ zu wollen. „Es müsse erst einmal geklärt werden, ob sich die Anleger überhaupt getäuscht fühlten.“ Spiegelt dies eine Hoffnung auf die Nachsichtigkeit der geprellten Glaubensbrüder und -schwestern gegenüber ihren früheren kirchlichen Vorgesetzten oder gar auf eine Anweisung von der HLT-Führung für ein kollektives Verhalten der betrogenen Mormonen wider oder hofft die Verteidigung das Verfahren damit verschleppen zu können?

Auch die Nürnberger Nachrichten widmeten dem Fall in der Rubrik Bayern einen kleinen Artikel unter der Überschrift „Millionen unterschlagen“.

Ergänzung vom 26. September 2001

„Schweigen auf der Anklagebank“ betitelte die Süddeutsche Zeitung ihren Artikel, pointierte das „Gericht: Geständnis würde Wabag-Chefs sehr helfen“ und schrieb: „Schweigsam gab sich gestern die ehemalige Chefetage der Wirtschaftsanalyse und Beratung Aktiengesellschaft (Wabag) vor dem Münchner Landgericht. Von den vier wegen tausendfachen Betruges angeklagten Vorständen zeigte sich allein einer zur Aussage bereit, freilich auch nur zur Person. Zum Tatvorwurf will sich bislang keiner äußern. Das könnte sich indes noch ändern: Richter Wolf- Stefan Wiegand wies das Quartett "fürsorglich" darauf hin, dass es im Falle eines Geständnisses mit einer "deutlichen Strafmilderung" rechnen könne ... Nach der Verlesung der 731 Seiten starken Anklageschrift war der dritte Verhandlungstag gestern für die Einlassung der Angeklagten vorgesehen. Doch die schweigen beharrlich. Nur Michael B., 40, erläuterte kurz seinen beruflichen Werdegang. Richter Wiegand machte ihnen daraufhin an zwei Beispielen deutlich, dass bei einer Verurteilung durchaus zweistellige Strafen zu erwarten seien. Ein Geständnis würde die Strafe in jedem Fall "deutlich" reduzieren. Der Hinweis richtete sich vor allem an den Vorstandsvorsitzenden Harald St., 60. Dieser hatte in der Untersuchungshaft während eines Besuchs seiner Ehefrau vollmundig erklärt, er rechne mit einer Strafe von vier Jahren. Bei Anrechnung der U-Haft und eines Altersbonus würde somit nur ein Strafrest von rund einem halben Jahr übrig bleiben. "Das sitze ich auf einer Backe ab", hatte Harald St. getönt. Das Gespräch war von einem Vollzugsbeamten, der zur Besucherüberwachung eingesetzt war, aufgezeichnet worden. "Da stellt sich doch die Frage, ob Sie damit richtig liegen", meinte Richter Wiegand süffisant. Auch für den mitangeklagten Axel F. sieht es nicht gut aus. Aufgrund einschlägiger Vorstrafen droht dem Kaufmann eine Sicherungsverwahrung. Der Prozess wird am 4. Oktober fortgesetzt.“

Ergänzung vom 5. Oktober 2001

Zum gestrigen Verhandlungstag schreibt die Süddeutsche Zeitung: „Vorstand bricht sein Schweigen“ und berichtet wie über eine Sensation: „Im Prozess um den Wabag-Betrug gerät neben Max Strauß auch sein Schwager Michael Hohlmeier ins Gerede“ und die „Mauer des Schweigens ist durchbrochen“. Laut Artikel hat „der Angeklagte Michael B., 40, , vor dem Landgericht ein Geständnis abgelegt. Das ehemalige Vorstandsmitglied der Wabag räumte ein, Anleger mit falschen Prospektangaben vorsätzlich getäuscht zu haben ... Michael B. entschuldigte sich gestern bei den Anlegern. "Ich bin selbst schwer betroffen von dem, was da angerichtet wurde. Ich bedauere sehr, dass ich daran beteiligt war." Der 40-Jährige ist bislang der einzige, der von den insgesamt vier Angeklagten zu den Vorwürfen Stellung nimmt. Als Vorstand sei er hauptsächlich für den Vertrieb der Projekte verantwortlich gewesen. Um die Anleger über die wirkliche Rendite der Ökoanlagen zu täuschen, sei man übereingekommen, die Prospekte zu manipulieren. So wurden anfallende Kosten wie Provisionen, Bearbeitungshonorare und Ähnliches nicht gesondert ausgewiesen. "Die Vertriebskosten sollten verschleiert werden", gestand Michael B., "sonst hätten die Anleger keine Beteiligungen erworben." Beim Betrug mit geschönten Zahlen kassierte indes auch Michael B. kräftig mit, allein zwei Millionen Mark an Provisionen nahm er ein. "Wenn man sagt, sie wollten sich nur die Taschen vollstopfen, würden sie dem widersprechen?", fragte Richter Wolf-Stefan Wiegand. "Nein", antwortete der Angeklagte knapp.“ Zum politisch brisanteren Teil wird berichtet: „In seiner Einlassung fiel neben dem Namen Strauß auch noch der Name einer weiteren Person, deren Verwicklung in die Affäre noch nicht abschließend geklärt ist. Michael Hohlmeier, Ehemann von Bayerns Schulministerin Monika Hohlmeier. Die Staatsanwaltschaft behält sich in seinem Fall jedenfalls "weitere Prüfungen" vor. Michael B. hatte sich im Mai 1998 aus der Wabag zurückgezogen und im September 1999 der Staatsanwaltschaft offenbart. Anlass dafür sei damals das Ausscheiden von Michael Hohlmeier gewesen. Hohlmeier hatte sich im Mai 1999 aus der Wabag-Gruppe zurückgezogen, bei der er etwa ein Jahr lang als Controller und Aufsichtsratsvorsitzender zweier Wabag-Töchter tätig war. Er wolle dort nicht mehr angetroffen werden, "wenn vielleicht mal die Staatsanwaltschaft durch die Räume gehe", soll Hohlmeier einem der anderen Angeklagten erzählt haben ... Hohlmeier war nach eigenen Angaben auf Vermittlung von Schwager Max Strauß eingestellt worden. Gegen den Anwalt, der als Rechtsberater für die Wabag tätig war, ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit wegen Verdachts der Beihilfe zu Betrug. Hohlmeier dagegen schien bereits aus dem Feuer: Er wurde nie als Beschuldigter geführt, weil es am "Anfangsverdacht" mangelte. Doch möglicherweise könnte sich das noch ändern. Die Staatsanwaltschaft will erst das Verfahren gegen die Hauptangeklagten abwarten, bevor sie weitere Schritte prüft. Bei "neuen Erkenntnissen" würde die Akte Hohlmeier dann wieder geöffnet.“

Ergänzung vom 11. Oktober 2001

Die Süddeutsche Zeitung berichtet, das geständige Vorstandsmitglied Michael Belz bekommt „vier Jahre Haft für Millionenbetrug“ und merkt an, dass der Prozess „ für einen Angeklagten bereits beendet“ ist. „Im Wabag-Prozess um den Millionenschwindel mit Umweltanlagen gibt es wieder mehr Platz auf der Anklagebank. Das Landgericht verurteilte das ehemalige Vorstandsmitglied Michael B., 40, wegen Betrugs in 4336 Fällen zu einer Haftstrafe von vier Jahren. Das Verfahren gegen die drei Mitangeklagten wird fortgesetzt ... Michael B. hatte die Vorwürfe als bislang einziger der Angeklagten eingeräumt. Er gab zu, rund 2,5 Millionen Mark an Provisionen kassiert zu haben. Dieses Geständnis sowie der Umstand, dass er keinerlei Kontrolle über die Geldflüsse des Unternehmens hatte, bewogen das Gericht, es bei einer Haftstrafe von vier Jahren zu belassen. Sein Anwalt Eckhart Müller hatte keinen konkreten Antrag gestellt. Michael B. nahm das Urteil sofort an. Die Staatsanwaltschaft hatte fünf Jahre Haft gefordert und hat daher noch keinen Rechtsmittelverzicht erklärt. Mit diesem wird freilich noch gerechnet. Erst bei Rechtskraft des Urteils könnte nämlich Michael B. als Zeuge gegen die anderen, bislang schweigsamen Angeklagten zur Verfügung stehen.“

Ergänzung vom 19. Oktober 2001

„Angeklagter belastet Strauß“ betitelt die Süddeutsche Zeitung ihren heutigen Artikel über Geständnis und Verurteilung eines weiteren Vorstandsmitglieds und schreibt: „Die Reihen der Angeklagten im Wabag-Prozess lichten sich. Das Landgericht verurteilte gestern den Kaufmann Axel F., 53, wegen Betruges zu acht Jahren Haft. Zuvor schon war sein Partner Michael B., 40, für vier Jahre hinter Gitter geschickt worden. Beide hatten gestanden, an den Manipulationen um einen der größten Anlagebetrügereien beteiligt gewesen zu sein. Axel F. hatte sein Geständnis zu einer Art Generalabrechnung mit zwei prominenten Personen genutzt, die in die Affäre verstrickt sind: Max Strauß und Michael Hohlmeier. Der Angeklagte warf ihnen vor, die Wabag trotz zahlloser Ungereimtheiten stets über den grünen Klee gelobt zu haben ... Den mutmaßlichen Hauptverantwortlichen des gigantischen Betrugs wird derzeit am Landgericht der Prozess gemacht. Nach den Urteilen gegen Axel F. und Michael B. sind noch die beiden ehemaligen Wabag-Vorstände Erich D., 51, und Harald St., 60 übrig. Sie haben bislang keine Angaben gemacht. Nicht angeklagt sind bislang Max Strauß und Michael Hohlmeier. Strauß war jahrelang Rechtsberater der Wabag, gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zum Betrug. Hohlmeier, Ehemann von Schulministerin Monika Hohlmeier, war rund ein Jahr lang Controller bei Wabag. Gegen ihn wird derzeit nicht ermittelt. Doch für beide könnte es noch eng werden. Axel F. behauptet, er habe seine Bedenken zum Zustand der Wabag "immer wieder" Hohlmeier vorgetragen, diese habe ihm stets versichert, es sei "alles in Ordnung". Auch Strauß habe auf Veranstaltungen und Grundsteinlegungen regelmäßig Reden gehalten. Der Anwalt und der angeklagte Wabag-Aufsichtsratsvorsitzende Erich D. seien befreundet gewesen und zusammen in den Urlaub gefahren. Strauß habe D. als "Visionär" gepriesen, der in die Zukunft blicke. "Strauß war Bestandteil des Unternehmens", so das Fazit von Axel F. Das Gericht unter Vorsitz von Richter Wolf-Stefan Wiegand ließ den mehrfach einschlägig vorbestraften Axel F. gestern wissen, das ihn nur sein "spätes" Geständnis vor einer zusätzlichen Sicherungsverwahrung bewahrt habe. Zu den Vorwürfen gegen Strauß und Hohlmeier verwies der Richter Axel F. an die Staatsanwaltschaft. "Vereinbaren Sie mit dem Staatsanwalt einen Termin, er wird Ihnen sicherlich aufmerksam zuhören", so Wiegand. Dann aber müsse er richtig "auspacken" und "die Karten auf den Tisch legen". Der Prozess gegen die verbliebenen zwei Angeklagten wird am 23. Oktober fortgesetzt.“

Ergänzung vom 14. November 2001

Der gestrigen Zeugenvernehmung widmen Die Welt und die Süddeutsche Zeitung jeweils Artikel mit der Überschrift „Strauß verweigert Aussage“. „Sein Schwager Michael Hohlmeier, Ehemann von Kultusministerin Monika Hohlmeier“ erklärte sich jedoch „überraschend“ zu einer Aussage bereit. Die Süddeutsche geht wieder einmal auf Details ein und schreibt: „Max Strauß kam mit der U-Bahn. In Begleitung seines Anwaltes Andreas von Mariassy betrat er gestern den Sitzungssaal B166 im Justizgebäude in der Nymphenburger Straße und nahm auf dem Zeugenstuhl Platz. "Es ist erschienen der Zeuge Strauß", begrüßte ihn Richter Wolf-Stefan Wiegand förmlich. Auf Vorlage seines Personalausweises verzichtete das Gericht. Schließlich sei er ja "amtsbekannt". Danach ging alles sehr schnell. Strauß, 42, berief sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht und war nach wenigen Minuten wieder auf dem Weg zur U-Bahn ... Strauß war von 1995 an Rechtsberater der Wabag. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit wegen des Verdachts der Beihilfe zum Betrug. Als Beschuldigter genießt Strauß damit das Recht auf Auskunftsverweigerung. Zusätzlich kann er sich auch auf seine Verschwiegenheitspflicht als Anwalt der Wabag berufen. "Damit ist die Sache aus unserer Sicht erledigt", meinte Richter Wiegand und entließ Strauß, der auf eine Erstattung seiner Auslagen verzichtet. Die Affäre Wabag hat indes auch Strauß-Schwager Hohlmeier in Schwierigkeiten gebracht. Der 46-jährige gelernte Diplom-Kaufmann war im September 1997 auf Vermittlung von Strauß in die Firma eingetreten. Bis zu seinem Ausscheiden 1999 war er als so genannter Controller für die Überwachung von Verträgen und Geldflüssen zuständig. Hohlmeier, der ein Jahresgehalt von 250000 Mark kassierte, stieß schon bald auf "Ungereimtheiten", die ihn zu zahlreichen Aktenvermerken veranlassten. So seien beispielsweise für eine Werkstoffrückgewinnungsanlage alleine 5,8 Millionen Mark an eine Firma geflossen, die dafür "nur ein paar Striche" als Bauzeichnung geliefert habe. Seine "Bedenken" habe er wiederholt den Vorständen Harald St. und Erich D. vorgetragen, schriftlich und mündlich. Dort jedoch sei er nur auf taube Ohren gestoßen. Auch seien Mitarbeiter eingestellt worden, an deren Qualifikation man zweifeln musste. "Loyalität ist wichtiger als Berufserfahrung", habe Erich D. dazu verkündet. Wohl deshalb gehörten auch viele Mitarbeiter der Glaubensgemeinschaft der Mormonen an. Erich D. selbst soll laut Hohlmeier einmal "Bischof" der Mormonen gewesen sein. Hohlmeier verließ die Wabag im Mai 1999 – offenbar gerade noch rechtzeitig, um strafrechtlichen Ermittlungen in eigener Person zu entgehen. "Ich nahm schon an, dass der Staatsanwalt irgendwann bei der Wabag vorbeischaut", räumte er ein. Wohin die Millionen verschwunden sind, das wisse auch er nicht. "Ich denke darüber seit Monaten nach", sagte er. Richter Wiegand hat da einen eigenen Verdacht: Die Schweiz sei doch in diesen Kreisen immer beliebt als "Rückversicherung" für die alten Tage.“ Das sind doch recht deutliche Worte von einem Richter.

Ergänzung vom 15. Januar 2002

Am 9. Januar schrieb die Süddeutsche Zeitung u.A.: „Der Name ihres großen Bruders Max Strauß, der CSU-Kreisvorsitzender im Südwesten der Stadt ist, fällt derzeit wieder besonders häufig im Zusammenhang mit dunklen Affären. Staatsanwälte ermitteln, wie weit Strauß seine Finger beim Zusammenbruch der ostdeutschen WABAG in einem betrügerischen Spiel hatte – sogar ihr Ehemann Michael Hohlmeier musste dabei als Zeuge aussagen ... "Das tangiert mich nicht", sagt Monika Hohlmeier.“

Meinung

Was kann nun ein Mitglied der HLT-Gemeinschaft aus diesen Vorgängen lernen? Erstens, auch dieser Anlagebetrug ist keine „bösartige Lüge von Anti-Mormonen im Internet“, zweitens, es kann nicht schaden, die Absichten und Taten der Mitmormonen zu hinterfragen, auch wenn es sich um Kirchenführer handelt, drittens, es kann nicht schaden, die Absichten und Taten jeder Person und Organisation, inklusive der HLT-Gemeinschaft, zu hinterfragen, auch wenn es die Ordnung der Kirche verbietet, und viertens, offizielle Verlautbarungen der HLT-Kirche sind so aussagekräftig wie eh und je.

Zur Zahlung „hoher Gehalts-Zehnten-Beträge an die Kirche“ sollte noch angemerkt werden, dass die HLT-Gemeinschaft zehn Prozent vom Einkommen ihrer Mitglieder einfordert. Nimmt man an, dass nur die Hälfte der verschwundenen 190 Millionen Mark in mormonische Taschen geflossen sind, und dass nur die Hälfte dieser Personen die kirchliche Forderung erfüllen – dies liegt zwar über dem HLT-Durchschnitt, allerdings nicht über dem bei hochrangigen Funktionären – so erhielt die mormonische Glaubensgemeinschaft dennoch fast fünf Millionen Mark allein vom Zehnten aus den veruntreuten Geldern.