Ein verzwickter Wirtschaftskrimi hält die Menschen in Atem, insbesondere die Nichtmormonen. Die Gemüter erregen sich über den drohenden Verlust der informationellen Ausgeglichenheit im US-Bundesstaat Utah.

Sie bangen um das einzige Organ, das öffentlich weithin vernehmbar und kraftvoll genug ist, die mormonische Hierarchie auf Mißstände in der Organisation hinzuweisen.

The Salt Lake Tribune ist traditionell diese ausgleichende Stimme gegenüber der sonst geradezu allmächtig wirkenden mormonischen HLT-Gemeinschaft mit ihrer Deseret News. Sie konnte sich seit 129 Jahren ihre Unabhängigkeit bewahren und scheute sich auch nicht vor kritischen Worten über die Religionsführer, was nie so recht in deren PR-Konzept paßte. Als vor einem halben Jahrhundert die kircheneigene Deseret News in finanziellen Schwierigkeiten steckte, schlossen beide Konkurrenten einen Vertrag, der die gemeinsame Nutzung von Druckmaschinen, Anzeigenabteilung und Zeitungsausträgern sowie die Gewinnverteilung beinhaltet. Dies war möglich, da die Tribune eine Morgenzeitung, die News hingegen eine Abendzeitung war. Von der Vereinbarung profitierten beide Zeitungen. Über eine Reihe von Verkäufen fiel die Tribune an „AT&T“, der ein Zeitungsverlag aber nicht ins Firmenprofil paßte. Ein Käufer wurde gesucht, Verhandlungen wurden mit der „Salt Lake Tribune Publishing Company“, die für 2002 ohnehin ein Rückkaufsrecht vom Eigentümer hat, sowie der „Deseret News Publishing“ geführt. Die News-Anwälte drohten „AT&T“ mit Regress-Forderungen im dreistelligen Millionenbereich, falls sie nicht den Zuschlag bei Verkauf erhalten würden. Bei einem Kauf der Tribune durch die HLT-Gemeinschaft über deren News wäre jedoch das Einschreiten der Kartellbehörde zu befürchten gewesen, obwohl ausgerechnet deren Vorsitzender, Senator Orrin Hatch, HLT-Mormone ist. Verkauft wurde die Tribune im November 2000 an die „MediaNews Group“, die dafür den mormonischen Manager der Denver Post abstellte, der im Jahr zuvor Herausgeber der Deseret News war. Offiziell werden Vorwürfe über Absprachen zwischen Deseret News und „MediaNews“ dementiert, das Verständnis zwischen beiden Parteien scheint jedoch grenzenlos zu sein.

Die „Salt Lake Tribune Publishing Company“ reichte daraufhin Klage ein, um diesen Verkauf zu stoppen. Nach Einschätzung von US-Bundesrichterin Tena Campbell gäbe es jedoch keine überzeugenden Beweise dafür, daß die Unabhängigkeit der Zeitung gefährdet sei. Es handelt sich hierbei um die gleiche Richterin, die in einem Verfahren der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ gegen die mormonischen Kritiker Sandra und Jerald Tanner entschied, die bloße Erwähnung einer Internet-Adresse stelle bereits eine rechtsverbindliche Vertretung der dahinter stehenden Inhalte dar. Der Arm der HLT-Organisation reicht wahrhaft weit.

Artikel der New York Times vom 7. Januar 2001