Presseinformation

Was tut man nicht alles für seinen guten Namen. Wenn der Name aber gar kein Name ist und die Bezeichnung einen zweifelhaften Ruf hat, welchen Sinn macht es dann, sie gerichtlich zu erstreiten?

Bei einer Sekte ergibt das dann einen Sinn, wenn damit die Verbreitung kritischer Informationen behindert werden kann, die die finanzielle Entwicklung negativ beeinflussen können.

Keiner kennt sie, und doch hat fast jeder schon einmal etwas von ihnen gehört. Den Begriff Mormonen umgibt ein exotischer Hauch von sexueller Freizügigkeit und Potenz, die Vielweiberei. Was genau sich dahinter verbirgt, was bereits Tolstoi als die "amerikanische Religion" bezeichnete, das weiß kaum jemand in Deutschland, und doch beschäftigt es derzeit die deutsche Justiz. Es geht um Medien und Moneten.

Sekte ist heutzutage ein ganz unschönes Wort. Wer ihn verwendet, erhält verächtliche Blicke von allen Seiten. Nur der einfache Bürger versteht ihn richtig, nämlich als Warnsignal und Hinweis für erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht. Nicht nur in der Aufklärung über Sekten und Kulte weiß man das, auch in den betreffenden Gruppierungen hat man die Gefahren der Aufklärung erkannt und bekämpft sie so weit wie nur möglich. Das wichtigste Werkzeug der Sektenberatungen ist die so genannte Sekten-Checkliste. Alle konfliktträchtigen Merkmale sind darin verzeichnet, damit sich jedermann selbst ein Bild von der Sektenhaftigkeit einer Gruppierung machen kann.

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist eine solche Gruppierung. Da die Fragen zu 13 von 15 Sektenmerkmalen bejaht werden müssen, ist es völlig in Ordnung, von einer Sekte zu sprechen. Und doch hat sie seit vielen Jahren so gute Öffentlichkeitsarbeit geleistet, dass sie heute ein Saubermann-Image umgibt, das nur noch Experten durchschauen können. Ein wesentlicher Teil der PR-Arbeit dieser Sekte bestand darin, die anrüchige Bezeichnung Mormonen los zu werden. Doch jetzt versucht sie genau diese Bezeichnung einzuklagen.

Alles begann mit dem Internet, welches ein neues Informationszeitalter einläutete. Zwar können die Sekten über dieses Medium einfacher für sich werben, das Gleiche gilt aber auch für die Arbeit ihrer Kritiker. Plötzlich wurde es ganz einfach, auch über kleine Sekten und Kulte Informationen zu erhalten. Sekten-Aufklärer stellten ihre Informationen ins Web, darunter auch der deutsche Mormonen-Kritiker Gunar Werner.

Weil seine Webseite so häufig besucht wurde, benutzt er seit 1997 die Domain mormonen.de. Ein halbes Jahr später rief dies die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auf den Plan. Deren Mitglieder nennen sich selbst Heilige der Letzten Tage, die Gemeinschaft nennt man deshalb auch HLT-Kirche. Doch Außenstehende hatten nie etwas für solch lange Namen übrig; der Glaube an das Buch Mormon verschaffte den Anhängern dieser Religion kurzer Hand die Bezeichnung Mormonen.

1998 wurde der Kritiker Werner vom Anwalt der HLT-Kirche aufgefordert, die Web-Adresse mormonen.de herauszugeben. Dieser wies die Forderung als völlig unbegründet zurück. Vier Jahre später wurde Klage gegen ihn eingereicht. Die HLT-Kirche wirft ihrem Kritiker die Verletzung ihres Namensrechts an der eigentlich so ungeliebten Bezeichnung vor und will ihm jegliche Verwendung des Begriffs verbieten lassen. Damit bringt sie die kritische Webseite in Gefahr, die seit fast sieben Jahren einen guten Ruf unter Experten genießt. Das Landgericht Frankfurt hat ohne weitere Prüfung des juristischen Sachverhalts den Kritiker bereits als "Domain-Grabber" abgetan und gegen ihn entschieden; der Fall wird jetzt vor dem OLG Frankfurt verhandelt.

Doch ist die Forderung der Sekte wirklich berechtigt? Ein kurzer Blick in die Geschichte dieser Religion lässt daran Zweifel aufkommen. Der Stifter Joseph Smith gründete 1830 nicht etwa die Mormonen, sondern die Kirche Christi. Der Spitzname wurde aber schnell von Spöttern geprägt, weil die Anhänger Smiths an das von ihm heraus gegebene Buch Mormon als neue heilige Schrift glaubten. In den folgenden Jahren veränderte sich neben der Theologie auch der Name der Gemeinschaft einige Male. Als Smith 1844 eine Druckerpresse zerstören ließ, die eine Zeitung mit kritischen Äußerungen über ihn druckte, stürmte eine wütende Menschenmenge das Gefängnis, in dem er wegen dieser Straftat auf seine Verhandlung wartete, und erschossen ihn und seinen Bruder Hyrum. Am erfolgreichsten bei den Kämpfen um die Nachfolge war Brigham Young, der seine Anhänger bald ins Salzseetal führen sollte. Doch nicht alle Mormonen folgten ihm, sie flohen vor dem entfesselten Pöbel in andere Richtungen und schlossen sich zu Gruppen zusammen, deren bekannteste die Reorganisierten Mormonen, die Große-Seen-Mormonen und die Texas-Mormonen waren. Im Schutz der Felsengebirge praktizierten die Heiligen vom Salzsee die Vielweiberei, aber auch die Große-Seen-Mormonen in Michigan waren Polygamisten. Insbesondere die Reorganisierten Mormonen, zu denen sich die Familie des Religionsstifters zählte, lehnten diese Lehre jedoch kategorisch ab. Die verschiedenen mormonischen Gemeinschaften entwickelten sich hernach recht unterschiedlich, und durch spätere Schismen existieren heute eine ganze Reihe solcher Gruppierungen, deren Anzahl von Experten auf weit über 100 geschätzt wird, von denen aber nur drei in Deutschland aktiv sind.

Die größte mormonische Gemeinschaft ist die den Kritiker Werner verklagende HLT-Kirche. Werner argumentiert jedoch, dass sie keine Namensrechte geltend machen kann, da es mehrere Religionsgemeinschaften gibt, die an das Buch Mormon glauben. Damit ist der Begriff Mormonen eine Sammelbezeichnung für alle diese Gruppen. Das bestätigen auch alle namhaften und weniger bekannten Experten über das Mormonentum. Sie zeigen sich überrascht, teilweise sogar entsetzt über die Forderung der HLT-Kirche nach dem ausschließlichen Nutzungsrecht an diesem Begriff. Jahrelang, ja eigentlich bis heute, wurde ihnen von HLT-Vertretern immer wieder eingebläut, dass die Heiligen der Letzten Tage die Bezeichnung Mormonen ablehnen. Werner legt dafür einen eindeutigen Beweis vor: einen Ausdruck der offiziellen Webseite der HLT-Kirche, wo der Begriff Mormonen als "unrichtige und verwirrende" Bezeichnung vehement abgelehnt wird. "Diese ablehnende Haltung existierte nicht nur zum Zeitpunkt der Domainregistrierung, sondern so lange ich mich überhaupt entsinnen kann", sagt Werner. "Die Aussage wurde erst im zweiten Halbjahr 2000 von der Webseite der HLT-Mormonen entfernt."

Werner weiß, dass die Ablehnung der Bezeichnung vor Gericht nur eine untergeordnete Rolle spielen kann. "Das ist ein wichtiges Indiz. Entscheidend aber ist die Existenz verschiedener Mormonen-Kirchen. Damit kann der Begriff Mormonen gar kein Name für eine dieser Organisationen sein, er ist viel mehr eine Sammelbezeichnung für alle mormonischen Gruppen." Dass die klagende HLT-Kirche das auch so gesehen hatte, beweist ein Schreiben ihrer Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, das nur etwa einen Monat vor der Beauftragung ihres Anwalts mit der Klage gegen den Kritiker zu einer Frage über den offiziellen Kirchennamen nach dem Hinweis auf das Buch Mormon auch den Begriff Mormonen bespricht: "Diese Bezeichnung ist auch heute oft noch wesentlich bekannter als der offizielle Kirchenname. Es ist jedoch wichtig nach dem richtigen Kirchennamen zu fragen, da es unter der Bezeichnung Mormonen auch Absplitterungen der Kirche gibt. Diese Gruppen gehören nicht der offiziellen weltweiten Kirche an." Für Werner steht fest, dass dies einen juristisch einwandfreien Beweis darstellt, dass die HLT-Kirche genau seinen eigenen Aussagen gemäß argumentiert hatte, bis sie sich entschloss, ihn zu verklagen. "Die HLT-Kirche sagt hier ja selbst, dass es eine Bezeichnung ist, die mehrere Gemeinschaften umfasst, und keine Gemeinschaft eindeutig identifiziert." Hingegen wendet Werner ein, dass der Originalitätsanspruch innerhalb des Mormonentums umstritten sei.

Bei einer solch klaren Beweislage stellt sich unmittelbar die Frage, wie denn das Landgericht Frankfurt zu der Auffassung kommen konnte, dass Werner "schlichtes Domain-Grabbing" betreibe, also die Webadresse nur zum Zweck des Wiederverkaufs registrierte.

Werner weist auf die inzwischen 7-jährige Geschichte seiner Webseite hin. "Die HLT-Kirche hat sehr viel Zeit und Geld in die 174-seitige Klageschrift investiert, sie ist sehr überzeugend formuliert", sagt Werner in einem Tonfall, als hätte er Verständnis für die Richter, fügt dann aber hinzu: "Sie ist jedoch sachlich nicht stichhaltig, und eine genaue juristische Überprüfung der Behauptungen hätte dies auch zum Vorschein gebracht." Fassungslos hält er das Urteil in Händen: "So viele hundert Seiten Schriftsätze, und das Urteil stempelt einen engagierten Aufklärer zum bloßen wirtschaftlichen Parasiten ab, ohne auf die Beweise oder die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung ein zu gehen." Werner setzt seine Hoffnungen jetzt in die nächste Instanz. "Es muss vor deutschen Gerichten doch möglich sein, eine exakte juristische Prüfung und Bewertung aller Beweise und Sachverhalte zu bekommen. Welche andere Chance als die juristischen Instanzen hat ein privater Sekten-Kritiker in Deutschland denn sonst?" Den Mut aufgeben möchte er nicht, die Konfrontation mit der HLT-Kirche hat er bisher nie gescheut, auch wenn Mitarbeiter der Sekte parallel zwei weitere Klagen gegen den Kritiker eingereicht haben. "Gerechtigkeit erwarte ich nicht, aber jeder deutsche Bürger hat das Recht auf eine genaue juristische Prüfung der vorgetragenen Argumente durch die Gerichte. So lange werde ich kämpfen."

Ob sich der Kritiker gegen die Utah-Mormonen durchsetzen kann, ist noch nicht sicher. Fest steht, dass er auf die Unterstützung der beiden anderen in Deutschland aktiven mormonischen Gemeinschaften, die Gemeinschaft Christi (vormals Reorganisierte Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage) und die Kirche Christi mit der Elias-Botschaft, bauen kann, da diese die Klage der HLT-Kirche für ebenso unverständlich halten wie Sektenexperten. Doch wie auch immer der Prozess ausgehen wird, einen guten Namen macht sich die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage mit den Verklagen ihrer Kritiker ganz gewiss nicht.

Kontaktadressen:

EBI Sachsen e.V.

  • Gunar Werner c/o EBI Sachsen e.V.

  • Lessingstr. 7, 04109 Leipzig, Tel.: (0178) 699 1526, Fax: (01212) 5 1451 2867, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.


 

Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage

  • Abteilung Öffentlichkeitsarbeit

  • Porthstrasse 5-7, 60435 Frankfurt am Main, Tel.: (069) 5480 2266, Fax: (069) 5480 2300, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.


 

Gemeinschaft Christi

  • PF 10 22 10

  • 86012 Augsburg, Tel.: (0821) 59 5535, Fax: (0821) 589 8548, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.


 

Kirche Christi mit der Elias-Botschaft

  • Wolfgang Trambowsky

  • Gustav Adolf Straße 47, 22043 Hamburg, Tel.: (040) 656 3564


 

Eltern- und Betroffenen-Initiative gegen psychische Abhängigkeit Sachsen e.V.

  • Lessingstr. 7, 04109 Leipzig, Tel.: (0341) 689 1590, Fax: (01212) 5 1542 3074, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.


 

Konsultation Landeskirchlicher Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen (KLB)

  • Pfr. Eduard Trenkel, Geschäftsführer

  • Wilhelmshöher Straße 330, Postfach 410260, 34114 Kassel, Tel.: (0561) 937 8243, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.


 

Evangelische Kirche von Westfalen

  • Pfr. Dr. Rüdiger Hauth, Beauftragter für Sekten und Weltanschauungsfragen

  • Olpe 35, Postfach 101051, 44010 Dortmund, Tel.: (0231) 54 0960


 

esb Rechtsanwälte

  • Dr. Jens Bücking

  • Vaihinger Str. 153, 70567 Stuttgart, Tel.: (0711) 28 20 35, Fax: (0711) 28 20 36, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., Internet: www.kanzlei.de


 

6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main

  • Richter: Dembowski, Sunder, Vorbusch

  • Az.: 6 U 53/03 (2/3 O 536/02 LG Ffm), Zeil 42, 60313 Frankfurt am Main, Tel.: (069) 1367 8447, Fax: (069) 1367 2976


 

Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main

  • Brigitte Tilmann

  • Zeil 42, 60313 Frankfurt am Main, Vorzimmer, Tel.: (069) 1367 2277, Fax: (069) 1367 2340, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.