Geschichtliche Erkenntnisse brachten viele Menschen dazu, die Authentizität des Buches Mormon und die Glaubwürdigkeit von Joseph Smiths Geschichte in Frage zu stellen.

Verteidiger des traditionellen Glaubens über die mormonischen Ursprünge verwenden oft die Zeugnisse von elf Männern. Diese Männer unterzeichneten ein Papier, in dem sie das Buch Mormon für wahr erklären und daß sie die Platten gesehen und/oder berührt haben, die bei der Übersetzung genutzt wurden. Für einige Menschen ist ein derartiges Zeugnis hinreichend, um ihre Zweifel zu zerstreuen. Aber ist es wirklich ein festes Fundament für den Glauben an die Mormonenkirche? Eine gründliche Untersuchung offenbart eine Anzahl geschichtlicher Details, die Fragen zur Objektivität und Glaubwürdigkeit dieser Zeugen aufwerfen.

Betrachten wir zuerst das tatsächliche Zeugnis der Männer, die als die Drei Zeugen bekannt sind. Es handelt sich um David Whitmer, Oliver Cowdery und Martin Harris. In der im Buch Mormon abgedruckten Aussage bestätigen alle drei, daß ihnen die Platten von einem Engel gezeigt wurden, und die HLT-Kirche impliziert, daß alle drei Männer die Platten mit Joseph am gleichen Tag sahen. Dies wird als ein körperliches, greifbares und nachprüfbares Ereignis dargestellt.

Was den Menschen jedoch nicht gesagt wird, ist, daß diese Erfahrung visionärer Natur war. Während Joseph Smith das Buch Mormon an Oliver Cowdery diktierte, las er einen Abschnitt vor, der erklärte, es solle drei besondere Zeugen geben, denen es erlaubt sein würde die Platten zu sehen und dann vom Buche Mormon ’Zeugnis zu geben‘. Joseph Smiths Geschichte sagt:

Fast unmittelbar nachdem wir diese Entdeckung gemacht hatten, fiel es Oliver Cowdery, David Whitmer und dem zuvor erwähnten Martin Harris (der gekommen war, um sich über den Fortschritt unserer Arbeit zu erkundigen) ein, ich solle den Herrn befragen, ob nicht sie das Vorrecht haben könnten, diese drei besonderen Zeugen zu sein; und letztlich bedrängten sie mich derart, und baten mich so sehr, den Herrn zu befragen, daß ich nach einer Weile einwilligte (History of the Church, Band 1, S.52 f.)

Joseph gab dann eine Offenbarung an Oliver, David und Martin heraus, die besagt, wenn sie sich auf Gottes Wort verlassen und es aus voller Herzensabsicht tun, würden sie "die Platten zu Gesicht bekommen, ebenso die Brustplatte, das Schwert Labans, den Urim und Thummim, ... sowie den wundertätigen Richtungsweiser, der Lehi in der Wildnis gegeben wurde" (ebenda) Es würde nur durch ihren Glauben sein, daß sie sie zu Gesicht bekommen würden.

Ist das Vorsehung oder Bequemlichkeit? Joseph diktiert den Teil des Buches Mormon, der drei besondere Zeugen erwähnt, während alle drei bei ihm sind. Sie betteln Joseph Gott zu fragen, ob sie nicht vielleicht diejenigen sind. Als er letztlich nachgibt erhält Joseph unmittelbar eine Offenbarung, die besagt, wenn sie Glauben haben, sich auf Gottes Wort verlassen und volle Herzensabsicht haben, werden sie nicht nur die Platten sondern auch zahlreiche andere wundervolle Dinge sehen. Also gehen sie in den Wald und verbringen eine lange Zeit im Gebet. Doch nichts passiert. Sie beten noch mehr. Und nichts passiert. Martin Harris bietet an, die Gruppe zu verlassen, denn er spürt, die anderen denken, daß er der Grund sei, warum nichts passiert. Sobald Harris sie verläßt sehen die anderen den Engel und die Platten, obwohl keines der anderen Gegenstände erwähnt wird, die verheißen wurden. Entsprechend Joseph Smiths Geschichte geht nun Joseph, um Harris zu finden, und während sie gemeinsam beten ruft Harris aus: „Es ist genug, es ist genug; meine Augen haben gesehen, meine Augen haben gesehen“ (ebenda, S.55). Selbst hier gibt es einen Widerspruch in der Aussage, denn Harris sagt, er „habe die goldenen Platten nie gesehen, nur in einem visionären oder benebelten Zustand ... Nach etwa drei Tagen ging ich in den Wald, um zu beten, damit ich die Platten sehen könnte. Während ich betete verfiel ich in einen Zustand von Benebelung, und in diesem Zustand sah ich den Engel und die Platten“ (Anthony Metcalf: Ten Years Before the Mast, nicht datiert, Mikrofilmkopie, S.70f.). Und wieder, obwohl die Offenbarung verhieß, daß sie die Platten sowie viele andere wundersame Dinge sehen würden, bezeugten sie lediglich, einen Engel gesehen zu haben, der die Platten hielt. Dennoch würde David Whitmer in seinem späteren Leben in einem Interview mit Zenas Gurley bezeugen, daß er „die Übersetzer in einer heiligen Vision“ sah. Als Harris später gefragt wurde, ob er die Platten mit bloßen Augen sah, gab er zu, er habe die Platten nur mit seinem geistigen Auge gesehen. (Wilford C. Wood, Joseph Smith Begins His Work, Band 1, 1958, Einleitung. Es handelt sich um einen fotomechanischen Nachdruck der ersten Ausgabe [1830] des Buches Mormon. Es enthält auch biographische und geschichtliche Informationen bezüglich des Buches Mormon.)

Aus Harris' Zeugnis und das der anderen geht klar hervor, daß dies eine ’visionäre Erfahrung‘ war.

Oliver Cowdery und Joseph Smith waren Cousins dritten Grades (Phillip R. Legg: Oliver Cowdery: The Elusive Second Elder of the Restoration, S.17), und Cowdery besaß zudem eine Geisteshaltung, die als magisch und mystisch eingeschätzt werden muß. D. Michael Quinn schreibt in seinem Buch Early Mormonism & the Magic World View: „Cowderys Nutzung der Wünschelrute legt jedoch die Vermutung nahe, daß er vor 1829 wenigstens etwas Wissen über und Erfahrung mit zeremonieller Volkszauberei besaß“ (S.35). Brigham Young erzählte eine Geschichte aus dem Leben von Oliver Cowdery, in der Cowdery behauptete, daß er und Joseph Smith mit den goldenen Platten des Buches Mormon direkt in den Hügel Cumorah hineingingen und sie auf einen Tisch zurücklegten. In dieser riesigen Höhle waren Berge von goldenen Platten und ein Schwert mit Beschriftung. (Journal of Discourses, Band 19, S.38).

Während sich diese Erfahrung mit einer Höhle voller goldener Platten mehr wie ein lebhafter Traum anhört, wurde dies als die Gabe der ’Zweiten Sicht‘ oder des ’Sehens mit den Augen des Verständnisses‘ bezeichnet. Laut Joseph Smith hatte Oliver Cowdery die goldenen Platten schon zuvor in einer Vision gesehen, als er Josephs Schreiber wurde (Dean C. Jessee: The Personal Writings of Joseph Smith, S.8). Martin Harris erzählte Joseph Smith noch vor seinem Erlebnis als einer der drei Zeugen: „Joseph, ich weiß alles darüber. Der Herr hat mir zehn Mal mehr darüber gezeigt, als du weißt.“ (Interview mit Martin Harris in Tiffany's Monthly, 1859, S.166).

David Whitmers Zeugnis variierte bezüglich der objektiven bzw. subjektiven Natur des Erlebnisses, aber auch er sprach in visionären Ausdrücken über den Engel und die goldenen Platten. Im Jahr 1885 wurde er von Zenas Gurley interviewt. Gurley fragte, ob Whitmer wisse, ob die Platten aus echtem Metall waren. Whitmer sagte, daß er sie nicht berührt oder angefaßt habe. Dann wurde er gefragt, ob der Tisch, auf dem sie lagen, buchstäblich aus Holz war oder ob alles wie eine Vision war. Whitmer antwortete, daß der Tisch das Aussehen von echtem Holz hatte, wie es sich in einer Vision zeigt, in der Herrlichkeit Gottes. (Zenas H. Gurley, Jr., Interview mit David Whitmer am 14. Januar 1885).

Laut ihrer eigenen Zeugnisse beschreiben also alle drei Zeugen ein mystisches, visionäres, fast traumartiges Erlebnis, in dem sie behaupten, einen Engel mit den goldenen Platten gesehen zu haben. Und, im Gegensatz zur Darstellung der HLT-Kirche, ist David Whitmer der einzige, der die Platten an diesem Tag im Wald zu ersten Mal sah, da Oliver und Martin sie offensichtlich schon vor diesem Tag in einer Vision gesehen hatten. Laut seiner eigenen Aussage sah Martin Harris den Engel mit den Platten nicht, bis er drei Tage später allein im Wald war. Dies scheint nicht das tatsächliche, unzweifelhafte und objektive Ereignis zu sein, als das es die Mormonenkirche oft darstellt.

Das Zeugnis der acht anderen Zeugen, die behaupten, die Platten wirklich angefaßt zu haben, hat ebenfalls Probleme auf verschiedenen Gebieten. Die Mormonenkirche verbildlicht immer alle acht Zeugen im Wald zusammen stehend, wie Joseph ihnen die Platten zeigt. Aber entsprechend der Aussage von John Whitmer, der einer der acht Zeugen war, zeigte sie Joseph einmal vier Leuten in seinem Haus, und später weiteren vier Leuten (Deseret Evening News, 6. August 1878, Brief an den Redakteur von P. Wilhelm Poulson, M.D., getippte Abschrift, S.2). Es ist bemerkenswert, daß sich diese acht Männer natürlich in zwei Gruppen zu je vier aufteilen. Die erste Gruppe besteht aus vier Brüdern von David Whitmer, der selbst einer der drei Zeugen war: Christian, Jacob, Peter jun. und John Whitmer. Die anderen vier sind Joseph Smiths Vater, zwei Brüder Josephs (Hyrum und Samuel) und Hiram Page, der mit Catherine, einer Schwester der Whitmers, verheiratet war. Elisabeth, eine andere Schwester, heiratete Oliver Cowdery. Somit waren alle Zeugen, ausgenommen Martin Harris, eng miteinander verwandt.

Ein weiterer historisch bedeutsamer Fakt bezüglich der acht Zeugen stammt aus einem Brief mit Datum vom 15. April 1838. Er wurde von einem früheren Mormonenführer namens Stephen Burnett geschrieben. In diesem Brief erzählt Burnett, wie er Martin Harris öffentlich sagen hörte, daß Harris die Platten niemals mit seinen natürlichen Augen sah, sondern nur in einer Vision oder Einbildung, und deshalb zögerte, die Aussage zu unterschreiben, aber daß er dazu überredet wurde.

Laut diesem Brief verleugneten Burnett und einige andere Männer öffentlich das Buch Mormon. Nachdem sie gesprochen hatten, stand Harris auf und sagte, er bedauere jeden, der das Buch Mormon ablehne, denn er wüßte, es wäre wahr, und sagte, er hätte ihnen niemals erzählt, daß das Zeugnis der acht Zeugen falsch sei, wenn sie es ihm nicht aus der Nase gezogen hätten, und daß er alles beim alten belassen hätte (Stephen Burnett: Brief in Joseph Smith Papers, Letter Book. Kopie und getippte Abschrift in den Unterlagen im Büro des Instituts für Religiöse Forschung.) Während einige HLT-Gelehrte und -Verteidiger versucht haben, dieses Zeugnis als ’Hörensagen‘ beiseite zu kehren, wird es durch einen Brief bekräftigt, der in der BYU-Dissertation von 1955 von Wayne C. Gunnell zitiert wird. Dieser Brief wurde von George A. Smith an Josiah Fleming geschrieben und trägt das Datum vom 30. März 1838 (einige Wochen vor dem Brief von Burnett) und beschreibt eine ähnliche Begebenheit mit Martin Harris, Boyington, Parish und Johnson, die im Burnett-Brief ebenfalls alle erwähnt werden.

Die Situation wird durch einige fragwürdige Aussagen der Zeugen selbst kompliziert. Nur drei der acht Zeugen sagten unabhängig aus, daß sie die Platten angefaßt hatten. Das waren die zwei Brüder Josephs, Hyrum und Samuel, und John Whitmer. Hyrums und Samuels Aussagen werden weiterhin durch ihren Bruder William gestützt, der in einem Interview ebenfalls behauptete, die Platten angefaßt zu haben. Er sagte: „Ich habe sie nicht unverhüllt gesehen, aber ich habe sie angefaßt und angehoben, während sie in einem Bademantel eingewickelt waren, und schätzte ihr Gewicht auf etwa 60 Pfund ... Vater und mein Bruder Samuel sahen sie so wie ich, von dem Bademantel umhüllt. So war es auch für Hyrum und andere aus der Familie.“ Als der Interviewer fragte, ob er das Kleidungsstück nicht entfernen und die bloßen Platten sehen wollte, antwortete William: „Nein, denn Vater hatte gerade gefragt, ob ihm das nicht erlaubt werden könne, und Joseph legte seine Hand auf sie und sagte: ’Nein, ich wurde angewiesen, sie niemandem zu zeigen. Wenn ich es tue, übertrete ich und verliere sie wieder.‘ Außerdem wollten wir ihn nicht zum Brechen des Gebotes anregen, um dann wie zuvor zu leiden.“ (Zion's Ensign, S.6, 13. Januar 1894, zitiert in Church of Christ broadside.)

John Whitmers Aussagen waren die detailiertesten – sowohl in der Aussage von 1878, die schon erwähnt wurde, als auch in seiner Aussage an Theodore Turley im Jahr 1839 sagt er: „Ich sage jetzt, ich faßte diese Platten an; es gab feine Eingravierungen auf beiden Seiten ... sie wurden mir durch eine übernatürliche Macht gezeigt“ (History of the Church, Band 3, S.307). Wenn es nun physische Platten waren, die den acht Zeugen präsentiert wurden, während sie Joseph Smith auf seinen Knien hielt, weshalb schränkte Whitmer diese Aussage dann durch den Zusatz ein, daß es durch den Einfluß einer übernatürlichen Kraft geschah? Man kann sich nur nach dem Nutzen einer übernatürlichen Präsentation von physischen Platten fragen. Ausgenommen natürlich, daß die Platten der Familie Whitmer ebenfalls unter einem Tuch gezeigt und sie aufgefordert wurden, sie mit ihrem Auge des Glaubens zu sehen. Das widerspricht jedoch dem Interview mit John Whitmer im Jahr 1878, in dem er aussagt, daß seine Vierer-Gruppe die Platten „unbedeckt in unseren Händen hielten, und wir wendeten die Seiten bis zu unserer ausreichenden Befriedigung.“ (Poulson-Brief an Deseret Evening News, bereits zitiert, S.2).

Genauso fragwürdig ist das Zeugnis von Hiram Page bezüglich seiner Stellung als einer der acht Zeugen. Während er eine verhüllte Andeutung macht zu ’was ich sah‘, erwähnt er niemals das Sehen oder Anfassen der Platten, sondern unterstreicht statt dessen, daß Joseph übernatürliche Kräfte gehabt haben muß, um ein solches Buch zu schreiben. Er sagt auch: „Und zu sagen, daß diese heiligen Engel, die kamen und sich mir zeigten, als ich durch das Feld lief, um mir die Arbeit des Herrn in den letzten Tagen zu bestätigen – drei davon kamen später zu mir und sangen ein Lied in ihrer eigenen reinen Sprache; ja, man würde den Gott des Himmels mit Verachtung strafen, sollte man diese Zeugnisse bestreiten.“ (Ensign of Liberty, 1848, zitiert in Dialogue: A Journal of Mormon Thought, Band 7:4, Winter 1972, S.84.)

Derartige Aussagen rufen ernsthafte Zweifel an den Zeugen hervor und daran, was konkret mit Joseph Smith passierte. Doch wir haben noch die Aussagen der Mormonenkirche, daß keiner von ihnen je sein Zeugnis über das Buch Mormon verleugnete. Das kann durchaus der Fall sein, aber es gibt eine mögliche Ausnahme. Eine Andeutung in einem HLT-Gedicht, veröffentlicht in Times & Seasons, Band 2, S.482, spricht über Oliver, der das Buch Mormon verleugnet. Oliver Cowdery wurde später ein Mitglied der methodistisch-protestantischen Kirche in Tiffin, Kreis Seneca, Ohio. Es scheint, daß er sich vor seinem Beitritt komplett und vollständig vom Mormonismus losgesagt hatte. Er diente später als Superintendent der Sonntagsschule und Sekretär bei Kirchenversammlungen und war als beurkundetes Mitglied anerkannt (eidesstattliche Erklärung zitiert in Charles A. Shook: The True Origins of Mormonism, Cincinnati, Ohio, 1914, S.58f., zitiert in Case Against Mormonism, Band 2, S.16; sowie in D. Michael Quinn: The Mormon Hierarchy: Origins of Power, Signature Books, 1994, S.545).

Oliver Cowdery kehrte zur Mormonenkirche zurück und wurde im Oktober 1848 erneut getauft, aber es gibt Fragen bezüglich der Motivation seines Beitritts und wie lange hernach er ein Mitglied blieb. Einige Mormonen mißtrauten seinen Motiven und waren gegen seine Wiedertaufe. Es gibt interessante Belege, die andeuten, daß sich Cowdery nie völlig mit der Mormonenkirche versöhnt hat. The Gospel Herald vom 1. November 1849 enthält folgende Ausführungen: „Man kann weiterhin beobachten, daß sie Oliver Cowdery nie als einen der ihren erwähnen. In Wahrheit ist er kein Mann für sie. Es war ein sonderbarer Anfall von Manie, der ihn zu ihnen führte, und scheint für ihn nur einige Wochen gedauert zu haben ... in keinem einzigen Moment anvertrauten sie ihm irgendwelche Macht.“ (Zitiert in Jerald & Sandra Tanner: Case Against Mormonism, 1968, S.28.)

Oliver Cowdery verstarb nicht in Utah, sondern im Haus seines Mitzeugen David Whitmer, der die Mormonenkirche ebenfalls verlassen hatte. Whitmer stellt klar, daß Cowdery „starb in dem Glauben, den ich heute habe“, der beinhaltete, daß Joseph ein gefallener Prophet war und Lehre und Bündnisse falsche Offenbarungen enthielt (An Address to All Believers in Christ, 1887, S.1f.).

Von Martin Harris wird ebenfalls gesagt, daß er zur Mormonenkirche zurückkehrte und in voller Mitgliedschaft starb, seine Verpflichtung zum Buch Mormon bestärkend. Doch zeitgenössische Quellen bezeichnen Martin Harris als ’schwach in Körper und Geist‘ (Des Moines Daily News, 16. Oktober 1886, zitiert in Case, S.31). De facto schrieb Anthony Metcalf, der Harris interviewte: „Harris glaubte nie, daß die Brighamitische Absplitterung der Mormonenkirche oder die Josephitische Kirche richtig waren, denn seiner Meinung nach hatte Gott sie verstoßen; aber er glaubte, daß Mormonismus das reine Evangelium Christi war, als es erstmals offenbart wurde, und ich denke, er starb in diesem Glauben“ (Anthony Metcalf: Ten Years Before the Mast, S.73, Mikrofilmkopie).

Auch mormonische Schreiber gaben zu, daß Harris religiös instabil war und sagen: „Martin Harris war eine unenergische, schwankende, einfach zu beeinflußende Person“ (E. Cecil McGavin: The Historical Background for the Doctrine & Covenants, S.23, zitiert in Case, Band 2, S.33). Wayne C. Gunnell schieb in seiner BYU-Dissertation von 1955 über Martin Harris: „Martins Motive für die Taufe zu dieser Zeit sind nicht bekannt, aber die Angaben späterer Begebenheiten deuten auf einen Mangel an Ernsthaftigkeit hin.“ Gunnell zitiert weiter einen Brief, geschrieben 1844 von Phineas Young an Brigham Young: „Martin Harris glaubt fest an die Shaker und sagt, sein Zeugnis sei größer als das vom Buch Mormon“ (Wayne C. Gunnell: Martin Harris – Witness and Benefactor to the Book of Mormon, BYU-Dissertation, 1955, S.52).

Es ist sehr bezeichnend, daß Joseph Smith selbst die moralische Integrität von wenigstens vier der elf Zeugen in Frage stellte. In History of the Church, Band 3:232 schrieb er: „Solche Charaktere wie McLellin, John Whitmer, David Whitmer, Oliver Cowdery und Martin Harris sind zu schäbig, um erwähnt zu werden; und wir hätten sie gern vergessen.“ Weil sie es wagten, die Kirche der Heiligen der Letzten Tage zu verlassen, wurden diese und andere Männer später vertrieben, nachdem sie beschuldigt wurden, „verbündet mit einer Bande von Fälschern, Dieben, Lügnern und Betrügern der dunkelsten Art, die täuschen und betrügen“ zu sein (Senate Document 189, 1841, S.9). Mit aller Fairneß für die Zeugen scheint das Rufmord mit der Absicht zu sein, diese Männer in den Augen anderer Mormonen in Mißkredit zu bringen. So würden andere Menschen doppelt nachdenken, bevor sie die Mormonenkirche verliesen oder sich weitere Zeugnisse von diesen Zeugen anhörten.

Entsprechend den geschichtlichen Belegen ist die gängige Darstellung der Mormonenkirche von den Zeugen als elf Männer mit rationaler und kritischer Geisteshaltung, unzweifelhafter Ehrlichkeit und Integrität und unerschütterlicher Verpflichtung zum Buch Mormon weit von der Wahrheit entfernt. Joseph Smith stellte ihre Integrität selbst in Frage, und viele von ihnen verließen die Kirche und kehrten nicht zurück.

Es gibt auch einige unbeantwortete Fragen, wie beispielsweise, ob es wirkliche goldene Platten gab, oder ob Joseph ein Gegenstück herstellte, das er von einem Tuch bedeckt hielt und nur bestimmten Verwandten zu sehen und anzuheben erlaubte? Er hatte vier Jahre Zeit von der Ankündigung, er habe die goldenen Platten entdeckt, bis er wirklich behauptete, sie aus dem Boden zu bekommen. Wann fanden Joseph, Harris, Whitmer und Cowdery zu ersten Mal heraus, daß es drei besondere Zeugen geben würde? Lehre und Bündnisse beschreibt zwei unterschiedliche Zeiten, als Joseph behauptete, eine Offenbarung bezüglich der Buch Mormon Zeugen zu empfangen. Die erste kam auf den Wunsch von Martin Harris im März 1829 (LuB 5). Darin wurde Joseph gewarnt, die Platten niemandem zu zeigen, außer denjenigen, die Gott im Gebot nennt (Vers 3). Diese Offenbarung sagt weiter, daß drei Zeugen besondere Macht gegeben werden würde, die Platten zu sehen, aber „keinem anderen werde ich die Macht geben“ (LuB 5:13,14). Laut dieser Offenbarung würde es nur drei Zeugen geben.

Doch laut Joseph Smiths History of the Church, Band 1, S.52f. haben Joseph und Oliver nicht entdeckt, daß es drei Zeugen geben würde, bis sie Ende Juni 1829 das Buch Mormon übersetzten – wenigstens drei Monate später. Kurze Zeit später (ein Datum ist nicht bekannt) nahm es Joseph auf sich, den von ihm als die Buch Mormon Platten deklarierten Gegenstand acht Zeugen zu zeigen, die alle miteinander verwandt waren. Joseph ließ sie ein Zeugnis unterschreiben. Die Platten seinem Vater und seinen Brüdern zu zeigen bedurfte offenbar nicht der Macht Gottes, aber übernatürliche Macht war notwendig, um sie John Whitmer zu zeigen. Es gab außerdem keine Offenbarung, die ihm die Erlaubnis erteilte, die Platten zu zeigen, sondern nur eine private Versammlung. Mindestens eine Quelle indiziert, daß Joseph die Platten zwei Vierer-Gruppen zu unterschiedlichen Gelegenheiten in seinem Haus zeigte, während andere Beschreibungen besagen, daß alle acht zusammen im Wald waren.

Beim Setzen auf die Zeugnisse für die Authentizität des Mormonismus ist eines der Probleme das Zeugnis von David Whitmer, daß er später in seinem Leben gab. In seinem Address to All Believers in Christ, S.27, erklärt Whitmer: „Wenn sie meinem Zeugnis vom Buch Mormon glauben; wenn sie glauben, daß Gott zu uns drei Zeugen mit seiner eigenen Stimme sprach, dann sage ich ihnen, daß im Juni 1838 Gott wiederum mit seiner eigenen Stimme zu mir sprach und mir sagte, mich ’von den Heiligen der Letzten Tage zu trennen, denn was sie mir tun wollten, das soll ihnen geschehen.‘ Im Frühjahr 1838 verfielen die Führer der Kirche und viele Mitglieder in tiefe Fehler und Blindheit. Ich habe eine lange Zeit mit ihnen gekämpft, um ihnen die Fehler zu zeigen, in die sie abtrieben, und für meine Arbeit empfing ich nur Verfolgung.“

Dieses Zitat stellt eine Zwickmühle dar. Wenn wir Whitmers Zeugnis bezüglich seines Erlebnisses mit dem Engel und den goldenen Platten akzeptieren, dann müssen wir auch sein Zeugnis akzeptieren, daß Gott erklärte, die gegenwärtige Mormonenkirche sei in einem gefallenen Zustand. Die von ihm erhaltene Offenbarung zu verwerfen, die besagt, die Mormonenkirche verfiel seit 1838 ’in tiefe Fehler und Blindheit‘, hieße, man müsse sein Zeugnis vom Buch Mormon gleichermaßen verwerfen. Whitmer verbindet beide Ereignisse untrennbar miteinander.

Auch wenn die Mehrzahl der Zeugen des Buches Mormon ihr Zeugnis vom Buch selbst nie widerrufen haben, unterstützt das den Mormonismus heute nur wenig. Derzeitige Mormonenlehre über die Natur Gottes, das Priestertum, Nutzung von Tempeln, Taufe für die Toten und Menschen, die Götter werden, ist nirgends im Buch Mormon enthalten. 1847 war nicht ein einziger der noch lebenden der elf Zeugen Mitglied der Mormonenkirche. Fünf dieser Zeugen traten der Kirche Christi bei, die von William McLellin gegründet wurde, und Oliver Cowdery gab an, er unterstütze diese Gruppe, obwohl er ihr nicht beitrat. (D. Michael Quinn: The Mormon Hierarchy – Origins of Power, Signature Books, 1994, S.188). Wenn diese Männer heute leben würden, würden sie als Abgefallene bezeichnet werden, die dem Geist Gottes den Rücken wandten. Sie würden aus der HLT-Kirche ausgeschlossen werden und in die äußerste Finsternis verdammt werden, ganz gleich, ob sie noch an das Buch Mormon glaubten oder nicht.

Was sind die Fakten? Elf Männer behaupten, die Existenz der Platten zu bezeugen, von denen sie glaubten, sie seien die Quelle für das Buch Mormon. Drei dieser Männer gaben zu, die Erfahrung war subjektiv und visionär. Jeder der ersten drei Zeugen sah die Platten zum ersten Mal an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten. Die anderen acht Zeugen waren nah mit Joseph Smith verwandt, entweder durch Blut oder Heirat. Nur drei von ihnen behaupteten, etwas gesehen und angefaßt zu haben, das die Erscheinung von Platten aus Gold hatte, und konnten bezeugen, daß Joseph etwas hatte, was Platten mit Gravierungen glich, nachdem sie ihre Namen unter das Zeugnisdokument gesetzt hatten. Viele dieser Zeugen verließen Joseph Smith und die Organisation, die er gründete, und glaubten bestenfalls, daß er ein gefallener und falscher Prophet war. Joseph Smith selbst stellte den allgemeinen Charakter und die Verläßlichkeit mehrerer dieser Männer in Frage. Und das, obwohl sie enge Freunde und Verwandte von Joseph Smith waren.

Die geschichtlichen Fakten markieren einen weiteren Grundgedanken der mormonischen Geschichte, der von den HLT-Kirchenführern falsch dargestellt wird. Das Zeugnis der Zeugen wird im Ganzen als objektiv, zuverlässig und unwiderlegbar dargestellt, erweist sich aber bei näherer Betrachtung als subjektiv, vieldeutig und manchmal widersprüchlich. Die traditionelle Schilderung einer fest verknüpften Geschichte vom mormonischen Ursprung wird durch geschichtliche Belege langsam entwirrt, vieles davon wird jetzt in der Mormonengemeinschaft selbst gesammelt und veröffentlicht.

Anmerkung:

Eine weitere Grundlage der traditionellen Mormonengeschichte, die von der HLT-Kirche ernsthaft entstellt wird, hat mit der Entdeckung und Übersetzung der vermuteten goldenen Platten des Buches Mormon zu tun. Das Zeugnis derjenigen, die Joseph Smith am nächsten waren besagt einstimmig, daß Joseph die Platten während der Übersetzung niemals benutzte. Er nutzte seinen Seherstein in seinem Hut, um das Buch Mormon zu entdecken und zu übersetzen. (Richard van Wagoner & Steve Walker: Joseph Smith: 'The Gift of Seeing', in Dialogue: A Journal of Mormon Thought, Band 15:2, Sommer 1982, S.53) Wenn die Platten im Verlauf der Übersetzung nie genutzt wurden, warum braucht man dann Zeugen? Warum wird dann so viel Aufmerksamkeit auf die goldenen Platten gelenkt? Wir versuchen diese und damit verbundene Fragen auf der Seite mit dem Titel "Probleme mit der Geschichte des Buches Mormon" zu beantworten.

Beweist dies, daß die Platten ein echter geschichtlicher Gegenstand waren statt einer Fälschung von Joseph Smith? Nein. Die Zeugen konnten nur das Aussehen bezeugen, und Joseph Smith wurde später selbst mit gefälschten Platten im Kinderhook-Fall vorgeführt.

Übersetzt mit freundlicher Genehmigung von Eric A. Kettunen