Eine umfangreiche historische und wissenschaftliche Untersuchung des Buches Abraham und der Papyri, von denen der Text angeblich übersetzt worden sein soll.

Konnte Smith tatsächlich ägyptische Hieroglyphen entziffern, zu einer Zeit, wo die Ägyptologie noch in den Kinderschuhen steckte? Übersetzung oder Fantasiewerk Joseph Smiths? Um den Artikel besser verstehen zu können, vermittelt Ägyptologie Basics (web.archive.org) Grundlagenwissen darüber.

Einführung

Das Buch Abraham ist heute in die vier Standardwerke Heiliger Schrift integriert und findet sich wie bekannt in der „Köstlichen Perle“ wieder. Im Gegensatz zum Buch Mormon, von dem heute kein Original mehr vorhanden ist, stehen ein Teil der Papyri, die Joseph Smith für seine Übersetzung benutzt hat, zur Verfügung. Welche Aufregung diesbezüglich bei deren Wiederentdeckung vor einigen Jahren innerhalb der Kirche bestanden hat, kann man sich vorstellen. Meine Informationen zu diesem Thema entnehme ich größtenteils einem gut recherchierten Buch von Charles M.Larson.

Gleich zu Anfang möchte ich sagen, dass Larsons Buch ...by his own hand upon papyrus, von FARMS-Gelehrten heftigst kritisiert wurde. Interessant ist jedoch, dass der Ägyptologe und Mormone Dr. Stephen E. Thompson das Buch als das Beste bezeichnet hat, was es zum Thema gibt. Er machte folgende Aussage:

Meiner Meinung nach ist es die beste Quelle, zu der man gehen kann, wenn man wissen will, was es mit dem Buch Abraham auf sich hat ... Nichts, was von apologetischer Seite her geschrieben wurde, kommt ihm an Richtigkeit nahe...
Nun, ich sage ihnen, es ist weit mehr akkurat, als alles, was Hugh Nibley jemals zu dem Thema geschrieben hat...
Denn ehrlich gesagt, meiner Meinung nach, wenn man zu verteidigen beginnt, muss man die Beweise verdrehen. Das, was wir haben, unterstützt uns nicht. Man muss etwas dazu tun. Man muss es manipulieren, man muss es verändern man muss Zitate von oben und unten zusammenfassen und solche Dinge.

Wie alles begann

In einer für die Kirche sehr schwierigen Zeit geschah am 4. Juli 1835 in Kirtland, Ohio, etwas Aufregendes. Ein Ire namens Michael Chandler kam durch die Stadt und stellte vier ägyptische Mumien aus, die das Interesse der Mormonen in großem Maße weckten2. Die Mumien stammten ursprünglich aus einer Grabstelle, die sich entlang des Nils in der Nähe von Theben befand. Sie wurden von einem Grabräuber namens Antonio Lebelo in den frühen 20er Jahren des 19. Jahrhunderts exhumiert. Aber nicht nur die Mumien waren spektakulär, sondern vor allem die Papyri mit altertümlichen Schriftzeichen, die sich bei den Mumien befanden. Man berichtete Herrn Chandler von Joseph Smith, der in Lage sein sollte, alte Schriften zu übersetzen. Chandler willigte freudig der Einladung ein, die Schriftstücke dem Propheten zur Einsicht zu zeigen. J. Smith erklärte sodann, dass er in der Lage sei, eine Übersetzung vorzunehmen, auch wenn dies einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Die Heiligen kauften dann auch für einen hohen Betrag die gesamte Ausstellung von Herrn Chandler ab3. Die Fähigkeit Joseph Smiths, alte Schriften zu übersetzten, wurde zu dieser Zeit von nicht wenigen – innerhalb und außerhalb – in Frage gestellt. Um so mehr stand nun die Überzeugung im Vordergrund, dass sich diese Fähigkeit jetzt allen offenbaren würde. Die Aufregung war groß, als sich herausstellte, dass es sich bei den Papyri um Schriftstücke handelte, die von Abraham, als auch von Joseph von Ägypten verfasst worden sein sollten.

Joseph Smith schrieb:

...gemeinsam mit W.W.Phelps und Oliver Cowdery als Schreiber, führte ich die Übersetzung einiger der Schriftzeichen oder Hieroglyphen fort. Sehr zu unserer Freude fanden wir heraus, dass eine der Rollen die Aufzeichnungen Abrahams und die andere die von Joseph von Ägypten enthielten, etc. – ein vollständigerer Bericht wird zu seiner Zeit erscheinen, wenn ich damit fortfahre, sie zu entziffern...

Oliver Cowdery berichtete folgendes:

Zum Thema des Ägyptischen Berichts, oder besser die Aufzeichnungen von Abraham und Joseph, möchte ich folgendes sagen. Dieser Bericht ist wunderschön auf Papyrus geschrieben mit schwarz, und ein kleiner Teil rot, Tinte oder Farbe, vollkommen erhalten.

Die Übersetzungsarbeit ging so voran, wie es die Zeit erlaubte und zwar mit dem Teil, der als die Aufzeichnungen Abrahams benannt wurde.

Neben der eigentlichen Übersetzungsarbeit, arbeitete Joseph Smith zusätzlich noch an einem Alphabet und einer Grammatik der ägyptischen Sprache. Dies war allerdings nicht das erste Werk dieser Art. Andere hatten schon Jahre vor ihm damit begonnen. Joseph Smiths Zeitgenossen waren erstaunt und kamen in Scharen, um diese wundersamen Dinge zu sehen und die Reputation des Propheten wuchs und damit auch die Sicherheit, dass er das Buch Mormon wirklich übersetzt haben konnte. Die Übersetzung wurde aber anscheinend nie fertiggestellt, da der Bericht plötzlich inmitten der Garten-Eden-Geschichte endet.

Joseph Smith hatte den Schreibern von Anfang an offenbart, dass es sich bei dem Papyrus um eine erweiterte Version des Genesisberichts vom Leben Abrahams handele und das Mose sich bei seinem Bericht auf diesen bezog. Dies würde bedeutet, dass der Abraham Papyrus ca. 500 Jahre älter sein müsste, als das erste Buch in der Bibel, da Abraham ca. 2000 v. Chr. lebte und Mose etwa um 1440 v. Chr. Dies lässt sich auch daran erkennen, was in der heutigen Einleitung zum Buch Abraham steht:

Eine Übersetzung von alten Aufzeichnungen, die aus ägyptischen Grabstätten stammen und in unsere Hände gelangt sind. – Die Schriften Abrahams aus der Zeit, da er in Ägypten war, das Buch Abraham genannt, von ihm mit eigener Hand auf Papyrus geschrieben.

Also hatte Abraham diesen Bericht selbst in Ägyptisch auf das Papyrus geschrieben. Die Schreiber des Propheten füllten beinahe zehn Manuskriptseiten mit den Übersetzungen, die in einer Spalte rechts neben den handschriftlich dargestellten Hieroglyphen standen (siehe Abbildungen zum Buch Abraham).

Die Übersetzung fand in zwei voneinander getrennten Perioden statt, mit einer Unterbrechung von mehreren Jahren, wobei einige offene Fragen, in bezug auf neue und von vielen in Frage gestellten Lehren des Propheten, mit dem Inhalt des Buches beantwortet wurden. Demnach war es eine Sensation, als die erste Veröffentlichung in Times and Seasons im März 1842 erschien. Nach dem Tod Joseph Smiths spaltete sich die Kirche in diverse Gruppierungen, von denen die größte die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist. Während andere das Buch Abraham und die damit verbundenen Lehren (Priestertum, Vorherdasein, Ewiger Fortschritt, u.a.) verwarfen, hielten die Anhänger Brigham Youngs daran fest, war es doch die Grundlage für viele, wichtige Lehren der Kirche (und übrigens auch die einzige Quelle, die besagt, dass Schwarze kein Priestertum empfangen dürfen. Siehe Kapitel 1:21,26,27).

1880 wurde das Buch Abraham in einer halbjährigen Generalkonferenz offiziell in den Kanon der Heiligen Schriften der Kirche integriert und bestätigt. Seither ist das Buch ein genauso wichtiger Bestandteil der Lehre der Heiligen, wie zu Zeiten Joseph Smiths. Bruce R. McConkie erwähnt dazu:

...es enthält unbezahlbare Informationen über das Evangelium, die Präexistenz, die Natur Gottes, die Schöpfung und das Priestertum – Informationen, die in keiner uns jetzt bekannten Offenbarung zu finden sind.

Die Zeiten ändern sich

Bis das Buch Abraham 1880 offiziell von der Kirche anerkannt wurde, vergingen fast vierzig Jahre, in denen der Rest der Welt nicht still stand. Nach vielen Jahren harter Arbeit und Studien am „Stein von Rosetta“ und anderen Quellen, waren Gelehrte plötzlich in der Lage, die ägyptischen Hieroglyphen zu entziffern und Texte der antike Sprache so zu übersetzen, wie man es vom Griechischen oder Hebräischen her kannte. In der Abgeschiedenheit des Salzseetales blieben solche Entdeckungen zunächst ohne großen Einfluss auf die Kirche. Die Mitglieder folgten ihren Führern und man hatte seinen eigenen Lebensweg gefunden. Die Papyri gelangten in die Hände von Emma Smith, die Frau des Propheten, die sich weigerte mit Brigham Young zu gehen und in Nauvoo verblieb.

1856, etwa fünf Jahre nachdem die „Köstliche Perle“ in England gedruckt wurde, gelangte ein Exemplar davon in das Louvre nach Paris. Dort wurden die Faksimile, zusammen mit den Erklärungen von Joseph Smith von Theodule Deveria untersucht, der selbst einer der Pioniere in dem Gebiet der Ägyptologie war. Er wurde gebeten, einige Kommentare dazu zu geben.

Deveria fand heraus, dass es sich hier um ein ägyptisches Totendokument handelte und fand sogar den Namen des Verstorbenen heraus. Sein Name war „Horus“. Weiterhin konnte er die Namen und Titel einiger ägyptischer Götter herausfinden. Deveria bezeichnete die Erklärungen Joseph Smiths als kompletten Unsinn. Seine Kommentare erschienen 1860 in Frankreich und später in England. Nun drangen auch die ersten Informationen zu den Heiligen durch. Spätestens 1873, als Deverias Studien auch in Amerika veröffentlicht wurden und großes Interesse weckten, war die Kirche offiziell zu einer Stellungnahme gezwungen. Die Kirche lehnte die Studien mit der Begründung von mangelnder Vollmacht und Einsicht ab und unterstrich die Echtheit des Buches Abraham.

1912 sandte Reverend Franklin Spalding, Utah, die Faksimile zu einigen der führenden Ägyptologen der Welt. Die Ägyptologen waren sich einig, dass „Joseph Smiths Interpretationen der Faksimile, Unsinn von Anfang bis zum Ende sind “, und „dass Joseph Smith völlig unerfahren und absolut unwissend, selbst mit den einfachsten Tatsachen der ägyptischen Schriften und Zivilisation, war “. Die Papyri stellten sich als ganz gewöhnliche Totenrollen der Ägypter heraus. Von all dem wollte die Kirche aber nichts wissen und dementierte diese Aussagen als ungültig und hob hervor, dass eine faire Interpretation nur mit den Originalpapyri gewährleistet sein kann. Doch dies schien unmöglich, da die Papyri längst verschwunden waren und angenommen wurde, dass diese 1871 bei dem großen Chicago Feuer zerstört wurden. Aber dann...

Die Papyri werden wiederentdeckt

1966 machte Professor Aziz S. Atiya im New Yorker Metropolitan Museum eine phantastische Entdeckung. Er fand eine Sammlung von 11 ägyptischen Papyri, die im 19 Jahrhundert auf Papier geklebt worden sind, um diese zu bewahren. Obwohl Dr. Atiya kein Mormone war, fiel ihm eine der Abbildungen sofort auf. Er hatte diese schon einmal in der „Köstlichen Perle“ gesehen. Die Papyri wurden 1967 der Kirche übergeben und sorgten für eine ungeahnte Aufregung und Begeisterung unter den Mitgliedern der Kirche. Es konnte keinen Zweifel daran geben, dass es sich hier um die Originalpapyri von Joseph Smith handelte. Die Abbildung die Faksimile Nr.1 war wie ein flammendes Banner zu sehen und die Rückseite des Papiers, auf die die Papyri geklebt waren, enthielten architektonische Zeichnungen von Kirtland und dessen Tempel. Die Kirchenmitglieder erhofften sich nun, dass ein für alle mal bewiesen werden würde, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes war und dass die vorangegangenen Vorwürfe, in bezug auf die Faksimile, verworfen werden würden. Außerdem wurde erwartet, dass eine der größten Gaben, die Gott den Menschen je gegeben hat, nämlich die Vollmacht eines Sehers, alte Schriften zu übersetzen, zum Vorschein kommen würde.

Leider war Präsident David O. McKay zu dieser Zeit alt und sehr krank und daher nicht in der Lage, eine solche Arbeit zu tun. Die Mitglieder waren zunächst enttäuscht, als die übrigen Brüder, die ja alle gemeinsam die selben Schlüssel inne hatten, die Papyri an die besten Gelehrten der BYU weiterreichten. Vor einer wissenschaftlichen Analyse, wäre die Aussage eines Sehers über die Authentizität und den Inhalt der Papyri sicher interessant gewesen. Doch die Erwartung einer großen Entdeckung ließen die Enttäuschung bald schwinden.

Diese Abbildung zeigt einen Teil der Papyri, die vom Buch Abraham stammen sollen.

Bekannt als Papyri I und XI. Alle elf Fragmente der Papyri wurden im Februar 1968 in der Improvement Era abgebildet, die etwas 1/3 der von Joseph Smith besessenen Papyri ausmachen sollen. Der Glaube der Mitglieder erfuhr eine enorme Stärkung durch diese Veröffentlichung.

Manuskripte, Alphabet und Grammatik

Der Leser mag sich daran erinnern, dass Joseph Smith außer der Übersetzung der Papyri auch noch an einem Alphabet und einer Grammatik arbeitete. Was war damit geschehen und wären diese Dokumente nicht auch ein zusätzlicher Beweis für Josephs Gabe? Für lange Zeit waren diese Dokumente im Kirchenarchiv in Vergessenheit geraten, bis einige Gelehrte, darunter Dr. Sperry, diese 1935 entdeckten. Die Entdeckung wurde jedoch nicht bekanntgegeben und für viele Jahre wurde nur ausgewählten Gelehrten und Autoritäten Zugang gewährt.

Bis 1965 dann eine Kopie des Mikrofilms der Dokumente aus den Archiven der Kirche „ geschmuggelt “ und an Jerald und Sandra Tanner weitergegeben wurde, die diese ans Licht brachten. Die Untersuchung des Materials von professionellen Ägyptologen ergab, dass die Arbeiten in keinster Weise etwas mit korrektem Verständnis der ägyptischen Sprache zu tun hatten. I.E. Eduards bemerkte, dass die gesamte Arbeit „im ganzen ein Stück Phantasie sei und in jeder Hinsicht an wissenschaftlichem Wert mangelt“.

Gegenwärtig gibt es vier bekannte originale Buch-Abraham-Manuskripte. Darunter die beiden, die als Alphabet und Grammatik bekannt sind –

Manuskript 1:
Zehn Seiten lang und enthält die Übersetzung von Abr. 1:1 – 2:2. Enthält Teile des Manuskripts 3. Linke Spalte ägyptische Zeichen, rechte Spalte Übersetzung Joseph Smiths mit Handschrift seines Schreibers.

Manuskript 2:
Gehört zu Alphabet und Grammatik. Vier Seiten lang und enthält die Übersetzung von Abr. 1:4 – 2:6. Linke Spalte ägyptische Zeichen, rechte Spalte Übersetzung Joseph Smiths mit Handschrift seines Schreibers.

Manuskript 3:
Gehört zu Alphabet und Grammatik. Sechs Seiten lang und enthält die Übersetzung von Abr. 1:1 – 2:2. Linke Spalte ägyptische Zeichen, rechte Spalte Übersetzung Joseph Smiths mit Handschrift seines Schreibers.

Manuskript 4:
Vierzehn Seiten lang. Enthält die Übersetzung von Abr. 1:1 – 2:18 und 3:18 – 3:26. Beinhaltet keine ägyptischen Zeichen. Dies ist wahrscheinlich der Text, der 1842 in der Times and Season gedruckt wurde. Abbildung 4.2.2 zeigt Seite vier des Manuskripts 1.

Bislang konnte nur das Faksimile 1 auf Papyrus I als Hinweis auf das Original des Buches Abraham gewertet werden (Abbildung ganz oben). Doch wie sah es mit den Texten aus? Nach eingehenden Untersuchungen stellt man plötzlich fest, dass die Reihenfolge der Hieroglyphen auf Papyrus XI mit der Reihenfolge derer auf den Manuskripten übereinstimmte. Man hatte nun zumindest einen Teil der ursprünglichen Quelle des Textes auf einem der Papyri gefunden!

Quelle: Mormonismus, Zwischen Wahrheit und Wirklichkeit

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