Auf meinem Weg, den ich eingeschlagen habe, um mich von der Sekte der Zeugen Jehovas zu trennen, habe ich in den letzten Wochen beträchtliche Fortschritte gemacht.

Wenn ich bedenke, wie ich Anfangs im InfoLink-Forum geschrieben habe, wie sehr ich mich vor einem Ausschluss fürchten würde und wie ich heute darüber denke, da sind Welten dazwischen.

Damals, Anfang September schrieb ich meine erste eMail an eine Person, die sich mir als Hilfe beim Ausstieg anbot, folgendes:

Ich befasse mich seit einigen Monaten mit dem Gedanken, aus der Organisation der ZJ auszusteigen. Ich bin seit nun etwa 2 Monaten absolut untätig, nachdem ich in letzter Zeit viele Dinge hinterfragt habe und auf Verlogenheiten gestoßen bin.

Was hindert mich an diesem Schritt? Natürlich mein schlechtes Gewissen. Mein Problem ist es, dass ich in meiner Jugend schon einmal ausgeschlossen war und daher weiß, wie schmerzlich es ist, von "Freunden" wie eine Aussätzige behandelt zu werden. Noch einmal möchte ich dies nicht erleben. Aber ich hege "abtrünniges" Gedankengut und müsste daher, sollte dies die Gesellschaft mitbekommen, ausgeschlossen werden.

Außerdem bin ich absolut nicht mit der Handhabung der Blutfrage einverstanden. Mich würde nun eine Diskussion über dieses Thema sehr interessieren. Vielleicht könnte mir auch jemand, der ähnliche Gedanken gehegt hat, weiterhelfen.

So jedenfalls kann ich nicht weitermachen. Das schlechte Gewissen frisst mich fast auf. Übrigens habe ich Angst davor, in einen Strudel von Gegnern gezogen zu werden. Das möchte ich nicht, zumal ich finde, dass auch die ZJ ihre guten Seiten haben. Ich wäre aber gerne bereit, näheres über meine Geschichte zu erzählen.

Heute sieht es wie folgt aus in mir: Durch die vielen Bücher, die Hinweise im Forum und die Mails die ich erhalten habe, bin ich heute der festen Überzeugung, dass die Lehre der Zeugen Jehovas, wie sie heute gelehrt wird, falsch ist aus biblischer Sicht. Es ist Gesetzeswerk, das Jesus schon den Juden vorgeworfen hatte. Wenn ich Jehova diene, dann will ich das aus freien Stücken und auf meine Weise tun, und mich nicht nach Paragraphen richten. Außerdem weiß ich heute, dass es überall, in jeder Gesellschaftsform, Menschen gibt, die Jehova als gerechte Menschen anerkennen wird. Das hängt aber in keiner Weise davon ab, ob man sich in einer einer von Menschen zusammen geschusterten Organisation befindet oder ob nicht.

Was ist geschehen?

Ich habe seit Jahren zwei Freundinnen aus meiner früheren Versammlung. Wir haben gemeinsame Ferien verbracht, haben uns gegenseitig durch dick und dünn geholfen. Mal war die eine in einem Tief, dann haben wir anderen sie wieder aufgebaut, dann war wieder die nächste dran und so weiter.

Aufgrund von ehelichen Krisensituationen kamen schwierige Zeiten auf alle drei zu. Meine beiden Freundinnen fielen jeweils in so tiefe Depressionen, dass sie beide Selbstmord begehen wollten. Beide kamen in eine Klinik. Aus gewissen Ängsten heraus zog ich mich von den beiden etwas zurück, denn ich wollte nicht auch herabgezogen werden. Aber die Freundschaften fehlten mir zunehmend.

Dann geschah das Unfassbare. Die Eine ließ sich von ihrem Mann scheiden und gab aufgrund unmöglicher Vorkommnisse innerhalb der Versammlung den Austritt aus der Gemeinschaft bekannt. Ich trauerte unserer Freundschaft zutiefst nach. Kürzlich traf ich sie zufällig. Mir war klar, dass ich sie begrüßen würde. Spontan ging ich auf sie zu und umarmte sie. Da war dieses innige Gefühl wieder da! Meine Schwester, meine Freundin war wieder da! Wir verabredeten uns und so trafen wir uns häufiger. Auf die Frage, ob mir das denn nichts ausmachen würde, wenn mich jemand aus der Versammlung erwischt antwortete ich jeweils mit: Das ist mir egal. Ich lasse mir meine Freundin nicht wegnehmen.

Die andere Freundin suchte auch immer mehr wieder den Kontakt zu mir, nachdem sie aus der Klinik entlassen wurde. So wurden wir wieder das Dreier Team, das durch dick und dünn geht. Nun geschieht gerade jetzt in diesen Tagen ein weiteres Mal das Unfassbare. Diese zweite Freundin hat durch die ganze Maschinerie mit Psychologen, Ärzten und Ältesten den Glauben an die Wachtturm-Gesellschaft völlig verloren und wird in den nächsten Tagen ebenfalls ihren Austritt bekannt geben. Unsere Freundschaft wird also erneut auf die Probe gestellt. Sie hat mit mir alles durchgesprochen und ich habe ihr zugesichert, zu ihr zu halten, so wie ich auch zu der anderen halte.

Nun arbeitet es natürlich in meinem Schädel. Es kommt der Tag, an dem man uns zusammen sehen wird. Unsere Stadt ist klein! Was ist mir nun das Wichtigste? So habe ich mir nun folgende Vorgehensweise vorgenommen: Nachdem meine zweite Freundin ihren Austritt offiziell bekannt gegeben hat, werde ich einige Zeit zuwarten und versuchen herauszufinden, ob über mich spekuliert wird. Ich habe ja noch gewisse Verbindungen. Sollte dies der Fall sein, werde ich an die Ältesten einen Brief schreiben, indem ich erkläre, dass es wahr sei, dass ich mit diesen beiden Ausgeschlossenen meine Freundschaft weiterhin pflege und nicht beabsichtige, dies zu ändern. Sollte dies für sie ein Problem sein, so müssten sie mich ausschließen. Ich bereue nichts und werde nichts Gegenteiliges tun.

Wenn dies dann schließlich zu einem Ausschluss führt, werde ich den anderen Geschwistern, die im Moment noch zu mir halten, schreiben, dass ich aufgrund der Tatsache ausgeschlossen wurde, weil ich nicht bereit war, meine zwei besten Freundinnen zu verlassen, nur weil sie sich von der Organisation zurückgezogen haben.

Das wird bestimmt einige aufwühlen, da ich sehr beliebt bin und einige bestimmt nicht begreifen werden, warum die Gesellschaft solch unmenschliches von uns erwartet.

Was ist sonst so alles passiert?

Ich habe meinen Lehrgang begonnen. Die Schule ist sehr streng aber sie bringt mich weiter. Ich setze sehr viel Zeit im Moment für diesen Lehrgang ein, daher habe ich wenig Zeit fürs Forum. Ich lese zwar einmal pro Woche die Postings in einigen Themen durch, aber zum Schreiben komme ich nicht.

In meiner Familie und im Geschäft läuft alles rund. Immer auf Draht, immer auf Zack. Das gefällt mir! Ich bin jetzt in der Gemeindebehörde in eine Arbeitsgruppe gewählt worden, in der wir eine Analyse der momentanen Gemeindeordnung machen, um dann in einer zweiten Phase eine neue Strategie entwickeln zu können. Unsere Gemeinde hat eine sehr hohe Steuerlast und bietet nicht viel an Infrastruktur (keine Einkaufsmöglichkeiten im Dorf etc). Auch diese Tätigkeit verlangt meine Zeit und meinen Einsatz.