Enttäuscht von den beiden konfessionellen Kirchen haben meine Frau und ich uns im Alter von ca. 20 Jahren auf der "Suche" nach der "wahren Religion"gemacht. Auch die Gespräche und diverse Erfahrungen mit Gläubigen anderer Konfessionen waren nicht gerade das, was wir uns unter "Religion"vorstellten.

Ein befreundetes Ehepaar besprach zur gleichen Zeit mit Zeugen Jehovas ein von der Wachtturm - Bibel und Traktat - Gesellschaft herausgegebenes Buch mit dem verheißungsvollen Titel: "Wahrer Friede - woher zu erwarten". Das war auch für uns sehr ansprechend, zumal die Zeugen immer wieder Bibelstellen anführten, die die Buchaussagen untermauerten. Bald darauf "studierten" auch wir diese Buch sowie ein weiteres, das uns schließlich überzeugte, daß die Religion der Zeugen Jehovas die "wahre Religion" war. 1978 symbolisierten wir unsere Zugehörigkeit durch eine "Wassertaufe". Wir waren gern bereit, wie alle Zeugen Jehovas, mit anderen Menschen über die "Wahrheit" zu sprechen und sie ebenfalls für die Zeugen zu gewinnen. Weil auch wir wirklich von der Sache überzeugt waren, machte es uns nichts aus, in den Predigtdienst, so nennen ZJ ihren Gottesdienst, sowie zu den Versammlungs - Zusammenkünften und zu den Kongressen der ZJ zu gehen.

Wie alle ZJ vertraten wir die Ansicht: "Wir tun alles für unseren Gott, Jehova". Trotz mancher Anstrengung und Entmutigung, die mit unserem Predigtdienst und den anderen Aktivitäten als ZJ verbunden waren, bemühten wir uns, das "Beste" daraus zu machen. Aber leider war es nicht das "Beste" für die Brüder; vor allem nicht für die Verantwortlichen der Ortsversammlung, der wir über 21 Jahre lang angehörten. Sehr langsam, fast unmerklich, spürten wir, daß die Anfangs entgegengebrachte Herzlichkeit, in erster Linie von den Verantwortlichen, später auch von vereinzelten "gewöhnlichen ZJ" einer Distanz wich. So erinnern wir uns an die müßigen Diskussionen zum Thema: Kindergarten, Bart, Beruf, Sport, Hobbys und andere persönliche Angelegenheiten, die eher eine persönliche Einstellung der Verantwortlichen der WTG ist, als das die Bibel definitiv einem Christen etwas über diese Dinge sagt.

So merkten wir allmählich, daß es unmöglich ist, bei den ZJ eine persönliche Meinung zu vertreten, die nicht 100, ja 200 Prozent konform mit den Ansichten der WTG übereinstimmt. Es hat mehr als 21 Jahre gedauert, bis wir uns von dieser Organisation, von der wir annahmen, daß sie die "Wahrheit" vertritt, getrennt haben bzw. trennen konnten. Es ist nicht so einfach, sich von dieser Organisation zu trennen, denn zwischenzeitlich hat man seinen Bekanntenkreis fast ausschließlich auf ZJ beschränkt. Aufgrund der WTG-Doktrin, daß alle Menschen, die nicht zu den ZJ gehören, zu Satans bösen Welt gehören, sind Freundschaften mit "Weltmenschen" eher selten.

Hinzu kommt, daß man von den ZJ als "Ausgeschlossener", als "Abtrünniger", der bald mit Satan untergeht, angesehen wird. Glaubensbrüder werden angehalten, ab sofort keinen Kontakt mehr mit dem "Abtrünnigen" zu haben, Familienmitglieder, die noch bei den ZJ bleiben, wird geraten, den Kontakt nur bis auf das notwendigste zu halten, ja, wenn herauskommt, daß ein ZJ noch Umgang mit einem "Abtrünnigen" oder "Ausgeschlossenen" hat, wird vor einem "Rechtskomitee" der ZJ zur Verantwortung gezogen und ermahnt, und wenn er nicht einsieht, den Kontakt abzubrechen, wird er ebenfalls von der Gemeinschaft ausgeschlossen.

Mitte 1998 haben meine Frau und ich unsere Religionszugehörigkeit durch viele negative Erfahrungen bei den ZJ auf dem Prüfstand gestellt. Wir haben, ohne anderen etwas davon zu erzählen, den "Sektenreport", ein Aufklärungsbuch v.U. Rausch gelesen, sowie ein Buch von einem ehemaligen Mitglied der leitenden Ver-antwortlichen, der viele Jahre lang in der "Weltzentrale" der ZJ in New - York diente. Parallel haben wir viele Informationen aus dem Internet erhalten. Jetzt wissen wir, warum die WTG vor diesen Büchern und dem Internet warnt: Hier erfährt man unverblümt mit voller Wucht die eigentliche "Wahrheit über die Zeugen Jehovas".

Wir sind unserem Schöpfer dafür dankbar, daß wir in all den Jahren unsere Toleranz und Akzeptanz gegenüber allen Menschen, egal welcher Religion, Glaube, Nationalität oder Rasse trotz WTG-Doktrin und WTG-Intoleranz bewahren konnten. Auch wenn uns diese individuelle, gleichzeitig aber auch "normale Einstellung" viele Jahre lang das Leben schwer gemacht hat, können wir bestätigend aus dieser Erfahrung lernen: Religion, Glaube, Spiritualität ist eine völlig individuelle Angelegenheit zwischen dem einzelnen Menschen und seinem Schöpfer, Gott, die völlig frei von jeder menschlich geführten Organisation und deren Herrschaft sein sollte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

D. + J. Moeller