Ich heile die Wunden, sagt die Zeit.
Ich glaub ihr nicht, geduldig wartet sie
und schlägt dann zu
und bringt ihn immer wieder
den neuen alten Schmerz.Beate Palfrader

Ja, dieser Spruch spiegelt mein Leben wieder.

Denn ich bin schon seit 35 Jahren von den Smiths Freunden ausgetreten und habe erst jetzt meine Demütigungen und tiefen Verletzungen aufgearbeitet. Ungefähr 12 Jahre war ich als Kind und Jugendliche bei den Smiths Freunden. Bis jetzt habe ich keinen Kontakt zu anderen Aussteigern gehabt, darum war ich mit meinen Problemen, Ängsten und Sorgen ganz allein. Ich wollte keine Schwäche zeigen, denn es wurde mir ja vorausgesagt, dass es mir in der Welt schlecht gehen wird. Mein Stolz war zu gross um jemanden mein Leid zu erzählen.

Ich war 19 Jahre alt, als ich die Smiths Freunde wegen ganz gemeiner und ungerechter Demütigungen, Vorurteile und Verdächtigungen verlassen habe. Es handelte sich um eine „Romeo und Julia“ Geschichte die den Smiths Freunden nicht gefallen hat.

Ich war jung, wollte bei den Smiths Freunden bleiben und hatte eine konkrete Vorstellung von meiner Zukunft. Bis mir in einem Brief vom „Romeo“ mitgeteilt wurde, dass seine Mutter zu ihm sagte, er soll die Finger von mir lassen, denn ich habe Augen wie eine Hure (ich habe wunderschöne blaue Augen). Zu meiner Selbstverteidigung muss ich gleich sagen, dass ich damals 19 Jahre alt und noch unschuldig und sehr gläubig war. Mein einziger Makel, wenn man es so überhaupt nennen kann, war meine Eitelkeit und ich war ein wenig hübsch. Wenn ich aber meine Fotos von damals ansehe, dann sehe ich trotzdem wie ein frommes und züchtig gekleidetes Mädchen aus.

Heute schauen die Mädchen viel moderner und selbstbewußter aus, auch in der Gemeinde. Jeder von euch kann sich sicher vorstellen, dass man mit solchen gemeinen Äußerungen, die ich ab diesen Zeitpunkt im Hinterkopf hatte, nicht mehr bei den Smiths Freunden leben konnte.

Dieser Satz hat mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt und ich bin verzweifelt und schwer enttäuscht in die Welt gegangen. Meine Mutter hat mich vorher noch fast krankenhausreif geschlagen - zu meiner schweren Demütigung noch dazu. Keinem habe ich von diesem Brief und der gemeinen Äußerung erzählt, weil ich nicht wollte, dass irgend jemand über „Romeo“ und seine Mutter schlecht denkt, denn ich habe ihn ja ehrlich aus reinem Herzen geliebt. Er hat mich auch ehrlich geliebt, aber ihr wisst ja, wie starke Mütter in der Gemeinde ihre Kinder beeinflussen können. (Aber ihr Sohn ist anschliessend auch in die Welt gegangen. Als er erfuhr, daß ich ohne weitere Worte, mit ihm Schluss gemacht habe, hatte er mit dem Motorrad einen schweren Unfall, auch dafür wurde ich verantwortlich gemacht)

Lieber durften alle Gemeindemitglieder über mich schlecht denken, denn sie glaubten alle, ich bin einfach aus freiem Willen und wegen einem weltlichen Jungen von den Smiths Freunden weg gegangen. Mein psychisches Leiden war sehr groß, aber ich lächelte immer und zeigte allen, wie gut es mir geht. In Wirklichkeit habe ich 25 Jahre heimlich geweint, dabei ging es mir noch relativ gut.

Als ich zu weinen aufhörte, bekam ich Depressionen, als ich die Depressionen im Griff hatte, machte meine Seele zu. Ich funktionierte nur noch ohne wirklich am Leben teilzunehmen oder ernsthaftes Interesse zu zeigen. Meine Worte wurden immer karger und weniger und kürzer. (Aber äußerlich war ich immer ein fröhlicher Mensch.) Eigentlich dachte ich mir still und leise nur, es kann eh nicht mehr lange dauern - mein Leben.

Bis mich dann ein fremder Mensch auf mein Verhalten aufmerksam machte und mit seiner Neugierde und hartnäckigem Interesse an so einem komischen Menschen wie mir nicht locker ließ. Ich wurde wieder wachgerüttelt und meine Seele begann zu schreien, es ging mir wieder ganz schlecht. Da wußte ich, ich muss meine Vergangenheit aufarbeiten. Auch wenn es nach 35 Jahren sehr lächerlich auf andere Personen wirkt.

Zufällig entdeckte ich die Internetseite von Herrn Griess. Es war einfach Gottes Wille, dass ich meine Vergangenheit aufarbeite und mein Schweigen breche. Ihr alle habt mir sehr viel geholfen, ganz besonders Herr Griess. Ich war sehr erleichtert, als ich merkte, ich bin nicht die Einzige, die geschädigt wurde und ich bin nicht schwach, wenn ich rede. Ich habe die erste Zeit meine Badewanne vollgeweint und es hat mir sehr gut getan.

Anschließend habe ich an die Smiths Freunde eine E-Mail geschrieben mit dem Thema „meine Seele schreit“ - will sich befreien. Ich habe Brüder und Schwestern beim Namen genannt und angeklagt. Ich habe erzählt, warum ich wirklich in die Welt gegangen bin und wie sehr ich gedemütigt wurde. Ich habe vertraut, ich habe geglaubt und sie haben mich verraten. Sie waren Verräter an meiner Person, an meinem Glauben, meiner Hoffnung und meiner Liebe. Ja, ich fühlte mich sehr mutig und stark. Die Kraft dazu bekam ich sicher von Gott, denn er hat mich nie verlassen.

Ihr werdet staunen, wenn ich euch erzähle, dass nach 35 Jahren ein Anruf von dem damaligen Gemeindeleiter kam. Er entschuldigte sich bei mir und sagte, dass es ihm sehr Leid tut, dass es mir noch immer schlecht gehe. Gerechtigkeitshalber muss ich auch erwähnen, dass dieser Leiter mich nicht gedemütigt hat, aber er hat vieles über mich hinter meinem Rücken erzählt und über mich entschieden, ohne mit mir ein Wort zu reden. Ich war einfach ein Nichts und Niemand bei den Smiths Freunden. Auf jeden Fall habe ich das Gefühl gehabt.

Aber ich warte noch immer auf eine Entschuldigung von der Mutter von „Romeo“. Denn ich habe sie beim Namen genannt und eine Entschuldigung gefordert. Sollte sie es nicht tun, ist es mir auch egal, denn allein mein Mut, dies öffentlich zu machen, hat mir schon sehr geholfen und ich fühle mich sehr befreit. Es ist mir ganz egal, was alle denken. Ich habe einmal im Leben nur alleine an mich gedacht und für mich etwas Gutes getan und ich bin sehr stolz auf mich.

Dies erzähle ich euch, um allen Mut zu machen, jetzt wo die meisten von euch noch sehr jung sind, schon alles aufzuarbeiten. Denn durch Schweigen wird nichts besser und verdrängen ist nur ein Aufschieben und nicht Aufarbeiten. Wunden die nicht gereinigt wurden, können nicht heilen, auch nicht durch die Zeit. Sollte die Zeit doch Wunden heilen, dann sind es gereinigte Wunden. Reinigen ist für mich reden und zwar dort wo die Wunden entstanden sind. Diese Weisheit habe ich erst nach 35 Jahren erfahren. Bitte wartet ihr jungen Menschen nicht solange, denn das Leben kann schön sein, wenn man es bewusst und mutig lebt und erlebt.

Hier möchte ich noch zum Abschluss meinen letzten Bibelvers schreiben den ich vor 35 Jahren gelesen habe.

Hesekiel 11 Vers 19: „Und, ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben und will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben.“

Ja, dies wünsche ich mir für manche Herrscher von den Smiths Freunden.

So nun will ich meine Geschichte beenden. Bitte ich will kein Mitleid, denn genau aus diesem Grund habe ich jahrelang geschwiegen.

Liebe Grüße an euch

COROREMA (CORA)