26 Jahre lang ordnete sich Gaby L. den vielen Verboten der Zeugen Jehovas unter
Den 15. Mai 1998 wird Gaby L. (32) aus Heilbronn nie vergessen. Sie war 26 und feierte das erste Mal ihren Geburtstag. Auch Weihnachten erlebte sie mit 26 Jahren zum ersten Mal. Sie erklärt: "Mein Vater und meine Mutter waren strenge Zeugen Jehovas. Also war klar, dass auch ich der Sekte angehörte. Diese beiden Feste werden als heidnisch abgelehnt."
Ihre Eltern erzogen sie und ihre Schwester Heike (30) streng nach den Regeln der Religionsgemeinschaft. "weil Eltern nach der Bibel ihre Kinder züchtigen sollen, prügelten sie uns oft." Von allem, was Kindern Freude bereitet, wurde Gaby fern gehalten. "Ich durfte weder zu Kindergeburtstagen noch zu Weihnachtsfeiern." Oft hätte sie lieber mit ihren Schulkameradinnen gespielt, statt mit ihren Eltern die Versammlungen zu besuchen. "Dort lernte ich schon als Kind, fremden Menschen an der Haustür in fünf Minuten zu erzählen, was alles Schlimmes mit ihnen passiert, wenn sie nicht schnellstens zu uns überwechselten. Sie würden vernichtet werden."
An den vielen Verboten der Glaubensgemeinschaft wäre Gaby sogar fast gestorben. Als sie mit elf Jahren wegen einer schlimmen Darminfektion im Krankenhaus lag, sagte sie den Ärzten: "Lieber sterbe ich, als dass ich eine Blutkonserve annehme."
Nach der Lehre der Zeugen ist Blut heilig und darf nicht verunreinigt werden.
Gaby langweilte sich in ihrer Ehe
Mit 21 Jahren stürzte sich Gaby in ihre erste Ehe. "Ich war zunächst verliebt, aber wir lebten ein langweiliges Leben." Gaby wurde schnell klar, dass ihr Mann überhaupt nicht zu ihr passte: "Ich war sportlich und intelligent, er war dagegen sehr einfach. Ich fühlte mich einsam und ertränkte meine Sorgen im Alkohol." Sie beschloss: Nicht nur von ihrem Mann wollte sie sich trennen, sondern auch von den Zeugen Jehovas. "Ein Zeuge darf nur wieder heiraten, wenn der Partner untreu war. Deshalb ging ich dieses eine Mal fremd - damit mein Mann sich nach der Scheidung eine neue Frau suchen durfte." Nach der Trennung ging sie nicht mehr zu den Versammlungen - ihre Eltern ignorierten sie von da ab. Doch Gaby war das inzwischen egal . sie wollte endlich so leben, wie sie wollte. Wenige Monate später lernte sie ihren jetzigen Freund Jan (36) kennen. "Er zeigte mir eine ganz neue Welt. Mit seiner Hilfe schaffte ich es, mit dem Trinken aufzuhören."
Heute macht sie endlich eine Ausbildung zur Pferdewirtin, die ihrer Eltern ihr damals verwehrt hatten. Sie seufzt: "Meine Eltern haben mir mein Leben kaputtgemacht. Aber ich bin wohl noch rechtzeitig ausgestiegen."
aus "Viel Spaß", Nr. 38, 8.9.2004, S. 44