Gehirnwäsche ist seit ungefähr zwei Jahrzehnten [Anm.: ab 1990 gerechnet] zu einem Wort der Umgangssprache geworden.

Im Jahre 1961 schrieb Robert J. Lifton das maßgebliche Buch Thought Reform and the Psychology of Totalism, nachdem er untersucht hatte, wie sich Gedankenkontrolle auf amerikanische Kriegsgefangene im kommunistischen China auswirkte. Lifton umschreibt acht Hauptfaktoren, die man zu einer Identifizierung benutzen kann, ob eine Sekte destruktiv ist oder nicht. Jede Religion mit autoritären Zügen sollte unters Licht gehalten werden, um festzustellen, wie zersetzend ihr Einfluss auf ihre Mitglieder ist. Bilden Sie sich selbst Ihr Urteil.

Milieukontrolle

"Milieu" ist ein französisches Wort mit der Bedeutung "Umgebung, Umwelt." Sekten sind in der Lage, auf verschiedenerlei Weise die Umgebung neuer Mitglieder zu kontrollieren. Fast immer greifen sie zu einer Form der Isolierung. Man kann Neue physisch von der Gesellschaft trennen, oder man kann sie unter Strafandrohung warnen, sich von den bildenden Medien der Welt fernzuhalten, besonders wenn dies kritisches Denken hervorrufen könnte. Alle Bücher, Filme oder Aussagen von ehemaligen Gliedern der Gruppe, selbst kritisch Denkende innerhalb der Gruppe, sind zu meiden.

Informationen werden von der Mutterorganisation sorgfältig von jedem Neuen ferngehalten. Alle werden beobachtet, damit sie nicht zu weit hinter das Denken der Organisation zurückfallen oder ihm zu weit vorauseilen. Anscheinend weiß die Organisation so viel über alles mögliche; deshalb erscheint sie in den Augen eines Neuen als allwissend.

Mystische Manipulation

In religiösen Sekten ist Gott bei der Tätigkeit der Organisation omnipräsent. Wenn jemand aus irgendeinem Grunde geht, werden Unfälle oder Widrigkeiten, die ihm zustoßen mögen, immer dem Strafgericht Gottes zugeschrieben. Angeblich sind die Engel ständig für die Glaubenstreuen tätig, und es machen Geschichten die Runde, wie Gott wirklich Wunderbares unter ihnen wirkt, weil sie "die Wahrheit" [oder in der Wahrheit] sind. Daher umgibt die Organisation etwas "Geheimnisvolles", das für Neue recht anziehend ist.

Die Forderung nach Reinheit

Die Welt wird in Schwarz-Weiß-Malerei dargestellt, und für eigene Entscheidungen auf der Grundlage eines geschulten Gewissens bleibt nur wenig Raum. Das Verhalten wird nach der Ideologie der Gruppe geformt, wie sie es in ihrer Literatur lehrt. Menschen und Organisationen werden als entweder gut oder böse dargestellt, abhängig davon, in welcher Beziehung diese zu der Sekte stehen.

Allgemeine Schuld- oder Schamgefühle werden benutzt, die Einzelnen unter Kontrolle zu halten – selbst noch nach ihrem Weggang. Es bestehen große Probleme, die Komplexität menschlicher Moral zu verstehen, weil alles polarisiert und zu sehr vereinfacht wird. Alles, was als böse eingeordnet wird, ist zu meiden, und man wird rein, wenn man in die Ideologie der Sekte eintaucht.

Der Beichtkult

Schwere Sünden (das, was die Organisation als solche bezeichnet) müssen sofort gebeichtet werden. Mitglieder, die sich im Widerspruch zu den Richtlinien und Regeln verhalten, sind zu melden.

Oft besteht die Tendenz, aus der Selbsterniedrigung durch die Beichte Befriedigung zu erzielen. Das geschieht, wenn alle regelmäßig vor einander ihre Sünden bekennen müssen. Das schafft ein intensives Gefühl des "Einsseins" mit der Gruppe. Es erlaubt auch Führern, von innen Macht über die Schwächeren auszuüben, wobei ihre "Sünden" als Peitsche gebraucht werden, um sie anzutreiben.

Die "Geheiligte Wissenschaft"

Die Sektenideologie wird zur obersten Moralvorstellung für die Ordnung menschlichen Lebens. Die Ideologie ist zu "geheiligt", um sie anzuzweifeln, und die Führungsgruppe ist zu verehren. Die Sektenideologie fordert in übertriebener Weise, im Besitz wasserdichter Logik zu sein, und lässt sie als absolute Wahrheit ohne Einspruchsmöglichkeit erscheinen. Solch ein attraktives System bietet Sicherheit.

Gefärbte Sprache

Lifton erklärt den überreichlichen Gebrauch von "gedankenbeendenden Klischees", Begriffen oder Wörtern, die dazu bestimmt sind, ein Gespräch oder eine Kontroverse zu beenden. Wir wissen alle, wie die Klischees "Kapitalist" und "Imperialist" von Antikriegsdemonstranten in den 60er-Jahren gebraucht wurden. Solche Klischees sind einprägsam und schnell geäußert. Man nennt sie die "Sprache des Nicht-Denkens", weil mit ihnen eine Diskussion beendet wird und kein Raum für weitere Betrachtung bleibt.

Bei der Wachtturm-Gesellschaft beispielsweise ist mit Begriffen wie "die Wahrheit", die "Mutterorganisation", das "Neue System", "Abtrünnige" und "weltlich" eine Beurteilung Außenstehender verbunden. Sie sind es nicht wert, dass man sich weiter mit ihnen befasst.

Die Lehre ist wichtiger als der Einzelne

Menschliche Erfahrung ist der Lehre untergeordnet, egal wie schwerwiegend oder widersprechend solche Erfahrungen zu sein scheinen. Die Geschichte der Sekte wird geändert, damit sie zu ihrer doktrinären Logik passt. Der Einzelne ist nur insoweit von Wert, als er sich an das Rollenvorbild der Sekte hält. Gesunde menschliche Beobachtungen werden nicht beachtet, wenn sie der Sektenideologie widerprechen.

Das Recht zu leben wird erteilt

Die Sekte entscheidet, wer das "Recht" zu leben hat und wer nicht. Sie entscheidet, wer im Schlusskampf zwischen Gut und Böse vernichtet wird. Ihre Führer entscheiden, welche Geschichtsbücher zutreffen und welche voreingenommen sind. Familien können abgesschnitten werden, und Außenstehende dürfen betrogen werden, weil sie nicht würdig sind, zu leben! Bethel Ministries Newsletter
Autor: Randy Watters


Das Kapitel 22 in deutscher Übersetzung: www.agpf.de/lifton22.htm (web.archive.org)