Einleitung: Eröffnung der speziellen Problematik

Ziel dieses kleinen Aufsatzes ist es, all jenen eine gut gemeinte Warnung auf den Weg zu geben, die versucht sind, monotheistische Religionen zu kritisieren.

Dabei geht es um keinen speziellen Kritikansatz. Faszinierenderweise kann man diesen Rat universell lesen, sind die Gegenstrategien, die Gläubige beim hitzigen Diskurs gerne entgegenschmettern, in der Regel ähnlich gestrickt.

Normalerweise – und es ist mir bewusst, dass diese Worte einen hochstaplerischen Nachklang haben – müsste jedem Buch, jedem Aufsatz und jedem Versuch, monotheistische Religionen diskursiv anzugreifen, eine solche Warnung vorausgehen. Um Relation bemüht möchte ich daher vorweg schicken, dass die Kernthese meiner Schrift nichts weltbewegendes zu Tage fördert. In der Tat werden die von mir beschriebenen Taktiken und Verhaltensweisen der Gläubigen den meisten bekannt vorkommen. Dies wiederum liegt darin begründet, dass mit dem Wesen jener Strategie, die es zu beweisen gilt, das Wesen monotheistischer Religionen an sich erfasst ist. Ich spreche vom Charakter aller Glaubensrichtungen als axiomatisches Prinzip.

Diesem Terminus muss eine Definition vorauseilen, da sie den zentralen Punkt der nachfolgenden Thesen darstellt. Ein axiomatisches System ist gegeben, alsbald Streitfragen auf Ebene der immanenten Welt stets mit argumentativen Verweisen auf eine Transzendenz ausgekontert werden, da diese verantwortlich für alles Irdische ist. Solche zirkulären Denkmuster sind zumeist religiös oder – so eine Lobby fehlt, die den Glauben einer Gruppe nicht als respektablen Maßstab darzustellen vermag – esoterisch veranlagt. Auch abergläubische Argumentationen verwenden in einem kleinen Rahmen Muster und Funktionen der in diesem Aufsatz dargestellten Taktik.

Um diese in einer Weise zu beschreiben, auf dass sich die Problematik in ihrer ganzen Fülle offenbart, ist es dienlich, mit der Religion selbst zu beginnen. Der Grund: Religiöse Führer verfügen über eine weltliche Macht, die über die Taschenspielertricks der Astrologen und den Kinkerlitzchenfundus des Aberglaubens weit hinausgeht. Am Anfang steht nicht das Wort, sondern die Frage, was den Monotheismus ausmacht. Hierbei ist es nicht nötig, jede partikulare Einzelheit aus dem großen Detailpool einer einzelnen Religion aufzuzeigen. Es ist gerade von Nöten, eine grobe Zustandsbeschreibung der inneren Funktionalität des Glaubens zu verbildlichen, um deren Zirkulationscharakter offen zulegen. Ein scheinbares Paradoxon, das aufzulösen ich im weiteren Verlauf gewillt bin. Doch zunächst zum System selbst.

Beschreibung des Systems

Das System des axiomatischen Prinzips ist eine in sich geschlossene Kette von Dependenzen:

Glaubensmodell

Wir erkennen eine transzendente Gottfigur, die über der Welt als deren Schöpfer thront, oder – um die Terminologie der Gläubigen zu benutzen – gar außerhalb dieser Welt steht. Diese Entbundenheit von den äußeren, das heißt naturwissenschaftlichen Wirkungsweisen unserer Welt, führt zu eben jener Transzendenz. Sie meint, dass der Allmächtige (wie auch Allliebende) Alpha wie Omega darstellt, seine Finger auf jedem einzelnen Molekül des Universums ruhen lässt und allwissend über Vergangenheit als auch Zukunft richtet, während er gegenwärtig über uns wacht.

Frei auf das Gesichtspunkt-Gegenstands-Theorem verweisend, nach dem die Objekte der Welt erst durch die Sprache in eben jene gerufen, also manifestiert und für leibhaftig befunden werden, erklärt sich auch der fleischliche und geistige Ausdruck Mensch. Als Schöpfung der unantastbaren Gottfigur sind wir Beobachter und Grübler, Feststeller und Entzweier in einer Person. Wir beschauen unsere Umwelt mit dem Trieb, sie uns durch Sinnbilder, Metaphorik und Sprache habhaft zu machen. Wir versuchen jede Einzelheit ihres Erscheinungsbildes zu kategorisieren und nennen dies Naturwissenschaft. An den Grenzen dieser Disziplin erscheint die zuweilen diffuse Forschung der Geisteswissenschaften. Sie versucht Theorien über rein geistige Phänomene der Welt erklärlich zu machen und verharrt in der Mehrzahl der Fälle im Status des Experimentierens. Selten ersinnt sie Wahrheiten, in der Regel bietet sie Denkweisen an, derer es viele geben kann, die dann nebeneinander stehend konkurrieren. Auch schafft sie symbolische Teleskope, derer habhaft wir eine Möglichkeit erlangen, über die relativ engen Grenzen naturwissenschaftlicher Sicherheiten einen Blick ins weite Meer der Fragen und Geheimnisse zu werfen, die unentschlüsselbar scheinen. All dies fasst der Begriff „Innere Welt“ zusammen. Man könnte vereinfachend sagen, dass die Seele als Spiegel der „Äußeren Welt“ all jenes reflektiert, das sich als „Innere Welt“ umschrieben wieder findet. Diesen Prozess, den wir in der Allgemeinsprache "Verstehen" getauft haben, liegt vereinfacht das folgende System zugrunde:

Funktionsweise

Wir erkennen, dass es eine Wirklichkeit ohne den bildhaft dargestellten Prozess nicht geben könnte. All das, dessen kausale Zusammenhänge wir Realität nennen, ist erst dann eine ebensolche, wenn wir sie durch Denk-, Sprech- und Verstehensprozesse metaphorisch in den Genen unseres Seins „niederschreiben“.

Auf unser Glaubensmodell bezogen heißt es nichts geringeres, als dass Gott in allmächtiger Funktion auch über unsere Zweifel zu wachen in der Lage ist. Da er uns nebst unserer geistigen Möglichkeiten und Barrieren erschaffen hat, sind die Zweifel an seiner Existenz – seien sie nun natur- oder geisteswissenschaftlich – letztlich Teil seiner kreierten Welt. Folglich ist jede Gotteskritik ein Beweis der Funktionalität seiner Schöpfung, die sich mit dem Okular der Wahrnehmung auf die Fläche des fleischlichen Ausdrucks zu projizieren in der Lage ist, und somit manifestiert.

Inmitten dieser paradoxen Begebenheiten deuten wir unsere Welt innerhalb von Glaubensmodellen. Der Glauben an einen allmächtigen Schöpfer ist Ausdruck dieses Systems. Und thront er auch innerhalb des Schaubildes über allen Formen der uns bekannten Welt, so ist es doch der Glauben, der das Spannungsfeld innerhalb dieser Begebenheiten in Schwung belässt. Somit ist es an der Zeit einen kritischen Blick zu riskieren, nach welchen Kriterien das System funktioniert und wie es in der Praxis Anwendung findet.

Das axiomatische Prinzip im praktischen Gebrauch

Was nun ist die treibende Kraft, die dieses so harmlos anmutende Schaubild (1) zu einem globalen Problem werden lässt, zu einem urmenschlichen Konflikt, dessen Wirkstoffe eine hemmende Wirkung auf mannigfaltigste geistige, soziale und kulturelle Bestrebungen haben? Es ist der (zentral dargestellte) Glaube an eine Transzendenz, die wir häufig als „Gott“ umschrieben vorfinden.

Der Glaube versetzt Berge: eine schamlose Untertreibung! Er kann als Lückenbüßer jedwede Frage durch Umkehr ihrer Bedeutung auf die ursprüngliche Grundfrage nach dem „Woher und Weshalb?“ ad absurdum führen. Er kann als glücksstiftende Stimulans jeden noch so vertrockneten Fleck in ein fruchtbares Heiland der Erkenntnis verwandeln; ähnlich wie Drogen. Er vermag als Grundpfeiler der persönlichen Lebensausrichtung sowohl sinnstiftend als auch sinnleitend wirken. Der Glaube ist mächtiger als alle Drogen dieser und jeder anderen Welt. Er schützt sich selbst durch zweierlei Potenz: Zum einen seine bereits eingeführte Relevanz, die beim Kreieren des Axioms „Religion“ zwangsweise auftritt. Zum anderen durch eine erstaunlich große Herde Gleichgesinnter, deren Glaube in Detailfragen grundverschieden sein kann, und dennoch das Zement einer soliden Gemeinschaft prägt. Die Zwietracht im internen Diskurs wandelt sich in Eintracht, alsbald ein gemeinsamer Gegner auf den Plan tritt.

Dabei sei erneut mit Nachdruck betont, dass die genetischen Gründe des Glaubens ebensolche oberflächlichen Strukturuntersuchungen sind, wie jedwede Verstrickung in religionskritische Einzeldiskussionen. Das axiomatische System „Glaube“ ist derart bestellt, dass bereits das Begreifen ihrer grundsätzlichsten Wirkungsweisen dazu führt, religiöse Praktiken in Politik und Gesellschaft aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ein Beispiel:

Ein häufig geäußertes Argument atheistischer Machart innerhalb kritischer Debatten ist die Frage, weshalb so viele Religionen von Weltrang nebeneinander in der Manege stehen können, ohne dass Gott als Zirkusdirektor einschreitet und das Verwirrspiel beendet. Christen – und ihnen sei dieses Recht unbenommen – argumentieren in Folge dessen mit Gegenargumenten, wie den folgenden:

'Das Christentum ist historisch gewachsen und fundiert. Jesus hat dies und jenes offenbart, weshalb unser Glaube der einzig wahre sein kann! Es stellt sich eher die Frage, weshalb du es dir erlaubst unsere Religion zu kritisieren, ohne einen Blick in die historischen und inhaltlichen Fundamente unseres Glaubens geworfen zu haben.'

'Gottes Wege sind unergründlich. Ferner ist er kein Lehrmeister, der sich den Menschen aufzwängt. Jeder muss einen eigenen Weg zu ihm finden. Das einzige, was er tun kann, ist die Tür speerangelweit zu öffnen und dich zu lieben, auch wenn du ihn zu hassen scheinst.'

Als Zusatz dieser Argumentationsstrategien kam mir häufig die Metapher des Glaubens als Haus unter. Dieser sehr interessante Vergleich macht sich die architektonische Binsenweisheit zunutze, dass die Beschaffenheit eines Hauses nebst Inneneinrichtung, Ausstattung, Elektrik, Grundriss usw. nur dem näheren Betrachter ein detailliertes Bild vermittelt. Weniger besonders ist die ebenfalls in diesem Zusammenhang gerne getätigte Aussage, dass Gott als Schöpfer und allwissender Vater über allem thront; auch über den geäußerten Argumenten (die im Schaubild indes zur „Inneren Welt“ zählen).

Der Axiomscharakter trieft geradezu aus den letzten Absätzen. Dennoch lohnt es sich aus Mitten dieser Zeilen die Haus-Metapher herauszufischen. Nach dem wir unsere Hände von dem feuchten Sekret befreit haben, lohnt es sich, die innere Struktur dieses Arguments hinsichtlich des Eingangs gezeigten Schaubildes zu untersuchen. Die Grundfrage lautet:

Macht es Sinn, etwas von außen und ohne detaillierte Kenntnis seines Innenlebens zu kritisieren, ja sogar in seinen Grundfesten anzugreifen?

Die Antwort lautet unpathetisch „Ja“. Es steht außer Frage, dass in einer vielgestaltigsten Art von Fällen das Gegenteil zu trifft und es unabkömmlich ist, einen Casus so detailliert und gründlich zu studieren, wie möglich, um sein Innerstes nach Außen zu kehren.

Bei Religionen ist dies anders. Ihr Innerstes ist die Dependenz von Gott, Schöpfung und Glauben, deren Spannungsfeld durch den Glauben praktiziert täglich ihren Weg in die Öffentlichkeit schlägt. Schon zu durchschauen, dass dieser Glauben seine Kraft aus dem axiomatischen Gebilde „Religion“ fasst, zeichnet die Grundfeste aller großen Glaubensgemeinschaften treffend nach. Das axiomatische Prinzip versinnbildlicht nicht die Außenfassade des Hauses. Giebel und Fassade nebst Farbe und Putz stehen viel eher für die Unterschiede zwischen Konfessionen und Religionen. Während das Axiom bestehen bleibt ist es unwesentlich, wann, wie und an welche moralistischen Lebensentwürfe geknüpft eine Transzendenz die Welt erschaffen hat. Es ist eine Sisyphosaufgabe über einzelne Inhalte und kritische Facetten einzelner Religionen zu sprechen. Jede Diskussion kommt früher oder später an einen Punkt, an dem das Totschlagargument der Religion als axiomatisches Prinzip herhalten muss. Nichtsdestotrotz sollen im letzten Kapitel lebensnahe Beispiele gegeben werden, in welchen Kostümierungen verpackt das Axiom als letzte Waffe Verwendung findet.

So stellt sich unweigerlich die Frage, was wäre, würde das oben eingeführte axiomatische Prinzip nur einmal in der Welt auftreten. Die Außenfassade des Hauses würde postwendend zu einer tragenden Wand, deren Glaubensinhalte die Frage aufwürfen, ob die Gründe für den fest zementierten Glauben nicht doch eine tiefe Begründung in der Wahrheit finden, dass Gott der Schöpfer der Inneren und Äußeren Welt, und somit des Menschen ist. Plötzlich wäre es unabdingbar, die Angelegenheit aus nächster Nähe zu betrachten. Die Haus-Metapher träfe zielsicher, wir müssten Innenausstattung und Fundamentsrisse studieren, um den Glauben als authentisch einstufen zu können. Vielleicht ruhte er von einer leibhaftigen Offenbarung jener Gottfigur, deren Abstinenz in Folge derselben häufig mit dem oben eingeführten Argument erklärt wird, dass Gott kein thronender Lehrmeister ist und sich letztlich in seiner Schöpfung tagtäglich offenbart. Doch führt dieser Gedankengang von unserer eigentlichen Route fort, läuft er doch zwingend darauf hinaus, sich erneut in religionskritischen Kleinkriegen zu verzetteln. Wir erkannten, dass eben aufgrund jenes axiomatischen Charakters die Frage offen bleibt, ob Religionen von Menschen gemacht sind, oder ob Gott als Schöpfer beider Welten das Patent auf Zweifel und Glaube gleichermaßen erheben kann. Somit befinden wir uns schon tief im praktischen Gebrauch des Axioms Religion.

Bevor wir uns jedoch ganz diesem Teilaspekt widmen, möchte ich eine Warnung vorweg schicken. Aufgrund meiner westlichen Kulturbildung argumentiere ich in der Regel der Fälle anhand des christlichen Glaubens. Selbstredend gelten die dargestellten Axiomsprinzipien für alle monotheistischen Religionen. Meiner Prägung ist es jedoch gedankt, dass ich seit kleinster Kindheit die klassische religiöse Indoktrination genoss, deren wegen mir im Bezug auf das Christentum verhältnismäßig viele Details bekannt sind. Und auch wenn die Strategien der Gläubigen von Religion zu Religion ähnlich sind, so fühle ich mich als von Christen umgebener Agnostiker am sichersten binnen der Argumente, die mich im Umgang mit meinen Artgenossen geprägt haben.

Beispiele des Gebrauchs und immanente Gefahren

Wie bereits angedeutet, so läuft dieser Aufsatz auf die These hinaus, dass sich ein Großteil kritischer Äußerungen gegenüber monotheistischen Religionen in dem zirkulären Charakter ihrer ureigensten Dependenz aus Gott und Schöpfung wieder findet.

Im Folgenden ist es nun mein Bestreben, einige mitunter gute und durchdachte Kritikansätze vorzustellen, wie sie mir bei meinen beobachtenden Studien untergekommen sind. Jedem der drei Argumente steht jeweils eine mögliche Erwiderung gegenüber, die sich das axiomatische Prinzip zu Nutze macht.

1. Argument:
Ich bin der Meinung, dass Moral subjektiv ist. Schaut man sich in der Welt um, so erkennt man, dass die Menschen ganz verschiedene Auffassungen von „richtig“ und „falsch“ haben. Was für den einen eine Todsünde ist, ist für den anderen ein alltäglicher Usus. Das beste Beispiel hierfür ist Kannibalismus. Der Verzehr von Menschenfleisch ist in unserer Kultur undenkbar. Auch akzeptiere ich persönlich diesen Grundsatz. Nur stellt sich mir die Frage, inwiefern unsere Moral besser sein soll, als die der Kannibalen, und weshalb der Verzehr von Menschenfleisch ein grundsätzliches Übel darstellen soll? Moral ist subjektiv, daher ist die Bibel als Moralkatalog ein wertloser Haufen Papier!

Erwiderung:
Gott ist der Schöpfer dieser Welt. Als solcher weiß er am besten, was für uns richtig ist. Es liegt nahe, dass das vollkommenste Wesen des Universums die beste Strategie kennt, anhand der wir unsere Moral ausrichten sollten. Und da er ein liebender Gott ist, hat er uns diese Gebote in der heiligen Schrift offenbart. Du musst doch zugeben: Würden wir alle nach diesen Prämissen leben, so wäre die Welt zweifelsohne eine friedlichere, oder?

2. Argument:
In der Bibel steht, dass Homosexualität eine Sünde ist. Daher wird in christlich geprägten Ländern politisch gegen Schwule agiert. Ich jedoch glaube, dass man bereits in eine (oder mehrere) „Ausrichtungen gepolt“ auf die Welt kommt und für seine sexuelle Ausrichtung nicht belangt werden kann. Wieso machen Christen eine solch dreiste Stimmung gegen Homosexuelle? Wie kann etwas Sünde sein, dass mehr als jedem Zehnten auf natürlichste Weise „widerfährt“, und dessen Auslebung Glück stiftet?

Erwiderung:
Gott ist der Schöpfer der Welt. Es kann nicht in seinem Sinn sein, dass die Schöpfung sich durch Gleichgeschlechtlichkeit selbst ausrottet. In der Bibel – seiner heiligen Offenbarung – steht genau dies geschrieben. Gott weiß am besten, was für uns gut ist. Menschen mit dieser Veranlagung sollten sich besser unter Kontrolle haben. Sie leben gotteslästerlich, da sie mit ihrem Handeln gegen Gottes Schöpfung agieren.

3. Argument:
Warum lässt Gott Leid auf der Welt zu? Würde es uns nicht besser ergehen, wenn Gott eingriff und zumindest gute Menschen vor Schaden behüten würde, wie ihn Naturkatastrophen, aber auch menschliche Phänomene wie Krieg, Mord und Totschlag darstellen? Wie kann ein liebender Gott diesem Treiben zuschauen? Warum greift er nicht häufiger ein? Spricht dies nicht dagegen, dass es einen Gott gibt?

Erwiderung:
Gott hat die Welt erschaffen und uns Gebote überlassen, nach denen wir besser leben würden, würden sie alle befolgen. Dies ist nicht der Fall. Daher kommt es zu Krieg, Mord und anderen Sünden. Ein sündenfreies Leben ist möglich, wenn wir auf Gott hören würden. Er ist kein Regisseur, er gab uns den freien Willen. Wir müssten bloß nach seinen Prämissen leben, und alles wäre besser.

Natürliche Tode junger Menschen oder Naturkatastrophen sind an die Erbsünde geknüpft. Gottes Wege sind unergründlich, er wird einen Grund dafür haben, weshalb er diesen und jenen zu sich ins Himmelreich holt, und andere nicht. Lebten diese Menschen in seinem Sinne, so sind sie nun ohnehin an einem viel besseren Ort!

Die drei offenbarten Beispiele sind derart geordnet, dass das nach meiner Meinung schlüssigste an erster Stelle steht, so denn von einem mittelmäßigen abgelöst wird und mit einem freilich nicht dummen, jedoch vergleichsweise naiven Argument endet. Dennoch werden alle Kritikpunkte am monotheistischen Glauben mit der wundersamen Allzweckwaffe des axiomatischen Prinzips ausgekontert. Somit wird eine Erklärung der angewendeten Argumentationsstrukturen anhand des eingeführten axiomatischen Prinzips notwendig.

(1)

Die Subjektivität der Moral ist eine jener Argumentationen, die mir persönlich lange Zeit am Durchdachtesten schien. Ich riskierte einen Blick in die Welt und stellte fest, dass ringsum unterschiedliche Moralvorstellungen herrschten. Erneut bildete die äußere Welt meinen Blick auf die innere Welt und umgekehrt. Gleich zweier Spiegel, die im gegenseitigen Reflektieren die Tür zur Unendlichkeit einen Spaltbreit öffnen, glaubte ich innerhalb der Subjektivität der Moral den Kronzeugen gegen jedwede Religion erkannt zu haben.

Wüst war der Aufprall auf den Boden der Erkenntnis, als mir gewahr wurde, dass diese Oberflächenphänomene einer subjektiv ausgerichteten Moralwelt problemlos vereinbar mit dem monotheistischen Glauben sind, dass eine allwissende Gottfigur die für uns besten Moralwerte ausgesucht und offenbart hat. Gott schuf jedoch auch den freien Willen, weshalb ich bloß diesen als Teilaspekt seiner Schöpfung erkannte. Anhand der geopolitischen Weltlage lässt sich jedoch erkennen, dass eine allgemeingültige Moral sehr wohl Vorteile mit sich brächte. Kurzum: Die reine Existenz verschiedener Moralansichten vermag eine transzendente Gottfigur mitnichten zu widerlegen. Es liegt im axiomatischen Prinzip begründet, dass sich die Subjektivität der Moral unmöglich als natürlicher Aspekt des Menschen definieren lässt, da Gott selbst die Menschen, deren freien Willen, und somit auch falsche Moralansichten schuf.

(2)

Nichts vermag mich mehr zu erbosen, als jene Scharlatanerie, deren Bestreben es zu sein scheint, sexuelles Vergnügen in Misskredit zu bringen und Milliarden Menschen auf diesem Weg ein schlechtes Gewissen einzureden. Meine persönliche Meinung kann kaum etwas Abstoßenderes erdenken, als jenen Versuch, die natürliche und genetische Lebensweise des Menschen in Frage zu stellen. In meinem engsten Bekanntenkreis finden sich Menschen, deren Lebensweise durch engstirnige, kleinmoralistische und dumpfe Sittlichkeitsansprüche tangiert und zum negativen gewandelt wurde. Und mögen auch all diese Argumente auf der Achse meiner eigenen, privaten Moral Gültigkeit besitzen: eine schöpferischtätige Transzendenz entkräften sie leider nicht.

Es ist mir schleierhaft, wie gerade diese partikularen Details in den biblischen Kanon mit einfließen konnten. Die Argumentation gegen diese oberflächlichen religiösen Phänomene – und seien in der immanenten Welt auch noch so schädlich und amoralisch – scheitern erneut an der feinen Teflonschicht des axiomatischen Prinzips. Plötzlich erscheint es uns logisch, weshalb Gott genau dieses Verhalten missbilligt. Großangelegte Kampagnen, deren Inhalt darauf beruht, Homosexualität als etwas heilbares darzustellen, an dem die Erkrankten nur zu „arbeiten“ hätten, ist nichts anderes als der Versuch, Gottes Schöpfung zu verteidigen. Gläubige tun dies nicht aus Bosheit. Die Gefahr des axiomatischen Prinzips liegt gerade darin begründet, dass jedwede Zielausrichtung an eine monotheistische Dependenz von Glauben, Transzendenz und Immanenz keinen „privaten Diskurs“ in den Köpfen der Ausführenden findet. Somit sind wir an der Schnittstelle des immensen Gefahrenpotenzials, dass in diesem zirkulären System die absurdesten Früchte trägt.

(3)

Im christlichen Denkmuster verfangen mag dem Leser die Schwäche des letzten Arguments bereits entgegen flattern. So hält der freie Wille erneut als Strohmann für die Tatsache hin, dass der Mensch eine Kreation Gottes ist; mitsamt seiner Fehler und Macken. Auch wird erklärt, dass ein rechter Lebensweg keine Unmöglichkeit darstellt, da uns die Heilige Schrift als moralischer Kompass stets zur Seite spränge. So gelingt es den Gläubigen alles Schlechte dieser Welt mit Gottes zirkulärem Charakter zu erklären, weshalb Gott angetastet, und die Krisenherde angeheizt bleiben.

Ein Aufruf zum Schluss

Beschäftigt man sich länger mit den inneren Prinzipien des Glaubens, so beginnt man Zusammenhänge und argumentative Strukturen als kausale Logiken zu akzeptieren. Nicht ohne ein Gefühl des inneren Schocks stellte ich daher fest, wie absurd mir Beispiel 3 als realkritische Offerte vorkam, und für wie logisch ich nach all diesen Exkursen die christlichen Ausführungen befand. Dabei ist es keine neue Frömmigkeit, die diese Veränderungen herbeiruft. Meines Erachtens ist es der heraus gekitzelte Ehrgeiz Argumente zu finden, die das axiomatische Prinzip aushebeln oder zumindest umgehen. Denn fest steht: Es gibt sehr wohl kritische Ansätze! Diese vermögen sich bspw. auf den strikt zirkulären Charakter der Religionen einzulassen und anhand dessen inneren Paradoxien des Glaubens aufzudecken. Im Umkehrschluss erscheinen mir die oben aufgeführten „klassischen“ Darlegungen ad hoc als minderwertig, da die Gläubigen in der Lage sind, sie wüst zu zerschmettern, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten. Ihr Glaube ist ein axiomatischer, weshalb sie dessen innere Struktur aufgesogen und verinnerlicht haben, also sich reflexartig zu verteidigen wissen.

Natürlich sind Denkmuster wie in den Beispielen aufgeführt freilich hoch löblich. So zeigen sie, dass man einen wachen Geist sein Eigen nennt und nicht alles schlucken mag, was uns seit frühester Kindheit als natürlichen Lebensgang vorgegaukelt wurde. Doch sollten wir es als unsere Aufgabe erachten, Mitstreiter im ewigen Diskurs für eben diese Problematik bei der Kritik monotheistischer Religionen zu schärfen, wie ich sie hier darzustellen versuche. Es ist keine Schwäche, sich auf die Strukturen des Gegenübers einzustellen. Viel eher, so möchte ich glauben, gestattet es uns einen geschärften Blick auf die weiterführenden Gefahren eben jener Strukturen. Ehrgeiz sollte unser Ziel sein, den zirkulären Charakter aufzudecken, den Menschen zu offenbaren, welch fauler argumentativer Zauber unsere Welt politisch und kulturell prägt.

Diese nachhaltige Prägung ist es, die meinem Aufsatz zuweilen den Stil eines hetzerischen Kampfblatts verlieh. Und auch wenn wir fröstelnd auf der Achse all unserer Immanenzen verzweifeln mögen, ob der Realität, die uns das axiomatische System gebiert, so sollten wir es dennoch versuchen besser zu machen. Keine Gewalt soll Ausdruck unseres Bestrebens sein, die Verhältnisse zu ändern oder aufzudecken. Respekt im Diskurs mit Monotheisten mag unsere stärkste Waffe im Umgang mit ihnen werden. Die Freude am eigenen Geist und das Wissen über die transzendenten Lücken unseres Weltbildes darf unsere Lebensauffassung bilden.

Doch nicht verdrängt seien all die geschändeten Kreaturen, deren Leben akut unter dem Einfluss der Religionen, und somit des axiomatischen Prinzips zu Leiden haben.