Hallo,

inspiriert durch die Erfahrungen andere ehemaliger Zeugen Jehovas versuche ich mich darin auch meine Eindrücke, Erfahrungen in Worte zu fassen.

Ich war 6 Jahre als meine Eltern zum ersten Mal mit Zeugen Jehovas in Kontakt traten, für meinen Vater war es DIE Wahrheit schlechthin, bei meiner Mutter hatte ich allerdings den Eindruck gehabt sie will das nicht, hat sich dann aber doch dem Willen meines Vaters gebeugt – und so begann eine Odyssee die noch einige Jahre anhalten sollte.

Mein Name ist Katharina, ich bin nun 23 Jahre alt und seit meinem 17. Lebensjahr keine Zeugin Jehovas mehr – doch wie kam es dazu?

Ich erinnere mich noch sehr gut daran - es war Winter 1985 - meine Eltern baten meine Geschwister und mich doch bitte im Wohnzimmer Platz zu nehmen. Dort sagten sie uns das wir ab sofort kein Weihnachten mehr feiern werden, Geburtstage währen auch ab sofort tabu... ich verstand die Welt nicht mehr. Warum taten sie das? Ihre Antwort war: "wir sind nun Interessierte der Zeugen Jehovas' und Jehova will das nicht" Was blieb mir und meinen Geschwistern damals übrig als es zu akzeptieren. Im Jahre 1989 zogen meine Eltern dann von Leipzig in das ein paar 100 Kilometer weiter östlich liegende Görlitz.

Seit diesem 23.November 1989 begann sich mein Leben nur noch um Versammlungszusammenkünfte und dem Leben im Paradies zu drehen - da ich mich schon immer sehr schwer getan habe Kontakt zu anderen Kindern aufzubauen vereinsamte ich total... ich war irgendwie nicht da... ich lebte als Hülle so vor mich hin...

Ich dachte natürlich es wäre meine Schuld weil ich mich nicht 100% auf die lehren einlassen konnte und auch Jehova nicht soo liebte wie ich es gerne wollte. Dann - Ende des Jahres 1990 - lernte ich meine damalige beste Freundin kennen... ohh was bin ich aufgeblüht ...ich hatte Freude in die Versammlung zu gehen, übernahm kleinere Parts in der theokratischen Predigtdienstschule... ich war so richtig happy.

Das alles änderte sich schlagartig als mein Vater schwer erkrankte und nicht mehr so tätig sein konnte wie man es von ihm gewohnt war. Es war keiner auch nur mal da... der nach ihm fragte oder ähnliches. In dieser Zeit warf mir meine Mutter vor, das es meine schuld war das Papa so schwer krank war. Ich würde Jehova nicht genug dienen. So warf ich mich rein... ich predigte wie eine Besessene, aber es half nichts. Papa wurde nicht mehr gesund. Im Jahre 1993 ließ ich mich taufen, aber im nachhinein nicht aus dem grund wie ich damals dachte sondern ich wollte Anerkennung haben... ich wollte endlich dazugehören und nicht wie sonst immer - trotz meiner vielen Stunden als ungetaufter Verkündiger- ewig abseits zu sitzen und traurig auf die anderen zu schauen wie sie rumalberten und freudig waren

Aber es war ein Trugschluss... nichts aber auch gar nichts hatte sich geändert.

Am 05.12.1994 änderte sich mein Leben schlagartig ... wie schon einige Male zuvor ging ich mit einem Bruder zu 'Interessierten' zum Heimbibelstudium. Aber an diesem tag 'konnte' dieser Bruder nicht. Er sagte kurzfristig ab und bat mich diesem jungen Mann der in einer Wohngemeinschaft lebte (er war Asylantragsteller) die neuesten Exemplare des WT und EW zu überbringen. Ich tat es auch. Der Mann bat mich in die Wohnung und bot mir einen Tee an, den ich auch annahm, denn es war hundekalt draußen und ich war auch erst 15 also zu naiv dazu um zu begreifen warum er mich hereinbat. An die nächsten Stunden kann ich mich nicht mehr erinnern. Das einzigste was ich weiß, ist das nachts gegen 3.00 die Polizei bei dem 'Interessierten' erschien und mich da raus holte.

Zu hause angekommen wurde mir natürlich kein Wort geglaubt. Mein Vater schlug mich, wie schon sooft zuvor und nannte mich eine Hure. Aber ich wusste doch das ich nichts getan habe. Ich war am Tag darauf bei unserem Hausarzt - dieser diagnostizierte ein Opium in meinem Körper und Vergewaltigungsspuren - aber mir glaubte immer noch keiner.

2 tage danach erschienen 2 Älteste bei uns zu Hause, die wissen wollten ob ich mich sexuell betätigt habe. Ich verneinte dieses. Aber auch sie meinten sie geben mir noch eine Chance, denn dazu gehören immer mehrere und er könnte mich nicht vergewaltigen wenn ich es nicht gewollte hätte. Aber das ärztliche Attest bewahrte mich davor, ausgeschlossen zu werden.

Ich war ein gebrochener Mensch ... gut 1 1/2 Jahre habe ich wiederum nur existiert - nicht gelebt... dann im alter von 17 Jahren habe ich es endlich geschafft mich zurückzuziehen und lebe nun als zurückgezogener Zeuge Jehovas Ich kann bis heute keinem Menschen vertrauen, bin unfähig glücklich zu sein, lebe immer noch vereinsamt trotz der Tatsache das ich seit dem 11.02.00 verheiratet bin und 2 Kinder von 6 Monaten und 2 Jahren habe.

Diese Sekte und ihre Lehren und Menschen haben mir etwas wesentliches geraubt: Feude am Leben, die Möglichkeit ausgelassen zu sein. Ich habe immer noch Probleme damit Menschen an mich heranzulassen... selbst mein Mann sagt mir immer wieder er kennt mich nicht. Er liebt mich sehr aber er weiß nicht wie es in mir ausschaut. Ich habe diese Erfahrungen bis nun noch keinem Aussenstehenden erzählt ... ich kann und konnte es einfach nicht.

Ach ja, zu meinen Eltern habe ich, trotz der Tatsache das sie 6 Monate nach dem ich mich zurück gezogen habe, die Gemeinschaft verlassen haben, nur spärlich Kontakt. Ich habe sie im März 1998 das letzte Mal gesehen.

Sorry wenn es verwirrt rüberkommt, aber in meinem Kopf spielt sich im Moment ein Kampf ab...