Dies ist meine Geschichte. Sie ist in den folgenden beiden Briefen enthalten.

Den ersten schrieb ich an eine Frau, die mich gefragt hatte, warum ich so viel Bitterkeit empfand und so wütend auf Jehovas Zeugen war und mich durch sie bedroht fühlte. Der zweite Brief ist an meinen Vater, und er war ein wichtiger Schritt, meinen Heilungsprozeß abzuschließen. Ich bin froh, diese Zeilen mit jedem zu teilen, der aufrichtig und offen danach fragt.

Liebe N ... ,

es ist nicht so, daß ich mich nur durch sie bedroht fühle, sie haben mich wirklich bedroht. Es ist eine häßliche Geschichte, aber ich möchte gerne, daß Du den Teil liest, warum ich nicht mehr hingegangen bin; den Teil über meine Gedanken, nicht über mein Innerstes. Ich bin von einem Ältesten aufgezogen worden, der sich zu den Gesalbten zählte. 1974 wurde ich mich 12 Jahren getauft, und dann begann ich 1980 mit dem Pionierdienst; Ich war 15 Jahre dabei - selbst vom Rollstuhl aus, als ich krank wurde. Mein Vater hat mich körperlich mißhandelt und sexuell mißbraucht. Ich habe eine Schwester, die schizophren ist, und die Ärzte sagen, das sei durch ein großes Trauma beeinflußt worden. Mein Vater verließ die Zeugen Jehovas und hatte 8 Jahre lang einen Gemeinschaftsentzug; er heiratete erneut eine Frau "aus der Welt", und sein 14-jähriger Stiefsohn tötete sich selbst (in seinem Abschiedsbrief schrieb er, er sei mißhandelt worden). Mein Vater hörte abrupt auf, mich zu mißbrauchen, als er dachte, ich sei schwanger. Mein Vater schuldet meiner 70-jährigen Mutter bis heute noch Tausende Dollars an Unterhaltszahlungen. Letztes Jahr versuchte er, sie aus dem Haus zu werfen, und jetzt will er nicht mehr mit mir reden, weil ich wegging! Er wurde bei den Zeugen wieder aufgenommen, obwohl die Ältesten wußten, daß er meine Mutter mit dem Geld betrog. Er kann in den Königreichssaal gehen und die Lieder singen, aber ich bin da nicht willkommen! Ich habe nichts anderes getan, als vor Gericht zu erscheinen. Und doch wäre ich nicht von mir aus gegangen, weil ich glaubte, sie hätten die Wahrheit.

Dies ist der Brief, den ich ihm letzte Woche geschrieben habe. Er will überhaupt nicht mit mir reden.

Ravyn


Lieber Vater,

ich bin schon seit Dezember 1996 nicht mehr zum Königreichssaal gegangen. Ich habe auch niemals mehr vor, wieder dorthin zu gehen. Ich bin nicht ausgeschlossen worden und habe auch nicht die Gemeinschaft verlassen. Ich habe nichts in dieser Richtung getan. Ich bin nach G.s Selbstmord nicht mehr hingegangen. Und nachdem M. etwa $200.000 von meinen Konten gestohlen hat (einschließlich der Hypothek). Sie verschwand mit etwa $36.000, und ich verlor das Haus und die beiden Autos. Meine beste Freundin starb im Jahr zuvor, nachdem sie von ihrem Mann zusammengeschlagen worden war (ich ging mit ihr zu den Ältesten, und die sagten ihr, sie könne ihn nicht verlassen). S und J mußten die Versammlung in F.P. wegen der Todesdrohungen gegen T, die vor allem von D und M.G. kamen, verlassen.

Natürlich weißt Du, daß ich nach 15 Jahren aus dem Pionierdienst wegen der Pflegegeschichte entfernt wurde, als die Mutter eifersüchtig wurde, weil ich ihre Kinder besser aufzog als sie, und sie über mich Lügen verbreitete und versuchte, ihre Ehe in die Brüche gehen zu lassen. Selbst der Kreisaufseher entschuldigte sich bei mir dafür, aber es war zu spät; mein Ruf war dahin. Und die Höhe war, als ich die Farm besuchte und zum Friedhof ging und auf dem Grabstein den Namen eines Kindes erkannte, auf das ich in Georgia immer aufgepaßt hatte. Er war 19 Jahre, und als ich nachfragte, wurde mir gesagt, er sei an einem Aneurysma gestorben. So schrieb ich seinen Eltern einen Beileidsbrief, und ein paar Monate später wurde ich als Zeuge bei einem Prozeß gegen die Gesellschaft vorgeladen. Anscheinend war er nicht an einem Aneurysma gestorben. Er sprang von einem Gebäude in Brooklyn und tötete sich selbst. Er hatte seinem Zimmergenossen einen Abschiedsbrief hinterlassen, und der hat schließlich den Mut aufgebracht, ihn seinen Eltern zu geben. Ich sah das Grab Oktober/November 1995. Das ist der Grund, warum ich aus Kalifornien in den Osten zurückkam, zu dem Prozeß.

Die Wachtturm-Gesellschaft wollte den Selbstmord vertuschen, und kurz nachdem sie das Grab gesehen hatten, ließen sie die Leiche exhumieren und verbrennen, bevor die Familie eine Autopsie fordern konnte. Aber ich sah es, und ich sagte ihnen in dem Brief, den ich schrieb, um sie zu trösten, daß ich das gesehen hatte. Ich wußte nichts über die Sache, bis ich meine Zeugenaussage machte; man ließ mich nach meiner Aussage im Gerichtssaal bleiben. Der Junge hatte eine Affäre mit einem Glied der leitenden Körperschaft. Dieser Mann wurde nicht bestraft oder aus seiner Stellung entfernt, weil die Wachtturm-Gesellschaft sagte, nachdem sich der Junge umgebracht hatte, gäbe es keinen Zeugen mehr. Aber er gab das in seinem Abschiedsbrief zu. Ich beendete meine Zeugenaussage, und im März 1997 war die Beweisaufnahme abgeschlossen. Seine Eltern verloren den Fall vor dem Strafgericht, aber sie haben Berufung eingelegt und die Sache kommt nächsten Mai wieder vor Gericht.

Während ich meine Aussage machte, schickte mir die Wachtturm-Gesellschaft einen Anwalt, der mit mir reden sollte. Sie sagten mir, ich solle lügen. Ich sagte, ich könnte nicht lügen. Sie sagten, ich sollte die Aussage verweigern, aber ich war Zeuge der Gegenpartei, und das hätte bedeutet, daß ich ins Gefängnis gekommen wäre. Sie sagten mir, sie hätten nichts damit zu tun, mir zu helfen, aus dem Gefängnis zu kommen, wenn ich hinein müßte, weil das zeigen würde, daß sie in dem Fall in einem Interessenkonflikt ständen. So wollte die Wachtturm-Gesellschaft im Grunde genommen, daß ich einen Meineid leistete oder für sie ins Gefängnis ginge und keine Hilfe von ihnen erhielte, herauszukommen.

Im März letzten Jahres, kurz vor dem St. Patricks-Tag, nachdem ich mit dem Gericht fertig war, flog ein Haus, in das ich ziehen sollte, in die Luft, weil ein Handwerker eine falsch gekennzeichnete Gasleitung traf. Direkt nachdem das geschehen war, erhielt ich einen Anruf von einem Ältesten aus dem Gebiet, der mich bat, doch meine Situation noch einmal zu überdenken, insbesondere nach solch einer Erfahrung eines nahen Todes. Da ich in keiner Situation war, von der ich wußte, und er sich auf die Gasexplosion (bei der zwei Menschen ums Leben kamen) wenige Stunden, nachdem sie geschehen war, bezog, faßte ich das als Drohung auf. Wie sollte sonst jemand wissen, daß ich die Absicht hatte, in diesem Haus zu wohnen? (Ich lebte bei einer Frau, die mit einem Mann verlobt war, der als Zeuge aufwuchs; seine Mutter ist immer noch eine Zeugin, und sein bester Freund, sein Cousin, hatte einen Gemeinschaftsentzug und versuchte, mit einer Ehefrau, die Pionierin ist, wieder aufgenommen zu werden.)

Vorher war ich in keinem Königreichssaal gewesen, weil ich mit dem Prozeß beschäftigt war und versuchte, mit allem innerlich zurechtzukommen. Ich kam mit allen möglichen Entschuldigungen an - allen, die ich seit meiner Kindheit gehört hatte: "Es ist Jehovas Organisation; Er wird sie zu seiner Zeit säubern ..."; "Du kannst doch nicht zulassen, daß unvollkommene Menschen dir deinen Glauben an die Organisation nehmen..."; aber keine davor klang für mich nicht mehr sehr überzeugend. Ich erkannte, daß ich diese Entschuldigungen mein ganzes Leben lang gehört hatte, um das schreckliche Unrecht hinwegzuerklären, das im Namen der "einen, wahren Organisation" geschah. Doch selbst nach alledem glaubte ich noch, daß Jehovas Zeugen die Wahrheit hatten. Dann fand ich etwas sehr Beunruhigendes heraus. Ich fand heraus, daß die Wachtturm-Gesellschaft die Taufformeln geändert hatte, ohne es jemanden wissen zu lassen, und sich alle getauften Mitglieder an die neuen Formeln halten ließ, um zu vermeiden, in Fällen von Gemeinschaftsentzug wegen Abtrünnigkeit verklagt zu werden! Hier ist das, was ich herausfand.

Eine Fußnote auf der Seite 12 des Watchtower vom 15. April 1985 [gleicher Wachtturm auch in Deutsch] sagt: "Vor kurzem wurden die beiden Fragen, die Taufbewerbern gestellt werden, vereinfacht, damit diese völlig verstehen, was es bedeutet, ein enges Verhältnis zu Gott und zu seiner irdischen Organisation zu erlangen, und damit sie dementsprechend antworten können."

Zuvor hatte die zweite Frage gelautet: "Hast du dich aufgrund dieses Glaubens an Gott und an seine Rettungsvorkehrung Gott rückhaltlos hingegeben, um fortan seinen Willen zu tun, wie er ihn dir durch Jesus Christus und durch die Bibel unter der erleuchtenden Kraft des heiligen Geistes offenbart?" Watchtower, 1. Mai 1973, Seite 280 [deutsch: Wachtturm, 1. August 1973, Seite 472]

Aber dann, im Watchtower vom 1. Juni 1985, Seite 30 [gleicher Wachtturm auch in Deutsch], wurde das geändert in: "Bist du dir darüber im klaren, daß du dich durch deine Hingabe und Taufe als ein Zeuge Jehovas zu erkennen gibst, der mit der vom Geist geleiteten Organisation Gottes verbunden ist?"

Jetzt nahm die Wachtturm-Gesellschaft also die Stelle des heiligen Geistes ein; sie konnte nun jeden Meinungsunterschied mit der Gesellschaft als "Beweis" für Abtrünnigkeit nehmen" Ich fing an, nach weiteren Informationen in anderen Dingen über die Wachtturm-Gesellschaft zu suchen.

Ich hatte, wenn ich im Dienst draußen war, immer von der Beschuldigung gehört, Jehovas Zeugen hätten die Bibel geändert, damit sie zu ihrem eigenen Glauben passe. Natürlich wies ich so etwas als Abtrünnigkeit zurück. Dann, eines Tages, suchte ich im Web nach Einträgen über Jehovas Zeugen, und es fanden sich die ersten zehn von etwa 90.000 Einträgen. Ich war erstaunt! 90.000? Das konnten doch sicher nicht alles Abtrünnige sein. Es mußte doch jemand auch Gutes über "uns" sagen!

Was ich zum wiederholten Male fand, war derselbe alte Angriff, daß wir unsere "eigene" Bibel benutzten. So las ich eine dieser Beschuldigungen, weil ich nicht wußte, was anders ich antworten sollte, als sie einfach abzustreiten, wenn ein Wohnungsinhaber sie vorbringen würde. Nun wußte ich allerdings, daß einige Dinge stimmten, aber ich war überzeugt, daß sie nur trivial waren, wie die Tatsache, daß der Name "Jehova" nirgendwo in den Griechischen Schriften auftauchte und daß nirgendwo von Jesus berichtet wird, daß er den Namen für Gott benutzt hätte. (Siehe die Broschüre "Der göttliche Name ...") Ich habe mich immer gefragt, warum er nicht im "Mustergebet" vorkam, denn Christus war doch sicher gekommen, um den Namen seines Vaters bekannt zu machen, und dann sollte er, wenn schon nirgendwo anders, auch im Mustergebet stehen! Aber ich akzeptierte die Erklärung der Wachtturm-Gesellschaft, daß er dort gestanden haben muß, aber von den Schreibern und Abschreibern herausgenommen wurde, die unter dem jüdischen Aberglauben litten, daß man Gottes Namen nicht unnütz verwenden würfe. Ich habe nie die Autorität der Wachtturm-Gesellschaft in Frage gestellt, mehr zu wissen als das, was tatsächlich in der Bibel steht, oder ihren Anspruch, die Lage mit der vollen Gutheißung Gottes berichtigt zu haben.

Aber dann fand ich einen interessanten Punkt über Johannes 1:1 heraus, einen alten Kampfplatz gegen Abtrünnigkeit. Ich fand ein Zitat von eben dem Wissenschaftler, den die Wachtturm-Gesellschaft so angeführt hatte, als stimme er mit ihr in der Art und Weise überein, wie der unbestimmte griechische Artikel "ein" in "ein Gott" anstatt "Gott" oder indirekt "DER Gott" zu übersetzen sei - mit Ausnahme eines kleineren Unterschiedes sagte er in diesem Zitat das genaue Gegenteil und stimmte mit der Wachtturm-Gesellschaft NICHT ÜBEREIN!

Ich mußte daher herausfinden, was der Mann wirklich sagte. Schließlich gründet die Wachtturm-Gesellschaft ja ihre ganze Verurteilung der Dreieinigkeitslehre auf dieses eine Wort. So ging ich in die Bibliothek der Harvard Divinity School und suchte in den Mikrofilmen nach den ursprünglichen griechischen Handschriften. Ich las über die Grammatikregeln und fand auch die Arbeiten dieses Wissenschaftlers. Er stimmte nicht mit der Wachtturm-Gesellschaft überein - diese zitierte ihn nicht nur falsch, sie übersetzt auch die Bibelstelle falsch! Es heißt in Wirklichkeit: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott." Ich war schockiert. Ich dachte, wenn die Dreieinigkeit richtig ist, was ist dann mit dem Höllenfeuer oder den 144.000?

So nahm ich mir also, als ich nach Hause kam, die Kingdom Interlinear-Übersetzung der Griechischen Schriften der Wachtturm-Gesellschaft aus dem Jahre 1985. Da stand es vor meinen Augen ... dieselben griechischen Wörter auf der linken Seite mit der falschen Übersetzung auf der rechten. ... Und was war sonst noch falsch? Ich schaute mir Offenbarung, Kapitel 7, an. Nachdem die zwölf Stämme aus jeweils 12.000 Personen versiegelt worden waren, ist eine große Volksmenge zu sehen. Wo? "Vor" dem Thron und dem Lamm. Und die Wachtturm-Gesellschaft sagt, das spiele sich auf Erden ab und nicht im Himmel, weil sie "vor" dem Thron seien. Aber der Vers 11 fährt mit der Beschreibung dieser Szene fort und sagt, daß die Engel "rings um" den Thron standen und "vor" dem Thron auf ihre Gesichter fielen und Gott anbeteten. Waren diese Engel dann auch auf der Erde? In beiden Fällen ist es dasselbe griechische Wort. Es heißt eindeutig, diese ständen "rings um" den Thron, im Himmel, und fielen auf ihre Gesichter, um "vor" dem Thron anzubeten. Das griechische Wort für "rings um" meint (nach der Interlinear-Übersetzung) "im Kreise von", während sie "vor" dem Thron, "in seiner Sicht", waren, als sie sich niederwarfen. Auch die große Volksmenge beugte sich "in der Sicht" des Thrones nieder, und es werden keine anderen Adjektive gebraucht, um sie weiter entfernt in der Sicht erscheinen zu lassen, als es die Engel waren.

Und als ich mir das Offenbarungs-Buch der Wachtturm-Gesellschaft vornahm, las ich, daß die Zahl 12 eine entschiedene Vollständigkeit darstelle ... 3 (für die Betonung) mal 4 (für die Vollständigkeit) ergibt 12. Die zwölf Stämme Israels bedeuteten, daß sie in den Augen Gottes vollständig waren. So fragte ich mich, warum sie sich einerseits eine Reihe von Zahlen aus der Offenbarung herauspickt und darauf besteht, sie seien wörtlich zu nehmen, wenn sie alle anderen als symbolisch anerkennt? Und warum diese Zahl herauspicken, wenn man die vorangehende Zahl als symbolisch auffaßt? Warum kann die Zahl 144.000 aus den Stämmen nicht dasselbe wie die große Volksmenge sein - oder in der großen Volksmenge als Gruppe von vielleicht den Judenchristen enthalten sein? Die Wachtturm-Gesellschaft räumt ein, daß die dort genannten Stämme nicht die ursprünglichen Stämme des fleischlichen Israels waren und damit ein geistige Israel bedeuten müssen. Warum können sie dann nicht alle Christen, alle Nationen und Stämme und Zungen darstellen? Denn es war nach der Versiegelung der "Söhne Israels", daß diese Volksmenge erscheint. Warum kann sie also nicht einfach die Judenchristen meinen, denen später die Heidenchristen hinzugefügt wurden? Sicher mußten die Judenchristen geistige Israeliten werden, um nach dem Tode Christi von Gott angenommen zu werden! Wer sagt, daß beide Gruppen dann jetzt nicht die geistigen Israeliten sind?

In Offenbarung 19:6 ist es eine große Volksmenge, die ankündigt, daß die Zeit für die Hochzeit des Lammes herbeigekommen sei. Es heißt dort nicht, diese käme von der Erde, sondern sie schließt sie in Lobgesänge aus dem Himmel ein. Offenbarung 20:4-6 schildert ein Gericht und die Auferstehung derer, die auf Thronen sitzen, aber es wird keine Zahl genannt. Tatsächlich steht nirgendwo in der Bibel, die ausdrücklich genannten 144.00 säßen mit Jesus auf Thronen. Es heißt vielmehr, sie ständen auf dem Berg Zion, aber auch hier wird wieder die große Volksmenge an dieselbe Stelle gesetzt, wo die Engel sind - in den Himmel, wo der geistige Berg Zion ist. Offenbarung 5:6-10 ist interessant, weil hier nicht die Zahl derer genannt wird, die mit Christus herrschen. Es heißt vielmehr, daß "vier lebende Geschöpfe und 24 Älteste" "vor" dem Thron (wo?) auf ihre Gesichter fallen, und es wird der Ausdruck "vor Gott gebracht" verwendet, um Menschen aus "jedem Stamm und jeder Zunge und jedem Volk und jeder Nation" zu beschreiben, was, so sagt es die Wachtturm-Gesellschaft, die große Volksmenge sei, und nicht die 144.000; und doch sind nur die 144.000 "erkauft" (siehe das Reasoning-Buch, Seite 166 und Seite 167 (deutsch: Unterredungen anhand der Schriften, Seite 211 und Seite 212). Die Bibel sagt, daß alle, die durch den heiligen Geist berufen worden sind, Gottes Kinder sind.

So fing ich an, die Bibel wirklich zu lesen, ohne vorgefaßte Meinung, daß ich bereits wußte, was gemeint war. Nachdem ich die Bibel gelesen hatte, las ich andere sogenannte "heilige" Bücher. Ich sah bei den frühen Kirchenvätern und in der christlichen Geschichte zurück bis zum 1. Jahrhundert nach. Ich las die Naq Hammadi-Texte IV (1947) mit Büchern, die so alt und sogar noch älter waren wie die "Evangelien". Ich fand heraus, daß über die Bücher der Bibel, wie wir sie kennen, von einem Kirchenkonzil abgestimmt worden war und das Johannes-Evangelium es nur mit einer Stimme Mehrheit schaffte! Ich fand heraus, wie auf gefährliche Weise unrecht die Zeugen Jehovas haben. Schrecklich unrecht.

Ich forschte in der Geschichte der Wachtturm-Gesellschaft, aus ihren eigenen Büchern. Ich ging zurück bis auf Russells Schriften und die von Rutherford und die aus der Ära Knorr/Franz. Wahnsinnige, dämonische Lehren; Prophezeiungen von solch völligem Unsinn, die auf Satanismus zurückgriffen, und Megatrips an Macht von selbstsüchtigen alten Männern! Und für die sterben Leute, Leute, die ich kenne. Selbstmorde, Todesfälle, weil sie medizinische Behandlung ablehnen, und selbst Mord (jene Ältesten töteten Gary und meine Freundin Tammie). Todesfälle bei Kindern, ganze Familien ... aus keinem anderen Grund als dem, Ruhm auf eine Handvoll Männer in Brooklyn zu häufen.

Es widerte mich so an. Und was noch schlimmer war: Ich gehörte zu den Besten! Ich wurde mit 12 Jahren getauft, begann mit 18 Jahren den Pionierdienst und blieb dabei 15 Jahre lang, selbst aus dem Rollstuhl! Ich war "heineingeboren", und ich gab meine Jugend und meine Gesundheit für eine Lüge dahin. Ich lebte allein, und ein Ältester "überzeugte" mich sogar noch, mich sterilisieren zu lassen, um damit meine Chance zu vergrößern, bis Harmagedon im Pionierdienst zu bleiben (er argumentierte, wenn ich heiratete und schwanger würde, müßte ich mit dem Pionierdienst aufhören, weil ich mit meiner Gesundheit nicht beides könne - das war, als ich einem anderen allein lebenden Ältesten, der keine Kinder haben wollte, "den Hof machte"). Schließlich könnte ich ja immer noch Kinder in der neuen Welt bekommen. Ich könnte immer noch eine Ausbildung in der neuen Welt anstreben. Ich könnte immer bis zur neuen Welt zurückstecken.

So ging ich also im Alter von 34 Jahren ohne Ausbildung, bei schlechter Gesundheit, unfähig, Kinder zu bekommen weg und ließ alle, die ich kannte und liebte, zurück. Aber ich fand Gott. Ich segne den Tag, an dem ich wegging! Es war mein Geburtstag, der Tag, an dem ich zu leben begann. Ich sage zu mir selbst: Herzlichen Glückwunsch! Ich werde nie zurückgehen. Ich bereue es nicht, daß ich gegangen bin. Es tut mir aber leid, daß ich alles verloren habe. Mir tut es leid, daß ich so lange an der Täuschung anderer Menschen teilhatte. Mir tut das leid, was ich mir habe entgehen lassen. Aber jetzt bin ich hier, und ich werde das Bestmögliche aus mir machen. Es ist nicht leicht, so lange unter der Gehirnwäsche einer Sekte gestanden und nicht einmal eine Chance dabei gehabt zu haben, weil ich darin aufgewachsen bin.

Doch bei Gott sind alle Dinge möglich. Darunter auch, daß ich anderen helfe, Jehovas Zeugen und die Wachtturm-Gesellschaft als das anzusehen, was sie wirklich sind. Was sind sie? Irregeführte, aufrichtige und geistig hungernde Menschen, die Gott lieben und von Ihm geliebt werden möchten, die von einer bösen Organisation aus eigensinnigen, machthungrigen alten Wahnkranken und Pervertierten bedrückt werden, die ich einmal geliebt und als meine Brüder bezeichnet habe, und denen ich glaubte, jedes Wort, das sie sagten, käme von Gott allein. Ich empfinde immer noch Liebe für die Irregeführten. Sie sind immer noch meine Brüder. Aber sie dürfen mich nicht als Schwester bezeichnen, sie nennen mich wohl eine Abtrünnige.

Ich wurde (meines Wissens) nicht ausgeschlossen und ich habe die Gemeinschaft auch nicht förmlich verlassen (ich habe keinen Brief geschrieben), ich bin einfach weggegangen. Ich habe nichts getan, für das ich eine Bestrafung hätte erhalten sollen, so trifft das alte: "Sie wollen einfach unmoralisch leben -- darum sind sie gegangen" nicht zu.

Ich möchte eins sagen: Es war die eigene Literatur der Wachtturm-Gesellschaft, die mich "heraus"führte; der ganze Stoff von "Abtrünnigen", den ich las, bestärkte nur das, was ich für mich selbst herausfand.

So kannst Du Dich nun weigern, mit mir zu reden, und so handeln, als wäre ich tot, was immer Dein Gewissen zuläßt. Sag jedem, ich sei geisteskrank geworden, wenn Du willst. Aber ich werde niemals mehr zurückgehen, und ich möchte auch nichts mehr über die Zeugen Jehovas hören.

Ich erhalte die Zeitschriften, nur um auf dem laufenden zu bleiben, was sie sich jetzt zusammenlügen. Wußtest Du, daß die Wachtturm-Gesellschaft der Europäischen Menschenrechtskommission erzählt hat, Bluttransfusionen seien erlaubt und es hätte keine Auswirkungen, wenn jemand aus seinem Gewissen heraus sie annähme? Sie versucht das zu vertuschen, gerade so, wie die Wachtturm-Gesellschaft den Zivildienst und das Mitführen politischer Karten in einigen europäischen Ländern erlaubt hat - letzteres, um ihren steuerfreien Status als Religion zu behalten.

Es ist alles dokumentiert. Die Wachtturm-Gesellschaft ist vor dem Europäischen Gerichtshof sogar des Meineides beschuldigt worden. Ich kann Dir das alles auf dem Internet geben; und nicht etwa von irgendeiner Gruppe ehemaliger Zeugen, sondern direkt von der Quelle. Was ich herausgefunden habe, ist so widerwärtig.

L und ich gehen zu einer unitarischen Universalistenkirche. Ich bin Mitglied der CUUPS oder Covenant Unitarian Universalist Pagans. Ich studiere die Gnostik, und wenn ich den Anspruch auf irgendeine Art Christentum erhebe, ist es der des orthodoxen. Ich habe sogar mit einer Jugendgruppe über die Gefahren gesprochen, die Sekten und andere Gruppen darstellen, die ihr Mitglieder sehr kontrollieren. Ich werde Deine Entscheidung respektieren, ob Du weiter mit mir in Kontakt bleiben willst oder nicht. Mutter und K wissen von dem ganzen Mist, in dem ich die letzten zwei Jahre steckte, und daß ich keine Zeugin Jehovas mehr bin (ich stelle mich mir eher als NICHTZEUGIN denn als EHEMALIGE vor, weil ich selbst soweit nicht damit in Verbindung gebracht werden möchte). Ich habe diesen Brief geschrieben, weil ich Dich liebe. Weil Du zu lange irrregeführt worden bist; weil Du es verdienst, noch ein paar glückliche Jahre vor Dir zu haben, statt die verbleibenden ein Heuchler zu sein (Du mußt nicht zu den Zusammenkünften und in den Dienst gehen und ein Zeuge Jehovas sein, um Gott anzubeten, und ich weiß, Du hast Dich die letzten 15 Jahre abgemüht, das alles zu tun!)

Alles Liebe, Ravyn