Bei mir begann alles im Spätsommer 1972, als mein Zwillingsbruder an der Tür einen Vollzeitdiener der Zeugen Jehovas traf. Diese Begegnung führte dazu, daß gedrucktes Material bei ihm zum Lesen zurückgelassen wurde, das er gedanklich höchst anregend fand.

Wir lebten damals immer noch zu Hause, und wenn die Zeugen uns wieder besuchten - ich tat mein Bestes, dem aus dem Wege zu gehen; tatsächlich gab es Zeiten, wo ich mich hinter etwas versteckte, um nicht mit ihnen sprechen zu müssen -, war mein Bruder recht überzeugt, daß er DIE WAHRHEIT gefunden hatte.

Natürlich war ich der erste, mit dem er diese Dinge teilen wollte. Am Ende hörte ich ihm zu und glaubte tatsächlich, was er mir erzählte; es machte so viel Sinn. Ich war nur zu sehr beschäftigt und zu der Zeit auch nicht willens, mich dieser Sache hinzugeben. Mein Bruder ging nun zu den Zusammenkünften und genoß die Erfahrung wirklich. Ich muß sagen, daß seine neu gefundene Erkenntnis für Aufregung im Hause sorgte. Es gab einige recht heiße Diskussionen mit dem Rest der Familie. Ich stimmte völlig mit ihm überein und verteidigte das, was er sagte. Ich bekam die Möglichkeit, einige der Zeugen zu treffen, mit denen mein Bruder zusammenkam, und hatte Freude an dem Gespräch mit ihnen. Es war nur eine Frage der Zeit, daß auch ich begann, zu den Zusammenkünften zu gehen und die Ansichten der Zeugen zu akzeptieren - sogar bis heute möchte ich noch glauben, daß einiges von dem, was sie sagten, wahr ist.

Es dauerte nicht lange und mein Bruder und ich wurden im April 1973 getauft - auf den Namen Jehovas und nicht der Zeugenorganisation. Je öfter ich die Zusammenkünfte besuchte, desto schuldiger fühlte ich mich, weil ich der Zeugnistätigkeit nicht mehr Zeit und Kraft widmete. So war es nur eine Frage der Zeit, daß ich beschloß, meinen Vollzeitberuf an den Nagel zu hängen und den Vollzeitpredigtdienst aufzunehmen. Das war im Mai 1976. Ich kann wirklich sagen, daß ich meine Tätigkeit liebte.

Auf Menschen zu treffen, mit denen Bibelstudien durchgeführt wurden, war eine aufregende Erfahrung, und ich bedauere daran gar nichts. Ich hatte die Gelegenheit, die Bibel mit Hunderten von Leuten zu studieren und beeinflußte etwa zwanzig direkt, Zeugen zu werden, und etwa weitere zwanzig indirekt. Bei all dieser Tätigkeit wollte ich noch mehr tun, um Menschen zu helfen.

Normalerweise würde jemand, der wie ich seine Zeit und Kraft für die Organisation einsetzte, bei den Brüdern gern gesehen werden, und man würde ihm mehr Verantwortung in der Versammlung übertragen, aber ich bemerkte, daß das bei mir nicht so war. Der Grund war, daß ich ohne Furcht die Wahrheit darüber sagte, wie die Dinge standen. Die Ältesten mochten diese Eigenschaft bei mir nicht und taten ihr Bestes, um mich davor zurückzuhalten, in der Versammlung gebraucht zu werden. Ich bemerkte auch, daß man es höchst deutlich gegen mich verwandte, wenn ich nicht einer Meinung mit den Ältesten war, auch wenn das, was ich sagte, wahr war. Die Ansichten der Ältesten sah man als Gottes Ansichten an (ihr wißt ja: die Geschichte mit dem heiligen Geist). Den Brüdern, die bei dem "Spiel" mitmachten, übertrug man schneller Verantwortung in der Versammlung, auch wenn sie kein so vorbildliches Leben führten.

Um also das, was ich sah, zusammenzufassen, es gab eine Menge Politik (Saalitis) im Königreichssaal, und man sollte es besser bleiben lassen, daran zu rühren. Es gab in unserem Saal einen Ältesten, der den meisten Einfluß zu haben schien und derjenige war, der seine Stellung als Ältester mehr als alle anderen zu mißbrauchen schien. Es war unglaublich, womit er ungestraft davonkam, denn weil er mit seiner Frau in einer Wohnung unter dem Königreichssaal lebte, kam er zu dem Schluß, daß ihm der Ort gehörte.

Man darf nicht vergessen, daß die Wohnung für ein Paar war, das im Vollzeitdienst stand, und für ihr Opfer wurde ihnen eine sehr moderate Miete berechnet.

Schließlich hörte seine Frau mit dem Vollzeitdienst auf, so daß nur der Bruder im Vollzeitdienst stand, doch die Miete für die Wohnung blieb dieselbe, selbst als seine Frau eine Arbeit annahm und ihr Einkommen zunahm. Die Miete, die dieser Bruder bezahlte, betrug nur US-$125,- pro Monat einschließlich Nebenkosten. Die Geräte in der Wohnung waren alle elektrisch und verbrauchten in einem durchschnittlichen Monat wenigstens US-$100,- an Stromkosten. Man kann also sehen, daß dieser Bruder seine Wohnung praktisch für umsonst bekam und wir als Mitglieder des Königreichssaales die Rechnung beglichen.

In Anbetracht dessen, daß Jehovas Zeugen keinen bezahlten Geistlichen haben und sich dessen auch noch rühmen, scheint hier eine Begriffsverwirrung vorzuliegen. Nicht nur, daß dieser Bruder eine reichlich billige Miete zu bezahlen hatte, er zog sie auch noch als gemeinnützige Zuwendung bei seiner Einkommensteuererklärung ab. Er nahm auch noch den Status eines Vollzeit-Religionsdieners in Anspruch, was ihn zu einigen erheblichen Abzügen bei seiner Einkommensteuer berechtigte, obwohl er rein rechtlich nicht dafür in Frage kam, weil er dazu ein Vollzeitgeistlicher mit Gehalt hätte sein müssen. Jehovas Zeugen erhalten für ihr Werk im Dienst keine Bezahlung. So ist es eine Untertreibung, wenn man sagt, daß er die Finanzbehörden schröpfte.

Man machte ihn darauf aufmerksam, aber er hatte seine eigene Art und Weise, sein Tun zu rechtfertigen. Er behauptete, er werde für die abgegebene Literatur an den Türen bezahlt. Angesichts dessen, daß die Zeitschriften 25 Cent kosteten und die Bücher 50 Cent bis einen Dollar, hätte er schon 20.000 Zeitschriften und 5.000 Bücher verkaufen müssen, um nur US-$10.000,- zu machen, etwas, das die gesamte Versammlung nicht in zwanzig Jahren hätte tun können.

Oh, ich habe zur Sprache gebracht, daß dieser Bruder auch 20.000 Meilen pro Jahr für Autofahrten in Abzug brachte. Nicht schlecht, da er das Auto selten im Dienst gebrauchte; gewöhnlich ließ er sich von anderen herumfahren. Das entspricht 500 Meilen pro Woche oder 70 Meilen pro Tag. Das wäre technisch unmöglich, wenn er im Vorstadtbereich von Tür zu Tür ginge. Vielleicht warf er ja Zeitschriften aus dem Autofenster, wenn er zwei oder mehr Stunden herumfuhr. Er war ein sehr konspirativer und unehrlicher Mann. Und doch gab er sich als sehr bescheidener und sanfter Mensch. Wir nannten ihn "Don the Con" [Don der Betrüger], das paßte völlig zu seinem Lebensstil.

Es war also diese Situation, die mich an der Rechtschaffenheit dieser Leute zu zweifeln beginnen ließ, insbesondere an denen, die die Führung innehatten. Schließlich brachte ich die anderen Brüder dazu, zu sehen, was da vor sich ging, und man kam überein, daß die Miete auf US-$ 250,- erhöht wurde. Es wurde auch ein separater Stromzähler eingebaut, so daß die Dinge nun wieder im Lot waren und wir nicht seine Stromrechnung zahlen würden. Angesichts dessen, daß dieser Bruder fünfzehn Jahre lang mit der Bezahlung dieser niedrigen Miete davongekommen war, kann man sich das Geld vorstellen, das dieser Bruder auf unsere Kosten sparte.

Kurz darauf wurde dieser Bruder, der sah, daß wir hinter ihm her waren, in eine andere Versammlung in einer anderen Stadt versetzt (höchstwahrscheinlich auf eigenen Wunsch); aber so unglaublich es klingt, er lebte weiterhin in der Wohnung in unserem Königreichssaal, während er zwischen ihr und seiner neuen Zuteilung in der anderen Versammlung etwa 15 Meilen entfernt pendelte. Gewöhnlich muß jemand, der in dieser Weise versetzt wird, die Wohnung aufgeben und in das neue Gebiet umziehen, aber aufgrund seiner Macht und des Einflusses war dieser Älteste in der Lage, in einer Wohnung zu leben, deren Miete von US-$250,- er sich noch immer leisten konnte - einer Wohnung, die immer noch um US-$200,- billiger war als die ortsübliche Miete. Würdest du oder würde ich in dieser Wohnung leben, man hätte uns höchstwahrscheinlich schon aufgefordert, auszuziehen.

Meine Zeit in dieser Versammlung war aufgrund der Tatsache begrenzt, daß meine Frau und ich außerhalb der Stadt ein Haus kauften, so daß wir schließlich aus dem Stadtgebiet wegziehen konnten und einen neuen Königreichssaal besuchten.

Es war zu diesem Zeitpunkt, daß ich sehr glücklich war; ich diente als Vollzeitpionier und wurde schließlich zum Ältesten ernannt (nach 15 Jahren Vollzeitpionierdienst gingen den Ältesten die Einwände aus, aber das ist eine andere Geschichte). Ich dachte wirklich, so gut könnte es bleiben, aber ich war im Irrtum.

Mein Bruder Joe kam in eine Situation mit diesem Ältesten (der im Königreichssaal wohnte, Don the Con), die der Anfang vom Ende für ihn sein sollte. Ich möchte nicht in die Einzelheiten gehen, aber wenn ihr daran interessiert seid, möchtet ihr vielleicht seinen Bericht in dem Artikel "Die schlimmste Vergewaltigung" von Joe Rizoli lesen ("the ultimate rape" (we.archive.org), auch über E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. zu erreichen; er liefert weitere Einzelheiten über das, was mit ihm geschah).

Dieser Älteste hat bei vielen Leuten eine Menge geistigen Schaden angerichtet, indem er seine Macht mißbrauchte und die falsche Handlungsweise seiner Freunde, die ihn "anbeteten", vertuschte. Nur sehr wenige haben den Mumm, gegen ihn aufzustehen. Ihr werdet noch sehen, warum. Nun, wie auch immer, mein Bruder klagte diesen Ältesten an, zu lügen und die sexuellen Fehlhandlungen eines anderen Bruders zu verheimlichen. Der Fall war nichtöffentlich, aber das war nicht so, wie er sich entwickelte. Wir dachten, dieser Älteste würde wegen seiner Lügen bloßgestellt und getadelt oder sogar als Ältester abgesetzt, doch wir waren im Irrtum. Dieser Älteste überzeugte die anderen Ältesten, sie sollten die Dinge von seiner Warte aus sehen, und man glaubte ihm. Ich machte gegen diesen Ältesten zugunsten meines Bruders eine Aussage, nur damit diese Aussage beiseite getan wurde. Unglaublich, aber wahr: Mein Bruder erhielt einen Gemeinschaftsentzug wegen LÜGENS. Wo hatte er gelogen? Gute Frage, aber das wissen wir bis heute nicht.

Um in der Wachtturm-Organisation einen Gemeinschaftsentzug zu erhalten, muß man schon ein reueloser Sünder sein. Um also wegen Lügens ausgeschlossen zu werden, hätte mein Bruder ein fortgesetzter Lügner sein müssen. So ist die Frage, was das alles für Lügen waren. Und über welchen Zeitraum hinweg hat er ständig gelogen? Welche Zeugen gab es für seine sogenannten Lügen? Als die Ältesten gefragt wurden, worin denn die Lügen bestanden hätten, war ihre Antwort: "KEIN KOMMENTAR". Die Ältesten hatten sich in diesem Fall eigentlich der Vertuschung sexuellen Fehlverhaltens eines anderen Bruders schuldig gemacht - in einem Fall, der als Zivilsache gegen diesen Bruder geendet hätte, der aber wie alles andere unter den Teppich gekehrt wurde. Nun kann man sehen, warum hier vertuscht wurde: weil die Ältesten selbst eine Zivilklage auf sich hätten ziehen können. Statt für das aufzustehen, was recht war, machte die Organisation, zu der ich aufblickte, gemeinsame Sache mit diesem Komitee und vertuschte es. Zu sagen, es sei eine Riesenenttäuschung für mich gewesen, ist eine Untertreibung. Ich rechnete mir aus, daß ich in der Sache nichts tun könnte, und weil ich sowieso in Kürze umziehen wollte, dachte ich, ich würde das alles hinter mich lassen und in Jehovas Hand lassen, wie man so sagt, und das Leben weitergehen lassen. Ich zog um, bereit und willens, mit dem Zeugnisgeben im August 1989 weiterzumachen.

Ein Neubeginn

Ich muß schon sagen, daß es großartig begann; ich war in meiner neuen Versammlung höchst willkommen und wurde gebraucht, sogar mehr, als ich erwartete. Aber das sollte sich bald als kurzlebig erweisen. Nach etwa sechs Monaten kam der Kreisaufseher, und normalerweise folgten die Ernennungen von Ältesten und Dienern in der Versammlung. Als die Zeit da war, die Ernennungen zu verkünden, wurde ich eine Woche vorher informiert, daß die Ältesten dachten, daß es das Beste wäre, in meinem Fall mit einer Ernennung zurückhaltend zu sein; doch nicht nur zurückhaltend, sondern mich zum Dienstamtgehilfen zurückzustufen! Wenn ich das nicht akzeptierte, würde man mir überhaupt keine Verantwortung übertragen! Das hat mich umgehauen. Die Gründe, die angegeben wurden, waren so lächerlich, daß ich fast zu lachen anfing (Es ist gut, wenn man Humor hat, wenn man mit den Ältesten zu tun hat).

Die Gründe gegen mich drehten sich darum, wie ich mich an den Türen verhielt; einige dachten, ich sei zu stark an den Türen. Ich will damit nicht angeben, aber ich hatte mehr Erfolg an den Türen, Bibelstudien zu beginnen, als die ganze restliche Versammlung. In den ersten zwei Jahren, die ich da war, hatte ich mindestens zehn Bibelstudien begonnen, und hier kritisierte man mich wegen meines stärksten Aktivpostens. Es gab also, wie man sehen kann, keinen biblischen Grund, mich nicht zum Ältesten zu ernennen. Die Ältesten gaben sogar zu, daß dies nicht die normale Vorgehensweise war und recht unüblich, und weil ich nicht viele Fragen stellte, waren sie höchst erleichtert. Sie mußten mir keine direkten Antworten geben. Irgend etwas war hier eindeutig faul. So ließ ich das Thema fallen, auch wenn meine Nichternennung eine Zeitlang ein Gesprächsthema bei den übrigen Brüdern und Schwestern war.

Ich rechnete mir aus, daß dies mir einige Zeit gäbe, mit der Versammlung zu arbeiten; sie würden mich dann besser kennen. So vergingen weitere sechs Monate, und die Zeit war wieder da für Ernennungen. Wieder wurde ich nicht ernannt. Was war da los?, fragte ich mich. Ich war jetzt 15 Jahre im Vollzeitdienst, in einer anderen Versammlung schon zum Ältesten ernannt und mit einer guten Empfehlung dieser Versammlung. Zwei- oder dreimal im Jahr ging ich ins Bethel, um dort bei Bauprojekten zu helfen. Was konnte ich noch mehr tun? Was stimmte da nicht? Diesmal entschloß ich mich, die Sache bei den Ältesten zur Sprache zu bringen. Ich kam mit der ganzen Ältestenschaft zusammen und wollte vernünftige Antworten. Es gab aber keine vernünftigen Antworten; sie waren wütend, daß ich diese Zusammenkunft anberaumt hatte.

Dieses Katz-und-Maus-Spiel ging ein paarmal weiter. Man kann gut sehen, was da los war: Sie wollten mich nicht ernennen und suchten dafür nach jeder Entschuldigung. Mit der Zeit bemerkte ich, daß ich sogar einige Verantwortlichkeiten, die ich in der Versammlung hatte, verlor, und wieder gab es keine Gründe dafür, niemand brachte die Sache zur Sprache. Ich habe zu der Zeit immer noch Ansprachen für die Öffentlichkeit gehalten und ein Buchstudium durchgeführt. Das begann nun, sich demoralisierend auf mich und meine Frau auszuwirken. Ich begann zu denken, etwas stimme mit mir nicht. Bald sollte ich eine Antwort erhalten.

Endlich die "WAHRHEIT"

Eines Tages, als ich mit einem Ältesten im Predigtdienst war, der erst kürzlich in unsere Versammlung gekommen war, fragte ich ihn, was da los sei. Er informierte mich, er habe sagen hören, der Kreisaufseher stehe dahinter, daß ich nicht zum Ältesten ernannt würde. Soweit ich sehen konnte, belog dieser Kreisaufseher die Ältesten im meiner Versammlung über einiges, von dem er sagte, ich hätte es gesagt. Sein Einfluß auf die Ältestenschaft war so groß, daß sie tatsächlich ihre ganze Meinung über mich änderten, basierend auf der falschen Aussage gegen mich. Endlich fand ich die Wahrheit heraus! Drei Jahre lang hatte ich auf diesen Tag gewartet. Keiner der Ältesten, die in den Fall verwickelt waren, hatte bis jetzt zugegeben, was geschehen war. Man hätte ja denken können, die Ältesten hätten mich nach meiner Version der Geschichte gefragt, als das alles anfing, aber das war nicht der Fall. Dieser Kreisaufseher war derjenige, dem gegenüber ich meine Aussage zugunsten meines Bruders gemacht hatte, als er einen Gemeinschaftsentzug erhalten sollte, so kann man also sehen, daß er es auf mich abgesehen hatte. So rächte er sich an mir, weil ich die Wahrheit in meiner Aussage für meinen Bruder gesagt hatte. Unnötig zu sagen, daß schon an der Wand geschrieben stand, was er als nächstes tun würde.

Das nächste Fiasko gab es, als mein Bruder mich in einen Brief hineinzog, den er einem ehemaligen Freund in einer anderen Versammlung schrieb. Erinnert euch, Joe war zu dieser Zeit ausgeschlossen. Diese andere Person, der Joe schrieb, übergab den Brief den Ältesten meiner früheren Versammlung. Ich hatte bereits Vorkehrungen getroffen, mit den Ältesten in meiner Versammlung zusammenzukommen, um über einiges zu reden, das mich störte, und ich rechnete mir aus, daß ich auch über diesen Brief sprechen würde. Das alles war für Sonntag, den 14. Februar 1993, angesetzt.

Am Freitag, dem 12. Februar, sprach ich mit einem der Ältesten (einem guten Freund von mir und auch einem Geschäftspartner) in meiner früheren Versammlung (der auch in den Fall verwickelt war) und sagte ihm, was ich vor hatte. Er sagte mir, er würde nicht mit den Ältesten in meiner Versammlung über die Situation sprechen, sondern er würde mich zuerst mit ihnen reden lassen. Dann rief er an jenem Abend noch den Kreisaufseher an, und er sagte ihm, er solle mit den Informationen zuerst zu meinen Ältesten gehen, (er sagte mir, er würde mich gehen lassen, um zuerst mit ihnen zu reden). Doch der Kreisaufseher hatte eine Menge Einfluß auf Leute (nebenbei gesagt, es war nicht derselbe Kreisaufseher, der über mich gelogen hatte, sondern sein Nachfolger), und er überredete meinen Freund und Geschäftspartner, so zu handeln, wie er es mir gesagt hatte.

So kam er am Samstag, den 13., in meine neue Versammlung, um mit den Ältesten meiner Versammlung über mich und den Brief zu sprechen. Zufällig hatte ich an jenem Abend (Samstag) mit ihm gesprochen, und er informierte mich, was er getan hatte. Man kann sich vorstellen, daß ich alles andere als glücklich damit war. Meine Frau war sogar noch ärgerlicher. Natürlich hatte er seine Entschuldigungen, warum er sein Wort mir gegenüber nicht gehalten hatte, aber es spielte keine Rolle mehr; er war ein Feigling und würde sich für seine Handlungsweise verantworten müssen. Tatsächlich brach dieser Bruder zusammen und weinte, als er später mit mir sprach, weil er wußte, er hatte mein Vertrauen in ihn mißbraucht.

An jenem Sonntag, dem 14. Februar 1993, schrieb ich einen Brief, in dem ich als Dienstamtgehilfe und allgemeiner Pionier zurücktrat. Es gab noch eine Verkündigerdienstkarte von mir, aber ich ging nicht mehr zu den Zusammenkünften.

In den letzten zwei Jahren habe ich das Buch Der Gewissenskonflikt des ehemaligen Gliedes der leitenden Körperschaft, Ray Franz, gelesen, und auch sein zweites Buch Auf der Suche nach christlicher Freiheit, das mir sehr geholfen hat, mich von der Wachtturm-Organisation zu erholen. Was mit ihm passierte, läßt meinen Fall im Vergleich zu seinem als belanglos erscheinen. Es ist schade, daß die Freunde seine Bücher nicht lesen; ich weiß, sie würden großen Nutzen daraus ziehen.

Wenn ihr verstehen wollt, wie die Wachtturm-Gesellschaft denkt und zu ihren Entscheidungen kommt, dann sind diese Bücher ein unbedingtes Muß.

1995 wurde ich als schlechter Umgang bezeichnet - man stelle sich das vor: schlechter Umgang, weil ich die Wahrheit gesagt hatte -, und am 6. Mai 1996 wurde mir wegen "losen Lebenswandels" die Gemeinschaft entzogen, was (in meinem Fall) nichts mit sexuellen Dingen zu tun hatte, sondern "EINE WILLENTLICHE MISSACHTUNG VOR AUTORITÄT" bedeutete. Oder mit anderen Worten: Ich war mit den Ältesten nicht einer Meinung. An alle Zeugen Jehovas gesagt: Seid vorsichtig, nicht einer Meinung mit den Ältesten zu sein. Es ist ein Weg für sie, euch auszuschließen, denn ihr Wort ist Gott.

So bin ich jetzt ausgeschlossen aufgrund einer Beschuldigung, die überhaupt keinen Sinn ergibt. Ich habe gegen den Ausschluß Berufung eingelegt, nur um zu sehen, was dann passierte. Und tatsächlich passierte nichts, die neue Ältestenschaft aus Springfield, Massachusetts, hielt den ersten Ausschluß aufrecht. Was für ein Komitee! Es war sehr interessant, die Ältesten antworteten nicht auf meine Fragen. Ich konnte die Sitzung auf Band aufnehmen, and wir machten eine Niederschrift des Dialoges, die ich bereits bekanntgemacht habe.

Ich habe mir ein drahtloses Mikrofon angehängt, und mein Brueder Joe war draußen im Auto mit dem Aufnahmegerät. Ich fühlte mich wie in dem Film "MISSION IMPOSSIBLE"! Jetzt habe ich 50 Minuten Diskussion, die zeigen, wie die Ältesten lügen und die "WAHRHEIT" verdrehen.

So bin ich nach 23 Jahren von Menschen abgeschnitten, die ich für Freunde hielt. Meine Frau geht noch in die Versammlung, wenn sie kann. Es ist keine angenehme Situation, aber das Leben geht weiter. Sie sieht, was vor sich geht, geht damit auf ihre Weise um, aber es ist nicht leicht für sie.

Ich habe viel Freude an meinem Computer und daran, mich in einem Forum wie diesem zu äußern. Ich gehöre zu einer Gruppe namens "Jesus Witnesses", die sich aus Noch-Zeugen und Ehemaligen wie mich zusammensetzt. Wir haben keine Angst, über Mißstände in der Wachtturmorganisation zu reden. Es gibt draußen Hunderte, wenn nicht Tausende, von Zeugen, die sehen, daß mit dieser Organisation etwas nicht stimmt, die aber Angst haben, ihre Stimme zu erheben. Das Internet ist ein Gottesgeschenk, weil so viele draußen Informationen in das Netz geben, die andere lesen, und das ist sehr hilfreich für Leute, die nach der WAHRHEIT über die Wachtturmorganisation suchen.

Ich wäre mehr als glücklich, wenn ich jemandem draußen helfen könnte, der mehr Informationen über die WTG oder irgend etwas über die Zeugen braucht. Schreibt mir, es würde mich freuen, euer Für und Wider zu lesen. Wenn ihr den Wachtturm verteidigen wollt, macht bitte vorher eure Hausaufgaben und stützt das, was ihr sagt, mit Fakten. Oft antworten Leute, die die entsprechenden Themen nicht recherchiert haben, und das wird dann für beide Seiten Zeitverschwendung.

Noch ein Nachgedanke

Älteste, Kreisaufseher und die Gesellschaft im allgemeinen mißbrauchen oft ihre Macht. Das eigentliche Problem ist, daß man das, was man tut, Gott zuschreibt. Man behauptet, Gott würde diesen Machtmißbrauch zulassen; daher gibt es keine Kontrollmechanismen wie in anderen Organisationen. Niemand prüft nach, ob die Tribunale der Ältesten den eigenen Gesetzen der Gesellschaft folgen. Fast schon per definitionem ist das, was jemand in einer biblischen Machtstellung tut (leitende Körperschaft, Kreisaufseher, Ältester, Ehemann, Vater), so anzusehen, als habe es Gottes Segen. So wird das Opfer verantwortlich gemacht. Ich habe Geschichten gehört (und bestätigt gefunden) über schreckliche Gemeinschaftsentzüge, gewalttätige Ehemänner, sexuelle Belästigungen von Ältesten, sexuelle Übergriffe von Vätern, die in der Versammlung gut angesehen waren.

Es sind nicht bloß ein paar üble Einzelpersonen in der Organisation. Es sind vielmehr ein paar gute Einzelpersonen in einer Organisation, die schlecht geworden ist!