Der Amerikaner Albert Ellis hat auf irrationale Überzeugungen hingewiesen, von denen Menschen mehr oder weniger indoktriniert sind. Normalerweise treffen ungefähr 3 dieser Überzeugungen auf uns zu. Bei Mitgliedern von Kulten werden oft die Punkte (1), (2), (8) und (11) beobachtet.

  1. Die Meinung, es sei für jeden Erwachsenen absolut notwendig, von praktisch jeder anderen Person in seinem Umfeld geliebt oder anerkannt werden.
  2. Die Meinung, daß man sich nur dann als wertvoll empfinden dürfe, wenn man in jeder Hinsicht kompetent, tüchtig und leistungsfähig ist.
  3. Die Idee, daß bestimmte Menschen böse, schlecht und schurkisch und für ihre Schlechtigkeit streng zu rügen und zu bestrafen seien.
  4. Die Vorstellung, daß es schrecklich und kastastrophal ist, wenn die Dinge nicht so sind, wie man sie gerne haben möchte.
  5. Die Vorstellung, daß das menschliche Leiden äußere Ursachen habe und daß der Mensch wenig Einfluß auf seinen Kummer und seine psychischen Probleme nehmen könne.
  6. Die Überzeugung, daß man sich um tatsächliche oder eingebildete Gefahren große Sorgen machen, sich ständig mit der Möglichkeit ihres Eintretens befassen müsse.
  7. Die Meinung, es sei leichter, Schwierigkeiten auszuweichen, als sich ihnen zu stellen.
  8. Die Vorstellung, daß man sich auf andere verlassen sollte und daß man einen Stärkeren brauche, auf den man sich stützen könne.
  9. Die Vorstellung, daß die eigene Vergangenheit entscheidenden Einfluß auf unser gegenwärtiges Verhalten habe, und daß etwas, das sich früher einmal auf unser Leben auswirkte, dies auch weiterhin tun müsse.
  10. Die Neigung, sich über Probleme und Verhaltensschwierigkeiten anderer Leute aufzuregen.
  11. Die Vorstellung, daß es für jedes menschliche Problem eine absolut richtige, perfekte Lösung gebe, und daß es eine Katastrophe sei, wenn diese perfekte Lösung nicht gefunden werde.

Ellis 1977, Seite 64-90


Irrationale Überzeugung Nr. 1: Die Meinung, es sei für jeden Erwachsenen absolut notwendig, von praktisch jeder anderen Person in seinem Umfeld geliebt oder anerkannt zu werden.

Obwohl oft - vielleicht mit Recht - behauptet wurde, dass Kinder Liebe und Anerkennung brauchen, und obwohl es zweifellos auch für Erwachsene wünschenswert ist, von vielen derjenigen Menschen, mit denen sie in enge Berührung kommen, geliebt und geschätzt zu werden, ist es fraglich, ob es absolut notwendig ist, dass jeder Erwachsene von praktisch jeder anderen Person in seinem Lebensbereich, die er für wichtig hält, akzeptiert wird . Der Glaube, dass man von wichtigen Mitmenschen akzeptiert werden müsse, ist aus mehreren Gründen irrational:

1. Mit der Forderung, von allen anerkannt zu werden, auf deren Anerkennung man Wert legt, setzt man sich ein perfektionistisches, unerreichbares Ziel: denn selbst wenn man von 99 Menschen akzeptiert oder geliebt wird, gibt es immer einen 100. oder 101. usw., der einen ablehnt.

2. Selbst wenn man von allen Leuten akzeptiert wird, die einem wichtig sind - wenn man von ihrer Anerkennung abhängig ist -, muss man sich ständig Sorgen machen, wie sehr sie einen mögen und ob sie einen immer noch mögen. Die Abhängigkeit von der Wertschätzung anderer ist daher zwangsläufig von einem beträchtlichen Maß an Angst begleitet.

3. Sosehr Sie sich auch anstrengen mögen, es ist unmöglich, immer liebenswert zu sein. Infolge deren eigener, persönlicher Vorurteile werden Sie immer von einigen Leuten, auf deren Anerkennung Sie Wert legen, abgelehnt oder mit Gleichgültigkeit behandelt werden.

4. Angenommen, es wäre möglich, die Anerkennung aller Leute zu erringen, auf deren Beifall Sie Wert legen, so würde Sie das so viel Zeit und Energie kosten, dass Ihnen nur wenig davon für lohnendere Ziele übrigbliebe.

5. Wenn Sie sich ständig um die Anerkennung anderer bemühen, müssen Sie sich bei diesen einschmeicheln und ihnen stets zu Willen sein - die Folge ist, dass Sie auf viele ihrer eigenen Wünsche und Bedürfnisse verzichten müssen und daher wesentlich weniger selbstbestimmt agieren.

6. Wenn Sie sich in zwanghafter Weise um Anerkennung durch andere bemühen - was unausbleiblich ist, wenn Sie Anerkennung nicht als wünschenswert, sondern als notwendig erachten -, dann werden Sie sich den anderen gegenüber so unsicher verhalten und ihnen so lästig fallen, dass Sie sich oft deren Anerkennung und Respekt verscherzen und somit Ihre eigenen Absichten vereiteln werden.

7. Lieben, nicht Geliebtwerden, ist eine ausfüllende, kreative Möglichkeit der Selbstverwirklichung. Doch das verzweifelte Bedürfnis, geliebt zu werden, fördert die Liebesfähigkeit nicht, sondern hemmt sie. Statt seine Probleme in irrationaler Weise durch ständiges Buhlen um Liebe und Anerkennung lösen zu wollen, täte der rationale Mensch gut daran, sein Beil in kreativem und produktivem Leben und Lieben zu suchen.

Konkreter:

(1) Er sollte zwar nicht versuchen, alle seine Wünsche nach Anerkennung auszumerzen, aber er sollte sich von seinem maßlosen, exzessiven Bedürfnis nach Liebe befreien.

(2) Er sollte sich in vielen Fällen aufrichtig bemühen, aus konkreten Gründen geliebt zu werden (etwa indem er jemandem Gesellschaft leistet oder dessen berufliches Fortkommen fördert), statt (wie ein Kind) »um seiner selbst willen«, wegen seiner »unsterblichen Seele« oder zur Hebung seiner (falschen) »Selbstachtung« geliebt werden zu wollen. Er sollte wissen, dass wahre Selbstachtung nicht durch den Beifall anderer zustande kommt, sondern weil man sich selbst mag und die meisten seiner eigenen Interessen verfolgt, ob das den anderen gefällt oder nicht.

(3) Wenn er von denjenigen, die er gerne auf seiner Seite hätte, nicht geliebt und anerkannt wird, dann sollte er sich zwar unumwunden eingestehen, dass das enttäuschend und frustrierend ist, aber sich nicht ein reden, es sei eine furchtbare Katastrophe.

(4) Er sollte sich weder anpassen um der Anpassung willen noch rebellieren um der Rebellion willen. Er sollte sich von Zeit zu Zeit fragen: »Was möchte ich im Laufe meines relativ kurzen Lebens eigentlich tun?« Nicht: »Was möchten andere, dass ich tue?«

(5) Soweit es für ihn wünschenswert und praktikabel ist, die Anerkennung anderer zu erringen, sollte er sich in ruhiger, kluger, systematischer Weise darum bemühen, nicht hektisch und planlos. Dazu sollte er wissen, dass man am ehesten geliebt wird, wenn man selbst aufrichtig liebt.


Irrationale Überzeugung Nr. 2: Die Meinung, dass man sich nur dann als wertvoll empfinden dürfe, wenn man in jeder Hinsicht kompetent, tüchtig und leistungsfähig ist.

Viele oder gar die meisten Menschen in unserer Gesellschaft glauben - vielleicht mehr als die Angehörigen jeder anderen bisher existierenden Gesellschaft -, sie seien wertlos und müssten sich in eine Ecke verkriechen und sterben, wenn sie nicht in jeder möglichen Hinsicht - oder zu mindest auf einem wichtigen Gebiet - tüchtig, kompetent und leistungsfähig seien. Dieser Gedanke ist aus mehreren Gründen irrational:

1. Kein Mensch kann auf allen oder den meisten Gebieten hervorragende Leistungen vollbringen; die meisten Menschen leisten nicht einmal auf einem Gebiet Außergewöhnliches. Zwar ist es durchaus vernünftig, sich um Erfolg zu bemühen, da reale Vorteile (finanzielle Belohnungen oder erhöhtes Vergnügen) damit verbunden sind, sich im Beruf, in einem Spiel oder in einer künstlerischen Betätigung auszuzeichnen. Aber von sich zu fordern, dass man Erfolg haben müsse, heißt, sich Gefühlen der Angst und persönlichen Wertlosigkeit auszuliefern.

2. Obwohl einem ein vernünftiges Maß an Erfolg und Leistung zweifellos Vorteile einbringt (speziell in unserer Gesellschaft), hat ein zwanghaftes Leistungsstreben gewöhnlich extremen Stress, Spannungszustände und die Überschreitung der eigenen körperlichen Grenzen zur Folge: Das Ergebnis sind verschiedene psychosomatische Leiden.

3. Wer nach Erfolg und Leistung um jeden Preis strebt, fordert sich nicht nur selbst heraus und testet seine eigenen Kräfte (was sich durch aus positiv auswirken kann); er konkurriert auch ständig mit anderen und sucht diese zu überflügeln. Er wird dadurch fremdbestimmt (statt selbstbestimmt) und stellt sich faktisch unerfüllbare Aufgaben, da es vermutlich immer jemanden geben wird, der ihn übertrifft, so gut er auch auf einem bestimmten Gebiet sein mag. Es ist sinnlos, sich ständig neiderfüllt mit anderen Ehrgeizigen zu messen, da man erstens ja keinerlei Einfluss auf deren Leistungen hat, sondern nur die eigene steigern kann. In vieler hinsicht hat man auch keine Macht über die eigenen Fähigkeiten und Qualitäten - man kann beispielsweise keine Schönheit werden, wenn man als hässliches Entlein auf die Welt kommt, und man wird es nicht zum Konzertpianisten bringen, wenn man unmusikalisch ist -, es ist daher unvernünftig, sich über Wesenszüge zu grämen, die man nicht ändern kann.

4. Wer die Leistungsideologie überbewertet, verwechselt seinen Fremdwert (d.h. den Wert, den andere unserer Leistung und unseren Qualitäten beimessen) mit seinem Eigenwert (d.h. seiner Lebendigkeit, seinem Wert für ihn selbst) (Hartman, 1959). Den persönlichen Wert eines Menschen von seinen Leistungen abhängig zu machen und zu behaupten, um glücklich zu sein, müsse man andere übertreffen, heißt, sich einer zutiefst undemokratischen, faschistoiden Philosophie zu verschreiben, die sich nicht wesentlich von der Vorstellung unterscheidet, man müsse ein Arier, ein Weißer, ein Christ oder ein Mitglied des Establishments sein, um ein achtbarer, wertvoller Mensch zu sein.

5. Wer sich auf die Vorstellung fixiert, Leistung und Erfolg seien das Wichtigste auf der Welt, verliert oft eines der Hauptziele eines glücklichen Lebens aus den Augen: nämlich durch Experimentieren herauszufinden, welche Interessen uns die tiefste Befriedigung und Erfüllung versprechen, und einen guten Teil unseres kurzen Daseins beherzt der Verfolgung dieser Interessen zu widmen, gleichgültig, was andere davon halten mögen.

6. Übersteigertes Leistungsdenken bewirkt gewöhnlich, dass man große Ängste davor hat, Risiken einzugehen, Fehler zu machen und bei bestimmten Aufgaben zu versagen - Ängste, die einen ihrerseits daran hindern, jene Leistungen zu erbringen, die man erstrebt. Wer bei der Erfüllung einer Aufgabe zu stark mit sich selbst beschäftigt ist - meist eine Folge der Furcht vor dem Scheitern und dem damit verbundenen Gefühl der eigenen Wertlosigkeit -, wird a) fast immer außerstande sein, den geringsten Genuss aus seiner Beschäftigung zu ziehen, und b) nicht selten jämmerlich versagen.

Statt sich in unsinniger Weise ständig an die absolute Notwendigkeit zu erinnern, die Aufgaben und Probleme zu meistern, die einem das Leben stellt, wären folgende Verhaltensweisen vernünftiger:

(1) Statt sich mit dem Gedanken zu quälen, eine Aufgabe gut lösen zu müssen, sollte man sich darauf konzentrieren, sie zu lösen.

(2) Dabei sollte man versuchen, möglichst großes Vergnügen aus der Tätigkeit als solcher, nicht aus deren Ergebnis zu ziehen.

(3) Bemüht man sich um der eigenen Zufriedenheit willen, eine Sache gut zu machen, so sollte man nicht darauf bestehen, sie immer perfekt zu erledigen. in den meisten Fällen genügt es, das subjektiv, nicht das objektiv Beste zu leisten.

(4) Von Zeit zu Zeit sollte man die eigene Tätigkeit in Frage stellen und sich ehrlich eingestehen, ob man nach Leistung um ihrer selbst willen oder zur eigenen Zufriedenheit strebt.

(5) Wer eine Aufgabe bzw. ein Problem gut lösen möchte, sollte lernen, seine eigenen Fehler und Irrtümer willkommen zu heißen, statt entsetzt über sie zu sein und guten Nutzen aus ihnen zu ziehen. Er sollte die Notwendigkeit akzeptieren, sich auf jenen Gebieten, die er meistern möchte, durch Übung zu vervollkommnen, und sollte sich häufig zwingen, Dinge zu tun, bei denen er zu versagen fürchtet; und er sollte die Tatsache uneingeschränkt akzeptieren, dass der Mensch ganz allgemein ein beschränktes Wesen ist und dass auch er selbst notwendige und unübersehbare Grenzen hat.


Irrationale Überzeugung Nr. 3: Die Idee, dass bestimmte Menschen böse, schlecht und schurkisch seien und für ihre Schlechtigkeit streng zu rügen und zu bestrafen seien.

Viele Menschen sind innerlich beunruhigt und von Hass- und Rachegedanken erfüllt, weil sie bestimmte Personen - häufig sie selbst eingeschlossen - für Missetäter halten, die aufgrund ihrer angeborenen Schlechtigkeit unmoralische Handlungen begehen; die einzige Methode, sie von Übeltaten abzuhalten, ist ihrer Überzeugung nach, sie zu tadeln und zu bestrafen (Diggory, 1962). Die genannten Vorstellungen sind aus mehreren gewichtigen Gründen falsch und irrational:

1. Die Idee, dass bestimmte Menschen schlecht oder böse seien, entspringt der alten theologischen Doktrin von der Willensfreiheit, die von der Annahme ausgeht, jeder Mensch habe freie Wahl zwischen »gutem« und »schlechtem« Handeln gemäß einem auf »Gott« oder das »Naturrecht« zurückführbaren absoluten Maßstab von Wahrheit und Gerechtigkeit; wenn jemand seinen »freien Willen« dazu benütze, »böse« zu handeln, sei er daher ein verstockter »Sünder«. Diese Doktrin entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage, da ihre Schlüsselbegriffe - einschließlich »absolute Wahrheit«, »Gott«, »freier Wille« und «Naturrecht« - nichts anderes als willkürliche Definitionen sind, die durch empirische, wissenschaftliche Methoden weder bewiesen noch widerlegt werden können.

Außerdem haben zahlreiche psychotherapeutische Befunde dieses Jahrhunderts gezeigt, dass selbst wenn wir »freien Willen« operational als die (relative, nicht absolute) Fähigkeit des Menschen definieren, Verhaltensweisen selbst zu wählen, statt gezwungen zu sein, sich entsprechend den verschiedenen biosozialen Einflüssen zu verhalten, die ständig auf ihn einwirken, wir realistischerweise die Tatsache akzeptieren müssen, dass den Menschen heute ein erstaunlich geringer (wenn auch nicht unbedingt gar kein) Spielraum zu freier Willensausübung offensteht . Denn sie sind sich vieler ihrer mächtigsten Motive (wie Sexualtrieb oder Aggressionen) oft gar nicht bewusst und empfinden daher nicht, dass sie unter einem Zwang stehen, viele Handlungen auszuführen, die sie bewusst gar nicht ausführen wollen und die ihnen vielleicht große Schuldgefühle verursachen. Ihre unbewussten Triebe und Wünsche engen ihren »freien Willen« daher drastisch ein.

2. Wenn Menschen Handlungen begehen, die sie selbst (oder andere) für »schlecht« oder »unmoralisch« halten, dann scheinen sie das in letzter Konsequenz deshalb zu tun, weil sie zu dumm, zu unwissend oder psychisch zu gestört sind, um diese Handlungen zu unterlassen. Obwohl solche Menschen zweifellos anderen Schaden zufügen oder für diesen verantwortlich sind, ist es unsinnig, ihnen ihre Dummheit, Unwissenheit oder Gestörtheit vorzuwerfen (d.h. sie als Menschen abzuwerten). Sinnvoller ist es, zu sagen: »Sie haben diese >schlechteschlechte< Tat begangen; sie sind daher völlig wertlose Menschen, die es verdienen, streng bestraft oder getötet zu werden.« Eine »böse« Tat macht noch keinen »bösen« Menschen (wie sogar die katholische Kirche zugibt). Vielmehr handelt es sich um unangemessenes Verhalten, auf dessen Änderung sowohl um des Täters als auch um der Betroffenen willen hinzuarbeiten ist.

3. Aufgrund seiner biosozialen Gegebenheiten (einschließlich seiner Erbanlagen und seiner Erziehung) ist der Mensch eindeutig ein fehlbares Lebewesen, von dem realistischerweise erwartet werden muss, dass ihm Fehler und Irrtümer unterlaufen. Es ist daher unrealistisch, zu erwarten, dass dies anders sei, und ihn zu verurteilen, weil er so ist, wie er ist, und weil er die eigenen perfektionistischen Ansprüche nicht erfüllt, die man an ihn stellt. Der Satz »Er hat einen ernsten Fehler gemacht; ich hoffe, dass er sich das nächste Mal besser verhält« ist durchaus vernünftig. Hingegen ist die Aussage »Er hat einen ernsten Fehler gemacht; er hätte das nicht tun sollen und er sollte sich nächstes Mal besser verhalten« völlig unsinnig. Denn sie bedeutet im Klartext: »Ich habe unrealistischerweise erwartet, dass er kein Mensch, sondern ein Engel ist, der keine Fehler macht-, und da sich jetzt gezeigt hat, dass er ein fehlbarer Mensch ist, fordere ich noch unrealistischer, dass er sich in Zukunft wie ein vollkommener Engel verhält.«

4. Die Praxis, einen falsch Handelnden als Bösewicht zu bezeichnen und ihm seine unangebrachten (und vielleicht antisozialen) Handlungen vorzuwerfen bzw. ihn dafür zu bestrafen, basiert auf der Annahme, dass Vorwürfe und Strafen geeignet seien, einen Menschen von weiteren Übeltaten abzuhalten und sein künftiges Verhalten entscheidend zu verbessern. Obwohl diese Annahme durch bestimmte Befunde gestützt wird (da sich Kinder und Erwachsene manchmal bessern, wenn sie vorwurfsvoll kritisiert oder bestraft werden), bietet die Geschichte der menschlichen Kriminalität und Strafjustiz eindrucksvolles Beweismaterial für die gegenteilige Hypothese: nämlich dass Menschen, die für ihre …


Irrationale Überzeugung Nr. 4: Die Vorstellung, dass es schrecklich und katastrophal ist, wenn die Dinge nicht so sind, wie man sie gerne haben möchte.

Es ist einfach erstaunlich, wie viele Millionen Menschen auf dieser Erde empört und unglücklich darüber sind, dass die Realität nicht so ist, wie sie es sich wünschen, bzw. dass die Welt so ist, wie sie ist. Dass sich diese Leute ausgesprochen frustriert fühlen, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen, ist nur natürlich. Aber dass sie sich durch diese Frustration in tiefe anhaltende Depressionen oder in ungeheure Wut versetzen lassen, ist aus mehreren Gründen ganz und gar unvernünftig:

1. Wenn die Umstände und die Menschen nicht so sind, wie wir sie gern hätten, wird die Forderung, dass sie anders sein sollen, sie wohl kaum verändern. Manchmal wird es die Menschen sogar ermutigen, sich noch schlechter zu benehmen.

2. Die Tatsache, dass kleine Kinder, die über eine geringe Fähigkeit zu philosophischem Denken verfügen, oft unfähig sind, unvermeidbare Frustrationen zu tolerieren, beweist kaum, dass wir es nicht können. Wir können es - wenn wir nur halb so fleißig daran arbeiten, die grimmige Realität zu akzeptieren, wie wir uns gewöhnlich zu überzeugen suchen, dass wir es nicht können. Ich habe Hunderte von Fällen gesammelt, die zeigen, dass die Menschen ungewöhnliche medizinische Probleme, Behinderungen und andere »grausame« Umstände akzeptieren können und dabei nicht in Katastrophenstimmung verfallen und daran arbeiten, sich anzupassen. Wenn ich die Zeit dazu finde, werde ich diese als Buch veröffentlichen mit dem Titel Accepting the Inevitable (das Unvermeidliche akzeptieren).

3. Obwohl es dem ersten Eindruck nach beachtliche Beweise dafür zu geben scheint, dass die Hypothese John Dollards, Neal Millers und ihrer Kollegen stichhaltig ist und Frustration oft zu Aggression führt, wird eine ausführlichere Überprüfung der Beweise zeigen - wie Nicholas Pastore und Magda Arnold angedeutet haben -, dass es nicht die Frustration selbst ist, die Feindschaft und Aggression wirklich »verursacht«, sondern die subjektive und moralische Einstellung gegenüber dieser Frustration . So werden Personen, die zwanzig Minuten lang in der Kälte auf einen Bus warten, nur damit dieser schließlich an ihnen vorbeifährt, nicht besonders feindselig reagieren, wenn sie a) entdecken, dass der Bus defekt ist. Sie werden jedoch fast immer wütend, wenn sie b) sehen, dass der Busfahrer mit einem höhnischen Grinsen grundlos an ihnen vorbeifährt. Doch in beiden Fällen können sie nicht mit dem Bus fahren und sind gleichermaßen frustriert.

4. In ähnlicher Weise haben Experimente gezeigt, dass wir selbst physischen Schmerz nicht nur in Relation zur Intensität des schmerzhaften Reizes erleben und darauf reagieren, sondern in großem Ausmaß in Relation zu den subjektiven, individuellen, einstellungsbedingten Vorurteilen der Person, die den Reiz erfährt. Die Fälle, in denen Fußballspieler trotz gebrochener Kippen weiterspielen, Zeigen die Macht menschlichen Willens bei der Überwindung von Schmerzen. Daher ist es gleichgültig, wie sehr wir von jemandem frustriert werden oder ob wir um etwas beraubt werden, das wir sehr stark wollen, gewöhnlich müssen wir nicht wütend und depressiv werden wegen dieses Mangels, wenn wir unsere Präferenz nicht als bittere Notwendigkeit definieren.

Statt sich über die frustrierenden Aspekte des Lebens bzw. über die reale oder eingebildete Ungerechtigkeit der Welt in unvernünftiger Weise aufzuregen, sollte sich der rationale Mensch folgende Einstellungen zu eigen machen:

(1) Er sollte zu unterscheiden suchen, ob frustrierende oder schmerzhafte Situationen objektiv schlecht sind oder ob er sich ihre irritierenden Aspekte bloß einbildet bzw. diese übertreibt. Sind bestimmte Zustände objektiv abzulehnen, dann sollte er dieser Tatsache ruhig ins Auge sehen und sich um Veränderung dieser Zustände bemühen. Ist es ihm gegenwärtig unmöglich, die genannten Zustände zu verändern oder zu beseitigen, sollte er lernen, sie zu akzeptieren bzw. sich nut ihnen abzufinden.

(2) Insbesondere sollte er sich seine eigene Tendenz bewusst machen, unvermeidliche negative Situationen zu Katastrophen aufzubauschen, sich einzureden: »0 Gott! Wie schrecklich ist diese Situation - ich kann sie unmöglich ertragen!« Er sollte diesen Hang, überall Katastrophen zu wittern, in Frage stellen und bekämpfen und seine internalisierten Sätze folgendermaßen abändern: »Es ist bedauerlich, dass die Umstände so frustrierend sind. Aber das bringt mich nicht um; ich bin imstande, unter diesen unerfreulichen, aber nicht katastrophalen Umständen zu leben!«

(3) Wann immer es möglich ist, sollte er versuchen, aus frustrierenden Situationen das Beste zu machen, d.h. aus ihnen zu lernen, sie als Herausforderung zu akzeptieren, sie sinnvoll in sein Leben zu integrieren.

(4) Wenn ihn physische Empfindungen wie Kopfschmerzen irritieren, sollte er sein Bestes tun, um sie loszuwerden; ist dies nicht möglich, sollte er versuchen, sie aus dem Bewusstsein zu verdrängen bzw. sich davon abzulenken. So kann er sich etwa auf andere, angenehmere Aspekte des Lebens konzentrieren (wie Lesen oder Pingpong-Spielen), bis die unangenehmen Empfindungen von selbst vergehen. Er sollte versuchen, unvermeidliche Unannehmlichkeiten und Ärgernisse zu akzeptieren und sie nicht noch schlimmer zu machen, indem er sich darüber ärgert, dass er sich ärgert (und dadurch seinen ursprünglichen Zorn verdoppelt oder verdreifacht).


Irrationale Überzeugung Nr. 5: Die Vorstellung, dass menschliches Leiden äußere Ursachen habe und dass der Mensch wenig Einfluss auf seinen Kummer und seine psychischen Probleme nehmen könne.

Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft scheinen zu glauben, dass sie durch andere Menschen und äußere Ereignisse unglücklich werden und dass sie nicht leiden würden, wenn diese anders wären. Sie meinen, sich aufregen zu müssen, wenn bestimmte unerfreuliche Umstände eintreten, und dass sie in diesen Fällen keine Kontrolle über sich selbst oder ihre Emotionen haben. Diese Überzeugung ist aus mehreren Gründen falsch:

1. Andere Menschen und äußere Ereignisse können einem, abgesehen von körperlicher Gewaltanwendung und der (direkten oder indirekten) Vorenthaltung bestimmter konkreter Vorteile wie Geld oder Nahrung, de facto wenig schaden. In unserer heutigen Gesellschaft wird man jedoch selten von anderen Menschen körperlich oder ökonomisch geschädigt; fast alle »Angriffe« sind psychischer Art und können einem kaum Schaden zufügen, solange man sie nicht irrtümlicherweise für schädlich hält. Es ist unmöglich, durch Worte oder Gesten Schaden zu erleiden, wenn man sich nicht davon verletzen lässt oder gar sich selbst verletzt. Es sind niemals die Worte oder Gesten anderer, die uns schaden, sondern unsere eigenen Einstellungen zu diesen und unsere Reaktionen auf diese symbolischen Angriffe. Wie Eleanor Roosevelt so schön sagte: »Niemand kann uns ohne unsere Erlaubnis beleidigen.«

2. Jedes Mal, wenn wir sagen: »Es schmerzt mich, wenn meine Freunde mich brüskieren« oder: »Ich kann es nicht ertragen, wenn etwas schiefgeht«, machen wir es »entsetzlich«. Das Wort »es« ist in diesen Sätzen größtenteils definierend. Was wir wirklich meinen, ist: »Ich störe mich selbst, indem ich mir sage, es sei entsetzlich, wenn meine Freunde mich brüskieren« oder: »Ich sage mir selbst, dass es ganz fürchterlich ist, wenn etwas schief geht, dass ich eine derartige Situation nicht ertragen kann.« Obwohl sich das es in »es schmerzt mich« oder »ich kann es nicht ertragen« auf irgendein äußeres Ereignis zu beziehen scheint, das unkontrollierbar auf uns einwirkt, bezieht sich das Wörtchen »es« gewöhnlich auf eine ärgerliche Handlung oder Begebenheit, die »entsetzlich« wird, weil wir sie dazu machen, und die uns von sich aus zwar stört, jedoch kaum zerstört.

3. Obwohl Millionen Menschen unerschütterlich glauben, dass sie ihre Überzeugungen und Emotionen nicht kontrollieren können und dass ihnen daher Schreckliches aufgezwungen wird, gleich was sie unternehmen, ist diese Vorstellung übertrieben. In Wahrheit ist es für die meisten Menschen größtenteils deshalb schwierig, ihre Emotionen zu verändern oder zu kontrollieren, weil ihnen das nicht beigebracht wird und weil sie es selten versuchen. Oder, wenn sie sich gelegentlich zu verändern suchen, tun sie dies auf schlampige, hastige und ungenaue Art und Weise. Wenn diese Menschen aufhören würden, ihre Emotionen als rein »spontane» Prozesse zu betrachten und sie realistischerweise als größtenteils aus Wahrnehmungen, Gedanken, Bewertungen und verinnerlichten Philosophien zusammengesetzt ansähen, wären sie fähig, konsequenter an ihrer Veränderung zu arbeiten.

4. Extrem schädigende und unerwartete Ereignisse, die Kindern und Erwachsenen zustoßen - wie beispielsweise Inzest, körperliche Misshandlung und Aggressionen -, werden einen Menschen fast immer schockieren und Gefühle der Panik, des Entsetzens und der Depression mobilisieren. Jedoch nicht in jedem Fall. Denn manche Opfer erholen sich langsam von ihrem Schock und sind nur zeitweilig traumatisiert. Andere sind über einen langen Zeitraum hinweg ernsthaft traumatisiert und leiden unter einer posttraumatischen Panikstörung. Selbst in einer derart abscheulichen Situation interagieren also die Oberzeugungen der Menschen bezüglich der schädigenden Ereignisse und ihre emotionale Reaktivität dazu mit dem Trauma und bringen viele verschiedene Schweregrade an Störungen hervor.

5. Wenn wir uns eine Zeit lang selbst gesagt haben, dass wir über gewisse Ärgernisse oder Gefahren wirklich wütend sein sollten, werden wir die Gewohnheit entwickeln, uns über diese Dinge so zu ärgern, dass es uns schwer fallen wird, angemessen oder selbsthelfend darauf zu reagieren. Doch wenn wir uns überzeugen, dass wir uns über derartige Ärgernisse oder Gefahren eben nicht aufzuregen brauchen, werden wir es weit einfacher finden, bei ihrem Auftreten angemessen zu reagieren . Mit wenigen Ausnahmen gibt es, um Shakespeare frei wiederzugeben, im Leben nichts absolut Schlimmes - das Denken macht es dazu.

Statt irrtümlicherweise zu meinen, keinerlei Herrschaft über die eigenen Emotionen zu haben, ist sich der informierte und intelligente Mensch bewusst, dass das unglückliche Bewusstsein weitgehend (wenn auch nicht ausschließlich) von innen kommt und von der unglücklichen Person selbst geschaffen wird. Dieser informierte Mensch wird gegenüber seinen eigenen negativen und selbstzerstörerischen Emotionen folgende Haltung einnehmen:

(1) Sooft er bemerkt, dass er über irgendetwas in zu heftige Erregung gerät (das heißt, nicht bloß gemäßigtes Bedauern über einen Verlust oder Ärger über eine Enttäuschung empfindet), wird er sich rasch klarmachen, dass er die eigenen negativen Emotionen hervorruft, indem er auf eine bestimmte Situation oder Person unüberlegt reagiert. Er wird sich weder durch die »Tatsachen« täuschen lassen, dass seine akuten Ängste oder Aggressionen eine »natürliche« Ursache zu haben scheinen, noch sie als sein »existentielles Los« hinnehmen oder sie auf äußere Umstände zurückführen; stattdessen wird er der Tatsache offen ins Auge sehen, dass er ihre Hauptquelle ist und sie, da er sie hervorgerufen hat, auch wieder beseitigen kann.

(2) Nachdem er seine eigenen unglücklichen Empfindungen objektiv registriert hat, wird er über sie nachdenken und ihre Spur zu seinen eigenen unlogischen Sätzen zurückverfolgen, mit welchen er sie hervor ruft. Er wird diese affekterweckenden Sätze dann logisch analysieren und nachdrücklich in Frage stellen, bis er sich von ihrer inneren Widersprüchlichkeit überzeugt und sie selbst als unhaltbar erkannt hat. Durch die radikale Analyse und Veränderung seiner Selbstverbalisierungen gelingt es ihm, die selbstzerstörerischen Emotionen und Handlungen zu vermeiden, die sie sonst nach sich gezogen hätten.

So wird ein Mensch, der den Kontakt mit Körperbehinderten fürchtet, davon ausgehen, dass ihm in Wirklichkeit nicht die Behinderten Angst einjagen, sondern seine eigenen internalisierten Sätze über die »Schrecklichkeit« von »Krüppeln«. Er wird sich diese Sätze in aller Ruhe bewusstmachen (z.B. »Krüppel sind in einer unglücklichen Lage, weil sie auf fremde Hilfe angewiesen sind; es wäre schrecklich, wenn ich in die gleiche Lage käme«) . Dann wird er diese Sätze logisch analysieren (er wird sich z. B. fragen: »Steht der zweite Satzteil, dass es schrecklich wäre, wenn ich in die gleiche Lage käme, in logischem Zusammenhang mit dem ersten, dass Krüppel in einer unglücklichen Lage sind?«). Dann wird er seine Verbalisierungen ernsthaft in Frage stellen (z.B. indem er sich immer wieder vor Augen hält: »Obwohl es sicher bedauerlich wäre, wenn ich ein Krüppel und auf Hilfe angewiesen wäre, so wäre es doch nicht schrecklich oder katastrophal; und ganz bestimmt würde es nicht beweisen, dass ich wertlos bin.«)

Schließlich wird er über die weit verbreiteten falschen Ansichten nachdenken, die seiner Angst vor dem Kontakt mit Behinderten zugrunde liegen, und sich vor Augen halten, dass auch er so ein »armer Teufel« werden kann, der sich in einer »entsetzlichen« Lage befindet. Allmählich wird er sich davon überzeugen, a) dass der Kontakt mit Behinderten (oder anderen Benachteiligten) ihn nicht auf magische Weise in einen Krüppel verwandeln kann; und b) dass praktisch keiner der Zustände, die zwar nicht wünschenswert sind (wie behindert zu sein), wirklich als schrecklich oder katastrophal gelten muß; und c) daß er mit physischen Handikaps und anderen Schwierigkeiten fast immer fertig werden wird, solange er am Leben ist und auch in ungünstigen Lagen noch denken, planen und handeln kann.


Irrationale Überzeugung Nr. 6: Die Überzeugung, dass man sich über tatsächliche oder eingebildete Gefahren große Sorgen machen, sich ständig mit der Möglichkeit ihres Eintretens befassen müsse.

Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft scheinen hartnäckig zu glauben, dass sie die Pflicht haben, sich unentwegt über tatsächliche oder potentielle Gefahren und Bedrohungen Sorgen zu machen. Dieser Glaube ist aus mehreren Gründen irrational:

1. Obwohl es oft klug ist, vorbeugend über eine drohende Gefahr nach zudenken, ihre Abwendung zu planen und entsprechende praktische Maßnahmen in die Wege zu leiten, haben Gefühle, die man subjektiv als »Angst«, »Sorge« oder »intensive Furcht« wahrnimmt, selten einen prophylaktischen oder konstruktiven Charakter. Meist hindern sie einen sogar, im Falle einer Gefahr wirksame vorbeugende oder sonstige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Erstens wird man so aufgeregt und angespannt, wenn man sich große Sorgen über eine mögliche Gefahr macht, dass man außerstande ist, objektiv zu unterscheiden, ob die »Bedrohung« real vorhanden ist oder ob man sie übertreibt. So wird man, wenn man z.B. schreckliche Angst hat, von einem Ball getroffen zu werden und das Bewusstsein zu verlieren, kaum in der Lage sein zu unterscheiden, ob es sich bei dem Ball, mit dem eine Gruppe von Jungen spielt, um einen harten und gefährlichen Gegenstand (wie einen Baseball oder einen Golfball) handelt oder um ein weiches und harmloses Spielzeug aus Plastik oder weichem Gummi. Besorgtheit und übermäßige Ängstlichkeit führen somit oft zu Phantasien über die »Gefahren« einer bestimmten Situation, die objektiv unbegründet sind.

2. Starke Angst vor potentiellen Gefahren hindert einen häufig daran, der Gefahr im Ernstfall wirksam zu begegnen. Wenn man z.B. bemerkt, dass Jugendliche auf der Straße mit einem harten und gefährlichen Ball spielen, und darauf mit heftiger Angst reagiert, weil man selbst oder ein Angehöriger von dem Ball getroffen werden könnte, wird man sich über diese reale Gefahr so aufregen, dass man sich falsch verhält; statt den Jungen sachlich zu erklären, wie gefährlich das Spiel mit diesem Ball ist, wird man sie gegen sich aufbringen, indem man sie nervös anschreit, die Polizei ruft oder sie sonstwie belästigt, mit der Folge, dass sie erst recht weiterspielen.

3. Sich über das mögliche Eintreten eines schlimmen Ereignisses Sorgen zu machen, ist in den meisten Fällen nicht nur nicht geeignet, dieses Ereignis abzuwenden, sondern trägt oft dazu bei, es herbeizuführen. Wenn Sie überbesorgt sind, dass Sie einen Autounfall haben könnten, werden Sie unter Umständen so nervös, dass Sie mit einem anderen Auto kollidieren oder gegen einen Lichtmast fahren - Unfälle, die Sie leicht vermeiden könnten, wenn Sie ruhiger wären.

4. Übermäßige Ängstlichkeit in gefährlichen Situationen lässt Sie in der Regel die Gefahr übertreiben, in der Sie sich befinden. So werden Sie, wenn Sie große Angst vor Flugreisen haben, dazu neigen, die Wahrscheinlichkeit eines Absturzes zu überschätzen, die in Wirklichkeit nur etwa eins zu hunderttausend beträgt. Obwohl Ihre Sorge in diesem Fall eine gewisse Berechtigung hat, ist die tatsächliche Gefahr wesentlich geringer, als Sie sich einbilden.

5. Manche befürchteten Ereignisse - wie schwere Krankheiten und der Tod - sind unabwendbar, und nichts, auch nicht Ihre Angst und Sorge, können ihr Eintreten verhindern. Indem Sie sich über unvermeidliche Ereignisse Sorgen machen, verringern Sie in keiner Weise die Wahrscheinlichkeit, dass diese über Sie hereinbrechen; Sie haben jedoch nicht nur die unangenehmen Folgen dieser Ereignisse zu ertragen, sondern Sie laden sich mit der Sorge davor eine zusätzliche und oft noch viel schlimmere Bürde auf. Falls Sie beispielsweise guten Grund zu der Annahme haben, dass Sie in wenigen Jahren sterben werden, wird Ihre Angst vor dem Tod dieses Ereignis nicht nur nicht verhindern, sondern Ihre restlichen Tage, die Sie voll auskosten könnten, wenn Sie die Unabwendbarkeit Ihres Sterbens akzeptierten, zur Hölle machen.

6. Viele allgemein gefürchteten Gefahren - etwa die Möglichkeit, zuckerkrank zu werden, falls dieses Leiden in Ihrer Familie verbreitet ist - sind in Wirklichkeit gar nicht so schlimm, wie man sich das in seiner Angst ausmalt. Man kann mit Diabetes ein erträgliches, wenn auch zugegebenermaßen etwas eingeschränktes Leben führen; dasselbe gilt für Tuberkulose, viele Krebsarten und verschiedene andere Krankheiten. Es ist daher unsinnig, sich in Katastrophenstimmung zu versetzen, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, in absehbarer Zeit eine dieser Krankheiten zu bekommen. Statt sich durch übertriebene Ängstlichkeit selbst zu schaden, sollte ein vernünftiger Mensch eine andere Einstellung zu den Gefahren und Verlusten entwickeln, die ihm im Leben drohen:

(1) Er sollte sich klarmachen, dass die meisten seiner Sorgen nicht durch echte Gefahren hervorgerufen werden, sondern durch seine Ten…


Irrationale Überzeugung Nr. 7: Die Meinung, es sei leichter, bestimmten Schwierigkeiten auszuweichen, als sich ihnen zu stellen.

Viele Menschen sind der Ansicht, es sei empfehlenswert, nur die Dinge zu tun, die einem »liegen« und »leicht fallen« und von sich aus Spaß machen; den Schwierigkeiten und Verantwortungen, die das Leben mit sich bringt, gehe man dagegen am besten aus dem Wege. Diese Meinung ist aus verschiedenen Gründen falsch:

1. Wer glaubt, sich vor den Schwierigkeiten des Lebens drücken zu können, zieht nur die momentanen Vorteile eines solchen Verhaltens in Betracht und übersieht die vielen Probleme und Nachteile, die es mit sich bringt. Wenn es Ihnen beispielsweise schwer fällt, eine Frau um einen Kuss zu bitten (oder sie zu küssen, ohne zu fragen!), und Sie beschließen, keinen Korb zu riskieren, dann werden Sie zwar im Augenblick Ihrer negativen Entscheidung einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen und sich besser fühlen, da Sie dem Problem ausgewichen sind. Aber sobald dieses momentane Gefühl verflogen ist, werden Sie sich vermutlich erneut quälen, weil Sie sich mögliches Glück entgehen ließen, weil Sie nicht herausgefunden haben, was sie von Ihnen hält, und weil Sie keine Erfahrungen im Werben oder im Küssen gesammelt haben usw. Es ist daher gut möglich, dass Sie für Ihre momentane »Zufriedenheit« mit leidvollen Stunden, Tagen oder gar Jahren bezahlen.

2. Obwohl Ihnen die Anstrengung gering erscheinen mag, die Sie Ihr Ausweichen vor einer Entscheidung oder einer Aufgabe kostet, handelt es sich in Wirklichkeit oft um einen langen und schmerzhaften Prozess. Denn es kann Sie buchstäblich viele Stunden des Hin- und Herüberlegens, der Selbstquälerei und abgefeimter Listen und Ränke kosten, bevor Sie sich entschließen, eine schwierige, aber potentiell lohnende Aufgabe nicht in Angriff zu nehmen; und das Missbehagen, dem Sie sich dadurch aussetzen, kann zehnmal größer sein als das Missbehagen, das Ihrer Meinung nach mit der betreffenden Aufgabe verbunden ist.

3. Selbstvertrauen entsteht letzten Endes nur durch eigenes handeln, nicht durch Unterlassungen. Wir sind zuversichtlich, dass wir in Zukunft eine Aufgabe meistern und Spaß daran haben werden, weil wir bestimmte Aspekte dieser Aufgabe bereits in der Vergangenheit und Gegenwart bewältigt haben. Wenn Sie sich daher angewöhnen, stets den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, werden Sie vielleicht ein »bequemes« Leben haben, aber gleichzeitig werden Sie fast sicher über ein geringeres Maß an Selbstvertrauen verfügen.

4. Millionen von Menschen scheinen der Meinung zu sein, ein bequemes, problemloses, mit geringer Verantwortung beschwertes Leben sei besonders begehrenswert. Dies ist eine äußerst fragwürdige Annahme, wie Magda Arnold und Nina Bull hervorgehoben haben. Der Mensch scheint am »glücklichsten« zu sein, wenn er nicht untätig herumsitzt und vielleicht nicht einmal, wenn er jeweils einen relativ kurzen Augenblick lang stark erregt und emotional intensiv an etwas beteiligt ist. Am zufriedensten scheint der Mansche zu sein, wenn er sich zielorientiert verhält, d.h. wenn er sich einer langfristigen, eher schwierigen Aufgabe verschrieben hat, an der er systematisch und in relativer Ruhe arbeitet, ob diese nun auf dem Gebiet der Kunst, der Wissenschaft oder im geschäftlichen oder einem anderen Bereich liegt.

Wenn das Gesagte richtig ist, dann mag ein bequemes und verantwortungsarmes Leben zwar oft zeitweilig als angenehm empfunden werden - speziell in Perioden der Erholung von einem aktiveren Lebensstil -, auf die Dauer kann es aber kaum befriedigen. Leben ist Handeln, sich Bewegen, Erfahrungen machen, schöpferisch tätig sein; und der Mensch lässt sich Möglichkeiten intensiver Erfüllung entgehen, wenn er sich angewöhnt, schwierigen Aufgaben und Problemen aus dem Weg zu gehen.

Statt Schwierigkeiten, Herausforderungen und Verantwortung zu meiden, sollte der rationale Mensch nach folgenden Grundsätzen verfahren:

(1) Die Dinge, die getan werden müssen, sollte er tun, ohne sich zu beklagen, so schwer es ihm auch fallen mag. Gleichzeitig sollte er sich praktikable Mittel und Wege überlegen, wie sich die vermeidbaren unangenehmen Aspekte des Lebens reduzieren lassen. Er kann sich dazu erziehen, notwendige Aufgaben zu lösen, indem er sich mit logischen Argumenten von ihrer Unvermeidbarkeit überzeugt und sich dann buchstäblich zwingt, sie so rasch wie möglich hinter sich zu bringen.

(2) Falls er dazu neigt, sich bestimmten Problemen und Verantwortungen zu entziehen, sollte er sich keinesfalls einreden, dass er eben von »Natur« aus oder seiner »Veranlagung« nach faul sei, sondern sich bewusst machen, dass praktisch jeder solchen Verweigerung eine Kette eigener Sätze zugrunde liegt, die entweder von unbegründeter Angst oder von Auflehnung zeugen. Und er sollte diese autosuggestiven Sätze schonungslos enthüllen und so lange logisch analysieren, bis es ihm möglich ist, sie durch vernünftigere und aktivitätsförderndere zu ersetzen.

(3) Er sollte sich vor übertriebener Selbstdisziplin und der Tendenz, sich die Dinge allzu schwer zu machen, hüten (gewöhnlich ein Zeichen von Schuldgefühlen und Selbstbestrafungstendenzen). Aber er sollte jene Aktivitäten fördern, die ihn zur Selbstdisziplin erziehen; nötigenfalls durch Aufstellung von Arbeitsplänen, das Anvisieren von Zwischenzielen und das Hinarbeiten auf mittelfristige Belohnungen.

(4) Er sollte der Tatsache ins Auge sehen, dass Leben Aktivhit bedeutet und dass Ruhe und Zurückgezogenheit legitime Intervalle eines erfüllten Lebens darstellen, aber tödlich wirken, wenn sie den größten Teil dieses »Lebens« ausmachen. Er sollte weise genug sein, die Tatsache zu akzeptieren, dass speziell auf längere Sicht ein Leben, das voll von Verantwortung und Herausforderung ist und ständig Problemlösungen fordert, den größten Genuss verspricht.


Irrationale Überzeugung Nr. 8: Die Vorstellung, dass man sich auf andere verlassen sollte und dass man einen Stärkeren braucht, auf den man sich stützen könne.

Obwohl sich unsere Gesellschaft theoretisch zu Freiheit und Unabhängigkeit bekennt, scheinen viele von uns zu glauben, dass es besser ist, von anderen abhängig zu sein und jemanden zu haben, der stärker ist als man selbst und auf den man sich verlassen kann. Diese Meinung ist aus verschiedenen Gründen falsch:

1. Obwohl es stimmt, dass in dieser komplexen Gesellschaft jeder bis zu einem gewissen Grad von anderen abhängig ist (da uns ohne weitgehende Arbeitsteilung weder Lebensmittel und Bekleidung noch öffentliche Verkehrsmittel und hundert andere Dinge zur Verfügung stünden), besteht kein Grund, diese Abhängigkeit zu maximieren und buchstäblich zu verlangen, dass uns andere die Entscheidungen abnehmen und für uns denken. Seien wir jederzeit zur Zusammenarbeit bereit, aber vermeiden wir Unterwerfung.

2. Je mehr Sie sich auf andere stützen, desto öfter sind Sie gezwungen, auf Dinge zu verzichten, die Sie tun wollen, und müssen stattdessen das tun, was die anderen interessiert, auf deren Hilfe Sie angewiesen sind. Abhängigkeit steht seiner Definition nach in umgekehrtem Verhältnis zu Individualismus und Unabhängigkeit; es ist schlechthin unmöglich, gleichzeitig man selbst und völlig abhängig von anderen zu sein.

3. Je mehr Sie sich auf die Führung und Hilfe anderer verlassen, desto seltener werden Sie bestimmte Dinge selbst tun und dadurch etwas Neues dazulernen. Das heißt, je abhängiger Sie gegenwärtig sind, desto abhängiger werden Sie künftig sein. Wenn Sie von anderen abhängig sein müssen, um sich sicher fühlen zu können - da Sie dann keine Fehler machen können bzw. nicht zur Verantwortung gezogen werden, falls Sie welche machen -, verlieren Sie im Grunde an Sicherheit, statt zu gewinnen: denn die einzige echte Sicherheit, die Sie im Leben haben können, ist die Gewissheit, dass Sie nicht wertlos, sondern bloß ein fehlbarer Mensch sind, so viele Fehler Sie auch machen mögen. Abhängigkeit führt in einen Teufelskreis zu immer geringerem Selbstvertrauen und immer größerer Angst. Abhängig zu sein heißt, ständig und ohne Ende um ein Gefühl der Selbstachtung und Sicherheit zu ringen, das (auf diesem Wege) unerreichbar ist.

4. Wer sich auf andere verlässt, liefert sich ihnen auf Gnade oder Ungnade aus, d.h., er ist von äußeren Kräften abhängig, über die er oft keine Macht hat. Wenn Sie selbständig Entscheidungen treffen und handeln, können Sie wenigstens mit Ihrem eigenen Denken und Verhalten arbeiten und sich auf dieses stützen. Verlassen Sie sich hingegen auf andere, so wissen Sie nie, wann diese unzuverlässig werden, in einen anderen Erdteil ziehen oder sterben.

Statt ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber anderen Menschen (oder hypothetischen Abstraktionen wie dem Staat oder Gott) anzustreben, sollte der rationale Mensch sein Bestes tun, um auf seinen eigenen zwei Beinen zu stehen und selbst zu denken und zu handeln. Einige konkretere Ziele, die er in diesem Zusammenhang anstreben kann, seien nachstehend angeführt:

(1) Er sollte die Tatsache akzeptieren, dass er in einigen wesentlichen Hinsichten allein auf dieser Welt ist und immer sein wird - und dass es nicht unbedingt schlecht ist, allein zu stehen und für seine eigenen Entscheidungen verantwortlich zu sein. So freundlich und kooperativ er auch anderen gegenüber sein mag - wenn es darauf ankommt, weiß doch nur er, was er im Grunde will und braucht; und nur er allein kann seine Lebensprobleme lösen.

(2) Er sollte ganz klar sehen, dass es niemals schrecklich und fürchterlich ist, bestimmte Ziele nicht zu erreichen; dass der Mensch aus Rückschlägen am meisten lernt; und dass seine Misserfolge seinen persönlichen Wert als Mensch nicht schmälern. Er sollte demnach unbeirrt die Ziele anstreben, die er sich gesteckt hat, wenn die Chance, sie zu erreichen, auch oft gering ist; und er sollte sich die Einstellung zu eigen machen, dass es besser ist, Risiken einzugehen und selbstverschuldete Fehler zu machen, als seine Seele für die überflüssige »Hilfe« anderer zu verkaufen.

(3) Er sollte nicht aus unreifem Protz jegliche Hilfe anderer ablehnen, um zu beweisen, wie »stark« er ist, und dass er ganz allein auf eigenen Füßen stehen kann, sondern sollte gelegentlich fremde Hilfe durchaus suchen und akzeptieren - wenn er sie wirklich braucht.


Irrationale Überzeugung Nr. 9: Die Vorstellung, dass die eigene Vergangenheit entscheidenden Einfluss auf unser gegenwärtiges Verhalten hat und dass etwas, das sich früher einmal auf unser Leben auswirkte, dies auch weiterhin tun müsse.

Viele Menschen in unserer Gesellschaft scheinen zu glauben und nach dieser Überzeugung zu handeln, dass etwas, das ihr Leben einmal entscheidend prägte oder darin eine wichtige Rolle spielte, diesen Einfluss für alle Zeiten beibehalten müsse. Dieser Glaube enthält verschiedene irrationale Elemente:

1. Wenn Sie sich von Ihrer bisherigen Lebensgeschichte über Gebühr beeinflussen lassen, begehen Sie den logischen Fehler der Übergeneralisierung: das heißt, Sie nehmen an, dass etwas, das unter gewissen Um ständen richtig ist, unter allen Umständen richtig sei. So mag es beispielsweise eine Tatsache sein, dass Sie in der Vergangenheit außerstande waren, Ihren Eltern oder anderen Erwachsenen gegenüber wirkungsvoll für Ihre Rechte einzutreten, und dass Sie deshalb gezwungen waren, sich fügsam zu verhalten und sich bei ihnen einzuschmeicheln, um ein Minimum an Ruhe zu haben und bestimmte Dinge zu bekommen, die Sie sich dringend wünschten. Aber das heißt nicht, dass Sie es heute, vielleicht zwanzig oder mehr Jahre später, immer noch nötig haben, sich anderen gegenüber ähnlich unterwürfig und schmeichlerisch zu verhalten, um sich selbst zu schützen oder um zu erhalten, was Sie wollen.

2. Wenn Sie sich zu stark von der Vergangenheit leiten lassen, werden Sie in der Regel zu oberflächlichen oder »bequemen« Lösungen ihrer Probleme neigen, die sich früher bewährt haben, die aber heute relativ ineffektiv sein mögen. Normalerweise stehen für jedes Problem mehrere Lösungsmöglichkeiten zur Wahl, die nicht alle gleichermaßen effizient oder gründlich sind. Je mehr Sie sich von den Lösungen beeinflussen lassen, die Sie in der Vergangenheit erfolgreich angewandt haben, desto weniger werden Sie dazu neigen, nach möglichen Alternativen zu suchen, die Ihren gegenwärtigen Problemen besser gerecht werden.

3. Die Überbewertung des prägenden Einflusses der Entwicklungsjahre verführt dazu, dem wahren Satz »Weil ich in meiner Jugend lernte, mich neurotisch zu verhalten, fällt es mir sehr schwer, mich zu ändern« das falsche Ende anzuhängen » ... ist es mir unmöglich, mich zu ändern, also gebe ich am besten auf und bleibe hoffnungslos neurotisch«. Statt die Bedeutung der Vergangenheit zu überschätzen und sich immer wieder nach dem Schema seiner Übertragungsbeziehungen zu verhalten, wie die Psychoanalytiker das nennen, sollte man sich als rationaler Mensch folgende Einstellungen zu eigen machen:

(1) Man sollte die Tatsache akzeptieren, dass die Vergangenheit wichtig ist und man damit rechnen muss, in vieler Hinsicht durch seine früheren Erfahrungen nachhaltig beeinflusst zu werden. Aber man sollte auch an erkennen, dass die Gegenwart die Vergangenheit von morgen ist und dass man, indem man sich um Veränderung seiner Gegenwart bemüht, das Morgen grundlegend anders und weitaus befriedigender gestalten kann als das Heute.

(2) Statt automatisch fortzufahren, Dinge in der Gegenwart zu tun, weil man sie früher zu tun pflegte, sollte man innehalten und über diese mechanische Wiederholung von Verhaltensmustern nachdenken. Falls man unter einem starken früheren Einfluss steht, den man für schädlich hält, sollte man sowohl auf der verbalen wie auf der Handlungsebene konsequent dagegen ankämpfen: indem man das unkritische Festhalten an erlernten Verhaltensmustern als Humbug entlarvt und sich zwingt, in geeigneten Momenten vom gewohnten Schema abzuweichen. Hat man beispielsweise Angst davor, Hähnchen zu essen, weil einem die Mutter in der Kindheit einredete, das sei ungesund, dann sollte man diesen Aberglauben der Mutter (und den eigenen, inzwischen internalisierten) so lange in Frage stellen, bis es einem gelingt, ihn zu erschüttern, und man sich zwingen kann, dieses Gericht zu essen und sich durch eigenes Handeln von seiner Unschädlichkeit zu überzeugen.

(3) Statt sich trotzig gegen die meisten oder alle früheren Einflüsse aufzulehnen, sollten wir alle unsere erworbenen Überzeugungen möglichst objektiv prüfen, abwägen und in Frage stellen und nur diejenigen bekämpfen, die uns heute schaden.


Irrationale Uberzeugung Nr. 10: Die Neigung, sich über die Probleme und Verhaltensschwierigkeiten anderer Leute aufzuregen.

1. Die Probleme der anderen haben häufig wenig oder nichts mit uns zu tun, und es gibt keinen Grund, weshalb wir uns über Gebühr aufregen müssen, wenn sie anders sind als wir oder sich in einer Weise verhalten, die uns falsch erscheint. Wenn Frau Maier ihre Kinder zu streng erzieht, so mag das für sie und ihre Familie schädliche Folgen haben; und wenn wir die Möglichkeit haben, ihr zu helfen, um so besser. Aber sie ist nicht unbedingt eine Verbrecherin, weil wir ihre Handlungsweise nicht billigen - es könnte sogar sein, dass sie Recht hat und wir hinsichtlich ihrer Erziehungsmethoden Unrecht haben. Aber selbst wenn sie eine Verbrecherin wäre und beispielsweise ihre Kinder misshandelte oder tötete, hätte es keinen Sinn, deshalb völlig außer sich zu geraten - wichtiger wäre es, die zuständigen Behörden nachdrücklich auf den Sachverhalt aufmerksam zu machen.

2. Auch in Fällen, wo Mitmenschen so verhaltensgestört sind, dass sie Dinge tun, die uns ärgern oder schaden, wird unser Arger zum größten Teil nicht durch ihr Verhalten ausgelöst, sondern durch unsere Einstellung dazu, unsere Neigung, Kränkungen und Beleidigungen zu »sammeln« . Behandelt uns beispielsweise jemand unhöflich, so schadet uns das in den seltensten Fällen. Aber wir sagen uns: »So eine Frechheit! Wie kann er es bloß wagen, mich so zu behandeln!« Was uns so in Rage bringt, ist also weit eher unser Nichtakzeptieren der Realität als seine Unhöflichkeit.

3. Wenn wir uns über das Verhalten anderer aufregen, tun wir so, als hätten wir beträchtliche Macht über sie und als könnte unsere Empörung ihr Verhalten auf magische Weise zum Besseren wenden. Das ist natürlich ein Irrglaube. Obwohl wir über enorme Kräfte verfügen, um uns selbst zu kontrollieren und zu ändern (die wir leider selten nutzen), haben wir in Wirklichkeit nur wenig Macht über andere. Und je mehr wir uns über ihr Verhalten ärgern und aufregen - und sie durch unsere Aufmerksamkeit auszeichnen -, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie zu einer Anderung veranlassen werden.

4. Selbst wenn es uns gelingt, das Verhalten anderer zu ändern, indem wir uns darüber aufregen, zahlen wir mit unserem Nervenverschleiß einen hohen Preis. Sicher hätte es andere, weniger selbstzerstörerische Mittel und Wege gegeben, die anderen in aller Ruhe von ihrem Fehl verhalten abzubringen. Meistens nützen wir mit unserer Wut und Empörung weder uns selbst noch den anderen.

5. Unsere Aufregung über das Benehmen anderer dient oft nur der Ablenkung von dem Punkt, auf den sich unser Interesse eigentlich konzentrieren sollte: nämlich wie wir uns benehmen und was wir tun. Wenn wir uns gestatten, uns lange über die Verwerflichkeit des Tuns anderer zu ereifern, so ist das nicht selten ein willkommener Vorwand, nicht vor der eigenen Tür kehren zu müssen und unsere eigenen Probleme ungelöst zu lassen.

Statt uns zu ärgern und aufzuregen, wenn sich andere unangemessen verhalten oder Dinge tun, die wir ablehnen, täten wir wesentlich besser daran, uns folgende Haltung anzugewöhnen:

(1) Wir sollten uns fragen, ob es sich wirklich lohnt, sich über das Tun und Lassen anderer zu empören, sowohl von ihrem als auch von unserem Standpunkt, und sollten uns nur dann um sie kümmern, wenn uns viel an ihnen liegt, wenn wir glauben, ihnen helfen zu können, sich zu ändern, und wenn wir meinen, ihnen durch unsere Anteilnahme eine echte Hilfe sein zu können.

(2) Auch wenn sich diejenigen, die uns viel bedeuten, falsch verhalten, sollten wir nicht in unnötige Erregung geraten, sondern vielmehr ruhig und sachlich versuchen, ihnen die Unangebrachtheit ihrer Handlungsweise vor Augen zu führen, und sollten ihnen liebevoll helfen, ihre Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden.

(3) Wenn es absolut unmöglich ist, die anderen von ihrem selbstzerstörerischen oder lästigen Verhalten abzubringen, sollten wir zumindest versuchen, uns nicht über diese Situation zu ärgern, sondern uns statt dessen damit abfinden. und das Beste daraus machen.


Irrationale Oberzeugung Nr. 11: Die Vorstellung, dass es für jedes menschliche Problem eine absolut richtige, perfekte Lösung gibt, und dass es eine Katastrophe sei, wenn diese perfekte Lösung nicht gefunden wird.

Dieses Insistieren auf Sicherheit, absoluter Beherrschung der Lage und vollkommener Wahrheit ist in verschiedener Hinsicht irrational:

1. Soviel wir wissen, gibt es weder Sicherheit, Vollkommenheit noch absolute Wahrheit in der Welt. Wie Hans Reichenbach, John Dewey, Bertrand Russell, Karl Popper und viele andere neuere Denker überzeugend dargelegt haben, leben wir, ob wir es wollen oder nicht, in einer Welt der Wahrscheinlichkeit und des Zufalls und können außerhalb unser selbst keiner Sache sicher sein. Da die Dinge nun einmal so liegen und da das Sicherheitsstreben nur falsche Erwartungen und, als Folge der enttäuschten Hoffnungen, schließlich Angst auslöst, ist es das einzig Vernünftige, die (negative oder positive) Realität zu akzeptieren und sich niemals unsinnigerweise einzureden, man müsse sie vollständig kennen, restlos beherrschen und optimale Lösungen für alle Probleme haben.

2. Die Katastrophen, welche viele Leute über sich hereinbrechen sehen, falls es ihnen nicht gelingt, ihre Probleme für immer der einzig »richtigen« Lösung zuzuführen, oder falls sie keine totale Kontrolle über die äußeren Umstände haben, existieren in Wirklichkeit nur in der Phantasie der Betroffenen. Wer felsenfest überzeugt ist, dass es eine Katastrophe gibt, wenn er seine Probleme nicht auf der Stelle lösen kann, der wird durch seine Ungeduld irgendeine Katastrophe herbeiführen (etwa in akute Panik geraten oder sich als hoffnungslos ineffizient erweisen), wenn diese perfekte Lösung nicht sofort gefunden wird.

3. Perfektionismus engt gewöhnlich die Lösungsmöglichkeiten eines Problems ein und bewirkt, dass das Problem schließlich viel weniger »perfekt« gelöst wird, als dies der Fall wäre, wenn man nicht auf Vollkommenheit bestünde. So gibt es beispielsweise viele Möglichkeiten, Klavier spielen zu lernen; falls Sie aber darauf bestehen, bei einem bestimmten Lehrer lernen zu müssen, dann werden Sie es vielleicht nie oder nur schlecht lernen. Statt vollkommene und sofortige Lösungen für alle Lebensprobleme zu fordern und stets absoluter Herr der Lage sein zu wollen, tut ein rationaler Mensch besser daran, mit folgender Einstellung an seine Probleme heranzugehen:

(I) Angesichts eines schwerwiegenden Problems sollte man sich mehrere Lösungsmöglichkeiten überlegen und von diesen Alternativen schließlich die praktikabelste und realistischste, nicht die »vollkommenste« wählen. Das bedeutet nicht, dass man perfektionistisch jeden möglichen Aspekt jeder möglichen Alternative abwägen sollte - da man auf dieser Basis zu überhaupt keiner Entscheidung gelangen würde -, sondern dass man die Notwendigkeit von Kompromissen bereitwillig akzeptieren und seine Entschlüsse in einem vertretbaren Zeitraum fassen sollte, sobald man die vorhandenen Alternativen entsprechend geprüft hat.

(2) Man sollte die Tatsache akzeptieren, dass extreme Lösungen und Pläne häufig (wenn auch nicht immer) ungünstig oder undurchführbar sind, und sollte deshalb gemäßigten Ansichten Gehör schenken und versuchen, einen Mittelweg zwischen den sich anbietenden Möglichkeiten zu wählen.

(3) Man sollte die Tatsache uneingeschränkt akzeptieren, dass Irren menschlich ist und dass man aller Wahrscheinlichkeit nach speziell anfangs falsche oder mittelmäßige Entscheidungen treffen wird und dass dieser Umstand nicht den wirklichen Wert eines Menschen schmälert. Im Bewusstsein, dass wir alle durch Versuch und Irrtum lernen, sollten wir stets bereit sein, zu experimentieren, verschiedene Pläne auf ihre Durchführbarkeit zu erproben, nach möglichen neuen Lösungen zu suchen und diese pragmatisch zu testen.