Für Angehörige ist es oft ein schwerer Schock, wenn sie vermuten oder erfahren, dass sich ein Mensch ihrer nahen Umgebung einer potentiell konfliktträchtigen Gruppe zugewandt hat.

Oft wird in der ersten Panik falsch reagiert, und es werden ungewollt Türen zugeschlagen, die nur schwer wieder zu öffnen sind. Ein Patentrezept gibt es nicht. Bewahren Sie Ruhe. Panik blockiert. Handeln Sie dennoch umgehend, weil ein Anhänger in der Einstiegsphase für Argumente und kritische Anmerkungen in der Regel noch weitaus offener ist.

Sammeln Sie so viele Informationen wie möglich, um herauszufinden, um welche Gruppe es sich genau handelt. Wie heißt die Gruppe, wie heißt der Führer? Welche Bücher liest Ihr Angehöriger, wann geht er zu welchen Veranstaltungen? Was hat er von Inhalten erzählt? Wie hat er sich verändert? Was ist ihm jetzt wichtig? Scheuen Sie sich nicht, ihn direkt anzusprechen und interessiert zu fragen.

Wenden Sie sich dann an eine staatliche oder kirchliche Informationsstelle, die Ihnen i.d.R. mit neutralen und kritischen Informationen zu der jeweiligen Gruppierung weiterhelfen kann. Bilden Sie sich anhand dessen, was Sie von Ihren Angehörigen erfahren haben und anhand des kritischen Materials eine eigene Meinung.

Verabreden Sie mit Ihrem Angehörigen ein „ritualisiertes“ Gespräch, für das Sie konkrete Absprachen treffen:

Jeder lässt den anderen aussprechen und versucht vorbehaltlos zuzuhören, ohne sofort zu kommentieren.

Versuchen Sie Sachlichkeit zu wahren und Emotion so weit wie möglich herauszuhalten. Sorgen Sie für eine ungestörte Atmosphäre.

Lassen Sie Ihren Angehörigen zuerst sprechen. Bitten Sie ihn um seine Darstellung, was er sucht und was er in der Gruppe gefunden zu haben glaubt. Sie werden dabei auch Signale zu dem Problem erhalten, das möglicherweise dem Anschluss an die Gruppe zugrunde liegt. Darum zu wissen und dem Angehörigen hier Alternative oder Hilfe anzubieten, kann entscheidend für eine Distanz zur oder einen Ausstieg aus der Gruppe sein.

Erzählen Sie Ihrem Angehörigen, wie irritiert Sie von seiner Veränderung sind. Berichten Sie von den kritischen Informationen, die Sie inzwischen erhalten haben und bieten Sie ihm diese an. Erklären Sie ihm, dass für eine Meinungsbildung nicht ausreicht, nur eine Seite allein wahrzunehmen. Verleihen Sie Ihrer Besorgnis Ausdruck und benennen Sie die Gefahren, die Sie für Ihren Angehörigen sehen. Versichern Sie Ihrem – erwachsenen – Angehörigen, dass Sie seine Entscheidung zwar nicht verstehen, aber akzeptieren. Bedeuten Sie Ihrem Angehörigen, dass Sie seinen jetzigen Weg für einen problematischen Umweg halten.

Eröffnen Sie Perspektiven: Sagen Sie ihrem Angehörigen unbedingt deutlich, dass Sie sicher sind, dass er über die Kraft verfüge, diesen Umweg auch wieder zu beenden. Sichern Sie ihm zu, dass Sie ihm dann sofort helfen werden – und zwar ohne (!) den Zeigefinger zu erheben im Sinne von „Das hab ich dir doch damals schon gesagt“. Halten Sie sich dabei vor Augen, wie schwer es für jeden ist, einen Irrtum einzugestehen.

Sprechen Sie das Thema von sich aus nicht ständig an. Sie verstärken damit lediglich die Verteidigungshaltung Ihres Angehörigen. Möglicherweise rechtfertigt er dann eine Sache, an der er bereits selbst zweifelt. Gehen Sie darauf ein, wenn Ihr Angehöriger das Thema selbst anspricht.

Halten Sie weiterhin Kontakt mit Ihrem Angehörigen, auch wenn die gemeinsamen Interessen und andere Gemeinsamkeiten Ihrer Beziehung schwinden. Unterstützen Sie auch seine anderen Sozialkontakte außerhalb der Gruppe. Ein Ausstieg aus einer Gruppe fällt umso schwerer, je weniger soziale Kontakte noch vorhanden sind. Überlegen Sie sich, ob es sinnvoll ist, Ihren Angehörigen mit Geld zu unterstützen. In vielen Fällen fließt es direkt oder indirekt der Gruppe zu und verlängert möglicherweise die Zeit, in der Ihr Angehöriger in der Gruppe verbleibt. Sollten Sie den Eindruck einer psychischen Abhängigkeit Ihres Angehörigen haben, nehmen Sie rechtliche Beratung in Anspruch, um zu verhindern, dass der Gruppe Erbe zuteil werden könnte. Es kann durchaus hilfreich sein, das der Gruppe auch mitzuteilen.

Von der vereinnahmenden Gruppe wird Ihrem Angehörigen eine neue Identität übergestülpt. Die bisherige Identität ist weiterhin, mehr oder weniger verschüttet, vorhanden. Sorgen Sie dafür, dass diese alte Identität wach bleibt. Sie selbst kennen Ihren Angehörigen am besten; es bietet sich eine Fülle von Möglichkeiten. Die bisherige Identität ist wichtig für einen Ausstieg aus der Gruppe.

Werden Sie nicht mutlos, und erwarten Sie nicht unbedingt schnelle Erfolge. Konzentrieren Sie nicht Ihrerseits Ihr Leben auf dieses Problem. Bedenken Sie, dass die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe, auch in der fanatischen Ausprägung, oft nur eine Phase im Leben des Einzelnen und die Fluktuation in den Gruppen höher ist als in der Öffentlichkeit angenommen wird.

  1. Ich kann den Sektierer nicht verändern. Ich kann nur mein Verhalten ihm gegenüber verändern.
  2. Ich zeige dem verwandelten Sektierer, dass ich ihn liebe, auch wenn ich seinen Wahn nicht teile.
  3. Ich kann nicht frontal gegen eine festgefügte Sekte anrennen. Die Sekte gleicht einer Festung in einer feindlichen Welt.
    Ich muss intelligenter vorgehen und meine Methode immer wieder der neuen Situation anpassen.
  4. Das Sektenmitglied hat sich seine Kritikfähigkeit nach innen völlig abgewöhnt. Alles, was die Sekte sagt, ist vollkommen.
    Ich fördere durch kurze, kritische Bemerkungen die im Sektenmitglied nur noch latent vorhandene Kritikfähigkeit.
  5. Ich fördere jeden Kontakt zwischen dem Sektenmitglied und der Außenwelt. Die Sekte denkt schwarz-weiss. Jede positive Begegnung mit der Außenrealität durchbricht die Sektenperspektive und bedroht den Sektenwahn.
  6. In die Sekte flieht, wer die Realität nicht aushält. Aus der Sekte steigt nur aus, wer Alternativen sieht. Ich helfe dem möglichen Aussteiger, in eine nicht nur erträgliche, sondern trotz aller Schwierigkeiten faszinierende Realität zurückzufinden.