Neben dem überregional tätigen Netzwerk Sektenausstieg e.V. ist auch die im süddeutschen Raum aktive Selbsthilfegruppe AUSSTIEG e.V. eine der wenigen Gruppierungen, an die sich Aussteiger der Zeugen Jehovas wenden können. Ein Artikel in der Rheinpfalz beschreibt die Tätigkeit der Gruppe, sowie einige typische Aussteiger-Schicksale.

Ausstieg: Zeugen Jehovas den Rücken kehren

"Der einzelne Mensch zählt nichts"

Jeder kennt sie, sie stehen in den Fußgängerzonen mit der Zeitschrift „Wachtturm" in der Hand. Oder sie gehen von Haus zu Haus, um über Gott und die Welt zu sprechen: die Zeugen Jehovas. Doch so harmlos wie es scheint, ist die Sekte nicht, wie der Erfahrungsbericht einer Aussteigerin, die anonym bleiben will, zeigt.

Vor 15 Jahren begegnet Monika L. erstmals den Zeugen Jehovas. Sie klingeln an ihrer Tür, um mit ihrer Mutter über Religion zu sprechen. Monika L. ist damals zwar erst 14 Jahre alt, doch sie interessiert sich sehr für religiöse Fragen, viel mehr als ihre Mutter. „Und so war ich immer bei den Gesprächen dabei. Es ging alles sehr schnell, auf einmal machte ich auch das Bibelstudium der Zeugen Jehovas."

Monika L. ist anfangs fasziniert von der Religionsgemeinschaft. Hier findet sie das, was sie sonst vermisst.

„Weil ich nicht gerade ein schönes Familienleben hatte, habe ich das Zusammengehörigkeitsgefühl dort sehr genossen. Die waren für mich da." Ein paar Monate später geht sie schon mit zu den Versammlungen der Sekte. Auch dort gefällt es Monika L. zunächst gut. „Es war alles sehr familiär. Alle haben mich begrüßt und waren sehr offen, sehr herzlich."

Mit 15 Jahren lässt sie sich taufen. Doch die anfängliche Aufmerksamkeit der Sektenmitglieder schwindet. Es beginnt langsam die Manipulation. „Man muss sich täglich mit den Unmengen an Literatur befassen", beschreibt sie. „Man verändert sich total. Das ganze Leben wird von den Zeugen Jehovas bestimmt.Was man sich im Fernsehen ansieht, was man liest, einfach alles." Dreimal in der Woche muss ein Zeuge Jehovas zu den Versammlungen gehen, darüber hinaus musste Monika L. sich im Predigtdienst engagieren, also ebenfalls von Haus zu Haus gehen, um neue Anhänger zu gewinnen.

Nach und nach verliert die Frau so ihre Selbständigkeit. Ihr Leben wird kontrolliert von Jehovas Zeugen. „Durch das ständige Wiederholen der Belehrungen gehen die Botschaften mit der Zeit ins Unterbewusstsein." Und es wird einem gesagt: Wenn man sich nicht an die Regeln hält, dann ist das gegen Gott", so Monika L. „Die ganze Gedankenkontrolle, das geht alles schleichend." Ihre anders gläubigen Freunde und Bekannten muss sie als Zeugin Jehovas aufgeben. Und mit ihrer Familie gibt es Streit, auch wenn sie sich beharrlich weigert, die Familie ganz zu verlassen - wie es die Sekte von ihr verlangt.

Einige Jahre verläuft das Leben der Frau in den streng vorgegebenen Bahnen ihrer Glaubensgemeinschaft, zwischen emsigem Studium der vorgegebenen Literatur, Predigtdienst, Versammlungen sowie Arbeit und Haushalt.

Vor zehn Jahren wurde Monika L. dann psychisch krank. Seitdem leidet sie unter schweren Depressionen. Sie besucht eine Psychotherapie, was den Zeugen Jehovas, die sogar Bluttransfusionen ablehnen, gar nicht gefällt. „Ich habe meine Krankheit zunächst gar nicht auf den Glauben zurückgeführt", erinnert sie sich, «aber dann habe ich gemerkt: Ich kann das nicht mehr länger vertreten. Und wenn ich weiter mache, ohne daran zu glauben, dann wäre das unehrlich."

Zwar hat sie große Angst vor dem Ausstieg, „ich dachte, wenn ich dort raus gehe, dann ist alles zu Ende. Aber ich wusste, ich muss diesen Weg gehen, wenn ich mir noch ins Gesicht sehen will." Der psychische Druck der Zeugen Jehovas ist groß. Immer wieder bedrängen sie die Frau, nicht auszusteigen, die Sekte nicht zu verlassen. Ihre beste Freundin fühlt sich gar im Stich gelassen. Denn Jehovas Zeugen dürfen mit den Aussteigern keinen Kontakt mehr haben.

Monika L, ist trotz allem mutig und stark, sie wagt den Ausstieg dennoch. Nach 15 Jahren verlässt sie die Zeugen Jehovas. Das ist nun zwei Jahre her. Am Anfang ist es besonders schwer. In ihrer Heimat gemeinde laufen ihr immer wieder ehemals gute Freunde über den Weg, die nun durch sie hindurchsehen, sie ignorieren.

Monika L. versucht sich umzubringen. Und erkennt dann, dass sie noch einmal ganz von vorne anfangen muss. Sie zieht in einen anderen Ort, besucht eine Gruppe für Aussteiger.

Wenn heute ein Zeuge Jehovas bei ihr an der Haustür klingeln würde, dann würde die Aussteigerin Monika L. ihm deutlich ins Gesicht sagen, was sie von dieser Glaubensgemeinschaft hält; „Diese Religion macht die Menschen auf jeden Fall mehr oder weniger psychisch krank. Der einzelne Mensch zählt ja nichts, der geht ganz verloren. Es ist so Menschen verachtend."

Psychotrick der Zeugen: Andersdenkende vom Satan geleitet

Selbsthilfegruppe „Ausstieg" hilft beim Verlassen der Sekte - Betroffene berichten von Schlägen und Misshandlungen - „An strafendem Gott zerbrochen"

„Es ist eine Zerreißprobe", sagt die junge Frau mit den kurzen blonden Haaren. „Mein Mann ist immer noch überzeugt. Für ihn bin ich vom Satan geleitet." Zum ersten Mal ist sie bei einem Treffen der Gruppe „Ausstieg" dabei. Die südpfälzische Initiative bietet ein Forum für Menschen, die aus einer Sekte - und insbesondere aus der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas - aussteigen wollen.

Versammelt sind an diesem Tag mehr als 20 Frauen und Männer im protestantischen Gemeindehaus in Jockgrim. Dort lebt Nora Herzog, die gemeinsam mit der Germersheimerin Henriette Banscher vor fünf Jahren die Selbsthilfegruppe initiierte, weil ihre Tochter sich den Zeugen Jehovas angeschlossen hatten. Inzwischen steht die Gruppe als eingetragener Verein auf festen Füßen. Für die monatlichen Treffen stellen Kirchengemeinden ]auch in Karlsruhe) ihre Räume zur Verfügung.

Vorsitzender Stephan Wolf begrüßt bekannte und unbekannte Gesichter und leitet die Vorstellungsrunde ein, die stets am Anfang der Gruppentreffen steht und fast automatisch die Anwesenden ins Gespräch bringt. Reihum skizzieren nun Frauen und Männer ihren Weg heraus aus der Anbindung an die Zeugen Jehovas. Alle haben die Zugehörigkeit irgendwann als freiheitsberaubend empfunden, manche erst vor wenigen, etliche schon vor vielen Jahren. Immer wieder ist von Albträumen die Rede, in denen Dämonen irreale Ängste bis hinein ins Tagesbewusstsein streuen. Von Depressionen und Selbstmordversuchen, von aufkommenden Zweifeln, erlebtem Missbrauch und jahrelangen Therapien.

„Mir wird heute noch schlecht", sagt eine Frau, die bereits vor 14 Jahren den beschwerlichen Weg des Ausstiegs beschritten hat. Von „öffentlicher Zurechtweisung" bis hin zum „Gerichtsverfahren ohne Verteidiger" berichtet ein Mann, der nach einem Nervenzusammenbruch erst in der Gruppe „Ausstieg" Aufklärung gefunden hat, was es wirklich mit „der bösen Welt da draußen" auf sich hat.

„Mich hat nicht gestört, dass es Fehler gab, sondern dass man sie nicht so nennen kann", sagt ein anderer. Nur nach einem „ferngesteuerten Gewissen" könne er bei den Zeugen leben. Dennoch will er bleiben, bis er ausgeschlossen wird: „Ich habe dort so viele liebe Menschen kennen gelernt." Diese Begründung können die anderen in der Runde gut nach vollziehen. Alle haben eine soziale Gemeinschaft erlebt, in der herzliche Beziehungen und beständige Hilfsbereitschaft gelebt wurden. So heil war die Welt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Regeln und „Wahrheiten" der Zeugen kritik- und widerstandslos angenommen wurden.

„Ich bin an dem strafenden Gott zerbrochen, an Übergriffen, Schlägen und Misshandlungen", erklärt eine Frau, Hier in der Gruppe kann sie mit wenigen Sätzen ihre Erfahrungen und die daraus resultierenden Ängste und Schwierigkeiten „auf den Tisch legen", weil alle das Vokabular der Zeugen kennen, weil alle wissen, um was es geht.

So finden auch Angehörige von Zeugen hier Gesprächspartner und Unterstützung. Einige Mütter berichten von ihrer Sorge um Kinder, die sich von den Familien entfremdet haben. Für Henriette Banscher gehören solche Sorgen der Vergangenheit an. Ihre Tochter hat den Ausstieg geschafft. Andere aber hoffen noch auf ein gutes Ende, Mit Liebe und dem Angebot, gemeinsam die Bibel zu lesen, versucht etwa eine Mutter, den Kontakt zu halten - möglichst innig und durchdrungen mit der Botschaft "Ich bin für dich da". Dabei ist es für die Angehörigen oft schmerzhaft mitzuerleben, wie ihre Kinder qualifizierte Ausbildungen abbrechen oder Abschlüsse in den Wind schreiben und stattdessen in den Predigtdienst der Zeugen ziehen.

„Man verliert sein Ich", schließt eine junge Frau die Vorstellungsrunde schließlich ab und nun gibt es Gespräche in kleinen Gruppen, die sich so zusammenfinden, wie die Schicksale zueinander passen. Literaturtipps machen die Runde, Stephan Wolf informiert über Ausflüge, Vorträge und Seminare, die über die Grenzen der Pfalz hinaus aufklären wollen. Auch zum Gruppentreffen sind einige viele Kilometer weit angereist.

Die Gruppe „Ausstieg" haben sie irgendwann gefunden, indem sie Sektenbeauftragte der großen Kirchen angesprochen, andere „Abtrünnige" um Rat gefragt oder aber auch die Internet-Präsentation gefunden haben. Seit 1998 wurden fast 500.000 Zugriffe auf die Homepage der Gruppe „Ausstieg" gezählt. Nora Herzog sieht dieses Medium als große Hilfe an, „Das ist anonym - und einen Computer hat mittlerweile fast jeder", sagt sie. Aus ganz Deutschland kämen Anfragen und Hilferufe via Internet- „Sie können niemanden mit Argumenten von den Zeugen weg holen", meint Herzog. „Aber wenn Betroffene beginnen zu zweifeln, machen sie sich selbst auf den Weg." Und der ist, wie sie aus vielen persönlichen Geschichten weiß, lang und schwierig.

Ganz am Anfang steht die junge blonde Frau mit dem Kurzhaarschnitt. Sie unterhält sich jetzt etwas abseits der Runde mit dem Vorsitzenden Stephan Wolf, der vor mehr als zehn Jahren ausgestiegen ist und versichert hat, er wisse, wie das ist, wenn man für den Ehepartner "vom Satan geleitet" ist.

Quelle: Rheinpfalz 12.07.2003

Leserstimmen zu den beiden obigen Artikeln:

Gängige Klischees bedient

Das „Thema am Samstag: Ausstieg - Zeugen Jehovas den Rücken kehren" hat einmal mehr ein Bild gezeichnet, das alle gängigen Klischees von einer „gefährlichen Sekte" bedient hat. Einen Schönheitsfehler hat dieses Bild allerdings: es entspricht nicht den Tatsachen. Nur ein Beispiel von vielen: „Ich bin an dem strafenden Gott zerbrochen, an Übergriffen, Schlägen und Misshandlungen", wird in dem zweiten Artikel auf der betreffenden Seite eine Frau zitiert. Wer hat sie denn geschlagen und misshandelt? Kein Zeuge Jehovas hat - unabhängig von seiner Stellung innerhalb der Organisation - das Recht oder gar den Auftrag, irgend jemanden in irgendeiner Form zu misshandeln. Wer es trotzdem tut, setzt sich damit selbst ins Unrecht. (...)

Millionen Menschen zu verleumden und zu diskreditieren, die sich in dieser Gemeinschaft wohl fühlen und in ein gutes Verhältnis zu Gott gelangt sind, mag sich jeder Leser seine eigenen Gedanken machen. Aufschlussreich war für mich jedenfalls, dass sich die „Selbsthilfegruppe Ausstieg e.V." in kirchlichen Räumlichkeiten trifft.

Zu der Form der Berichterstattung stellt sich mir die Frage: würden bei einem Bericht über eine andere Gruppierung ebenfalls ausschließlich Leute zu Wort kommen, die diese Organisation äußerst negativ sehen, sie verlassen haben oder ausgeschlossen wurden? Hat sich hier nicht vielleicht eine renommierte Tageszeitung in einer Pro-/Contra-Situation ohne entsprechende Nachprüfung vor den Karren einer der beiden Seiten spannen lassen?

Roland De Hooge, Annweiler

Freiheit innerhalb der von der Bibel gezogenen Grenzen

Zum Thema am Samstag „Ausstieg - Zeugen Jehovas den Rücken kehren" in der RHEINPFALZ-Ausgabe vom 12. Juli:

Das Thema am Samstag war die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, erstaunlicherweise mit einer ganzen Seite und einem Bild der Erwachsenentaufe in Stuttgart 1998. Damals waren dort 36.000 Zeugen Jehovas versammelt und 293 Personen ließen sich aus Überzeugung taufen.

Allerdings war der Sinn der Artikel nicht, positiv über sie zu berichten. Der negative Eindruck stützte sich auf den anonymen Bericht einer jungen Frau und die Zusammenkunft von 20 ehemaligen Zeugen Jehovas in Jockgrim. Dort wurde natürlich nur negativ über den früheren Glauben gesprochen. Das wäre sicher bei anderen Kirchen ähnlich möglich. Es ist bedauerlich, wenn Personen in ihrem Glauben scheitern. Die unbefriedigende Bewältigung des Lebens ist aber bei Menschen aus allen Religionen tragisch.

Das Verweisen auf einzelne Schicksale ist zwar medienwirksam, vermittelt aber keinen objektiven Eindruck der Religion, der sie angehören oder die sie aufgegeben haben. Die psychische Krankheit der beschriebenen jungen Frau kann sicher nicht der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas zugeschrieben werden. Das tut man bei anderen Religionen auch nicht. Allerdings ist bekannt, dass depressive Menschen selbst gut gemeinte Ermunterung als Druck empfinden können. Es mag sein, dass diesbezüglich nicht in allen Gemeinden das richtige Feingefühl gefunden wird.

Die Zeugen Jehovas versuchen, so genau wie möglich nach der Bibel zu leben, weil sie diese als das unfehlbare Wort Gottes ansehen. Da das heute nicht mehr als zeitgemäß gilt, können Außenstehende die Lehren und das Handeln der Zeugen Jehovas als befremdlich und einengend empfinden. Das gilt sicher auch für ehemalige Mitglieder, die ihren persönlichen Glauben und ihr Verhältnis zu Gott und Jesus Christus verloren haben. Tatsache ist jedoch, dass die Zeugen Jehovas innerhalb der durch die Grundsätze der Bibel gezogenen Grenzen ein höchstes Maß an persönlicher Freiheit genießen und normale, glückliche Menschen sind.

Niemand wird in Bezug auf das Ausmaß seiner religiösen Tätigkeit unter Druck gesetzt, es sei denn, man setzt sich selbst unter Druck, was aber nicht empfohlen wird. Wenn die Überschrift lautet: „Der einzelne Mensch zählt nichts", so stimmt das nicht. Das können Tausende bestätigen. In dem Artikel wird ja selbst das Zusammengehörigkeitsgefühl der Zeugen Jehovas erwähnt. Der subjektive Eindruck kann meines Erachtens nur dadurch entstehen, dass man als kranker Menschen an Andere Erwartungen hegt, die so nicht erfüllt werden können.

Wer das Neue Testament liest, wird feststellen, dass die Apostel und ersten Christen den so genannten „Psychotrick der Zeugen" ausgiebig verwendet haben. Ihr Thema zum Samstag ermuntert vielleicht aufgeschlossene Menschen, die Sache einmal selbst zu prüfen. Als positive Seite zeigt es aber auch, dass Jesus Christus recht hatte. Er sagte einmal: „Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat." (Johannesevangelium 15,18).

Dietmar Ebert, Landau

Name Gottes wurde bereits in alten Schriftrollen erwähnt

Zunächst zu Ihrer von großer Unkenntnis zeugenden Aussage, dass der Name Gottes im Urtext nicht vorkommt: Die am Toten Meer gefundenen Schriftrollen, die in Fachkreisen Aufsehen erregt haben, enthalten den Namen Gottes in Form des Tetragrammatons. Der bekannte Gelehrte Origenes gebraucht den Gottesnamen in seinen Hexapla-Schriften. Hieronymus, der die Vulgata schuf (eine Übersetzung ins Lateinische) bezeugte, dass der Gottesname in den Schriften zu finden ist. In dem Werk "D. Martin Luthers Werke, die Deutsche Bibel" kann man in einer Anmerkung zu Matthäus 1.20 lesen; "HERR - Jehovah, die göttliche Majestät". Dieselbe Anmerkung zu Matthäus 1.20 machten ebenso die Bearbeiter der ursprünglichen Elberfelder Bibel. (...) Grundlage der Zeugen Jehovas ist die Bibel. Nicht unbedingt die "von der Wachtturmgesellschaft genehmigte Auslegung", wie in Ihrem Artikel zu lesen war! Es hat nämlich einige Jahrzehnte gedauert, bis die Zeugen Jehovas in der Lage waren, diese Neue-Welt-Übersetzung zu veröffentlichen. So lange wurden unter anderem die Elberfelder-Bibel und die Luther-Bibel verwendet, mit denen sich unsere, Lehren ebenfalls gut beweisen lassen! (...)

Die Berechenbarkeit des Weltendes ist bei uns schon lange nicht mehr von zentraler Bedeutung. Genau wie mehrere andere Kirchen, die mit ihren Versuchen, den Gerichtstag Gottes zu errechnen gescheitert sind, predigen auch wir nur noch, dass dieser Gerichtstag mit Sicherheit kommen wird. Wann genau lässt sich unserer Meinung nach nicht berechnen.

Bluttransfusionen werden unter Hinweis auf die Bibel abgelehnt. Mit dieser Aussage liegen Sie richtig. Der Vollständigkeit halber hätten Sie noch erwähnen können, dass Jehovas Zeugen praktisch jede Behandlungsform akzeptieren, bei der kein Blut verwendet wird.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass manche unserer Lehren aus der Sicht von Theologen alles andere als schlüssig sind. Wir Zeugen Jehovas wundern uns ebenfalls darüber, dass zum Beispiel der Papst als unfehlbar gilt. Oder dass nun sogar Eheschließungen unter Homosexuellen von manchen Kirchen zugelassen werden, obwohl die Homosexualität in der Bibel eindeutig verurteilt wird. (...)

Manchmal schmerzt es uns schon, dass Deutschland auch heute noch hochsensibel reagiert, aufgrund der entsetzlichen Verbrechen, die unter dem Nationalsozialismus dem jüdischen Volk zugefügt wurden. Wenn Sie jedoch ein wenig recherchieren, können Sie leicht feststellen, dass Jehovas Zeugen sich mit großer Standhaftigkeit geweigert haben, dieses Regime zu unterstützen. Es waren nicht nur Juden, die verfolgt, verhaftet, geschlagen und umgebracht wurden. Aber wer weiß das heute noch?

Jürgen Geisser, Wörth

Wissen fördert Toleranz

Sollten Menschen wegen ihrer Religion verfolgt werden? Das würde wahrscheinlich jeder vernünftige Mensch veneinen - zumindest solange die Betreffenden nicht auf die Rechte anderer übergreifen. Verfolgung aus religiösen Gründen hat jedoch eine lange Geschichte. Sie begann nach dem Bibelbericht mit der Ermordung von Abel. Und sie ist noch nicht zu Ende. Viele Zeugen Jehovas wurden zum Beispiel im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer wieder ihrer Rechte beraubt und grausam behandelt. In einigen Ländern bis heute. (... )

Bis heute führt die in der Regel einseitig geführte Diskussion und Darstellung religiös Andersdenkender zu nicht unerheblichen Problemen von Schulkindern der Zeugen Jehovas. Seit 13 Jahren kämpft die Religionsgemeinschaft um Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts und wartet (wieder vor dem Oberverwaltungsgericht in Berlin) auf die Fortsetzung des Verfahrens. (...)

Die Medien können eine wichtige Rolle spielen, zu kritischem Denken anzuhalten. Jehovas Zeugen sehen das Gespräch mit Andersgläubigen als Möglichkeit Toleranz zu fördern. Dadurch tragen sie zu mehr Wissen und Verständnis bei, was der Toleranz förderlich ist.

Werner Rudtke, Präsident der Zeugen Jehovas Deutschland

Unreflektierte Umsetzung von Bibelsprüchen

Ich finde es bemerkenswert, dass mal wieder kein „normaler“ Zeuge Jehovas auf einen Artikel über seine Glaubensgemeinschaft reagiert, sondern lediglich speziell dafür ernannte Kirchenälteste die offizielle Meinung wiedergeben.

Natürlich wird bei den Zeugen Jehovas niemand direkt zu Misshandlungen aufgefordert. Aber die in der Gemeinschaft gepflegte Einstellung zur Erziehung schließt körperliche Gewalt ausdrücklich ein – mit allen Entgleisungen, die sich aus einer derartig unreflektierten Umsetzung von Bibelsprüchen ergeben.

AUSSTIEG ist in keiner Weise mit irgendeiner Kirche verbunden. Dass uns die evangelische Gemeinde von Jockgrim kostenlos und ohne jegliche Bedingungen ihre Räumlichkeiten überlässt, spricht für deren Toleranzvermögen – eine Eigenschaft, die ich übrigens bei den Zeugen Jehovas noch nie erkennen konnte.

Auch ich habe einmal geglaubt, dass die Zeugen Jehovas strikt nach der Bibel leben. Bis ich erkannt habe, dass ich es sich hier lediglich um eine ganz gewöhnliche Endzeitsekte handelt, die schon seit über hundert Jahren das „unmittelbar bevorstehende Ende“ verkündet. Und die, wie alle Sekten, alles daran setzt, ihre Mitglieder von ihrem normalen sozialen Umfeld zu isolieren. Das fängt schon in der Kindheit an, indem junge Zeugen eindringlich davor gewarnt werden, mit Menschen aus diesem vom Satan beherrschten System Freundschaften zu pflegen.

Jährlich sehen sich allein in Deutschland rund 5.000 Zeugen Jehovas veranlasst, ihrer Glaubensgemeinschaft den Rücken zu kehren. Einige Wenige davon treffen sich in der Selbsthilfegruppe AUSSTIEG. Deren Erfahrungen gleichen sich auf bemerkenswerte Weise, wobei die beiden in dem Artikel geschilderten Beispiele nur allzu typisch sind. Aber solche Einblicke sind Herrn Ebert natürlich verwehrt, denn schließlich ist es ihm ja strikt verboten, solche „Abtrünnige“ auch nur zu grüßen.

Die meisten Aussteiger haben nicht ihren Glauben verloren, sondern die Zeugen Jehovas vor allem deshalb verlassen, weil sie hinter dier Fassade des Wachtturms geschaut haben. Auch AUSSTIEG möchte daher aufgeschlossene Menschen auffordern, die Sache selbst zu prüfen. Wobei man auf unserer Website (www.infolink-net.de) auch die Dinge lesen kann, über die die Wachtturm-Gesellschaft wohlweislich schweigt. Über den Missbrauch von Kindern zum Beispiel, der seit Jahrzehnten vertuscht wird. Denn dafür gibt es allein hier in der Region mehrere Beispiele.

Stephan E. Wolf
Selbsthilfegruppe und Betroffenen-Initiative AUSSTIEG e.V.

Man kann nur staunen, mit welcher Sicherheit Herr Ebert per Ferndiagnose die Ursache von psychischen Erkrankungen als nicht von der Organisation der Zeugen Jehovas verursacht, stellt. Dr. Jerry Bergmann, der führende Experte in Fragen zur Psychologie der Zeugen Jehovas kommt zu ganz anderen Ergebnissen. Seine Broschüre: "Jehovas Zeugen und das Problem der seelischen Gesundheit",das Standardwerk zu diesem Thema, sollte eigentlich für jeden Zeugen Jehovas Pflichtlektüre sein.

Ich frage mich auch, ob z.B. Jugendliche, die über die Demütigungen berichten, denen sie in der Schulzeit ausgesetzt waren, weil sie nicht mitmachen durften bei Festen, Klassenfahrten, Weihnachtsbasteln; die Panikattacken bekamen, wenn Weihnachtslieder gesungen wurden; die bei Geburtstagsfeiern die Klasse verlassen sollten; die etwas Schlechtes darin sehen mussten, ein Osterei anzumalen; die von Baby an mehrmals in der Woche stundenlang in der Versammlung still sitzen mussten (was notfalls durch die Rute der Zucht, im wörtlichen Sinne, erzwungen wurde); die unter dem Druck standen, missionieren zu müssen; die unter der ständigen Angst vor dem ganz nahe bevorstehenden Weltuntergang Harmagedon litten, mit der Gewissheit, dass der Vater oder liebgewordene Schulkameraden vernichtet würden, weil sie keine Zeugen Jehovas sind - wirklich keine psychischen Schäden davontragen?

Oder ob Frauen, die missbraucht wurden, oft über Jahre, weil sie nie gelernt hatten nein zu sagen und wenn sie vielleicht den Mut hatten, die Vorfälle zu melden, in der männerdominierten Organisation der Zeugen Jehovas nicht nur keine Hilfe erhielten, sondern zu Schuldigen erklärt wurden, während die Täter nichts zu befürchten hatten und etliche davon heute noch in Amt und Würden sind - wirklich psychisch gesund bleiben können?

Oder ob Kinder, die von "Brüdern" missbraucht wurden und wenn die Eltern verlangten, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen wird, schweigen sollten, um die Versammlung nach außen "rein" zu halten - wirklich keine psychischen Schäden davontragen? Oder ob Menschen, die aus der Lebensbahn geworfen wurden, weil sie einem System vertraut hatten, das sie für "die Wahrheit" hielten, die ihre Berufsausbildung hintangestellt oder auf Kinder verzichtet hatten, um dieser Wahrheit zu dienen und nach Jahren oder Jahrzehnten erkennen mussten, dass der "Kanal Gottes", die Führung der Zeugen Jehovas, sie für ihren Macht- und Expansionswahn benutzt hatte, mit dem Trick, jede Anweisung mit ausgewählten Bibelzitaten zu untermauern - tatsächlich psychisch gesund bleiben können?

All diese Menschen habe ich persönlich kennen gelernt in 5 1/2 Jahren Mitarbeit in der Gruppe AUSSTIEG. Fast alle brauchen therapeutische Hilfe, manche haben es nicht geschafft, in der "Welt" wieder ihren Platz zu finden, so dass für sie Selbstmord der einzige Ausweg aus der unheilbaren Depression war.

Nora Herzog, Jockgrim

Zerstörung aller Bindungen

Ich danke Ihnen für die aufklärenden Arbeiten, die die öffentliche Einstellung gegenüber dieser Gruppe hoffentlich kritischer werden lassen.

Meines Erachtens ist die systematische Zerstörung persönlicher Bindungen (bis in die engsten Familienkreise) duch die „Missionsarbeit“ dieser Leute noch gar nicht deutlich genug hervorgehoben.

Dann würden die erwähnten Folgen des Ausschlusses oder Austritts, als Folgen einer totalen Vereinsamung – die alten Bindungen wurden zerstört und die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft wird verweigert – besser verständlich und die Behauptungen der Führer in Ihrer Scheinheiligkeit besser erkennbar. Nebenbei ist diese Bindungszerstörung und ihr alleiniger Ersatz durch die Aufnahme in die Sektengemeinschaft, eine der Garanten für die kaum mehr mögliche Trennung (vor allem bei Kindern, Alten und Schwachen) und damit für „treue“ Mitglieder.

Auch wenn die Sprecher dieser Sekte soviel Kreide fressen, dass man um die Versorgung unserer Grundschulen bangen muss, man braucht sich nur die menschlichen Ergebnisse ihrer Aktivitäten zu betrachten, um sie als gefährliche Wölfe zu erkennen.

Mit freundlichen Grüssen
Wolfgang P. Herzog

Problem wird einfach ignoriert

Jerry R. Bergmann wurde als Zeuge Jehovas geboren, trat aus der Glaubensgemeinschaft aus und studierte Psychologie. Von ihm stammt das Buch Jehovas Zeugen und das Problem mit der seelischen Gesundheit. Es ist der führende US-Experte in Fragen zur Psychologie der Zeugen Jehovas und wurde in mehreren Gerichtsfällen als Zeuge gehört sowie Dutzende von malen als Sachverständiger zu diesem Thema gehört. Neben seiner Beratungs- u. Forschungsarbeit hat er über 100 psychisch kranke u. verstörte Zeugen Jehovas psychologisch betreut, viele von Ihnen mit schweren psychischen Funktionsstörungen, die bei manchen ein solches Ausmaß erreicht hatten dass man sie normalerweise in einer Anstalt eingewiesen hätte, wenn dem nicht die Devise der Wachturm Organisation entgegen gestanden hätte, sich auf keine psychiatrische Behandlung einzulassen. Jehovas Zeugen sind das glücklichste Volk auf Erden. Wir brauchen einen Psychiater noch weniger als sonst irgend jemand (Erwachet vom 22.05,1960 S. 27-28).

Wenn Jehovas Zeugen von Beweisen für eine hohe Anzahl psychischer Erkrankungen in ihren Reihen hören, reagieren sie darauf im allgemeinen so, dass Sie erstens Fakten leugnen, zweitens versuchen beschwichtige Gründe aufzuführen, drittens die Motive der beteiligten Wissenschaftler in Frage stellen u. viertens das Problem einfach ignorieren und nicht konkret darauf eingehen. Die letzte Reaktion ist die Häufigste und wohl die tragischste.

Vielleicht sollten die Verfasser der Leserbriefe dieses Buch einmal lesen. Aber das dürfen Sie ja nicht denn es stammt ja von einem "Abtrünnigen".

Henriette Banscher, Germersheim

Wer Familien zerstört, zerstört Demokratie

da wir den Sektenausstieg gut kennen, so möchten wir Ihnen zu dem guten Artikel gratulieren.

Es sollten viel mehr Zeitungen sich mit dieser tragischen Problematik befassen. Es ist immer noch viel zu wenig von den Hintergründen der Wachtturmgesellschaft ( WTG ) bekannt.

Ich selbst war nie eine Zeugin Jehovas, habe aber 1991 meine ganze Familie Tochter, Schwiegersohn und drei Enkelkinder an die Zeugen Jehovas verloren. Ich kenne das Gefühl, wenn man die Familie auf der Straße trifft,sie plötzlich andere Wege gehen und man dafür bestraft wird, einfach nur Bedenken über die Organisation angesprochen hat. Kritik kann eine derartige Organisation nicht vertagen, dann muß eine Trennung vollzogen werden.

Aus meiner Problematik heraus wurde dann 1995 der Verein KIDS e.V. Kinder in destruktiven Sekten gegründet. Ich hatte Ende 1994 ca. 30 Sorgerechtsstreitigkeiten auf meinem Schreibtisch.

Da ich keine Juristin bin, sah ich mich gezwungen den Verein zu gründen. Die Kinder der Zeugen Jehovas sind die eigentlichen Opfer. Im Gegensatz zu den erwachsenen Mitgliedern haben sie nicht die Spur einer Chance, dieser Struktur zu entkommen. Vielleicht hat das eine oder andere Kind Glück und seine Eltern erkennen beizeiten, welchem Schwindel sie aufgesessen sind. Sollte sich das Kind, wenn es zum Erwachsenen geworden ist, zum Ausstieg aus der Sekte entscheiden, droht ihm die völlige Isolation von allen Freunden aus der Gemeinde, ja sogar von den eigenen Eltern und Geschwistern. Aus “Vortrag RA. Zillikens“

Wir betreuen ein ganze Palette betroffener Elternteile vieler Sekten und Kulte. Allerdings verzeichnen wir nach unseren Kenntnissen die größte Familienzerstörung durch die Zeugen Jehovas.

Es wäre für unseren Staat verhängnisvoll, wenn die Zeugen Jehovas in Berlin den Status der K. d. ö. Rechts erhalten würden. Denn wer Familien zerstört, zerstört u. E. auf Dauer auch unsere Demokratie.

Jutta Birlenberg, KIDS e.V. Leverkusen

Kein lndividualist, nur ein Teil der Sekte“

Zu dem oben genannten Bericht und den Reaktionen der Zeugen Jehovas möchte ich als "Betroffene" auch einen Beitrag leisten. Vor elf Jahren wurde meine jüngere Tochter - damals 26 Jahre alt - in einer Krisensituation von Zeugen Jehovas angeworben. Aufgrund der "heiligen“ Erscheinung nach außen, hielt ich damals die Zeugen Jehovas für harmlos. Ich wurde aber gründlich eines Besseren belehrt. (... ) Meine ersten schlimmen Erfahrungen waren die Blutlehre und die Abtrünnigenlehre. (... ) Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie es wagen, ehemalige Zeugen Jehovas zu Wort kommen zu lassen. Leider haben nicht viele Zeitungen den Mut dazu, weil sie den Groll der Sekten fürchten.

Auch aus meiner Tochter haben geschulte Zeugen Jehovas ein höriges Sektenmitglied gemacht. Sie ist kein Individualist mehr, sondern nur noch ein Teil dieser Sekte, wo alle nur noch die Meinung der Wachtturmgesellschaft vertreten. Ich bin inzwischen zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Zeuge Jehovas die Bibel liest. Er würde sonst erkennen, dass die Lehren unbiblisch, unchristlich und unmenschlich sind. Da die Bibel aber nur schmückendes Beiwerk ist und die Literatur der Wachtturmgesellschaft die Hauptlektüre, erkennt das kaum ein Zeuge Jehovas. Auch die so genannten „Bibelstudien“ werden mit einem Buch der Wachtturmgesellschaft durchgeführt.(...) Es ist für mich unfassbar, dass Menschen ihren Verstand so still legen lassen und nur noch in eine Richtung denken können. Toleranz und Kompromisse werden immer nur von den anderen Menschen erwartet. (...)

Christel Kristen, Kamp-Lintfort

"Wissen fördert Toleranz." Zu diesem Wort des Präsidenten der Zeugen Jehovas, Herrn Rudtke, zum Thema „Ausstieg - Zeugen Jehovas den Rücken kehren“, in der Rheinpfalz Ausgabe von 12.07.03, sei folgendes zu sagen:

Herr Rudtke mahnt an, „dass niemand wegen seiner Religion verfolgt werden sollte - zumindest solange die Betreffenden nicht auf die Rechte anderer übergreifen“.

Was aber wenn auf die Rechte anderer übergegriffen wird?

Ich kam als Kind durch meine Eltern zu den Zeugen Jehovas und war bis zu meinem 40. Lebensjahr dabei. Ich war loyal, gehorsam und untertänig, wie man es von einer theokratischen Frau und Schwester erwartet. Man brachte mir als Kind bei, dass nur die Zeugen Jehovas die Wahrheit besitzen und alle anderen Kirchen schlecht und von Satans System seien. Sie lehrten mich, dass alle Regierungen böse sind und ein Teil des Systems Satans und dass sie in Harmagedon vernichtet werden. Ich glaubte und vertraute Ihnen und war mir ganz sicher, bei Ihnen vor Satans Welt beschützt zu sein. Ich war so davon überzeugt, dass ich mein Leben dafür gegeben hätte.

Doch dann musste ich erfahren, dass ich in einem diktatorischen Terrorregime eingesperrt war. Ich ertrug jahrelang Unterdrückung, Manipulation und Missbrauch. Als ich die Qualen nicht mehr ertragen konnte und ich sie um Beistand bat, wurde ich eiskalt und ohne jegliche Hilfe vor den „heiligen“ Toren in Selters von ihnen abserviert.

Ich glaubte immer noch an das versprochene Paradies und bat um mein Leben, meine Ehre und Würde. Doch sie haben mir das Recht auf Leben im Namen Jehovas abgesprochen. Sie sagten meinen Freunden, meiner Familie, meinem Kind, dass ich eine Hure, eine Abtrünnige und vom Teufel besessen sei und mir die völlige Vernichtung sicher. Keine Tränen, kein Bitten und Flehen half. Sie zeigten keine Barmherzigkeit, sogar mein eigenes Fleisch und Blut, einen geliebten Sohn rissen sie von mir weg.

Ja, sie haben meine Grundrechte auf Menschenwürde verletzt, da ich gewagt hatte, von dem Missbrauch zu reden, da ich gewagt hatte, an der Ehre eines in ihren Augen „heiligen Mannes“ zu rütteln. Sie zeigten keinerlei Barmherzigkeit, sondern verleumdeten und beschimpften mich und schleuderten mir Hass und Feinschaft entgegen.

Deshalb hat Herr Rudtke in einem Punkt Recht wenn er schreibt „die Medien können eine wichtige Rolle spielen, zu kritischem Denken anzuhalten“.

Ja, es ist wirklich an der Zeit, dass die Medien solche Themen aufgreifen, dass mehr „Wissen darüber verbreitet wird“, was in den Gemäuern der Zeugen Jehovas wirklich abläuft. Dass hingeschaut wird, dass nachgefragt wird, dass in Frage gestellt wird.

Dass die Menschen kritischer werden, wenn sie an den Türen Zeugen Jehovas begegnen, die ihnen mit sanfter, weicher Stimme, ordentlicher Kleidung und der Bibel unter dem Arm viele schöne Geschichten erzählen über eine paradiesische Erde, eine gerechtes, neues System und sie von ihnen geblendet darauf hereinfallen, so dass oft das ganze Leben, die Familie, die Freunde, die Erziehung der Kinder, die Hoffnungen und Träume einer Lebenslüge geopfert werden.

Es ist wirklich an der Zeit „Toleranz zu fördern“, wie Herr Rudtke schreibt. Aber Toleranz den Menschen gegenüber, die von der WTG jahrelang zum Narren gehalten und getäuscht wurden. Den Menschen, denen man die Freiheit zum Denken nahm, die man mit glatten, leeren Floskeln einer Organisation verpflichtet hat, die einem vorgab, wie man zu denken und zu handeln hätte.

In ihren Leserbriefen stellen sich Zeugen Jehovas gerne als Verfolgte dar und vergleichen sich auch heute noch mit den verfolgten Juden im dritten Reich. Nur dass sie die Menschen verfolgen, welche Ihnen den Rücken gekehrt haben, indem sie von Haus zu Haus gehen und in ihrem Predigdienst „Ausgeschlossenen“ verleumden und schlecht machen.

Nun ja, verfolgte Zeugen Jehovas gibt es auch, nur geschieht die Bespitzelung durch Leute aus den eigenen Reihen, wenn der Verdacht besteht, dass ein Zeuge oder eine Zeugin die Wachtturmregeln verletzt, zum Beispiel wer Bücher von „Ausgeschlossenen“ liest. Für Aussenstehende wäre das völlig unerheblich und uninteressant.

Umgekehrt kann man sich sehr wohl verfolgt fühlen, weil es oft recht schwierig ist, der penetranten und aufdringlichen „Missionierung“ durch Zeugen Jehovas zu entgehen.

Deshalb ein herzliches Dankeschön an die Redakteurin des Artikels und für die Möglichkeit, dadurch viele Menschen aufzuklären und aufmerksam zu machen auf Intoleranz, Diskriminierung und Missachtung der Menschenwürde.

Margarete Huber