Totalitäre Ideologien, Verschwörungstheorien und zweifelhafte Heilsversprechen

Bericht über die Teilnahme an der Jahresfachtagung 2010 der "Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus e.V." (EI) und der "ADK-Bayerische Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise e.V."

Vorbemerkung

Dies ist das Ergebnis der nachträglichen Ausarbeitung meiner persönlichen schriftlichen Aufzeichnungen während der Tagung.
Diese Zusammenstellung kann unmöglich Anspruch auf Vollständigkeit oder genaueste Wiedergabe aller Informationen erheben, die die Referenten dargeboten haben.
Eine recht ausführliche Zusammenfassung - natürlich nach meinem Verständnis - des Dargebotenen aber ist es allemal.

Bernd Galeski


Freitag, 02.07.10, 9:15 Uhr

Die "Germanische Neue Medizin"- Ideologische Hintergründe

Einem breiteren Publikum bekannt geworden ist Hamer durch einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Report München", in welchem über seine zweifelhaften Heilmethoden besonders bei Krebserkrankungen berichtet wurde, die in manchen tragischen Fällen sogar zum Tod der nicht schulmedizinisch weiterbehandelten Patienten geführt haben.

Einige der absonderlichen Lehren Hamers:

Wer ist Ryke Geerd Hamer?

Bei Wikipedia erfährt man über ihn folgendes:

Ryke Geerd Hamer wurde am 17. Mai 1935 in Mettmann geboren. Nach eigenen Angaben wuchs er in Friesland auf und machte 1953 sein Abitur in Krefeld. 1953 begann er in Tübingen an der Eberhard Karls Universität mit dem Studium der Humanmedizin und der evangelischen Theologie; 1957 legte er nach eigenen Angaben in Erlangen sein Magister in evangelischer Theologie ab. Die Approbation erfolgte am 10. April 1962, im Dezember 1963 wurde er mit der Arbeit Untersuchungen über den Einfluss des Adaptinols auf die Dunkeladaptation des gesunden Auges promoviert. 1972 legte er die Facharztprüfung zum Internisten ab.

1979, wenige Monate nach dem Tod seines Sohnes Dirk, erkrankte Hamer an Hodenkrebs. Auf eigenen Wunsch ließ sich Hamer diesen Tumor an der Uniklinik Tübingen chirurgisch entfernen. In der Folge entwickelte er seine Theorie über die Entstehung von Krebserkrankungen, die er im Oktober 1981 mit dem Titel „Das Hamer-Syndrom und die Eiserne Regel des Krebs“ an der Universität Tübingen als Habilitationsschrift einreichte. Das Habilitationsgesuch wurde jedoch nach Begutachtung aufgrund wissenschaftlicher Mängel in Form und Methodik der Arbeit abgelehnt. Hamer hat – bisher erfolglos – versucht, mit juristischen Mitteln eine erneute Überprüfung seiner Habilitationsschrift zu erwirken; der Rechtsstreit dazu dauert noch an.

Stand 2008

Von psychologischer Seite sind ihm, so Fathi, "Schwäche seiner geistigen Kräfte, Unzuverlässigkeit sowie eine psychopathologische Persönlichkeitsstruktur und mangelnde Einsichtsfähigkeit" bescheinigt worden.

Deswegen auch ist ihm vom Verwaltungsgericht Koblenz mit Urteil vom 19. Juli 1989 die Zulassung als Arzt entzogen worden.
...

Seine Theorie zur Entstehung von Krebs sei, so Hamer, im Wesentlichen auch durch Träume seines Sohnes inspiriert worden.

Sie besagt u.a.:

Laut Hamer besteht folgendes Naturgesetz:

Eine jede Krankheit ist nichts anderes als ein sinnvolles, biologisches Sonderprogramm der Natur.

Dabei will ich es belassen. Wer mehr über Hamers absonderliche, z.T. gefährliche, auf jeden Fall aber immer auch antisemitische Theorien wissen will, dem sei folgende Site empfohlen:

http://www.agpf.de/Hamer.htm

Verschwörungstheorien haben Konjunktur

Thomas Gandow, Sektenberater der Lutherisch-Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg

http://www.ekbo.sekteninformation.de/5.html

Zuerst nahm Thomas Gandow eine Korrektur hinsichtlich des von ihm beabsichtigten Themenschwerpunktes vor. Sein Thema seien nicht Verschwörungstheorien im allgemeinen, er habe vielmehr vor, über einen Aspekt im Umgang mit Sekten zu reden, der bisher wenig öffentliche Beachtung gefunden habe.

Daher habe er das Thema seiner Erörterung folgendermaßen verändert:

Wahn oder Politik? Politischer Einfluss von Kulten - Realität oder Verschwörungstheorie?

Mach es so unglaublich, dass es keiner glaubt.

Dieses Motto von Scientology im Hinblick auf deren Medienpräsenz gibt einen erschreckend unverblümten Einblick in die Art des Umgangs von Kulten bei ihren öffentlichen Verlautbarungen und Selbstdarstellungen. Diese Selbstdarstellungen und die perfekte Zusammenarbeit mit der Politik in sehr vielen Fällen waren Hauptgegenstand der Erörterung Gandows.

Gandow schilderte exemplarisch, dass so bekannte Politiker wie Richard Nixon, Bill und Hillary Clinton, aber auch Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit sich nicht zu schade waren, mit so prominenten Sektenführern oder -mitgliedern wie Mun oder Tom Cruise zusammenzuarbeiten, ihren Organisationen Steuervergünstigungen oder -befreiung zuzusichern oder sich dafür einzusetzen.

Kulte überlassen bei der Verfolgung ihrer Ziele nichts dem Zufall. So sind ihre politischen Aktivitäten mitunter beträchtlich. Sie gliedern sich in theoretische und ganz praktische Vorgehensweisen.

Die theoretischen Aktivitäten sind (nach Dr. V. Martinovich):

  1. Interpretation der Politik aus der Perspektive des Kults,
  2. Beeinflussung der Politik auf spirituellem Wege ("Kampfgebete" evangelikaler Abtreibungsgegner vor Abtreibungskliniken...),
  3. Entwicklung einer religiös-politischen Doktrin.

Die praktischen Aktivitäten:

  1. Unterstützung bestehender politischer Parteien und Regierungen,
  2. ideologische Infiltration politischer Parteien und Regierungsorganisationen,
  3. Organisierung einer neuen politischen Partei,
  4. Beeinflussung der öffentlichen Meinung
  5. Protestaktionen, Kungebungen,
  6. Destabilisierung der existierenden politischen Ordnung und revolutionäre Aktionen.

Organisationen wie Scientology, die LaRouche-Bewegung oder auch die Mun-Sekte werden auf sonderbare Weise nicht stark genug durch den Staat beaufsichtigt, so Gandow.

Dadurch können sie recht erfolgreich politische Lobbyarbeit in eigener Sache betreiben. So heißt es beispielsweise in internen Anweisungen von Scientology:

Die lebenswichtigsten Ziele, in die wir die meiste Zeit investieren müssen:

  1. Den Feind unbeliebt machen bis zu seiner völligen Vernichtung,
  2. Erlangung der Kontrolle oder Loyalität der führenden Vertreter oder Besitzer aller Nachrichtenmedien,
  3. Erlangung der Kontrolle oder Loyalität der politischen Schlüsselfiguren,
  4. Erlangung der Kontrolle oder Loyalität der Personen, die internationale Finanzströme steuern,
  5. die Gesellschaften, in denen wir operieren, generell neu beleben,
  6. eine überwältigende öffentliche Unterstützung gewinnen,
  7. alle ähnlichen Gruppen als Verbündete benutzen."

Doch auch Politiker betreiben Lobbyarbeit für Kulte.

So helfen sie beispielsweise tatkräftig beim "Positioning" dieser Gruppen.

Selbst solche Figuren, die für Massaker an ihren Anhängern verantwortlich waren, wurden in ihrer Anfangszeit durch Politiker "geadelt". Unrühmlichstes Beispiel hierfür ist Jim Jones, der Schlächter von Jamestown in Guyana, der seinerzeit bei der amerikanischen Politik anerkannt war.

Diese Lobbyarbeit von Politikern wird durch die Kulte gern erwidert und zwar durch Lobbyarbeit von Kulten für Politiker.

Für den Wahlkampf Clintons erhielten die Demokraten von Scientology 70 000 US $.

Der koreanische Sektenführer Mun setzte sich für die Contras in Nicaragua ein.

Dann gibt es politische Institutionen als Kultunterstützer.

Beispielsweise wurde durch die Intervention der CIA die Abteilung des griechischen Nachrichtendienstes, die sich mit neureligiösen Bewegungen befasst, abgeschafft und die Mitarbeiter gefeuert.

Präsident Clinton bedankte sich bei Scientology für deren "gesellschaftlich wertvolle Dienste".

Auch intervenierte er gern auf Betreiben von Tom Cruise bei den Aktivitäten seiner Außenministerin Madeleine Albright gegen Scientology.

Man kann sagen, dass es kein Verbot von Scientology in Deutschland gibt, liegt nicht zuletzt auch an einer dauerhaften Unterstützung Scientologys durch die die US-Administration.

Gandow:

"Die aggressive Lobby-Tätigkeit der Kult-Organisationen und ihrer Unterstützer richtet sich gegen das europäische Konzept von Menschenrechten und Menschenwürde und die damit verbundene Errungenschaft der institutionellen Trennung von Politik und Religion bzw. Politik und Ideologie in unseren Ländern.

Diese Trennung bedeutet: Weder darf die Religion sich staatliche, politische Funktionen anmaßen, noch darf sich der Staat als Heilsvermittler aufspielen. Der Staat ist nach europäischer Auffassung und Erfahrung nicht dazu berufen und nicht dazu geeignet, die Menschen zu erlösen; auch nicht durch die Spiritualität der globalen Märkte.

Diese Trennung von Politik und Religion, von Politik und Ideologie wollen die Kult-Organisationen und ihre Unterstützer aufheben. Dabei sind sie teils selbst ideologiegesteuert, teils zynisch, weil sie ideologisierte Menschen für die Durchsetzung ihrer politischen Ziele benötigen.

Was die Kulte interessant für die Benutzung für politische Operationen von der Desinformation bis zu praktischen Aktionen macht, ist ihre Eignung für offene und verdeckte politische Operationen.

  1. Kulte und Sekten werden nicht ernst genommen, werden belächelt; Kritik an den Organisationen kann als überzogen, hysterisch oder „abwegig“, sogar als verschwörungsgläubig abqualifiziert werden;
  2. dadurch wird die direkte Zielsetzung verdeckt;
  3. verdeckte Vorgehensweise ermöglicht Unterwanderung von Bürgergruppen und sogar staatlichen Stellen.
  4. Die Organisationen betreiben interessante Netzwerke auch in die Wissenschaft hinein und für Wissenschaftler.
  5. Weltweite detaillierte personenbezogene Datensammlungen ermöglichen die Tätigkeit als „private“ Nachrichtendienste.
  6. Besondere Visabestimmungen für religiöse Funktionäre erleichtern weltweites Agieren.
  7. Internationale Vernetzung erlaubt kaum aufklärbare finanzielle Transaktionen.

Was tun?

Kulte sind ein politisches Problem.

Sie müssen wegen ihrer politischen Wirksamkeit von den politisch Verantwortlichen und von der Zivilgesellschaft ernst genommen werden. Staatliche Stellen argumentieren, darauf angesprochen, stets, dass sie auf Grund ihrer Neutralitätspflicht nichts gegen die Kulte unternehmen könnten. Ihre Neutralitätspflicht sollte sie wenigstens dazu zwingen, auch nichts für die Kulte zu unternehmen.

Es gibt mehrere gut belegte Fälle der Zusammenarbeit von Kulten mit Politikern und politischen Institutionen. – egal ob in gutem Glauben bzw. naiv oder auf Grund von absichtlicher, z.T. verdeckter gegenseitiger Unterstützung.

Deshalb ist generelles politisches Misstrauen gegenüber Kulten durchaus angebracht. Die Organisationen und ihre Vorstellungen und Ideologien müssen deshalb öffentlich diskutiert werden.

Betroffene müssen gehört und unterstützt werden."

Nach diesen ausführlichen Informationen (, die man im übrigen in voller Länge hier nachlesen kann) ging es in der anschließenden Diskussion mit dem Auditorium um die Frage:

Cruise in Deutschland
Die einhellige Lobhudelei der Medien - zielgerichtete Kampagne oder einfach Medienhype?

Gandow sprach sich vehement für eine Kampagne der Medien aus, Teile der Zuhörerschaft votierten eindeutig dagegen.

Es bleibt spannend.


Samstag, 03.07.10

"Und Gott schuf Darwins Welt" - Das Spannungsfeld zwischen Naturwissenschaft, neuem Atheismus, Kreationismus und Intelligent Design

Dr. Hansjörg Hemminger, http://www.weltanschauungsbeauftragte.elk-wue.de/

Hemminger zeigte zunächst das Bild der sogenannten "Bonifatiuspfennige" oder auch "Wichtelgeld". Das sind versteinerte Überbleibsel (Trochiten) einer Seelilienart (Encrinus liliiformis), wie sie in Mitteleuropa vor ca. 200 Millionen Jahren vorkam. Allein der Name Bonifatiuspfennig oder Wichtelgeld zeigt, dass frühere Generationen in Unkenntnis des wahren Sachverhalts den Dingen dennoch Namen und Zuordnung verliehen, und zwar solche, die ihnen halfen, sich weiter in der Natur der Dinge und der Erscheinungen zurecht zu finden. Hemminger prägte hier den Begriff der "narrativen Naturdeutung", die aber für den Landwirt keinerlei wesentlichen Belang hatte, außer jenem, das Ding benannt zu haben. Diese narrative Naturdeutung aber verhalf den Menschen früherer Zeiten zu einer Erklärung der Welt, mit der sie eins waren, in der sie "beheimatet" waren. Man spricht hier auch von der "realsymbolischen Naturdeutung".

Erst mit der Aufklärung und hier insbesondere mit Darwins revolutionären Entdeckungen und deren wissenschaftlicher Neubewertung ging man zu einer "Objektivierung" der Naturerzählung über, man entdeckte gewissermaßen die "Vieldeutigkeit der Welt durch die Eindeutigkeit der Naturentdeckung".

Darwins Thesen in seinem Hauptwerk besagen im Wesentlichen:

Evolution vollzieht sich in sehr langen Zeiträumen durch die Veränderlichkeit der Arten in dieser langen Zeit. Alle Lebewesen haben eine gemeinsame Abstammung. Die am meisten umstrittene Theorie Darwins besagt, dass die natürliche Selektion der wichtigste Motor der Evolution war und ist.

Klar, dass Kreationisten und andere Bibelfundamentalisten mit einer solchen Naturbetrachtung nicht einverstanden sind.

Doch warum legen sie sich mit einem derart mächtigen Gegner (die Wissenschaft) an?

Dazu muss man die Zielrichtung ihres Grundanliegens verstehen. Kreationisten gehen von der Universalgeltung der Heiligen Schrift für alle Lebensbelange und alles aus, was der Mensch als geschaffenes Wesen Gottes wissen muss.

Dabei streben sie ebenfalls die Rettung des christlichen Menschenbildes als Letztbegründung für Ethik und Menschenwürde an. Als Gegensatz dazu erachten Kreationisten den "Vulgärdarwinismus" des Dritten Reiches, der allzu deutlich das Endergebnis einer streng naturwissenschaftlichen Weltdeutung zeige.

Dass Gott der Erschaffer der Welt sei, beweist sich nach Ansicht der Kreationisten aus der Tatsache, dass alle Kreatur so vollkommen durchdacht gemacht (designed) ist (der sogenannte "teleologische Gottesbeweis").

Soweit die vordergründige Argumentation.

Dahinter aber wird das Motiv für solche Weltdeutung erkennbar, gewissermaßen das "Anliegen hinter dem Anliegen":

Die Welt soll als sinnhaltige Wirklichkeit erhalten bleiben. Der Mensch soll sich in der "großen Erzählung" von Schöpfung, Sündenfall und Erlösung in der Welt wiederfinden. Dabei verneint der Kreationist die Vorstellung einer Welt als offene, grenzenlose Wirklichkeit. Er will das unauflösliche Geheimnis der Welt doch auflösen. Dahinter steckt, man sieht es klar, die Sehnsucht, dass die Welt doch Heimat bleibe.

Wo, nun, liegen die Ursprünge kreationistischen Denkens, wann fing Kreationismus als politische Strömung an?

Geschichte des Kreationismus in den USA

Die Herausgabe von Charles Darwin "On the Origin of Species by Means of Natural Selection" 1859 führte in den USA zu einer kontroversen Debatte. Solange jedoch die Evolutionslehre von den Wissenschaftlern selbst skeptisch beurteilt wurde, gab es für Theologen und die Öffentlichkeit keinen Grund zur Beunruhigung.

Die Situation änderte sich in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts.

1871 erschien Darwins "Descent of Man" und entfachte einen Sturm der Empörung und religiöser Entrüstung.

Angriffspunkte wurden der gemeinsame Ursprung aller Arten einschließlich des Menschen und die natürliche Selektion als wichtigster Anpassungsmechanismus. Ebenso energisch wurden die ziellose Entwicklung der Lebewesen und das hohe Alter der Erde bestritten.

Dabei standen vier Säulen der christlichen Dogmatik zur Debatte:

  1. der Glaube an eine seit der Schöpfung konstante Welt,
  2. der Glaube an eine, in einem einzigen Akt erschaffene Welt,
  3. der Glaube an eine von einem weisen und gütigen Gott entworfene, perfekte Welt,
  4. der Glaube an die einzigartige Stellung der Menschen innerhalb der Schöpfung.

Der Widerstand gegen den Darwinismus, durch den die Fundamentalisten die religiösen Dogmen bedroht sahen, formierte sich.

Zu Beginn der 20er Jahre startete eine landesweite Kampagne gegen die Evolutionslehre an öffentlichen Schulen. Bis zum Ende des Jahrzehnts wurden in mehr als zwanzig Bundesstaaten Gesetzentwürfe eingebracht, die sich gegen die Evolutionslehre im Unterricht wandten. In drei Staaten - Tennessee, Mississippi, Arkansas - wurde die Lehre der Evolution an der Schule verboten. In Oklahoma wurden Schulbücher mit Evolutionstexten verboten. Florida verurteilte die Evolutionslehre als ungeeignet und verderblich.

Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen war der sogenannte "Affenprozess", in welchem der Lehrer John Thomas Scopes (1901-1970) angeklagt wurde, weil er an einer öffentlichen Schule eine Theorie gelehrt hatte, die "die göttliche Erschaffung, wie sie in der Bibel steht, leugnet und die stattdessen lehre, daß die Menschheit von einer niedrigeren Tierstufe abstamme". Er wurde schuldig gesprochen und bei einem Monatsgehalt von 150,- $ zu einer Geldstrafe von 100,- $ verurteilt.

Es ging um sehr viel. Für die Bibelfundamentalisten hing ihr gesamtes Weltbild davon ab, ob der Schöpfungsbericht, wie er in der Genesis zu finden ist, wahr ist oder nicht.

Dazu konnte man in "The Fundamentals - a Testimony to the Truth" (1910-15) folgendes lesen:

Das Buch Genesis hat keine Autorität, wenn es nicht wahr ist. Wenn es nicht historisch ist, ist es nicht zuverlässig, und wenn es nicht offenbart ist, hat es keine Autorität.

Das Buch Genesis ist nicht wahr, wenn es nicht von Gott kommt. Denn wenn es nicht von Gott kommt, ist es nicht inspiriert, und wenn es nicht inspiriert ist, besitzt es für unsere Lehre keinerlei Bedeutung.

Dyson Hague Bd. 1, Kap. 14

Noch kurz zwei Zahlen:

"Attitudes of Godbelievers"
evolution - 53%,  creation - 47%

Nicht nur in christlich-fundamentalistischem Kontext ist der Kreationismus verbreitet, er treibt auch im islamischen Umfeld seine bizarren Blüten.

Bestes Beispiel hierfür ist der Atlas der Schöpfung des türkischen Langzeitkreationisten Adnan Oktar, alias Harun Yahya.

Der Atlas der Schöpfung versucht darzustellen, dass sich die heute auf der Erde lebenden Tiere und Pflanzen seit Jahrmillionen nicht verändert haben. Dazu setzt Oktar Fotos von Fossilien und heute lebenden Tieren oder Pflanzen nebeneinander. Biologen erkennen auf den ersten Blick, dass es sich nicht, wie behauptet, um dieselben Lebewesen handelt.

Wikipedia

Hier ein Zitat aus diesem Werk:

[…] Europäer, die seit ungefähr 1,5 Jahrhunderten unter dem Druck darwinistisch-materialistischer Suggestionen stehen, hatten, nachdem der Atlas der Schöpfung in Europa verteilt wurde, zum ersten Mal die Möglichkeit bekommen, die Wahrheiten offen zu sehen.

Dann wies Hemminger noch auf die beiden deutschen Kreationisten Jung und Juncker hin, deren Bücher recht große Verbreitung in der deutschen Leseschaft finden.

Hemminger machte deutlich:

Kreationisten missbrauchen wissenschaftliche Diskussionen, da sie die Details außer acht lassen. Sie sind unbelehrbar hinsichtlich wissenschaftlicher Erkenntnisse. Sie treibt keine erkenntnisorientierte, wissensvermehrende Motivation.

Kreationisten findet man als Gruppe bei den Pfingstgemeinden, den Baptisten und den evangelischen Freikirchen.

Wege und Holzwege der Sinnsuche - Vom Umgang mit der Sinnfrage in Psychoszene und Religion

Diplom-Psychologe Werner Gross gab einen Überblick über das zu behandelnde Thema.

Zuerst müsse die Frage geklärt werden:

Was macht überhaupt ein gelungenes Leben aus?

Ein wesentlicher Aspekt ist, dass die Sinnfragen des Menschen geklärt sind. Hierbei kann die Religion helfen, aber auch nichtreligiöse Weltanschauungen können eine Hilfe bei der eigenen Verortung und der Sinngebung sein.

Religionen orientieren auf unterschiedlichen Ebenen, dabei können religiöse Erfahrungen, die veränderte Bewusstseinszustände sind, ein Mittel sein.

Soweit so gut. Jedoch sind Religionen nicht nur unproblematisch. Es gibt sehr wohl gesunde Formen der Religiosität als auch krankmachende Formen der Religionen.

Zunächst aber muss die eingangs gestellte Frage beleuchtet werden:

Was gehört zu einer gesunden Identität?

Gross nannte 5 Säulen gesunder Identität:

Fehlen eine oder mehrere dieser Säulen kann das Ergebnis die Erkrankung der Psyche sein. Hier muss dann die Psychotherapie, also die Krankenbehandlung des psychisch Erkrankten einsetzen.

Dabei ergeben sich folgende Fragestellungen:

Hilfreich bei der Beantwortung dieser Fragen könnte es sein, sich die Bedürfnisse des Menschen anzusehen. Die von Maslow entwickelte Pyramide der Bedürfnishierarchie macht deutlich, worum es dabei geht:

Wie vollzieht sich nun der Reifungsprozess des Menschen hin zu einem selbstbewussten, selbstbestimmten und selbstverwirklichten Leben?

Nach Ericksen gliedert sich die Reifung des Menschen in unterschiedliche Lebensphasen mit ihren spezifischen Themen:

Bei diesem Reifeprozess durchlebt der Mensch verschiedene Stadien der Selbstbetrachtung. Hat der pubertierende Jugendliche noch starke Selbstzweifel und muss seine Rolle im Leben aber auch seine Identität für sich selbst und gegenüber anderen noch finden, geht der reife Mensch meist gefestigt durchs Leben, da er seinen Wert inzwischen kennt, weiß, was er will, aber auch, was er sicher nicht erreichen kann oder will. Entscheidend hierbei sind die "inneren Anforderungen", die sich im Lauf des Älterwerdens verändern.

Folgendes Schaubild verdeutlicht dies:

Der Mensch lernt also im Lauf der Zeit, die inneren und äußeren Anforderungen überein zu bringen, lernt, emotional kurzfristige Anforderungen besser zu beherrschen und sie mit langfristigen Anforderungen zu verbinden.

Will der Säugling noch unmittelbar seine Bedürfnisse befriedigen, nicht zuletzt auch, weil davon sein unmittelbares Überleben abhängt, lernt schon das Kleinkind, die Befriedigung seiner Bedürfnisse zeitlich zu verzögern, da es inzwischen aus Erfahrung weiß, dass keine unmittelbare Gefahr für sein Überleben droht. Der pubertierende Jugendliche lernt im weiteren Reifungsprozess, dass seine unmittelbaren Impulse nicht sogleich abgeführt werden müssen, da dies seinem Bild nach außen schaden könnte, welches ihm mindestens ebenso wichtig ist.

Der reife Mensch schließlich hat die nagenden Zweifel eines allzu starken Über-Ich sowie die Träume seines Ideal-Ich hinter sich gelassen und ist in der entspannteren Phase seines Real-Ich angelangt, in der er weder sich noch der Welt irgendetwas beweisen muss.

Bevor man diese Fragen beantwortet, ist es gut, sich dem Phänomen zunächst grundsätzlich und ganz allgemein zu nähern.

Was also ist Religion?

Die eigentliche Wortbedeutung von Religion ist: Religio (lat. Rückbindung). Man kann Religion als Beziehung des Menschen zu einer umgreifenden als heilig erachteten Macht (sei diese personal oder apersonal) definieren. Religion also als Vermittlerin von Hoffnung für den Menschen aber auch als Wissensvermittlerin für das Menschsein (Anthropologie), für die Deutung der Welt (Kosmologie) sowie als Vermittlerin von Werten (Ethos) und von Sinn.

Kirchen und Konfessionen fungieren hierbei als Institutionen kollektiven, dogmatischen Glaubens, man könne sie, so Gross, als "Seelenrettungsgeschäft" bezeichnen.

Was ist Glaube?

Gross definiert es so: Das Überzeugtsein von der Wahrheit eines Sachverhalts, ohne ihn überprüft zu haben oder ihn überprüfen zu können (innerer Altar der Gewissheit).

Was ist Religiosität?

Gross' Definition: Individuelle Glaubenserfahrung und Glaubenspraxis.

Wir haben es also bei Gläubigen mit Menschen zu tun, die von der eigenen Wahrheit überzeugt sind. Dabei spielt eine eventuell objektiv ermittelbare Wirklichkeit eine eher untergeordnete Rolle.

Wenden wir uns den beiden Begriffen noch einmal zu:

Wahrheit und Wirklichkeit

Es gibt die subjektive Wahrheitintersubjektive Wahrheiten, und es gibt die objektiven Wirklichkeiten, die objektive Wahrheit also. Objektiv in dem Sinne, dass sie bei den meisten Menschen, unabhängig davon, ob diese gläubig sind oder nicht, als wahr anerkannt werden.

Religionen agieren aber nicht auf dieser objektiven Ebene, für sie scheint zu gelten, was Hegel einst sinngemäß so formulierte:

Religionen geben sich die Definition dessen, was eine Gruppe von Menschen für wahr hält.

Hierzulande sind die meisten Gläubigen christlich orientiert.

Eine kurze Zahlenübersicht (für Deutschland) verdeutlicht dies:

  1. Christen - ca. 59 Millionen
  2. Konfessionsfreie - ca. 29 Millionen
  3. Muslime - ca. 3.5 Millionen
  4. Buddhisten - ca. 250.000
  5. Juden - ca. 200.000
  6. Hindus - ca. 90.000
  7. Sonstige - ca. 100.000

Von den Christen gehören die meisten den beiden großen Kirchen an. Viele jedoch gehören christlich orientierten Sondergemeinschaften oder Sekten an.

Wo liegen nun die Unterschiede zwischen diesen Gruppierungen, also einerseits die beiden großen Kirchen und andererseits die kleineren Glaubensgemeinschaften?

Folgende Gegenüberstellung mag die wesentlichen Unterschiede verdeutlichen:

Kirche

Sekte

Man sieht, dass die großen Kirchen ihre problematischen Seiten allein schon durch Größe weitgehend abgebaut haben, jedenfalls haben sie nicht mehr den Alleinvertretungsanspruch im Hinblick auf die Weltdeutung für das Individuum.

Sekten oder Kleinstgemeinschaften haben dagegen in erheblichen Maße noch diese sehr problematische Seite eines ungesunden Glaubens.

Während die großen Kirchen heute dem Einzelnen in seiner Suche nach Sinn eher unterstützend zur Seite stehen und durchaus Orientierung und Sinn vermitteln können - was sich am Ende durchaus vorteilhaft für das Erwachsenwerden und für eine gesunde Psyche auswirken kann - geben Sekten dem Individuum recht eingeengte Sinnorientierungen und schreiben allzu kleinlich vor, wie der Mensch seine Sinnsuche zu gestalten hat.

Fragen wie: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Wer bin ich? Was treibt mich an? Was soll ich hier? Was will ich hier? Was kann ich wissen? Was muss ich glauben? Was darf ich hoffen? werden von den Kirchen recht behutsam und individuell zugeschnitten einer Beantwortung zugeführt. Sekten hingegen beantworten diese Fragen eindeutig, ohne individuellen Zuschnitt und endgültig, "weil es so in der Bibel steht".

Während also die Kirchen aus ihrer schmerzvollen Vergangenheit die richtigen Lehren gezogen haben und bei der seelsorgerischen Betreuung des Gläubigen ergebnisoffen und nach Möglichkeit jegliches Missionieren vermeidend vorgehen, scheinen Sektenführer auf jede Frage stets die gleiche Antwort parat zu haben.

Gross verdeutlichte diesen Punkt mit folgendem Bonmot:

Jesus ist die Antwort! ... Wie war nochmal die Frage?

Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Weisheit aus dem Ursprungsland des biblischen Jesus (Judäa):

Du bist näher bei Gott, wenn du Fragen stellst als wenn du Antworten gibst.

Es scheint als ob Sekten diese Weisheit noch nicht verinnerlicht hätten.

Zum Schluss stellte Gross die berechtigte Frage:

Gibt es Sinn nur in Verbindung mit Glauben und Religiosität? Was ist, wenn Menschen nicht glauben? Wie ist eine Gesellschaft aufgestellt, in der nicht länger Kirchen oder Glaubensgemeinschaften sinnstiftende Orientierung vermitteln? Oder anders gefragt:

Was ist der Preis für die individuelle Freiheit?

Eine säkulare Gesellschaft gibt dem Einzelnen nicht vor, wie oder womit er seinem Leben Sinn verleiht. Nun muss sich jeder selbst auf seine ganz persönliche Sinnsuche begeben. Es ist nicht mehr Aufgabe der Gesellschaft, den Menschen religiös zu erziehen, weil es in ihr andere Sozialisationsbedingungen gibt.

Nun muss jeder auch mit dem Zweifel an der Richtigkeit seines Weltbildes oder seiner subjektiven Wahrnehmungen zurechtkommen.

Ein Mann mit einer Uhr hat es gut. Er kennt die Zeit. Mit zwei Uhren ist er nicht mehr sicher.

In einer säkularen Gesellschaft, in der der Staat die Sinnsuche dem Einzelnen überlässt, mag der eine diese Suche in Verbindung mit Glauben und den entsprechenden Deutern wagen. Dann mag er sich an die in den für den Glauben maßgebenden heiligen Bücher und ihre Interpreten halten, während der Nichtgläubige zu dem Ergebnis kommt, die Gottesbilder jener Schriften oder ihrer Priester seien nichts weiter als Projektionen, die dem menschlichen Geist entspringen.

Es ist eine Fähigkeit zu glauben. Wahnsinn ist die Unfähigkeit zu zweifeln.

Bayerische Gesamtstrategie zum Schutz junger Menschen vor Extremismus aus Sicht der Kinder- und Jugendhilfe

Markus Sackmann, MdL, Staatssekretär, 1. Vorsitzender der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise (ADK) e.V., Roding http://www.markus-sackmann.de/ http://www.adk-bayern.de/ war eigens nach Regenstauf gekommen, um über gelungene Projekte in Zusammenarbeit mit der Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus e. V. (EI) und der ADK-Bayern e.V. zu berichten.

Von den Aktivitäten des politischen Extremismus erfuhr die Welt am 11. September 2001 auf spektakulär dramatische Weise. Seither beschäftigt sich eine zunehmend sensibilisierte Öffentlichkeit nicht nur mit dem religiös motivierten politischen Extremismus, sondern auch wieder mit dem Extremismus der extrem Rechten und der extrem Linken in unserem Land. Auf Seiten wie http://www.innenministerium.bayern.de/ sowie http://www.bayern-gegen-rechtsextremismus.de/ wird zu beiden Seiten des politischen Extremismus Stellung genommen.

Der bayerische Staat hat es sich zur Aufgabe gemacht, Eltern bei ihrer Erziehungsarbeit zu unterstützen und junge Leute in ihrer Entwicklung zu stützen und zu fördern.

Jungen Leuten soll geholfen werden, beziehungsfähige, werteorientierte, schöpferische und verantwortungsbewusste Bürger zu werden. Sie sollen aber auch die Freiheit haben, sich gemäß ihren Talenten und Fähigkeiten zu entfalten. Da jedoch, wo die Entwicklung in die falsche Richtung läuft, sollen konsequente Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.

Die Phase des Heranwachsens ist, wie wir alle wissen, eine schwierige Zeit für alle Beteiligten, der Jugendlichen ebenso wie der Eltern. Die jungen Leute beginnen, sich vom Elternhaus zu lösen, sie orientieren sich neu und sind zuweilen stark verunsichert. In dieser Phase sind sie für Manipulationen anderer empfänglich, und Extremisten wittern hier ihre Zugriffsmöglichkeiten.

Besonders das Medium der jungen Leute, das Internet ist ein Tummelplatz für extremistische und gefährliche Inhalte aller Art, und die jungen Leute sind ob ihrer Unreife und Unerfahrenheit besonders leicht zu verführen. Neben politisch extremistischen Seelenfängern tummeln sich im Internet ganze Netzwerke Pädophiler, die eine besondere Gefahr für Kinder und Jugendliche darstellen.

Man darf, so Sackmann, guten Gewissens sagen, dass hier die staatlichen Stellen gut zusammen arbeiten. Dennoch wird darüber hinaus auch der unermüdliche Einsatz von Nichtregierungs-Organisationen und ehrenamtlich Tätigen als äußerst nützlich und hilfreich angesehen. All die dort geleistete Arbeit für das Gemeinwohl ist hoch willkommen.

Wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen, sind Elternhäuser sehr unterschiedlich. In vielen, wohl den meisten gelingt die Erziehung der Kinder und Jugendlichen hin zu verantwortungsvollen Erwachsenen sehr gut. Dennoch gibt es Elternhäuser, in denen Erziehung entweder gar nicht stattfindet oder nur sehr unzureichend. Hier ist hin und wieder ein Eingreifen staatlicher Stellen nötig. Kinder brauchen die Verlässlichkeit gefestigter Erwachsener. Wo diese bei den Eltern fehlt, greift die Betreuung staatlicher Stellen, die ausdrücklich die Betreuung der Eltern mit einschließt.

Zu den Programmen zur Stärkung und Betreuung von Familien gehört auch die Vermittlung von Medienkompetenz. In "Elterntalks" werden Lösungen angedacht. Daneben gibt es Informationsmaterial auch im Internet, beispielsweise unter Jugendschutz.net.

Bayern hat den "Jugendschutz-Staatsvertrag", der den Staat verpflichtet, Jugendschutz zu betreiben. Dies tut er u.a. auch durch die Einrichtung von Heimaufsichten in den Regionen Bayerns. Das Landesjugendamt ist zuständig für Sekten und Psychogruppen, und bis zu 1000 Sozialarbeiter sind in diesem Bereich tätig.

Dogmatik in der Esoterik

Dr. Hansjörg Hemminger zog es angesichts vorgerückter Zeit und sehr hoher Temperaturen vor, seinen Vortrag erheblich kürzer zu fassen als ursprünglich geplant. (Zustimmung durch Kopfnicken der Zuhörer)

"Ein festes weltanschauliches Gefüge kontrastiert nicht mit subjektiver Freizügigkeit. Man kann aus eigenem Antrieb individuell sehr dogmatisch sein."

Dogmatik sei nicht nur ein Phänomen in Sekten und Kulten, auch in der Esoterikszene, deren Anhänger sich als Individualisten und frei von religiöser Bevormundung wähnen, könne man diesen Hang zur dogmatischen Rechthaberei beobachten.

Dabei kann man die Esoterik durchaus als eher zeitgeschichtliches Phänomen bezeichnen, das seinen Höhepunkt in den 70er Jahren hatte. Esoteriker sind eher "mystagogisch" denn mystisch, d.h. sie gehen davon aus, dass jedermann den Weg zu den höheren Sphären beschreiten kann, wenn er nur will und sich von erfahrenen Mystikern anleiten lässt.

Denn als Mysterienschule ist die Esoterik eher am Wissen als am Erleben orientiert. Dieses Wissen ist allerdings nicht das streng wissenschaftlich und empirisch nachweisbare Wissen, sondern eher ein Ersatz dafür.

Es handelt sich um ein Wissenssystem mit grundsätzlicher Wissensfunktion und ist von praktischem Nutzen für das Leben und die Gesundheit. Dabei beruft man sich nicht auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, sondern auf die Autorität der esoterischen Wissensvermittler, der Gurus, Schamanen, Meister und Seher sowie der geistlichen Führer. Durch deren Autorität baut die Esoterik eine Wirklichkeit in psycholgischer Hinsicht und eine über den Alltag hinausreichende Welt auf, mit der man in Beziehung treten kann. Erlebnisse der "Ober- und Unterwelten" finden immer innerhalb des vorgegebenen Rahmens durch das esoterische Weltdeutungsmodell statt.

Eigenschaften des esoterischen Wissens

Es eint alle Arten des verfügbaren Wissens.

Es übt Kritik am "herkömmlichen" Wissen und am wissenschaftlich kritikfähigen Denken.

Stattdessen wird das "magische" Wissen propagiert, man fühlt sich beispielsweise gegenüber der Schulmedizin überlegen. Die New-Age-Bewegung übt explizite Kritik an der Wissenschaft.

Zudem gibt es eine Fülle medizinisch besonders wirksamer esoterischer Produkte wie beispielsweise mit Tachyonenergie angereicherte Wohlfühlkissen. Diese und ähnliche Produkte sollen helfen zur:

kurz solche esoterischen Produkte sind gegen Krankheiten, Stress und Müdigkeit, sie unterstützen die spirituelle Verbindung zu Gott.

Esoterik bedeutet also die Vereinheitlichung des Gesamtansatzes der Welterklärung. (Du bist krank? - Dein Karma ist gestört, du musst an deiner Verbindung zu den Göttern arbeiten. Diese Kräuter, Lämpchen, Öle, Kissen etc. unterstützen dich dabei.) Versprechen, die selbst die Moderne nicht einzulösen vermag, werden in Aussicht gestellt.

Manche versprechen sogar, den Tod besiegen zu können. Das dazu erforderliche universelle Wissen ist im Wochenendseminar erhältlich.

So ist Wissen am Ende gleichbedeutend mit Heilung.

Inhalt esoterischen Wissens

Man geht von einem unpersönlichen und ungeschichtlichen Gottesbild aus. Ziel der esoterischen Bemühungen ist die Entwicklung zum Guten durch Geschehnisse der Innenwelt. Am Ende steht die Unsterblichkeit des Geistes, die Reinkarnation zu immer höherem Bewusstsein. Dieses Bewusstsein steht über der Materie, das persönliche Ergehen gründet im eigenen Unterbewusstsein.

An dieser Stelle enden meine Aufzeichnungen über Hemmingers Ausführungen.


Sonntag, 04.07.10

Scientology in Deutschland und den USA: Gründe für die Unterschiede in der Wahrnehmung und im Umgang mit einer kontroversen Organisation

Dr. Matthias Fifka, Dozent für Internationale Wirtschaft und Politik an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg, Visiting Professor am Nance College for Business Administration der Cleveland State University. Matthias Fifka stellte zunächst fest, dass allein das Wort Scientology bei den Menschen in Europa und den USA höchst unterschiedliche Assoziationen weckt.

Während man in den USA recht entspannt bei Scientologen als einer Gruppe celebrities um Tom Cruise herum denkt, die ein bisschen wie Aliens wirkten, also etwas strange und mysterious erschienen, sind die Meinungen in Deutschland und dem übrigen Europa weniger entspannt. Hier denkt man bei Scientology zuerst an Begriffe wie Sekte, Gehirnwäsche, an sehr viel Geld und an psychische und emotionale Abhängigkeit.

Zunächst beleuchtete Fifka einige gesellschaftliche Aspekte des europäisch/deutschen und amerikanischen Staats- und Selbstverständnisses:

Die amerikanische Gesellschaft ist von einem starken Liberalismus geprägt.

Der amerikanische Bürger erwartet größtmöglichen Schutz bzw. Freiheit des Individuums gegenüber dem Staat.

Man propagiert und praktiziert die individuelle Selbstbestimmung und Selbstverantwortung, damit aber auch die individuelle "Schuld", wenn diese nicht gelingen.

Amerikaner glauben an die Überlegenheit ihrer Form der Demokratie gegenüber allen anderen Staatsformen; andererseits aber fürchten sie den allzu starken Staat, ja sie misstrauen den staatlichen Institutionen. Sie fürchten die gesellschaftliche Bedrohung eher durch den Staat als durch Individuen.

In Deutschland ist der Glaube an die Selbstbestimmung eher schwach ausgeprägt, hier möchte man den starken Staat, der die soziale Sicherheit garantiert.

Europäer/Deutsche sind gegenüber dem Staat weniger misstrauisch, dafür umso mehr gegenüber den Vertretern der freien Marktwirtschaft, vor deren schwarzen Schafen sie durch den Staat geschützt werden möchten.

Der Staat ist für die Schwachen da. Er garantiert deren Existenz durch Grundeinkommen, welches das Überleben sichert.

Firmen und auch Religionsgemeinschaften dagegen sollten von der Gesellschaft beobachtet werden und bei allzu unsozialem oder manipulativem Treiben durch den Staat in ihre Schranken verwiesen werden.

Laut amerikanischer Verfassung haben alle Bürger das Recht, selbst staatsfeindlichen Organisationen beizutreten.

Der 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten (Bill of Rights), ratifiziert am 15. Dezember 1791, besagt:

"Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances."

"Der Kongress darf kein Gesetz erlassen, das die Einrichtung einer Religion betrifft, die freie Religionsausübung verbietet, die Rede- oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes einschränkt, sich friedlich zu versammeln und die Regierung um die Beseitigung von Missständen zu ersuchen."

In den USA liegt also bezüglich der Religionsfreiheit die Betonung auf absoluter Nichteinmischung des Staates in die Angelegenheiten einer Religion.

Deutschland

Der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden verfügte vermittels der Formel Cuius regio, eius religio, dass ein Fürst eines Landes berechtigt ist, die Religion für dessen Bewohner vorzugeben; nicht die Bewohner selbst.

1803 wurde die Trennung von Kirche und Staat im sogenannten Reichsdeputaionshauptschluss bestimmt.

In der Weimarer Verfassung wurde diese Trennung fortgeführt und später wurde sie ins Grundgesetz übernommen. Allerdings ist die Trennung von Staat und Kirche hierzulande nicht so strikt. Konkordate und Vereinbarungen staatlicher Institutionen mit den Kirchen sind ausdrücklich festgehalten. Deutschland betrachtet die Kirchen als gesellschaftlich relevante Gruppen, die an der öffentlichen Willensbildung und am gesellschaftlichen Leben regen Anteil nehmen sollen.

Dabei garantiert das Grundgesetz die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Bürgers, sowie die Freiheit der Religion und verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund von Religionszugehörigkeit.

Rechtlicher Rahmen für Religionen

Religionsgemeinschaften in den USA dürfen keine vorwiegend kommerzielle Tätigkeit ausüben.

Sie dürfen sich nicht selbst bereichern.

Illegale Aktivitäten sind ausgeschlossen.

Es muss eine "Kirchen"lehre vorhanden sein und so etwas wie Geistliche.

Regelmäßige Veranstaltungen sind außerdem Pflicht.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, werden sie als sogenannte religious charities anerkannt und sind von der Einkommens- und Körperschaftssteuer befreit.

In Deutschland müssen Religionen wirklich nach geistigem Gehalt Glaubensgemeinschaften sein.

Sie dürfen sich als Wirtschaftsunternehmen oder Wirtschaftvereine organisieren.

Für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts gibt es geschriebene und ungeschribene Voraussetzungen und es wird im Einzelfall entschieden.

Zudem ist die Anerkennung bundeweit nicht einheitlich geregelt.

Während in den meisten Bundesländern die Anerkennung als KdöR ein rein formaler Verwaltungsakt ist, stimmt in Ländern wie Bremen und Baden-Württemberg der Souverän, also die Volksvertretung (Bürgerschaft, Landtag) darüber ab.

In den USA hat die Religionsfreiheit eine lange Tradition, sie ist historisch verankert.

Auch existiert dort die vollständige Trennung von Staat und Kirche. Auch sind alle Religionsgemeinschaften rechtlich vollkommen gleichgestellt.

In Deutschland hat die Religionsfreiheit eine vergleichsweise kurze Tradition. Auch ist die Trennung von Kirche und Staat nicht so vollständig, wie in den USA. (s. weiter oben)

In den USA gab es bis um 1830 vornehmlich protestantische Kirchen und Gemeinschaften, nach 1850 kamen dann orthodoxe Christen, Juden und asiatische Religionen hinzu.

Hierzulande war bis 1945 die Glaubenspraxis überwiegend durch die beiden großen Kirchen geprägt.

Hier einige Zahlen:

Heute gibt es in den USA ca. 1500 religiöse Gruppen, mehr als 150 davon haben mehr als 100.000 Mitglieder.

Protestanten stellen mit 51,3% die größte Religion.

Insgesamt sind in den USA mehr als 80% der Einwohner gläubig.

In Deutschland teilen sich die Gläubigen wie folgt auf (Angaben nach REMID):

In der Praxis lässt sich konstatieren:

In den USA gibt es große religiöse Vielfalt. Die Zahl kleiner religiöser Gruppen ist unüberschaubar.

Man kann sagen, dort gibt es einen reichhaltigen, bunten Markt der Überzeugungen und jeder Amerikaner sucht sich das Passende für sich aus. Vor allem aber ist nahezu jeder Amrikaner sehr religiös (siehe die Zahlen weiter oben) und misst dem Glauben hohe Bedeutung bei.

In Deutschland gibt es vergleichsweise geringe religiöse Vielfalt, dementsprechend ist die Zahl der religiösen Gemeinschaften auch deutlich kleiner.

Auch spielen Glaube und religiöse Vorstellungen oder Bindungen keine so große Rolle wie in den USA, zudem hat die Bedeutung der Religion im Alltag der Deutschen rapide abgenommen.

Die obenstehende Darstellung der Haltung der Bürger in Beziehung zu ihrem Staat und des Staates in Beziehung zu den Freiheiten seiner Bürger zeigt, dass wir es hier mit sehr konträren Kulturen zu tun haben.

Während in den USA das Misstrauen der Bürger zu ihrem Staat aus historisch gewachsenen Gründen stark ausgeprägt ist, zeigen die Europäer und hier namentlich die Deutschen ein eher starkes Vertrauen in die Institutionen des Staates und hegen starkes Misstrauen in die allzu starken egoistischen Ambitionen von Individuen oder Korporationen, wie beispielsweise großen Firmen, Kirchen oder Glaubensgemeinschaften.

Baut in Europa der Einzelne darauf, dass der Staat hilft, wenn das persönliche Geschick es nicht so gut meint, indem ein lückenloses soziales Netz zur Verfügung steht, das ihn im Bedarfsfall sicher auffängt, glaubt man in Amerika an die Selbsterhaltungskräfte und die daraus erwachsende Verpflichtung zur Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Wer es nicht schafft, sich aus eigener Kraft zu versorgen, so die weitverbreitete Meinung und das Grundverständnis, der hat sich einfach nur nicht genügend Mühe gegeben oder ist schlicht zu faul. Ein sehr krasser Unterschied in der Philosophie ganzer Erdteile.

Da der Staat sich nach Meinung der US-Bürger aus den privaten Angelegenheiten seiner Bürger tunlichst heraushalten soll, überlässt er auch die Entscheidung, zu welcher Kirche, Glaubensgemeinschft oder Psycho-Gruppe jemand geht, ganz dem Individuum. Gerät also jemand in die "Fänge" von Scharlatanen oder verliert jemand bei der Suche nach religiöser Erfüllung viel Geld, so sieht der Staat zunächst keinerlei Handlungsbedarf. Es war schließlich die freie Willensentscheidung, sich jener Gruppe anzuschließen, also trägt der Einzelne zunächst selbst die daraus entstehenden Kosequenzen.

In Deutschland erwarten die Bürger, dass der Staat solchen Gemeinschaften, die den Einzelnen materiell übervorteilen, im Zweifelsfall auf die Finger klopft, das kann im Extremfall auf das Verbot einer solchen Gruppe hinauslaufen.

Und genau in diesem Spannungsfeld der so unterschiedlichen Selbst- und Staatsverständnisse bewegen wir uns, wenn wir es mit einer in Europa derart umstrittenen Gruppe wie Scientology zu tun haben. Denn gerade am Beispiel im Umgang des Staates mit Scientology werden die Unterschiede besonders deutlich.

Umgang von Politik und Gesellschaft mit Scientology

In den USA gibt es seit 1979 keine nennenswerte innenpolitische Kontroverse.

Im Gegenteil: Exekutive und Legislative haben Scientology gegenüber dem Ausland wiederholt verteidigt.

In den 90er Jahren gab es kaum eine nennenswerte Kontroverse und nur gelegentlich kritische Berichterstattungen.

Dafür wurde Scientology durch internationale Leitmedien gegenüber Kritikern verteidigt, ja man gestattete Scientology, einen Artikel in der Times zu veröffentlichen.

Nach 2000 hat die Berichterstattung über Scientology deutlich abgenommen. Seither ist die Haltung der Gesellschaft gegenüber Scientology eher indifferent, die Politik zeigt sich neutral und scheut die Auseinandersetzung mit Scientology.

Ganz anders die Situation in Deutschland und Europa.

Hier gibt es eine intensive Auseinandersetzung mit Scientology, besonders in den 90ern. Die Politik steht mehrheitlich sehr kritisch dieser Gemeinschaft gegenüber.
Die Berichterstattung ist vorwiegend negativ. Das Bild, das die Öffentlichkeit von Scientology hat, ist sehr stark durch die Medien geprägt. 69% der befragten Deutschen sprachen sich für ein Verbot Scientologys aus. - Quelle: Die Welt, 2009

Die Politik ist in Sachen Scientology sehr aktiv.

Man setzt sich intensiv mit dieser Kirche auseinander, beobachtet sie durch den Verfassungsschutz.

Aktueller Status quo

In den USA ist Scientology als religious charity seit 1993 anerkannt.

Es gibt von seiten des Staates keinerlei Verbotsbestrebungen.

Mitgliederzahlen:

Scientology selbst gibt die Zahl der Mitglieder in Amerika mit ca. 3,5 Millionen an. (Stand 2007

Andere Quellen nennen folgende Zahlen:

bis 2001 - 55.000
bis 2008 - 25.000

Scientology bedient sich in Deutschland unterschiedlicher Rechtsformen.

Seit 1997 gibt es keine ernsthaften Bestrebungen hinsichtlich eines Verbotsverfahrens.

Mitgliederzahlen:

Scientology selbst gibt die Zahl der Mitglieder in Deutschland wie folgt an:

1995 - 12.000
1998 - bis 30.000
2004 - 12.000

Die Zahlen sind rückläufig.

Für die Zukunft ist ein weiteres Absinken der Mitgliederzahlen zu erwarten. Einige Beobachter sprechen von einer Kursänderung im Verhalten von Scientology:

Man wolle künftig weniger klagen, das in der Vergangeheit gezeigte aggressive Auftreten gegenüber Kritikern habe sich als "schlecht fürs Geschäft" erwiesen, daher wolle man davon Abstand nehmen.

Die modernen Zeiten mit ihren kaum zu kontrollierenden Informationsangeboten seien "Scientologys Vietnam" (Nordhausen und Billerbeck).

Sehr problematisch für Scientology ist folgendes:

Ausblick

Die USA streben keine Änderungen des rechtlichen Status von Scientology an.

Ein Verbot ist ausgeschlossen.

In Deutschland hat man Scientology als "Idealverein" anerkannt, die Anerkennung als KdöR sei nicht zu erwarten.

Ein Verbot wegen "verfassungsfeindlicher Bestrebungen" ist nicht wahrscheinlich.

Fifka:

Es wäre auch nicht gerechtfertigt, da Scientology zwar in Wort, nicht aber in Tat verfassungsfeindliche Gesinnungen offenbart. Für ein Verbot aber reicht eine verfassungsfeindliche Gesinnung allein nicht aus.


Nachtrag

Alles in allem war dies eine sehr informative und nützliche Fachtagung. Vieles wurde vertieft, manches Neue eröffnet, Bekanntes in neue Zusammenhänge gestellt.

Für mich war dies die erste derartige Veranstaltung und ich darf sagen:

Es hat sich gelohnt, dabei gewesen zu sein.

Ich bin mit einer Fülle neuen Materials nach Hause gefahren, habe neue Eindrücke gewinnen dürfen und nicht zuletzt wertvolle, sympathische, für ihre Sache äußerst engagierte Menschen kennenlernen dürfen, eine persönliche Bereicherung für mich.

War allein das Material der Referenten sehr informativ, so haben die vielen persönlichen Gespräche bei gutem Essen am Abend nach arbeitsreichen Tagen noch zusätzlich meinen Horizont in Sachen Sektenaufklärung enorm erweitert.

Dafür möchte ich auf diesem Wege besonders den Veranstaltern und Referenten danken, aber auch allen Teilnehmern, die kennenzulernen ich das große Vergnügen hatte.

Bernd Galeski
Vorsitzender Netzwerk Sektenausstieg e.V.