Als mich der Glaube, den ich zur Grundlage meines Lebens gemacht hatte, zu verwirren begann, neigte ich dazu, mich häufig mit den Problemen länger aufzuhalten. Es gibt in Römer 14 (Vers 5) eine Ermutigung: "Jeder Mensch sei in seinem eigenen Sinn völlig überzeugt." Ich war es nicht mehr.

Und immer weiter nachzudenken, war sinnlos, wenn ich nicht etwas unternahm. Ich faßte den Plan, genauer nachzuforschen. Wenn ich in den Publikationen der Wachtturm Bibel & Traktat-Gesellschaft genauer nachforschte, würde mich das, so erwartete ich, trösten und mir im persönlichen Studium die Antworten liefern. Als ich nachschlug, was die Gesellschaft über solche Nachforschungen geschrieben hatte, fand ich, daß das nicht immer befürwortet wurde. So hieß es im Watchtower vom 1. Juni 1967, wir brauchten keine gründlichen Nachforschungen anstellen. Die WTG habe das schon für uns getan. Das Segensreichste, was man tun könne, sei, Wachtturm oder Erwachet! oder ein neues Buch der Organisation zu lesen.

Ich habe kein neues Vertrauen zur Organisation gefunden, sondern statt dessen etwas, was mein ganzes Leben ändern könnte. Als ich über Jehovas Zeugen (ZJ) nachforschte, zwang mich der Umfang der erhaltenen Informationen, kurze Notizen über das zu verfassen, was ich entdeckte; mein Brief wird diese und weitere Informationen enthalten. Seither ist mein Verhältnis zu Jehova ein sehr persönliches, und es schließt die Gründe ein, warum ich zu suchen anfing. So schien es nur natürlich, daß ich auf die Informationen reagierte.

Wer mich kennt, weiß sicher, daß einer meiner Fehler die mangelnde Fähigkeit ist, Gedanken mündlich klar und prägnant auszudrücken. Dieses Problem wird sich zweifellos auch in dem hier Niedergeschriebenen zeigen. Wenn ich mich schlecht ausdrücken kann, dann schwächt das meine Position, doch meine Gedanken und Gefühle sind ausgeprägt, und ich hoffe, man wird sie achten. Dies ist kein Austrittsbrief. Ich habe alles niedergeschrieben, um meine Gedanken zu sortieren und mit meinen Gefühlen ins Reine zu kommen. Ich möchte diese Ausführungen mit Euch teilen, damit Ihr meine gegenwärtige Haltung versteht.

Der Schlüssel zu meinen Nachforschungen war meine große Unzufriedenheit, die als Antrieb diente. Ich hätte diese Nachforschungen vor meiner Taufe als ZJ anstellen sollen; daß ich es nicht tat, tut mir sehr leid.

In meinem Leben ereignete sich vieles, als ich anfing, nachzuforschen. Zwei Dinge werden hier angesprochen: Mein Verhältnis zu meinem Mann und den Töchtern und das Thema Gemeinschaftsentzug. Im Laufe des Studiums begann ich, mich für die Geschichte und die Widersprüche der Organisation zu interessieren. Dabei sind einige Dinge, die ich überhaupt nicht erwartet hatte.

Ich hatte das Empfinden, daß es niemanden wirklich gab, mit dem man über die immer schwieriger werdenden Probleme reden konnte. Meine Erfahrung ist gelegentlich: ZJ als Gruppe scheinen viel zu reden, aber nur weniges wird gesagt. Oft stehen bloßes Geschwätz oder Gerede im Mittelpunkt. Man kann dann, so wie ich es tue, nur weggehen. Aber damit steht man alleine. Würde ich irgend etwas Substantielles besprechen wollen, bekäme ich Kommentare zu hören wie: Bete darum, warte auf Jehova, vertraue den Ältesten. Und was man zu besprechen sucht, wird dann nur wieder der Kern neuen Geredes. Am meisten hat mich getroffen: Sei nicht so negativ. Einmal als negativ abgeschrieben, ist nichts, was man sagt, noch von Bedeutung. Bei allen, auch den Ältesten, stehen im Mittelpunkt: Verhalten und Handlungsweise statt Eigenschaften, die zu christlichem Verhalten antreiben. Dieser Von-außen-nach-innen-Ansatz statt umgekehrt machte mich innerlich leer. Es ist nicht mein Ziel, zu einem Problem für die Ältesten zu werden. Ich bin zu einer Gruppe gestoßen, wo die Ansicht vorherrscht, daß man nichts in Frage stellen kann, wenn man nicht als streitsüchtig erscheinen will. Doch ich denke, ich kann mit den Dinge nicht mehr übereinstimmen und dabei ehrlich mit mir selbst sein.

Die wichtigste Sorge in meiner Familie war das Verhältnis zu meinem Mann. Wiederholt wird das Vorbild für eine christliche Familie dargestellt. Ich bezweifle nicht, daß das die Idealvorstellung ist, aber wir konnten damit nicht klarkommen. Ich versuchte jahrelang verzweifelt, in diese WTG-Form zu passen. Wenn wir uns in diese Form pressen ließen, war es mit der Zufriedenheit und der gegenseitigen Liebe vorbei. Alan ist eine guter Mann, Ehemann und Vater. Ich arbeitete daran, in die Form für Frauen, Ehefrauen und Mütter zu passen. Ich möchte hier meine Lage erklären, nicht ihn verurteilen. Mit den Jahren wurden verschiedene Lösungen vorgeschlagen, die einen Ansturm an gefühlsmäßigem Aufruhr mit sich brachten, wenn die Bemühungen begannen, Hoffnungen aufgebaut wurden und dann wieder alles aufhörte. Die schweren Belastungen forderten in unserer Familie ihren Tribut. Das Verhältnis zwischen meinem Mann und mir verschlechterte sich bis an den Punkt, wo wir nicht mehr waren als verärgerte Zimmergenossen. Und an diesem Punkt hielt uns nicht mehr Liebe zusammen, sondern ein aufgestautes Gefühl von Verpflichtung. Ich werde dieses beunruhigende Muster nicht noch einmal von vorne beginnen.

Es passierte da vor einiger Zeit etwas, das Licht auf diesen Punkt wirft. Im Frühjahr 1996 hatte unsere Familie zwei Älteste zu einem Hirtenbesuch im Haus, den ersten seit gut über einem Jahr. Wenn bei solchen Besuchen Kinder anwesend sind, hat man als Frau Schwierigkeiten, wichtige Themen anzusprechen. Mit einigem Zögern brachte ich zur Sprache - und ich hatte beschlossen, das nicht noch einmal zu tun -, daß wir kein Familienstudium hatten. Man ging schnell über das Thema hinweg, nur ein kurzer Gedanke kam, daß dies manchmal ein Problem sei. Einer der Ältesten war es, der anfangs mit meinem Mann studiert hatte. Die letzten acht Jahre hindurch wußte er, daß viele Aspekte der Führung ein ständiges Problem waren. Der andere Älteste arbeitete regelmäßig mit meinem Mann im Predigtdienst in der Wochenmitte zusammen. Diese beiden Brüder haben Einfluß auf meinen Mann und sind ihm wichtig. Doch die Sache wurde überhaupt nicht weiterverfolgt; die einzige Änderung an diesem Abend war die in meiner Haltung.

In den Veröffentlichungen und von der Bühne herab gibt man sich viel Mühe mit Schwestern, die einen ungläubigen Mann haben; hin und wieder hat mir das weitergeholfen. Als ich in den Publikationen der Gesellschaft nachforschte, konnte ich immer noch nichts finden, das mir in meiner Situation dauerhaft weiterhelfen würde. Auf eine Antwort von Jehova zu warten, konnte in unserem Fall nicht funktionieren. Unsere Beziehung war an einem kritischen Punkt. Ich liebe meine Familie, und ich wollte nicht, daß sie in einem ständigen Aufruhr lebt. Ich weiß, daß ich mit meiner Situation nicht alleine bin, und es kann mithelfen, Familien auseinanderzureißen, wenn solch eine Situation fortbesteht. Meinen Mann einfach anzunehmen, als gäbe es kein Problem, war ein Schlag ins Gesicht. In der Versammlung trägt er Mikrofone, betet mit der Versammlung und leitet Predigtdiensttreffen. Den geistigen Bedürfnissen seiner Familie hat er nur selten Aufmerksamkeit geschenkt. Meine Bemühungen schienen nicht anerkannt zu werden. Mit den Jahren wuchs mein Groll. Ich wurde ein verbitterter, verärgerter Mensch. Ich habe mich immer noch verpflichtet gesehen, zu den Zusammenkünften zu gehen, doch ich habe immer mehr die Selbstachtung verloren, weil es mir nicht gelang, nach den mir gesteckten Zielen zu leben. Ging ich zu den Zusammenkünften, versuchte ich nicht mehr, meine Gefühle wie ein Kleidungsstück zu wechseln. Für ein Glaubensgebäude einzutreten, es zu verinnerlichen, wird unter solchen Umständen äußerst schwierig.

Noch etwas, das mich beunruhigte und Anstoß meiner Nachforschungen war: Der Gemeinschaftsentzug. Zwei Punkte überraschten mich: daß er in der Organisation jüngeren Datums ist, und die vielen Änderungen mit den Jahren in eine Richtung und dann wieder die Gegenrichtung.

Die folgenden und weitere Quellen sollen den Leser ermutigen. Mein Studium war keinesfalls komplett. Zuerst wollte ich nur meinen Glauben stärken, nicht weitere Fragen aufrufen. Jedermann muß sich die Informationen selbst aus Primärquellen wie älteren Publikationen verschaffen.

Die Lehre über den Gemeinschaftsentzug konnte ich nur schwer akzeptieren, so wurde dies einer der ursprünglichen Anstöße für meine Nachforschung. Manche Zeugen Jehovas der ersten Generation finden es vielleicht schwierig, zu verstehen, warum das Akzeptieren dieser Lehre so schwer ist. Ich kann meine Gefühle schlecht beschreiben, aber der innere Aufruhr dreht sich um die Tatsache, daß ich, als ich mehr mit den Zeugen in Verbindung kam, begann, die Gruppe als Familienganzes zu sehen. Daß ich die Religion wechselte, trug dazu bei, mich von der kleinen Zahl an Verwandten und langjährigen Freunden zu entfremden. Bereitwillig akzeptierte ich die vorausgesagte Gegnerschaft. Ich verstand nun genauer die Verwirrung und Bestürzung, die ich bei Verwandten und Freunden auslöste, als ich nach dem Wechsel meiner Religion nicht mehr ihre Nähe suchte. Ich hoffe, daß mit Ehrlichkeit einige dieser Beziehungen zu reparieren sind. Es ist zwar häufig von einer weltweiten Bruderschaft die Rede, aber dieses den Brüdern und Schwestern aus dem Weg gehen empfinde ich eher als spaltend denn als einend.

Bis zu dem Augenblick, als ich mich durch die Informationen durchkämpfte, hatte ich diese Vorstellung akzeptiert; als Grund galt für mich, daß ja das Licht immer heller wurde. Jetzt sehe ich, daß sich mit der Zeit, sogar über nur wenige Jahre hinweg, Vorstellungen hin- und auch zurückentwickeln können. Ich sah den Kontrast dieser Auffassung zum Watchtower vom 1. Dezember 1981 (deutsch: 15. Mai 1982), wo die Gesellschaft sagte, sie sei nie zu einer früheren Ansicht zurückgekehrt. Das die Ausschlußprozeduren in der Organisation so neuen Datums waren, überraschte mich. Wenn das Thema in den Ortsversammlungen angesprochen wurde, hatte ich den Eindruck erhalten, diese Vorkehrung bestehe schon seit langem.

Im Watchtower vom 1. März 1952 [Wachtturm vom 1. Mai 1952] wurden erstmals prozedurale Schritte für einen Gemeinschaftsentzug umrissen. Es wurde beschrieben, wie man einen Ausgeschlossenen behandeln sollte. Im Organisations-Buch wurde dies später bekräftigt. Es hieß, wer die Situation in der Versammlung kenne, würde eine solche Person nicht grüßen. Er sei 'in unserer Mitte' nicht willkommen, man solle ihn meiden.

Später hieß es, keiner in der Versammlung werde sich mit solch einer Person unterhalten oder sie anerkennen. Versuche ein Ausgeschlossener, sich mit anderen in der Versammlung zu unterhalten, sollten sie weggehen. So werde er seine Sünde spüren.

Wie sollte ein ausgeschlossener Ehepartner behandelt werden? Sie sollten in der Familie keine geistige Gemeinschaft haben. Wenn der Ausgeschlossene mit der Familie beten wolle, sollten die anderen kein Amen sprechen. Sie könnten für sich still zu Jehova beten.

Im Watchtower vom 1. Oktober 1955, Seite 607 [deutsch: Wachtturm, 1. Dezember 1955, Seite 735] wurde der Umgang mit einem Ausgeschlossenen zum Grund für einen getauften ZJ, selbst ausgeschlossen zu werden. Neue Vorschriften für den Gemeinschaftsentzug in den frühen 1970er Jahren hatten sexuelle Fragen, auch innerhalb der Ehe, zum Thema. Schlüssel dazu waren die Artikel im Watchtower vom 1. Januar 1972 (Seite 32), 15. Dezember 1972 (Seiten 767, 768), 15. November 1974 (Seite 704). Inzwischen wird von Ältesten nicht mehr erwartet, diese Vorschriften auf sexuellem Gebiet durchzusetzen. Zweifellos wurde während jener Zeit das Leben vieler Menschen ruiniert. Wenn man bedenkt, wie die Gesellschaft in solch privaten Bereichen ihren Einfluß geltend macht und diese früheren Brüder und Schwestern ansieht, schien der Artikel im Watchtower vom 1. August 1974 (deutsch: Wachtturm, 1.November 1974] nicht mehr auf der Höhe zu sein. Als der Artikel "Eine ausgeglichene Ansicht über Ausgeschlossene behalten" herauskam, wurde die Art, wie man Ausgeschlossene behandeln sollte, geändert.

Es gibt allerdings nichts, das beweist, daß Juden mit einer ausgeglichenen und auf die Bibel gegründeten Einstellung sich geweigert hätten, einen Menschen von den Nationen [Nichtjuden] oder einen Steuereinnehmer zu grüßen. Jesu Rat über das Grüßen hätte in Verbindung mit seiner Ermahnung, Gott in seiner unverdienten Güte gegenüber Bösen wie Guten nachzuahmen, wohl gegen eine solch starre Haltung gesprochen.

Versammlungsälteste wie auch die einzelnen Mitglieder der Versammlung sollten daher auf der Hut sein, eine ähnliche Einstellung zu entwickeln, wie einige rabbinische Schreiber sie gegen Heiden schürten, die sie praktisch als Feinde ansahen ... Wir wollen nicht wie die Pharisäer sein ... Nicht mit einer solchen Person gemeinsame Sache zu machen oder sie wie einen Heiden zu behandeln, bewahrt uns nicht davor, zumindest anständig, höflich, rücksichtsvoll und menschlich zu sein.

Doch auch in diesem Artikel mit seiner liebevollen und mitfühlenden Haltung wurden noch besondere Instruktionen gegeben, wie man sein ausgeschlossenes Kind betrachten sollte ... Wie können dann Eltern die Anordnung erfüllen, ihre Kinder in Übereinstimmung mit Gottes Wort in Zucht zu nehmen, wenn eins dieser Kinder einen Gemeinschaftsentzug hat? Sie können immer noch Gottes Wort oder andere bibelerklärende Veröffentlichungen zur Hand nehmen, um den Sohn oder die Tochter zu schulen, aber sie benutzen sie zur Korrektur, nicht um geistige Gemeinschaft mit ihnen so zu haben, wie das mit den anderen Kindern möglich ist. Wie dies zu handhaben ist, müssen die Eltern selbst entscheiden. Es ist keine Unfreundlichkeit gefordert, aber sie gewähren einem ausgeschlossenen Sohn oder der Tochter nicht dieselbe geistige Gemeinschaft wie mit anderen.

Wie viele werden, wenn sie von den eigenen Eltern so behandelt werden, sich angezogen fühlen, wieder das alte Verhältnis zu den Eltern oder der Versammlung herzustellen? Wenn jemand aus sozialen Gründen zurückkommt, welches Selbstbild hat er dann schließlich?

In den frühen 80er Jahren ging man wieder zu einem härteren Kurs über. [Im Wachtturm vom 15. Dezember 1981] hieß es in einem Artikel mit der Überschrift "Wenn einem Verwandten die Gemeinschaft entzogen wird":

Und wir wissen im Laufe der Zeit aus eigener Erfahrung, daß ein einfacher Gruß der erste Schritt zu einer Unterhaltung und vielleicht sogar zu einer Freundschaft sein kann. Möchten wir bei einem Ausgeschlossenen diesen ersten Schritt tun?

[Anmerk. des Übersetzers: Das Zitat stammt nicht aus dem angegebenen Artikel, sondern aus dem Vorartikel "Die rechte Ansicht über den Gemeinschaftsentzug", Seite 24]

Die Idee vom immer heller werdenden Licht, die ich als Änderungsgrund geglaubt und akzeptiert habe, schien ein Kurzschluß zu sein. Was mich aufbrachte und mein Vertrauen in die WTG erschütterte, war, was ich eben im Watchtower vom 1. Dezember 81 las: daß man nie auf frühere Ansichten zurückkam. Nachdem ich einmal das Gegenteil entdeckt hatte, fand ich noch mehr dergleichen. Das trieb mich an, nach weiteren Widersprüchen zu suchen. Im [Wachtturm vom 1. April 1983] wurden die Zügel wieder angezogen, mit der 'Frage von Lesern': "Wie können wir denen in unserer Versammlung helfen, die einen ausgeschlossenen Verwandten haben?" Anfangs suggeriert der Artikel, niemand könne aus einem vernünftigen Grund die Organisation verlassen, und in den Ausgeschlossenen oder Weggegangenen müsse es schlimm aussehen. Man brauchte das Beispiel:

Um zu zeigen, daß jemand, dem die Gemeinschaft entzogen worden ist, zu diesem Zeitpunkt wirklich einen schlechten Herzenszustand gehabt haben und/oder entschlossen gewesen sein muß, eine Gott entehrende Handlungsweise fortzusetzen. Petrus sagte, daß der Zustand eines solchen Menschen schlimmer ist als zu der Zeit, wo er noch kein Christ war; er gleicht 'einer gebadeten Sau, die zum Wälzen im Schlamm zurückkehrt'.

Der [Wachtturm vom 1. Juli 1984] (Anm. d. Üb.: Seite 32) unterstellt eindeutig, wer sich dazu entschließe, die Gemeinschaft zu verlassen, sei in schlechte Handlungsweisen verwickelt:

Oder es kommt gelegentlich vor, daß ein Zeuge, wie aus Johannes 6:66 zu erkennen ist, auf eigene Initiative den Weg der Wahrheit verlaßt. Vielleicht gibt er sogar seine Entscheidung bekannt, wenn das Komitee begonnen hat, seine sündige Handlungsweise zu überprüfen ... Die Ältesten brauchen dann ihre Untersuchung nicht fortzusetzen.

Der [Wachtturm vom 15. Dezember 1984] (Anm.d.Üb.: Seite 18) nannte einen weiteren Schutz für Jehovas Zeugen:

Wir sind im voraus gewarnt worden, daß es Abtrünnige und Personen geben wird, die sich gern die Ohren kitzeln lassen. Der Rat aus 2. Johannes 9-11, 1. Korinther 5:11-13 und 2. Timotheus 3:5 läßt keine Möglichkeit offen, mit denjenigen Gemeinschaft zu pflegen, die sich von der Wahrheit abwenden. Ebensowenig kaufen oder lesen wir ihre Schriften.

Zum Beweis, daß jeder, der die Gemeinschaft verläßt, sein Leben ruiniert, werden Geschichten über Personen, die gegangen sind, erzählt. In den Augen anderer ZJ hat keiner einen guten Grund, zu gehen, die Leute in der Organisation sind geschult, sie als böse zu betrachten. Dieses verzerrte Bild der Wirklichkeit, daß es außerhalb der Organisation keine guten Menschen gibt, ist meiner Meinung nach einer der Gründe, warum so viele, besonders Jugendliche, schließlich Schwierigkeiten bekommen, wenn sie gehen. Die häßliche Realität ist, daß alle Freundschaften, die man in den letzten Jahren aufgebaut hat, an Bedingungen geknüpft sind, und man hat diese Bedingungen nicht unter Kontrolle. Wenn ich nun mein Leben vor der Zeit als ZJ ansehe und die Freundschaften, die ich aufbaue oder wiederherstelle, so wird mir klar, daß es viele gute und treue Menschen außerhalb der Organisation gibt. Ich hatte wirklich angefangen, die Furcht vor allem Außenstehenden zu verinnerlichen und den Leuten, denen ich begegnete, falsche Beweggründe und manipuliert werden von Satan oder Ignoranz zu unterstellen. Dies änderte in dramatischer Weise meine frühere Persönlichkeit; auch heute fällt es mir noch schwer, anderen zu vertrauen oder mich ihnen zu öffnen.

Kürzlich wurde im Watchtower vom 15. Juni vor Gemurmel gewarnt sowie vor negativem Gerede in der Versammlung - dennoch wird uns gesagt, wir könnten Fragen stellen. Ich verstehe das so: Wir dürfen Fragen stellen, aber nur, wenn wir bereitwillig die zuerst gegebenen Antworten akzeptieren. Mir sagt die Vorstellung, gleich an die WTG zu schreiben, zu, weil ich damit nicht direkt einen Bruder konfrontieren muß. Außerdem gelingt es mir besser, Gedanken zu Papier zu bringen, als sie auszusprechen. Aber das ist gestrichen; mir wurde nämlich gesagt, die Antwort auf solche Briefe ginge nicht nur in Kopie an die örtlichen Ältesten, sondern es dauere auch Wochen, bis man eine erhielte. Seither habe ich mich wegen meines Lesestoffs und der Tatsache, daß ich unregelmäßig im Predigtdienst geworden bin, als ein Problem für die Ältesten gezeigt. Ich denke, der einzige Weg, viele der verbliebenen Fragen zu klären, ist, mit meinen Nachforschungen weiterzumachen. Ich bin mir bewußt, daß ich mich bedeckt halten muß, bis ich eine Entscheidung treffe, oder die Entscheidung wird mir aus der Hand genommen. Beim Studium habe ich weitere Dinge über die WTG entdeckt, die ich noch näher untersuchen muß. Im folgenden sind zwei meiner Fragen kurz umrissen. Als ich in älteren Publikationen nachsah, kamen immer neue Zeitpunkte und deren Änderungen zum Vorschein. Wenn die ZJ wahrhaftige Propheten wären, wie es im Watchtower vom 15. Juni 1964 heißt (Gott läßt seine Bevollmächtigten Prophezeiungen äußern), dann stände Jehova hinter allem.

Wir sollten auch daran denken, daß Jehovas Organisation die einzige Organisation in der ganzen Welt ist, die durch Jehovas heiligen Geist oder seine wirksame Kraft geleitet wird ... Nur für sie ist Gottes heiliges Wort, die Bibel, kein versiegeltes Buch.

Der Wachtturm, 1. Oktober 1973, Seiten 593f

Wer die Bibel schätzt, wird daran interessiert sein, zu erfahren, daß Gott auf der Erde ein Volk hat und daß alle, die dazugehören, Propheten oder Zeugen für Gott sind. Sie sind überall auf der Erde als Zeugen Jehovas bekannt.

Erwachet!, 8. Juni 1986, Seite 9

Wiederholt wird auch behauptet, ZJ seien die einzige wahre Religion. So wird im Watchtower vom 15. Februar 1955 gesagt, ZJ seien die einzige wahre Religion, und das zu sagen, sei keine Einbildung. Im Watchtower vom 15. Juni 1957 wird man aufgefordert auf die Stimme der WTG so zu antworten, als sei es die Stimme Gottes.

Mit diesen Gedanken und dem aus dem [Wachtturm vom 1. Dezember 1991, Seite 7] im Sinn,

Eine Religion, die Lügen lehrt, kann unmöglich wahr sein,

beabsichtige ich, Nachforschungen zu folgendem Datum anzustellen: 1975.

Ich habe diese Frage gestellt, die ursprünglich von meiner Mutter stammt, die keine Zeugin ist. Es hieß, einige Leute in der Organisation hätten auf Informationen überreagiert, die über das Ende von 6000 Jahren Menschheitsgeschichte veröffentlicht wurden. In den Publikationen sei nie gesagt worden, daß Harmagedon zu diesem Zeitpunkt käme. Ich habe diese Antwort und bei weitem zu viele andere einfach hingenommen. Im Watchtower vom 15. August 1968 hieß es dazu, vielleicht käme die Schlacht von Harmagedon dann und vielleicht handle es sich nur noch um eine Frage von Wochen oder Monaten und nicht Jahren.

Solche Änderungen, vor und zurück, fielen mir auch bei dem Begriff "ministers" und der Auferstehung der Bewohner von Sodom auf. Gibt es noch weitere?

Bei anderen Daten, die mir auffielen, muß ich auch noch weiter forschen. Darunter sind: 1874(was einmal den Beginn der unsichtbaren Gegenwart Christi markierte), 1914, 1925 (Auferstehung der Treuen der alten Zeit), 1941 (der Zweite Weltkrieg sollte mit Harmagedon enden), 1986(Internationales Friedensjahr - Ausruf von "Friede und Sicherheit"?)

Ein Kernthema bei den ZJ ist die Blutfrage. Wenn man Awake! vom 22. Juni 1982 [Erwachet! vom 22. September 1982, Seite 25ff] liest, tauchen einige Fragen auf. Ich verstand den Artikel so, daß einige Blutbestandteile wie die Präparate für Bluter und Albumin zulässig seien. Wie kann die WTG eine Grenzlinie ziehen, welche Teile erlaubt sind und wieviel? In welchem Zusammenhang steht das zum Impf- und Transplantationsverbot früherer Jahre?

Ich finde die älteren Bücher der WTG interessant, aber sie werfen auch Fragen auf. Wie kann jemand, der durch den heiligen Geist geleitet wird, jemals anscheinend törichte Gedanken hervorbringen. Wenn man den Schriftstudienband aus dem Jahre 1886 öffnet, kommen einem Zweifel an der Quelle der Informationen, wenn man ein Faltblatt mit einer Pyramide sieht. Bis 1925 äußern sich die Veröffentlichungen positiv über die Pyramidenlehre.

Ein anderes Buch, von dem ich schon seit Jahren gehört hatte, war Children [Kinder], herausgegeben im Jahre 1941. In diesem Buch wird die Rückkehr der Treuen der alten Zeit besprochen und als Grund angegeben, warum man das Heiraten zurückstellen sollte. Von Beth Sarim, gebaut für diese Männer, wird im Jahrbuch 1975 behauptet, es sei für Bruder Rutherfords Gebrauch erbaut worden. Beide Themen werden im Verkündiger-Buch kaum angesprochen. Ändert die WTG ihre eigene Geschichte? Was wird im Verkündiger-Buch noch unter den Teppich gekehrt?

An diesem Punkt war es wertvoll, nochmals die Fragen an Täuflinge durchzugehen; sie warfen ein Schlaglicht auf meine Hauptsorge, die Organisation; auch dort gab es Änderungen.

(1) Hast du erkannt, daß du in den Augen Gottes, Jehovas, ein Sünder bist, der der Rettung bedarf, und hast du vor ihm anerkannt, daß diese Rettung von ihm, dem Vater, durch seinen Sohn Jesus Christus kommt?

(2) Hast du dich aufgrund dieses Glaubens an Gott und seine Vorkehrung zur Rettung rückhaltlos Gott hingegeben, um von nun an seinen Willen zu tun, so wie er ihn dir durch Jesus Christus und die Bibel mittels der erleuchtenden Kraft des heiligen Geistes offenbart?

So standen die Tauffragen ursprünglich im [Wachtturm vom 1. September 1956, Seite 535]. Und so kann ich beide immer noch mit einem Ja beantworten. Doch im [Wachtturm vom 1. Juni 1985, Seite 30] hatten diese Fragen eine neue Form angenommen:

(1) Hast du auf der Grundlage des Opfers Jesu Christi deine Sünden bereut und dich Jehova hingegeben, um seinen Willen zu tun?

(2) Bist du dir darüber im klaren, daß du dich durch deine Hingabe und Taufe als ein Zeuge Jehovas zu erkennen gibst, der mit der vom Geist geleiteten Organisation Gottes verbunden ist?

Auch auf diese erste Frage kann ich noch mit einem Ja antworten, doch bei der zweiten weiß ich es nicht mehr so genau.

Ich denke, ich muß aus allem meine Schlußfolgerungen ziehen, aber ich kann es nicht an diesem Punkt. Hier geäußerte Besorgnisse beenden nicht meine Nachforschungen, damit beginnen sie erst. Ich bitte um Zeit. Aufgrund der Umstände (begrenzte Zeit, begrenzter Zugang zu Quellen und Probleme mit dem Sehvermögen) gestalten sich meine Nachforschungen schwierig. Ich habe vor, mich hier bedeckt zu halten, solange nichts formell gegen mich unternommen wird.