Hallo zusammen,

meine Eltern erzogen mich nach bestem Wissen und Gewissen. Ich bin ihnen dafür dankbar. Bis zu meinem 19. Lebensjahr war ich der "brave, kleine Bub" - gehorsam, zurückhaltend und loyal.

Ich war schon drei Jahre getauft und mit einigen kleinen Vorrechten "gesegnet", da lernte ich eher zufällig im Ausland eine junge Schwester kennen. Sie war zuvor ein Mal verlobt, allerdings wieder frei, nachdem ihr Ex-Verlobter angeblich finanzielle Ansprüche (Kauf einer Eigentumswohnung) gestellt hatte, die ihr Vater nicht erfüllen wollte.

Kurzum, ich sprach darüber mit meinem Vater. Er war, gelinde gesagt, nicht begeistert. Er verbot mir den Kontakt. Ein Jahr lang sah ich sie nicht, wir telefonierten nur. Eines Tages kam es zum "Knall". Daddy schmiss mich aus dem Haus (ich wohnte noch daheim) und aus der Firma (in der ich bei ihm beschäftigt war).

Ich flog ins Ausland, kehrte nach vier Wochen zurück, nachdem Freunde eine Wohnung gefunden hatten. Zwei Monate später wurde geheiratet. Knapp 2 Jahre danach gebar sie unseren Sohn. Wir hatten uns durchgekämpft und behauptet. Und erlebten schöne Jahre.

Ich wurde Dienstamtgehilfe, später auch Ältester (nochmal später Leiter der Theokratischen Predigtdienstschule und dann Sekretär), ich hielt Vorträge auf Kongressen (im Alter von nur 27 Jahren!!!).

Im 6. Ehejahr kam meine Frau von einem Heimaturlaub (wenige Tage) zurück und berichtete mir vier Tage nach der Rückkehr von einem sexuellen Mißbrauch durch ihren Schwager (in dessen Haus sie übernachtet hatte). Tränenüberströmt und schluchzend saß sie vor mir und flehte mich an, nichts der Verwandtschaft oder anderen zu erzählen. Das Rechtskomitee in ihrer Heimat befasse sich damit und sie stehe im telefonischen Kontakt mit den dortigen Brüdern.

Um sie psychisch nicht zu belasten, stellte ich nur wenige Fragen, erfüllte ihr zudem aus Rücksicht auf ihre Familie und deren Ruf ihren Wunsch. Einzigste Bedingung, die ich hatte: Keinen Kontakt mit seiner Familie (also auch nicht mit ihrer Schwester).

Daran hielt sich meine Frau vier Jahre lang.

Nach vier Jahren erhielt ich nach einem Auslandsurlaub einen Anruf von einem anderen Bruder, der mir angeberisch mitteilte, er habe sich vergnügt mit meiner Frau und wenn er nicht gebremst hätte, dann hätte er mit ihr locker schlafen können. Wenn ich ihm nicht glaube, dann erzähle mir er jetzt als Beweis eine Geschichte von vor vier Jahren: Meine Frau habe ihren eigenen Schwager "rumgekriegt".

Ich stellte sie zur Rede. Sie gestand, sich unsittlich verhalten zu haben. In beiden Fällen. Zum Geschlechtsverkehr sei es aber nicht gekommen, zumindest nicht bei ihr. Der Schwager habe zwar eine Ejakulation gehabt, beim zweiten weiß sie es nicht. Sie bestritt aber, die beiden unsittlich berührt zu haben.

Wem würdet ihr glauben?

Fakt ist, ich VERSUCHTE, meiner Frau zu glauben. Aber ich konnte es nicht. Nur zwei Monate nach dem Vorfall legte ich mein Amt als Ältester nieder - zur Enttäuschung der Versammlungsmitglieder, die mich über alles liebten. Fortan saß ich nicht mehr allabendlich vor meinen Büchern beim Ausarbeiten der Vorträge und Ansprachen, ich fuhr auch am Wochenende nicht mehr zu den Rechtskomiteeverhandlungen, in denen ich zuvor mitgewirkt hatte. Mein Leben wurde "langweilig". Und meine Enttäuschung über meine Frau und die Machtlosigkeit, dagegen vorzugehen (ihr wißt: zwei Zeugen oder Beweise!!) machten mich depressiv.

Ein halbes Jahr später wurde ich von einer Arbeitskollegin verführt (zwei Wochen E-Mail-Kontakt). Ich war damals schwer depressiv, weinte jeden Abend. Konnte meiner Frau nicht mehr in die Augen sehen. Meine heile, 12jährige EheWelt war zerstört. Ich erlag der Kollegin (ließ es dabei aber auch nicht zum Geschlechtsverkehr kommen...) und ging am gleichen Tag heim und erzählte es meiner Frau.

Ich fühlte mich dabei erleichtert, weil ich spürte, dass etwas geschehen war. Ich spürte, dass ich sie unbewußt jetzt genauso verletzt hatte, wie sie mich. Wie ein Häufchen Elend saß ich vor ihr und erzählte bis ins Detail, was am Nachmittag passiert war. Und dann, nach 10 Minuten, sagte sie: "Dann sind wir jetzt ja quit".

Diese Aussage war der "Todesstoß" für mich. In meiner inzwischen sehr lädierten psychischen Verfassung begann ich in eine Lügenwelt zu flüchten - nur damit ich von dieser Frau loskomme. Ich sagte, dass ich mit der Kollegin doch geschlafen habe.

Es gab ein Rechtskomitee. Ich sagte, dass es mir leid tue, aber dass es passiert sei. Und was macht meine Frau: "Das ist wohl die Strafe Gottes für mich, aber ich verzeih ihm". So gingen wir wieder heim - sie erstmals in der Rolle des Barmherzigen und ich ein letztes Mal dazu "überredet", es mit ihr noch einmal zu versuchen.

Es gelang nicht. 12 Jahre hatten wir nicht gestritten, aber jetzt nahezu jeden Tag. Die Vorwürfe nahmen kein Ende, dabei wußte sie ja immer noch nicht, dass ich mit der Kollegin gar nicht geschlafen hatte. Na ja.

Vier Monate später zog ich aus. Es war eine Horror-Nacht. Sie stand mit dem Küchenmesser vor der Tür, wollte mich nicht gehen lassen. Mein Sohn stand schreiend im Gang. Später rief sie mich am Handy zurück: "Dein Sohn hat sich was angetan" ... gar nichts war.

Ich zog fort. Weit fort. Ich ließ mich beruflich versetzen. Nach einigen Monaten tauchte sie vor meiner Haustüre auf, allerdings hatte sie mich zuvor am Telefon belogen ("Hast Du Lust, uns heute zu besuchen?" - dabei stand sie vor meiner Tür). Ich ließ sie nicht herein.

Sie hatte eine Freundin dabei, die gleich androhte, sie werde den Ältesten davon berichten, dass ich meine Frau "beschimpft habe". Sowas könnte ich gar nicht!!!, glaubt mir.

11 Monate nach der Trennung verlangte sie anwaltlich von mir einen Unterhalt für sie und Kind, der höher als mein Einkommen lag. Wie dumm! Jetzt musste ich mich wehren, antwortete erst selbst, dann aber über eine Anwältin. Ergebnis: ein Drittel der Forderungen hat sie bekommen und die Scheidung wurde eingereicht, um weitere Verluste zu vermeiden.

Kein Ältester, einfach niemand, rief bei mir an oder meldete sich.

Wir wurden dann geschieden. Sie wollte mit mir einen Kaffee trinken gehen. Nein danke, ich war fast "hops" gegangen und sie macht einen auf lustig.

Tja. Und, was soll ich sagen? Ich wurde ein halbes Jahr danach ausgeschlossen. Ohne dass mit mir geredet wurde. Ach so, eine SMS hab ich im Frust mal geschrieben. Auf die Bitte meiner Frau, ich solle doch endlich "zu einer Hure gehen oder sonstwo was anstellen" damit sie frei wird, schrieb ich: "Hab ich längst gemacht."

Das soll wohl der Beweis sein, dass sie auch theokratisch wieder frei ist, zu heiraten.

Übrigens: Sie ist wieder verheiratet. Mit dem Mann, mit dem sie sich zwei Monate nach unserer Trennung im Freibad umarmt und geküßt hat. Er ist zwei Mal geschieden - aber ein "ganz toller Bruder". In Unterhaltsfragen scheint er sich auszukennen. "Zu viel bezahlter Unterhalt kann nicht angerechnet werden" (sprich: Wenn Du im Januar zuviel zahlst, zahlst Du im Februar trotzdem nochmal). Sehr christlich, wirklich. Und dass ich meinen Sohn zur Adoption freigebe, wollen sie auch. Schließlich wolle der jetzt 14jährige mit seinem Vater keinen Kontakt mehr haben.

Ihr werdet Euch fragen, was aus MIR geworden ist. Tja, ich wurde auf die Menschheit losgelassen, habe mich letztes Jahr aus großer Dummheit mit einer verheirateten Frau eingelassen, die dann aber "heimgekehrt" ist. Ich fand mich selbst dabei abscheulich.

Jetzt habe ich eine neue Beziehung aufgenommen. Frei von allem und seit knapp zwei Jahren auch wieder "mit beiden Füßen auf dem Boden". Ich bin froh, dass alles rum ist. Doch Tränen laufen mir herunter, wenn ich daran denke, dass ich andere "vermählt" und wenige "beerdigt" habe. Die hatten solch ein Vertrauen in mich - und ich bin gegangen...

... weil halt keiner weiß, dass es Notwehr war. Ich wäre heute nicht mehr am Leben, wenn ich nicht gegangen wäre. Ich lebe heute trotzdem anständig und gebe mein Bestes. Aber endlich in Freiheit!