Wendet der Durchschnittszeuge die Lehre an?

Viele historische Untersuchungen über die Zeugenbewegung verzeichnen Beispiele von gewöhnlichen Zeugen, die die theokratische Kriegsführung anwenden. Damit jemand in Kanada der Zugehörigkeit zu einer illegalen Organisation überführt werden kann, braucht es urkundliche Bewiese wie eine Mitgliedskarte oder ein Geständnis. Kaplan (1988, Seite 70) fand, dass Jehovas Zeugen in Kanada „sich generell weigerten, die Zugehörigkeit [zur Wachtturm-Gesellschaft] zuzugeben“, nachdem diese verboten worden war. Dennoch wurden „fast alle Zeugen Jehovas, die beschuldigt wurden, auch überführt“ (Kaplan, 1988, Seite 72).

Jehovas Zeugen, die dabei erwischt wurden, wie sie ihre Literatur verbreiteten, versuchten oft zu behaupten, sie „hatten Pakete mit den Traktaten auf ihrer Türschwelle gefunden und entwickelten solches Interesse an dem Inhalt, dass sie sich gedrängt fühlten, den Stoff mit anderen zu teilen“ (Kaplan, 1988, Seite 75). Dieser Erklärung wurde wahrscheinlich nicht leicht geglaubt. Um Jehovas Zeugen zur Strecke zu bringen, wurden überdies oft Einzelne verhört, von denen man annahm, dass es Zeugen waren, darunter Personen, die mit einigen ihrer Ideen sympathisierten. In vielen Fällen wurde den Behauptungen von Personen, sie seien keine Zeugen, nicht geglaubt, teilweise deshalb, weil so viele Zeugen Jehovas logen, was ihre Mitgliedschaft anging, dass die Gerichten anfingen, die Aussagen aller Personen, von denen man glaubte, es seien Zeugen, mit Skepsis zu betrachten.

Die weit verbreitete Praxis, zu lügen, um die Interessen der Wachtturm-Gesellschaft zu schützen, hat heute ähnlich unglückliche Nachwirkungen – zu sehen gewöhnlich an Gerichtsfällen, besonders Sorgerechtsfällen oder bei unnatürlichem Tod im Zusammenhang mit Bluttransfusionen. Zeugen oder ihre Anwälte haben oft vor Gericht erklärt, Jehovas Zeugen hießen es nicht gut, ihre Kinder wegen Ablehnung einer Bluttransfusion sterben zu lassen (R. Reed, persönliches Gespräch [Reed war ein hochrangiger Zeuge und ist heute Anwalt], 3. März 1999).

Kotwall (1997, Seite 1) behauptet, dass „viele Zeugen Jehovas … nicht wissen, dass die Wachtturm-Gesellschaft … sie zum Lügen ermuntert.“ Um abzuschätzen, wie viele Zeugen diese Lehre kennen und wissen, wie sie angewandt wird, hat der Autor 92 Amerikaner und 39 Italiener, die meisten davon Ex-Zeugen, die freiwillig den Fragebogen ausfüllten, befragt. Die Antworten beider Gruppen waren so ähnlich, dass sie zusammengefasst wurden. Die Befragten erfuhren aus verschiedenen Anzeigen in Zeitschriften und im Internet von der Befragung. Unter den drei Seiten mit Fragen befanden sich mehrere Fragen zur „theokratischen Kriegsstrategie“. Es ergaben sich folgende Resultate:

Die nächste Frage – „Wie würden sie die theokratische Kriegsstrategie am besten beschreiben?“ – wurde wie folgt beantwortet (Die Gesamtzahl beträgt nicht 131, es waren Mehrfachantworten möglich):

Antwort Dienstamtgeh.
Mitglied
Kreisaufs.
Pionier
Ältester Aufseher
A. Nie gehört 37 7 3 0
B. Vage gehört 19 2 3 0
C. Recht vertraut damit 11 3 7 1
D. Sehr vertraut damit 7 5 7 2
E. Sehr vertraut und manchmal angewandt. 2 1 4 2
F. Sehr vertraut und oft angewandt. 0 1 6 3
  Insgesamt 74 19 30 8

Die Daten zeigen, dass die Mehrzahl der Zeugen die Lehre kennt. Sie zeigen auch eine eindeutige Beziehung zwischen dem Maß der Aktivität in der Wachtturm-Gesellschaft und dem Wissen über die Lehre. Alle früheren Kreisaufseher kannten sie, und über die Hälfte gaben zu, sie anzuwenden. Obwohl 37 Personen (28% des Samples) behaupteten, nie von der Lehre gehört zu haben, wählten nur 3 Personen (2%) die falsche Definition Antwort „A“.

Antwort Dienstamtgeh.
Mitglied
Kreisaufs.
Pionier
Ältester Aufseher
A. Die Gerichtsdefinition von Wahrheit, „man muss die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen“, muss streng befolgt werden. 3 1 0 0
B. Wir müssen die Vorschrift nicht befolgen, d.h. man kann die Wahrheit vor Personen zurückhalten, die kein Recht haben, sie zukennen. 38 10 14 4
C. Um die Interessen der Wachtturm-Gesellschaft und von Gottes Organisation zu schützen, ist es angemessen zu sagen, was die Welt als lässliche Sünden ansehen würde. 38 10 11 4
D. Man muss die Worte so gebrauchen, dass man Gottes Organisation verteidigt – auch wenn das in weltlichen Begriffen Lügen heißt 23 8 10 4

Eine Untersuchung der Fragebogen derjenigen, die behaupteten, sie würden die Lehre nicht kennen, zeigt, dass sie weitaus weniger aktiv in der Wachtturm-Gesellschaft waren – einige waren bestenfalls dem Namen nach Zeugen, die die Zusammenkünfte oft nur besuchten, weil die Familie Druck auf sie ausübte. Fromme Zeugen, die Verwaltungsämter innehatten, kannten mit einer Ausnahme die Lehre und ihre Bedeutung sehr gut (Älteste und Kreisaufseher). Die meisten (98%) wussten von der Praxis oder konnten sie definieren, aber einige Zeugen erkannten sie nicht unter dem richtigen Begriff. Einige haben sich die Lehre vielleicht immer noch unter der alten Bezeichnung „Rahab-Technik“ vorgestellt. Einige mögen den Begriff nicht gekannt haben, weil das Wort „theokratisch“ weniger oft als früher gebraucht wird, aber immer noch bekannt ist. Ein Beispiel ist das offizielle Gesangbuch Singt Jehova Loblieder (1984), das bei allen Zusammenkünften verwendet wird und 13 Lieder unter „Theokratische Kriegsführung“ aufführt