Laut Kinderrechtsorganisation „Save the Children“ lebten im Jahr 2016 rund 700 Millionen Frauen und Mädchen in einer Ehe, die sie als Kinder eingehen mussten. Trotz immer moderner werdenden Kulturkreisen wird gleichzeitig davor gewarnt, dass diese Zahl noch weiter steigen könne, wenn die Politik keine Maßnahmen ergreift. Wo Kinderehen besonders häufig vorkommen und welche Gefahr dabei von Sekten ausgeht, erfahren Sie in diesem Artikel.

Mit dem Begriff der Kinderehe ist die Verheiratung zweier Personen gemeint, wobei mindestens einer der Partner das dafür zulässige Heiratsalter noch nicht erreicht hat. Grundsätzlich kann es sich dabei sowohl um eine einvernehmlich geschlossene Ehe handeln als auch um eine Zwangsheirat, bei der die minderjährige Person unter Ausübung von Druck zum Vollzug der Ehe genötigt wurde.

Gesetzgebung in Deutschland

In Deutschland muss zunächst die Ehemündigkeit beider Partner vom Standesamt geprüft werden, bevor eine Hochzeit rechtsgültig vollzogen werden kann. Das bedeutet, dass Heiratswillige in jedem Fall mindestens 18 Jahre alt sein müssen. Bis Mitte 2017 war es unter bestimmten Voraussetzungen noch möglich, bereits mit 16 Jahren zu heiraten. Um der wachsenden Zahl von Kinderehen vorzubeugen, wurde das Mindestalter für die Ehe aber schließlich auf die Volljährigkeit angehoben.

Auch in vielen anderen Staaten ist grundsätzlich ein Mindestalter für die Eheschließung vorgesehen. Dennoch existieren vor allem diverse Kulturkreise sowie religionszugehörige Gemeinschaften, in denen das Modell der Kinderehe – und in den meisten Fällen damit einhergehend die Zwangsheirat – weiterhin regelmäßig praktiziert wird.

Kinderehen in Sekten

Viele Personen, denen es gelungen ist, sich den Zwängen einer Sekte zu entziehen, berichteten bereits von geschlossenen Kinderehen unter Nötigung. So existiert beispielsweise die Gloriavale Christian Community in Neuseeland. Für sie ist eine frühe Eheschließung nichts Ungewöhnliches, denn dort gilt ein 13-jähriges Mädchen aufgrund der körperlichen Fähigkeit, Mutter zu sein, bereits als Frau. Darüber hinaus werden Verhütungsmittel abgelehnt, sodass viele Familien zwölf oder mehr Kinder haben. Somit wächst die Gemeinschaft stetig und schnell. Wichtige Lebensentscheidungen über Beruf, Hobbies und Hochzeit trifft dabei für alle Mitglieder ein Ältestenrat aus zwölf Personen.

Auch eine Gemeinde in Amerika, die Fundamentalist Church of Jesus Christ of Latter-day Saints (FLDS), bildet eine fundamentalistische Sekte. Sie folgt ihren eigenen Gesetzen und hat sich von der Umwelt hermetisch abgeriegelt. Deren Religion erlaubt es erwachsenen Männern unter anderem, 14-jährige Mädchen zu ehelichen, nur um sie anschließend zu missbrauchen und zu misshandeln.

Die Regierung sieht bei solchen Handlungen oftmals weg. Der Polizei wird vorgeworfen, sogar selbst in die Praktiken der FLDS-Sekte verwickelt zu sein. Wenngleich sich der Anführer der mormonischen Sekte im Jahr 2007 als einer der meistgesuchten Verbrecher der USA bereits vor Gericht verantworten musste, wird solchen Zwangs- und Kinderehen daher noch lange kein Ende gesetzt sein.

Tatsächlich existiert in mehr als der Hälfte der US-Bundesstaaten kein Mindestalter für Eheschließungen. Aufgrund dessen werden minderjährige Mädchen oftmals sogar – auch außerhalb von sektenähnlichen Gemeinschaften – mit der Zustimmung der Eltern oder eines Richters mit erwachsenen Männern verheiratet, um Vergewaltigungen zu vertuschen, welche mitunter sogar von Kirchenältesten verübt werden.

Folgen früher Verheiratung

Eine derart frühe Eheschließung birgt diverse Gefahren für die Betroffenen. So geht dies meist mit einem vorzeitigen Verlassen der Schule sowie frühen Schwangerschaften einher und erhöht darüber hinaus das Risiko sexuell übertragbarer Krankheiten. Körperlicher Missbrauch kann für psychische Belastungen bis hin zum Suizid sorgen. Susanna Krüger, Geschäftsführerin von Save the Children Deutschland, spricht daher von einem sich ergebenden „Teufelskreis aus Benachteiligungen, der Mädchen die grundlegenden Rechte auf Bildung, Entwicklung und Kindsein verwehrt“[1].

Allerdings werden Kinderehen nicht nur aufgrund religiöser Ansichten durchgeführt. Auch in Krisenregionen und gefährdeten Gebieten durch Naturkatastrophen sind junge Mädchen einer frühen Verheiratung ausgesetzt. Hierbei liegt der Grund in der Armut. Zum einen muss die Familie auf diese Weise eine Person weniger ernähren, zum anderen besteht dadurch die Möglichkeit, sich die Aufenthaltserlaubnis für ein anderes Land zu sichern.

Sanktionen für Kinderehen existieren bislang noch nicht. Auch in Deutschland wurde dahingehend kein Gesetz verabschiedet. Es wurden aber mögliche Sanktionen in Form eines Bußgeldes beim illegalen Schließen von Kinderehen in Erwägung gezogen.[2]

Weitere Informationen zur Diskussion um die Kinderehe können Sie unter www.familienrecht.net/kinderehe/ nachlesen.

[1] http://www.taz.de/!5347049/ (letzter Zugriff am 27.02.2018)
[2] https://www.welt.de/politik/deutschland/article158707635/CDU-will-Kinderehen-in-Deutschland-komplett-verbieten.html (letzter Zugriff am 27.02.2018)