Kommentar zum Vortrag Analyse - Standhaft trotz Verfolgung der Berliner Religionswissenschaftlerin und Scientologin Dr. Gabriele Yonan anläßlich der Veranstaltungsreihe der Wachtturm-Gesellschaft "Geschichte und Gegenwart - Zeugen Jehovas in Deutschland".


Anläßlich der Veranstaltungsreihe der WTG mit dem Thema "Geschichte und Gegenwart – Zeugen Jehovas in Deutschland" trat auch eine Frau Dr. Gabriele Yonan auf. Sie wurde als Religionswissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin vorgestellt und hielt ein ausführliches Referat mit dem Titel "Eine Analyse der Dokumentation "Standhaft trotz Verfolgung" aus religionswissenschaftlicher Sicht", das sich von Anfang bis Ende als flammende Lobeshymmne auf die Zeugen Jehovas herausstellte.

Schon die Einleitung hörte sich wie eine Abschrift aus Publikationen der Wachtturm-Gesellschaft an (aus denen sie ihre Erkenntnisse vermutlich auch bezogen hat). Danach folgte eine detaillierte Beschreibung der in der Tat wenig rühmlichen Taten der beiden Großkirchen in Deutschland, die mit der Schlußfolgerung endete:

Insgesamt kann gesagt werden, daß der Protest der beiden großen Kirchen sich vor allem in eigener Sache artikulierte... Es ging in erster Linie um die Verteidigung institutioneller und religiöser Ansprüche der beiden Amtskirchen gegenüber dem totalitären Staat.

Die Tatsache, daß sich die WTG zur selben Zeit nicht anders verhalten hat, kommt in diesen Ausführungen nicht vor. Immerhin widmet sich Yonan in einem eigenen Kapitel ausführlich dem Brief, den die WTG vom 25. Juni 1933 an Hitler schrieb. Zum Wilmersdoprfer Kongreß, auf dem die Resolution verabschiedet wurde, auf die sich der Brief bezog, schrieb sie:

Von den 7.000 Teilnehmern wurde eine Erklärung verabschiedet, die sich gegen die falschen Beschuldigungen einer staatsgefährdenden Tätigkeit wendete und die strikte politische Neutralität der Glaubensgemeinschaft unterstrich.

Allein um Neutralität soll es dabei also gegangen sein. Auch hier beruft sich Dr. Yonan vermutlich allein auf die geschickt zurechtgebogene Geschichtsdarstellung in der WT-Literatur. Kein Wort also von den Hakenkreuzfahnen, unter denen die in Wirklichkeit 5.000 Delegierten in Wilmersdorf ihren Kongreß abhielten, wie Zeitzeugen berichten. Statt dessen Polemik gegen die Kirchen:

Von den Kirchen in Deutschland wird der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas heute der Vorwurf gemacht, daß diese Erklärung eine "Anbiederung" an Hitler und seinen NS-Staat gewesen sei, daß es darin antisemitische Äußerungen gäbe.

Daß dies unbestritten ist, nimmt Dr. Yonan schlicht und einfach nicht zur Kenntnis. Vielleicht hat sie den Originalbrief auch gar nicht zu Gesicht bekommen. Sonst wären ihr vermutlich Äußerungen aufgefallen, die eindeutiger gar nicht sein können:

Das Brooklyner Präsidium der Watch Tower-Gesellschaft ist und war seit jeher in hervorragendem Maße deutschfreundlich.

Weiter wurde auf dieser Konferenz der fünftausend Delegierten... festgestellt, daß die Bibelforscher Deutschlands für dieselben hohen ethischen Ziele und Ideale kämpfen, welche die nationale Regierung des deutschen Reiches bezüglich des Verhältnisses des Menschen zu Gott proklamiert.

Auf der Konferenz wurde festgestellt, daß in dem Verhältnis der Bibelforscher Deutschlands zur nationalen Regierung des Deutschen Reiches keinerlei Gegensätze vorliegen...

Endlich bekundete diese Konferenz der fünftausend Delegierten, daß die... Watch-Tower-Organisatioin eintritt für die ... Förderung der vorerwähnten, auf religiösem Gebiet liegenden hohen Ideale der nationalen Regierung.

Solche wirklich eindeutigen Aussagen, die noch dazu von polemischen Äußerungen gegen die "Geschäftsjuden und Katholiken" begleitet werden, kommentiert Dr. Yonan mit den Worten:

Die Auszüge und Passagen erwecken den Anschein, als würde es in erster Linie um eine Rechtfertigung, Annäherung an das NS-System und antijüdische Haltung gehen. Dies ist aber eine Verfälschung der Tatsachen. Das Dokument ist von einem säkularen Standpunkt aus Predigt und Mission an den Adressaten, den Reichskanzler Hitler selbst.

Jeder, der den Brief der WTG an Hitler in seiner vollen Länge kennt, kann an dieser Stelle eigentlich nur in schallendes Gelächter ausbrechen. Doch damit nicht genug. Frau Dr. Yonan zeigt auch in diesem Zusammenhang, daß es ihr nicht um eine realistische Darstellung der Sache geht, sondern um den verzweifelten Versuch, die Zeugen Jehovas als die einzigen christlichen Widerstandskämpfer darzustellen:

Während die mächtige universale römisch-katholische Kirche dem Diktator ihre Hand zum hochpolitischen Gentlemen-Agreement, dem Konkordat, ausgestreckt hatte, blies hier eine winzige christliche Splittergruppe auf der Trompete von Jericho und verlangte im Verkündigungsstil allen Ernstes von Hitler, sich Jehovas Willen gänzlich zu unterstellen.

Man muß sich an dieser Stelle ernsthaft die Frage stellen, ob Frau Dr. Gabriele Yonan vielleicht selbst zu den Zeugen Jehovas gehört, weil sie mit so offensichtlicher Einseitigkeit für die eigene Geschichtsdarstellung der WTG Stellung bezieht. Vielleicht war aber auch nur das Honorar für die öffentlichen Auftritte im Namen der Sekte so üppig, daß ihr dabei der Realitätssinn abhanden gekommen ist.

Doch die – vermutlich unfreiwillige – Schlußfolgerung liefert sie eigentlich selbst:

Die Logik der Zeugen Jehovas fügte sich nicht in die Logik des "gesunden Menschenverstandes", ... Es war eine "Logik des absoluten Glaubens" einer fundamentalistisch-biblischen Gemeinschaft...

Mit Logik hatte diese Analyse wirklich nicht viel gemein. Und mit wissenschaftlicher Sicht erst recht nicht. Kein Wunder, daß ein Vertreter des Informationsdienstes der Zeugen Jehovas, Michael Jahn, über den Vortrag von Frau Dr. Yonan jubilierte:

Bereits in den ersten Sätzen wurde deutlich: Dr. Yonan wird allen Sektenbeauftragen und sonstigen "Fachleuten", die gegen das Video, die Veranstaltungen und gegen Zeugen Jehovas im allgemeinen diskutieren, den "Todesstoß" versetzen – ihre Argumentation war einfach hervorragend.